Titel:
Kein Anspruch eines Nachbarn auf Baueinstellung wegen Vitalitätseinbußen eines Baumes
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1 S. 1
ZPO § 920 Abs. 2
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1
BGB § 1004 S. 1
Leitsätze:
1. Wendet sich ein Antragsteller gegen Bautätigkeiten, welche von der Baugenehmigung als beschränkter öffentlich-rechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung gerade nicht abgedeckt sind, begehrt er damit den Erlass einer Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayBO, die im Hauptsacheverfahren mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO durchzusetzen wäre, mit der im einstweiligen Rechtsschutz ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO korrespondiert. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bauaufsichtsbehörden werden dann von einem Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände absehen dürfen, wenn der Betroffene zugleich in privaten Rechten verletzt wird und sich des störenden Zustandes selbst zu erwehren vermag, vor allem dadurch, dass er die Hilfe der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Anspruch nimmt. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abgrenzung § 123 VwGO zu § 80 Abs. 5 VwGO bei bauaufsichtlichen Maßnahmen, Fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches, Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten; Ermessensreduzierung auf „null“ (verneint), Akute Beeinträchtigung der Standsicherheit eines Baumes (verneint), Vorrang des zivilgerichtlichen Schutzes; Subsidiarität der Gefahrenabwehr, Baueinstellung, Standsicherheit eines Baumes, Glaubhaftmachung, Wurzelwerk, Vitalitätseinbuße
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3667
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen die Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Erlass einer bauaufsichtlichen Maßnahme der Antragsgegnerin in Gestalt einer Baueinstellung gegenüber dem Beigeladenen.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, welches mit einer Doppelhaushälfte (…, …) bebaut ist.
3
Unmittelbar im Süden des Grundstücks grenzen das Wegegrundstück FlNr. …, sowie das Grundstück FlNr. … an, welches vormalig ebenfalls mit einer Doppelhaushälfte sowie einer Garage (…, …) bebaut war. Die Grundstücke stehen im Eigentum des Beigeladenen.
4
Auf dem Grundstück der Antragsteller befindet sich in der Nähe der südlichen Grundstücksgrenze eine Lärche, welche nach dem klägerischen Sachvortrag einen Stammumfang von 206 cm aufweist. Zwischen den Beteiligten unstrittig ist, dass ein Teil der Baumkrone sowie der Wurzeln dieser Lärche sich auf das Grundstück des Beigeladenen erstrecken.
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Der Beigeladene beantragte mit am 10. November 2020 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Formblättern die „Errichtung eines Einfamilienhauses mit Carport“ für das Grundstück FlNr. … Hierfür sei zugleich die Beseitigung des Altbestandes (Doppelhaushälfte und Garage) auf dem Grundstück beabsichtigt.
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Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juni 2021 wurde dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung erteilt (Ziffer 1). Ziffer 2 des Bescheides lautet:
„Die Genehmigung zum Rückschnitt und/oder Wurzeleingriff des (…) Baumbestandes (…) Lärche mit einem Stammumfang von 180 cm wird erteilt unter der Voraussetzung, dass das Vorhaben wie genehmigt realisiert wird. Von der Genehmigung darf erst nach Vorlage der Baubeginnsanzeige bei der Bauordnungsbehörde Gebrauch gemacht werden.“
7
Der Bescheid vom 2. Juni 2021 enthält unter anderem die folgenden Auflagen:
„4. Die während (…) der Bauphase erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes bzw. Erhalts des Baumbestandes sind durch einen Fachbetrieb für Baumpflege zu begleiten und zu bewerkstelligen. Dieser ist vor Beginn der Arbeiten beim Umweltamt (…) anzuzeigen. Des Weiteren ist ein Nachweis der durchgeführten Baumschutzmaßnahmen, insbesondere Rückschnitt, Wurzelvorhang, Überfahrschutz, Baumschutzzaun, etc., vorzulegen (…).
6. Vor Beginn der Bauarbeiten sind um alle zu erhaltenden Bäume im Baubereich standfeste Schutzzäune von mindestens 2 m Höhe aufzustellen, die den Wurzelbereich (…) umfassen, sofern es in genehmigten Plänen nicht anders festgelegt wurde. Eine Benutzung der Wurzelbereichsfläche innerhalb der Baumschutzzäume (z.B. Materiallager, Bauwagen, Bauhütten, etc.) muss ausgeschlossen sein. Die Durchführung aller Schutzmaßnahmen für die zu erhaltenden Bäume ist grundsätzlich vor Baubeginn auszuführen.
7. Bei der Ausführung der Bauarbeiten sind die Richtlinien für die Anlage von Straßen (…) sowie die DIN 18920 und die ZTV-Baumpflege einzuhalten. Die auf dem Baugrundstück und/oder Nachbargrundstück vorhandenen Bäume sind während der Bauarbeiten, soweit nichts anders festgelegt ist, gemäß o.g. Richtlinien vor Beschädigungen zu schützen (…).
Versorgungs- bzw. Entsorgungsleitungen sind so zu verlegen, dass sie nicht in den Wurzelbereich der Bäume eingreifen. Als Wurzelbereich gilt die Bodenfläche unterhalb des Kronentraufbereiches zuzüglich 1,5 m (…)
8. Beim Baumbestand Lärche mit einem Stammumfang von 180 cm ist im Bereich der Grabungskante zur Baugrube hin ein fachgerechter Wurzelvorhang von einem Fachbetrieb für Baumpflege durchzuführen. Länge und Lage des Wurzelvorhangs sowie der Abstand des Wurzelvorhangs zum Baum und zur Grabungskante sind gutachterlicher Stellungnahme (…) vom Fachbetreib … Stand 25.09.2020 zu entnehmen. (…).
10. Unterhalb der Kronentraufe der Lärche ist im Bereich des geplanten Zufahrtsweges ein Überfahrschutz zum Schutz des geschützten Wurzelbereiches zu erstellen. (…) Darauf ist eine 20-40 cm starke Schotterschicht locker (unverdichtet) aufzubringen, welche mit bodendruckmindernden Platten (…) belegt wird (…).
11. Alle Abbruch- und Abgrabungsarbeiten im Wurzelbereich des zu erhaltenen Baumbestandes sind zu minimieren sowie wurzelschonend und in Handschachtung auszuführen. Wurzeln stärker als 2 cm dürfen dabei nicht durchtrennt werden. Fundamente sind den Wurzelverläufen anzupassen. (…) Eingriffe, die die zukünftige Vitalität und Standsicherheit des Baumbestandes gefährden, sind gemäß der Baumschutzverordnung der Stadt Nürnberg unzulässig.
12. Die Zufahrten und Wegeverbindungen sind im Wurzelbereich (…) des Baumes Lärche mit einem Stammumfang von 180 cm in luft- und wasserdurchlässiger Bauweise zu erstellen (…)."
8
Der Bescheid vom 2. Juni 2021 enthält unter anderem den folgenden Hinweis:
„14. Für alle Bäume, die außerhalb des Baugrundstückes stehen und für die eine Genehmigung zur Beseitigung, zum Rückschnitt bzw. Wurzeleingriff erteilt wurde, ist zusätzlich die Zustimmung des Baumeigentümers erforderlich.“
9
Mit Schreiben vom 28. März 2023 zeigte sich die vormalige Bevollmächtigte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin an und wendete ein, dass ohne die erforderliche Zustimmung der Antragsteller Rückschnitte an der Krone und Grabungen im Wurzelbereich der Lärche vorgenommen worden seien. Mit weiterem Schreiben vom 31. März 2023 wurde vorgetragen, dass nunmehr mit der Beseitigung des Altbestandes (Doppelhaushälfte und Garage) begonnen worden sei und die klägerische Lärche hierdurch gefährdet werde. In beiden Schreiben wurde die Anordnung einer Baueinstellung durch die Antragsgegnerin gefordert.
10
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2023 wurde der vormaligen Bevollmächtigten der Antragsteller mitgeteilt, dass dem Begehren auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht nachgekommen werde.
11
Zugleich ersuchten die Antragsteller zivilgerichtlichen Rechtschutz. Mit Endurteil vom 13. Juni 2023 entschied das Landgericht … für die hiesigen Antragsteller und dortigen Verfügungskläger gegenüber dem hiesigen Beigeladenen und dortigen Verfügungsbeklagten:
„1. Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, jegliche Eingriffe an und in die Lärche der Verfügungskläger (…) durch Wurzelkappung oder Rückschnitt auf dem Grundstück … und … (…) ohne Zustimmung der Verfügungskläger zu unterlassen.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 wird dem Verfügungsbeklagten die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft (…) angedroht. (…)“
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Mit am 22. Juni 2023 bei Gericht eingegangener Klage begehrten die Antragsteller die Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2023, mit welchem ein klägerseitiger Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt wurde. Zugleich begehrten die Antragsteller, dass die Antragsgegnerin die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 2. Juni 2021 erteilte Baugenehmigung zurücknehme. Das entsprechende Hauptsacheverfahren wird unter dem gerichtlichen Az. AN 9 K 23.1277 geführt.
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Mit Schreiben der Antragsteller vom 5. Dezember 2023 wurde gegenüber der Antragsgegnerin erneut der Erlass einer Baueinstellung beantragt. Die Antragsgegnerin lehnte ein Einschreiten mit Bescheid vom 18. Dezember 2023 erneut ab.
14
Die Antragsteller stellten am 12. Januar 2024 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zum unverzüglichen Erlass einer Baueinstellung gegenüber dem Beigeladenen zu verpflichten.
15
Zur Begründung des Anordnungsanspruchs wird im Wesentlichen angeführt, dass die Bautätigkeit des Beigeladenen die Antragsteller in ihrem Eigentum verletze. Das Ermessen der Antragsgegnerin hinsichtlich des Erlasses der Baueinstellungsverfügung sei auf Null reduziert. Es liege eine besondere Intensität der Störung durch die Bautätigkeit des Beigeladenen vor, da insbesondere die Standfestigkeit der Lärche gefährdet sei. Hierdurch werde nicht nur der Bestand des Baumes selbst, sondern insbesondere Leib und Leben aller sich im Umfeld befindlichen Personen erheblich gefährdet. Um ein Umstürzen des Baumes zu verhindern, seien die Auflagen in der Baugenehmigung erlassen worden, welche vonseiten des Beigeladenen nun missachtet werden würden.
16
Zur Substantiierung des Vortrags legen die Antragsteller unter anderem vor:
- Gutachten des Unternehmens … vom 29. Juli 2022.
- Gutachten des Unternehmens … vom 27. November 2023.
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Hinsichtlich des Inhalts der Gutachten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
18
Hinsichtlich des Anordnungsgrunds wird vorgetragen, dass Eilbedürftigkeit gegeben sei, da die Standfestigkeit des Baumes bei weiter anhaltenden Baumaßnahmen massiv gefährdet werde.
19
Die Antragsteller beantragen,
Die Antragsgegnerin wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18.12.2023 verpflichtet gegen den Beigeladenen einzuschreiten und hat anzuordnen, dass die Bauarbeiten auf dem Grundstück in der … in … unverzüglich eingestellt werden.
20
Die Antragsgegnerin beantragt,
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Zur Begründung wird vorgetragen, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Soweit klägerseits angeführt werde, dass bei den Arbeiten im Wurzelbereich drei Starkwurzeln gekappt worden seien, sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass dies zu einer akuten Gefahr für die Standfestigkeit der Lärche geführt habe. Weitere Wurzeleingriffe hätten nach Auskunft der unteren Naturschutzbehörde nicht stattgefunden. Auch die weiteren klägerseitig vorgetragenen Argumente könnten nicht verfangen. Zudem bestehe auch kein Anordnungsgrund. Denn die Standsicherheit der Lärche, ein im Verantwortungsbereich der Antragsteller vorgeschädigter Baum, sei durch die Bautätigkeit nicht gefährdet. Vielmehr unternehme der Beigeladene alle zumutbaren Anstrengungen zum Erhalt der Lärche. Die bei einer etwaigen Baueinstellung für den Beigeladenen entstehenden Kosten wären erheblich.
22
Zur Substantiierung des Vortrags legt die Antragsgegnerin unter anderem vor:
- Protokoll der ökologischen Baubegleitung des Unternehmens … vom 1. Dezember 2023.
- Vermerk der unteren Naturschutzbehörde vom 3. Januar 2024.
23
Hinsichtlich des Inhalts der Unterlagen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
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Der Beigeladene beantragt sinngemäß,
25
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass bei den Bautätigkeiten des Beigeladenen sämtliche Maßnahmen zum Schutz der Lärche und deren Wurzelwerk fachgerecht durchgeführt worden seien. Der Beigeladene würde daher nicht gegen die Auflagen der Baugenehmigung verstoßen, weshalb auch kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften vorliege.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten (auch AN 9 K 23.1277) verwiesen.
27
Streitgegenständlich ist der Antrag auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung gegen den Beigeladenen wegen der Bautätigkeiten auf dem Grundstück … in … Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der Antrag war mithin abzulehnen.
28
1. Der Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Form der Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer Baueinstellungsverfügung ist zulässig.
29
Der Antrag ist insbesondere in Abgrenzung zu einem Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO statthaft.
30
Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO haben die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO im Grundsatz zwar Vorrang vor einem Antrag nach § 123 VwGO. Allerdings wenden sich die Antragsteller vorliegend nicht gegen die Baugenehmigung eines Dritten und begehren deren gerichtliche Aufhebung. Stattdessen wird klägerseitig vorgetragen, dass der Beigeladene bei der Ausübung der Bautätigkeiten die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen zum Baumschutz bewusst missachten würde. Nach dem Vortrag der Antragsteller führt der Beigeladene damit Bautätigkeiten aus, welche von der Baugenehmigung als beschränkter öffentlich-rechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung gerade nicht abgedeckt sind.
31
Die Antragsteller begehren damit den Erlass einer Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO gerade für Bautätigkeiten des Beigeladenen, welche von der Legalisierungswirkung der Baugenehmigung nicht erfasst werden. Ein solches Begehren wäre im Hauptsacheverfahren mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO durchzusetzen, mit der im einstweiligen Rechtsschutz ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO korrespondiert.
32
2. Der Antrag ist unbegründet, da ein Anordnungsanspruch aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht glaubhaft gemacht wurde, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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a) Die Anordnung der Einstellung von Bauarbeiten nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO setzt zum einen voraus, dass Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften kann sich sowohl aus formellen als auch aus materiellen Rechtsverstößen ergeben (VGH München, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.672 – beck-online Rn. 8).
34
Ein Anspruch des Antragstellers als Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten folgt jedoch nicht aus jedem erdenklichen Rechtsverstoß. Vielmehr muss die verletzte Norm nachbarschützenden Charakter haben (Busse/Kraus/Decker, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 75 Rn. 146).
35
Aus dem Wortlaut der Vorschrift des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ergibt sich zudem, dass die Bauaufsichtsbehörde nicht verpflichtet ist, eine Baueinstellung anzuordnen, sondern, dass sie nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen berechtigt ist, eine derartige Anordnung zu treffen. Der Nachbar hat bei einer etwaigen Verletzung drittschützender Rechte nur einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich des Einschreitens. Ein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Einstellung der Bautätigkeiten besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn jede andere Entscheidung als der Erlass einer Baueinstellung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre, d.h. wenn das Ermessen der Behörde aufgrund der Umstände des Einzelfalles auf „Null“ reduziert wäre (VG Würzburg, B.v. 28.9.2011 – W 5 E 11.651 – juris Rn. 36). Eine Ermessensreduzierung zugunsten eines in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffenen Nachbarn kommt nur bei besonders qualifizierten Beeinträchtigungen der nachbarlichen Rechtsstellung in Betracht, namentlich dann, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (VGH München, B.v. 18.6.2008 – 9 ZB 07.497 – beck-online Rn. 4)
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Nichts Anderes gilt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO. Auch hier kommt ein Anspruch des Nachbarn nur bei einer Ermessensreduzierung auf „Null“ in Betracht, welche nur bei besonders qualifizierten Beeinträchtigungen von Nachbarrechten angenommen werden kann (VGH München, B.v. 25.10.2001 – 26 ZE 01.1893 – juris Rn. 6; OVG Lüneburg, B.v. 22.10.2008 – 1 ME 134/08 – juris Rn. 11 ff.; a.A. VG München, U.v. 27.9.2022 – M 1 K 19.81 – juris Rn. 34: für den Fall eines Freistellungsverfahrens nach Art. 58 BayBO).
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b) Die Antragsteller konnten eine drohende Verletzung ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht glaubhaft machen.
38
Die Antragstellerseite konnte nicht in substantiierter Weise aufzeigen, dass die Standsicherheit der Lärche durch die weiteren Bautätigkeiten des Beigeladenen derart akut beeinträchtigt wird, dass der Baum umzustürzen droht.
39
Eine Behauptung ist dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH, B.v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03 – NJW 2003, 3558; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.2.2017 – 5 L 279/17 – beck-online Rn. 8). Nach dem Dafürhalten der Kammer spricht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei Fortführung der Bautätigkeiten ein Umstürzen der Lärche akut drohen könnte.
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Der Antragstellerseite ist es bereits nicht gelungen, konkret anstehende Baumaßnahmen des Beigeladenen aufzuzeigen, welche in absehbarer Zeit zu einer akuten Gefährdung der Standsicherheit der Lärche führen könnten.
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Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass ausweislich der Lichtbilder vom 15. und 16. November 2023 (Gutachten des Unternehmens … vom 27. November 2023; Protokoll der ökologischen Baubegleitung des Unternehmens … vom 1. Dezember 2023) wohl bereits ein Großteil der Tiefbauarbeiten auf dem Grundstück des Beigeladenen durchgeführt worden ist und auch ein Befahren der relevanten Grundstücksbereiche mit Baumaschinen bereits stattgefunden hat.
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Auch angesichts des Vortrags der Antragsteller im Einzelnen konnte sich die Kammer keine Überzeugung dahingehend bilden, dass die Standfestigkeit der Lärche bei einer Fortführung der Bautätigkeiten akut gefährdet wäre:
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aa) Die Antragsteller führen aus, dass sämtliche Bautätigkeiten an den Wurzeln der Lärche den Baum nachweislich schädigen würden. Der Beigeladene habe insbesondere drei Starkwurzeln gekappt und eine weitere Starkwurzel außerhalb des Baumschutzzaunes freigelegt.
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Die Antragsteller konnten nicht glaubhaft machen, dass diese Maßnahmen des Beigeladenen zu einer akuten Gefahr für die Standfestigkeit der Lärche geführt hätten.
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Für die Substantiierung ihres Vortrags verweisen die Antragsteller unter anderem auf das Gutachten des Unternehmens … vom 27. November 2023, in welchem wie folgt ausgeführt wird (Seiten 8 und 9):
„Bezugnehmend auf das Gutachten vom 29.07.2022 (…) wird ersichtlich, dass die getätigten Baumaßnahmen zu weiteren Eingriffen in den geschützten Wurzelbereich des Baumes geführt haben (…).
In Richtung Süd-West, also im Bereich der ehemaligen Garage wurde die Starkwurzel sondiert, welche bei keiner der angelegten Wurzelsuchgräben festgestellt worden ist. Der Bereich der freigelegten Wurzel wurde nach Verfüllen mit Baumaschinen befahren, was gemäß den gängigen Regelwerken zu Schäden bis hin zum Absterben der Wurzeln durch Bodenverdichtung führen kann. Anhand der Vor-Ort-Termine und den übermittelten Fotos der Auftraggeber wurde nicht ersichtlich, dass eine Wurzelbrücke zum Schutz des Wurzelraums, wie in der Stellungnahme der Fa. … vorgesehen, angelegt wurde (…).
Die beschriebenen Faktoren, welche zu weiteren Schädigungen im Wurzelbereich des Baumes geführt haben, lassen Zweifel an der Standsicherheit des Baumes aufkommen. (…)“
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Die Antragsgegnerin hält diesen Ausführungen das Gutachten des Unternehmens … vom 16. Februar 2023 entgegen, in welchem wie folgt ausgeführt wird (Seite 7):
„Es wurden – wie auch schon bei den vorhergehenden Grabungen – 3 Starkwurzeln vorgefunden, welche aufgrund des Abstandes zum Stammfuß und des Wurzelverlaufes statisch nicht relevant sind (oft abknickender, verschwenkender Wurzelverlauf). Vielmehr handelt es sich dabei um für den Wasser- und Nährstofftransport wirksame Versorgungswurzeln. Nach fachlicher Abschätzung können die drei Wurzeln an der Grubenkante fachgerecht durchtrennt, versorgt und versiegelt werden. Die vorliegende Grobwurzel kann erhalten bleiben. Der Baum ist lediglich über den Zeitraum der Baumaßnahme in regelmäßigen Abständen, vor allem jedoch bei anhaltender Dürre, auf Anzeichen von Austrocknung von Fachpersonal in Augenschein zu nehmen. Ggfs. ist der Baum regelmäßig zu bewässern.“
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Das Gericht folgt den schlüssigen Ausführungen des Gutachtens des Unternehmens … vom 16. Februar 2023, welches eine nennenswerte Beeinträchtigung der Standfestigkeit der Lärche durch das Kappen der drei Starkwurzeln verneint.
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Das vonseiten der Antragsteller vorgelegte Gutachten des Unternehmens … vom 27. November 2023 hat auch nicht die Ausführungen des Gutachtens vom 16. Februar 2023 in Zweifel zu ziehen vermocht. Vielmehr wurden die dortigen Feststellungen als gegeben hingenommen („Nach Einschätzung des Sachverständigen sind diese Kappungen nicht als statisch relevant anzusehen“, Seite 9).
49
Mit dem Gutachten vom 27. November 2023 haben die Antragsteller auch nicht vermocht, darzulegen, dass durch nach dem Gutachten vom 16. Februar 2023 ausgeführte Bautätigkeiten eine akute Gefahr für die Standfestigkeit der Lärche eingetreten sein könnte. Denn das Gutachten vom 27. November 2023 führt lediglich aus, dass die beschriebenen Faktoren, welche zu einer weiteren Schädigung im Wurzelbereich des Baumes geführt haben, Zweifel an der Standsicherheit des Baumes aufkommen lassen würden. Hierbei ist dem Gericht bereits nicht ersichtlich, von welcher Art und Umfang diese Zweifel an der Standsicherheit der Lärche sein sollten. Das Gutachten nimmt eine Konkretisierung des Begriffs „Zweifel“ nicht vor. Es bleibt zudem unklar, welche Maßnahmen des Beigeladenen die Standsicherheit der Lärche beeinträchtigt haben sollten. Denn das Gutachten vom 27. November 2023 stellt zwar fest, dass im Nachgang zum Gutachten vom 16. Februar 2023 eine weitere Starkwurzel im Bereich der ehemaligen Garage sondiert worden sei und in diesem Bereich nach dem Verfüllen ein Befahren mit Baumaschinen erfolgt wäre, welches nach gängigen Regelwerken zu Schäden bis hin zum Absterben der Wurzeln durch Bodenverdichtung führen könne. Das Gutachten verhält sich jedoch nicht zu den Fragen, ob die konkret betroffene Starkwurzel für die Statik der Lärche relevant ist und ob – eine statische Relevanz vorausgesetzt – nach einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Wurzel die Statik der Lärche akut gefährdet wäre.
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bb) Die Antragsteller vermochten auch nicht glaubhaft zu machen, dass es nach dem Gutachten des Unternehmens … vom 16. Februar 2023 zu weiteren Wurzeleingriffen durch den Beigeladenen gekommen ist.
51
Vielmehr findet sich zur Substantiierung des Vortrags der Antragsgegnerin ein Protokoll der Baubegleitung des Unternehmens … vom 1. Dezember 2023, welches vonseiten der unteren Naturschutzbehörde der Antragsgegnerin geprüft worden ist. Die untere Naturschutzbehörde bestätigte mit E-Mail vom 6. Dezember 2023, dass keine Einwände gegen das Protokoll der Baubegleitung beständen. Die Arbeiten seien ordnungsgemäß protokolliert und dokumentiert worden. Es hätten keine weiteren Eingriffe in den geschützten Baumbestand stattgefunden.
52
Zudem bestätigte das Unternehmen … mit E-Mail vom 4. September 2023, dass „weder für die Herstellung des Haus-Erschließung-Schachtes noch im Zuge des Aushebens der Baugrube (…) relevante Wurzeln (v.a. Grobwurzeln und Starkwurzeln) beeinträchtigt“ worden seien.
53
Die Antragstellerseite konnte auch nichts Wesentliches vortragen, was diesen Befund erschüttert hätte.
54
cc) Auch der Vortrag der Antragstellerseite, der Baumschutzzaun, welcher eigentlich zum Schutz der Lärche und ihrer Wurzeln angedacht gewesen sei, sei nicht ausreichend dimensioniert worden, konnte dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Dasselbe gilt für den klägerischen Vortrag, der Bereich der freigelegten Starkwurzeln sei nach Verfüllen mit schweren Baumaschinen befahren worden, ohne dass die hierfür notwendige Wurzelbrücke errichtet worden sei.
55
Denn die Antragsteller haben es nicht vermocht, den Vermerk der unteren Naturschutzbehörde vom 3. Januar 2024 zu erschüttern.
56
In dem Vermerk wird namentlich wie folgt ausgeführt (jeweils Seiten 1 und 2 des Vermerks):
„10.05.2023: E-Mail Fa. …: Bilddokumentation Errichtung Baumschutzzaun. (…) Gemäß Auflage Nr. 4 wurde ein Nachweis der durchgeführten Baumschutzmaßnahmen, u.a. „Baumschutzzaun“ gefordert. Der Baumschutzzaun wurde ordnungsgemäß errichtet und dem Umweltamt nachgewiesen. (…)“
„25.08.2023: E-Mail Fa. …: Rückbau Baumschutzzaun und Herstellen der Wurzelbrücke (…) Gemäß Auflage Nr. 10 ist ein Überfahrschutz zu errichten. D.h. der Baumschutzzaun darf bei Herstellung des Überfahrschutzes entfernt werden. Am 25.08.2023 erhielt UwA eine E-Mail von der Fa. … bzgl. der Herstellung des Überfahrschutzes (…) und des Abbaus des Baumschutzzauns (…).“
„Am 11.12.2023 erhielt UwA das Protokoll zur Ausführung der Schutzmaßnahmen (Abbau Baumschutzzaun, Wurzelbrücke, Bauaushub, Erschließung, etc.). Die Wurzelbrücke weist eine Größe von ca. 55 qm auf und wurde großflächig im Bereich festgestellter Wurzeln eingerichtet. Die Wurzelbrücke entspricht den Anforderungen nach RAS-LP4.“
57
In der Gesamtschau dieser Feststellungen, denen das Gericht (auch) angesichts des einschlägigen Bildmaterials in Behörden- und Gerichtsakte folgt, muss die Antragstellerseite sich fragen lassen, inwieweit ein nicht mehr bestehender Baumschutzzaun noch Einwirkungen auf die aktuelle und zukünftige Standfestigkeit der Lärche haben soll.
58
Zudem hat die Antragstellerseite den Feststellungen der unteren Naturschutzbehörde, die Wurzelbrücke entspreche den gesetzlichen Anforderungen, nichts Wesentliches entgegensetzen können. Die Antragstellerseite muss sich auch vorhalten lassen, dass – selbst bei der Unterstellung eines fehlerhaft dimensionierten Baumschutzzaunes in der Vergangenheit – nicht substantiiert worden ist, inwieweit dieser eine akute Gefährdung der Standsicherheit der Lärche zur Folge gehabt hätte.
59
Gegen den klägerischen Vortrag spricht auch das Protokoll der ökologischen Baubegleitung vom 1. Dezember 2023, welches die Herstellung einer Wurzelschutzbrücke mit Datum vom 16. November 2023 bestätigt und das Befahren des Bereiches mit Fahrzeugen freigibt. Hieraus folgt auch, dass der klägerische Vortrag nicht verfangen kann, eine weitere Verdichtung des Bodens oberhalb der Wurzeln habe unzulässiger Weise durch die Lagerung von Baumaterial und Baumaschinen stattgefunden.
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dd) Auch der Umstand, dass die Antragsteller nicht ihre Zustimmung zu den bisherigen Eingriffen an der Lärche gegeben hätten, kann dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Dasselbe gilt für den Vortrag, dass in der Baugenehmigung von einem Baumumfang der Lärche von 180 cm statt dem im Gutachten festgestellten Umfang von 206 cm ausgegangen sei.
61
Dem Gericht ist bereits nicht ersichtlich, wie aus diesen Umständen Konsequenzen für die Standfestigkeit der Lärche folgen sollen. Ein etwaiger fehlerhafter Baumumfang der Lärche in der Baugenehmigung könnte allenfalls zu einer fehlerhaften Dimensionierung des Baumschutzzaunes geführt haben. Wie dargelegt, konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass eine etwaige fehlerhafte Dimensionierung des Baumschutzzaunes in der Vergangenheit, welcher mittlerweile bereits abgebaut worden ist, zu einer aktuellen oder zukünftigen Gefährdung der Standsicherheit der Lärche führen könnte.
62
c) Die Antragsteller konnten auch eine drohende Verletzung ihrer Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG von hinreichender Schwere durch Vitalitätseinbuße der Lärche aufgrund der weiteren Bautätigkeiten nicht glaubhaft machen.
63
aa) Denn zwar bejaht auch das Gutachten des Unternehmens … vom 16. Februar 2023, in der bereits zitierten Passage gewisse Vitalitätsverluste der Lärche aufgrund der Kappung der drei Starkwurzeln (Seite 7).
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Allerdings handelt es sich nach Auffassung der Kammer hierbei um Beeinträchtigungen, gegen die sich die Antragsteller jedenfalls im hiesigen Verfahren nicht zur Wehr setzen kann.
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Denn eine im hiesigen Verfahren erforderliche Ermessensreduzierung auf „Null“ setzt die Glaubhaftmachung einer auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit voraus, welche in den vergangenen oder zukünftigen Vitalitätseinbußen der Lärche nicht gesehen werden kann.
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bb) Etwaigen zukünftigen Vitalitätseinbußen wäre klägerseitig zudem auch vorrangig auf dem Zivilrechtsweg zu begegnen.
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Für die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten gilt die allgemeine Einschränkung, dass die Individualinteressen überhaupt eines bauaufsichtlichen Schutzes bedürfen. Bauaufsichtsbehörden werden dann von einem Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände absehen dürfen, wenn der Betroffene zugleich in privaten Rechten verletzt wird und sich des störenden Zustandes selbst zu erwehren vermag, vor allem dadurch, dass er die Hilfe der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Anspruch nimmt. Im Bereich der Gefahrenabwehr gilt namentlich der Grundsatz der Subsidiarität (BVerwG, B.v. 10.12.1997 – 4 B 204/97 – NVwZ 1998, 395; VGH München, B.v. 22.9.2021 – 2 CE 21.2002 – beck-online Rn. 4). Der Nachbar kann deshalb ermessensfehlerfrei auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden, wenn nur eine geringfügige Beeinträchtigung des Nachbarn bzw. keine öffentliche Störung vorliegt und der von den Zivilgerichten gewährte Schutz in der Sache ähnlich weit reicht, wie der von dem Verwaltungsgericht begehrte. Auch ein Erfolg im Zivilrechtsweg muss von der Behörde nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden können (siehe zu alledem: Busse/Kraus/Dirnberger, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 54 Rn. 103, 104).
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Denn die vergangenen Eingriffe des Beigeladenen in das Wurzelwerk der Lärche stellten Beeinträchtigungen des Eigentums der Antragsteller dar. Aus derartigen Eigentumsbeeinträchtigungen entstehen den Geschädigten grundsätzlich Beseitigungssowie Unterlassungsansprüche nach § 1004 Satz 1 BGB, welche auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden können.
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Die Vitalitätseinbußen, welche nach dem Gutachten des Unternehmens … vom 16. Februar 2023 ausgleichbar sind, stellen auch keine erheblichen Einschränkungen des Eigentums der Antragsteller dar.
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Zudem haben die Antragsteller vorliegend bereits in gewissem Umfang zivilrechtlichen Rechtschutz erlangt. Mit Endurteil des Landgerichts … vom 13. Juni 2023 wurde dem Beigeladenen im Wege einer einstweiligen Verfügung namentlich aufgegeben, jegliche Eingriffe an und in die Lärche der Antragsteller durch Wurzelkappung oder Rückschnitt auf seinem Grundstück zu unterlassen.
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Die einstweilige Verfügung wurde in Ziffer 2 auch mit Ordnungsmitteln bewehrt, weshalb davon auszugehen ist, dass die Antragstellerseite etwaigen zukünftigen Eingriffen des Beigeladenen in das Wurzelwerk der Lärche, die zu etwaigen Vitalitätseinbußen führen könnten, in zivilrechtlicher Weise bereits wirksam begegnen könnte. Von den Antragstellern wird auch nicht vorgetragen, dass ein solcher Rechtschutz nicht möglich sei. Allein der Beigeladenenvertreter führte mit Schriftsatz vom 22. Januar 2024 an, dass die klägerseitigen Versuche, Ordnungsmittel aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts durchzusetzen, misslungen seien.
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Der Kammer ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der nunmehr begehrte verwaltungsgerichtliche Rechtschutz über den bereits erlangten zivilgerichtlichen Rechtschutz hinausgehen sollte. Denn nach dem klägerseitigen Sachvortrag wird wohl ausschließlich eine weitere Beeinträchtigung der Lärche durch die Bautätigkeiten des Beigeladenen besorgt. Derartige Beeinträchtigungen untersagt dem Beigeladenen aber bereits die einstweilige Verfügung des Landgerichts.
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3. Da bereits der Anordnungsanspruch aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht glaubhaft gemacht wurde, erübrigen sich Ausführungen zu einer etwaigen Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes, die vorliegend jedoch ebenfalls nicht gegeben wäre.
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4. Nach alldem ist der Antrag abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen die Antragsteller, da sich der Beigeladene aufgrund seiner Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von einem Streitwert in Höhe von 7.500,00 EUR ausgegangen ist, der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wurde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).