Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 26.02.2024 – AN 3 S 24.169
Titel:

Erfolgloser Antrag nach §§ 80a Abs. 3, Abs. 5 VwGO einer Gemeinde: Ausnahme von einer Veränderungssperre wegen der Genehmigung eines befristeten Containerdorfs

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB § 14 Abs. 2, § 36, § 246 Abs. 11, Abs. 12 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Veränderungssperre hat keine stärkere Abwehrwirkung gegen ein Vorhaben (hier: die befristete Errichtung einer Asylbewerberunterkunft als Containerdorf), als der zu sichernde Bebauungsplan der Gemeinde. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausnahme nach § 14 Abs. 2 S. 1 BauGB erschwert nicht die Realisierung der Planung der antragstellenden Gemeinde oder macht diese gar unmöglich, wenn die Planung der Gemeinde erhebliche Zeit beanspruchen dürfte, um überhaupt in Kraft zu treten. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausnahme von einer Veränderungssperre für zeitlich befristete Errichtung von, dringend benötigte Unterkünfte (bejaht), Entlastung einer für mittelfriste Unterbringungen nicht geeigneten Notunterkunft, Ausnahme von einer Veränderungssperre, zeitlich befristete Errichtung, dringend benötigte Unterkünfte, Veränderungssperre, Ausnahme, Städtebaurecht, Notunterkunft, Unterkunft, Baugenehmigung, Containerdorf, Drittanfechtung, Bebauungsplan, Erschwerung, Verhinderung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 24.06.2024 – 9 CS 24.458
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3666

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für eine auf drei Jahre befristete Errichtung einer Asylbewerberunterkunft für 100 Personen in Containerbauweise auf den Grundstücken FlNrn. …, … und … der Gemarkung … (…) in … Die eingangs genannten Grundstücke sind Teil einer ehemaligen – etwa 10 ha umfassenden – Möbelfabrik im Zentrum des Siedlungsgebiets der Antragstellerin (sogenanntes „…“). Ein Bebauungsplan existiert nicht. Nördlich des … verläuft die Bundesstraße … und weiter nördlich befinden sich Gewerbe- bzw. Wohngebiete. Südlich des Areals verläuft eine Bahnstrecke und daran anschließend Wohnflächen oder unbebaute Flächen.
2
Die Antragstellerin ist Standortgemeinde. Bereits am 21. Juli 2021 fasste die Antragstellerin einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplanentwurf Nr. … „…“, der eine gestaffelte Nutzung von West nach Ost beginnend mit Wohnflächen über Mischflächen hin zu reinen Gewerbeflächen vorsah. Nach gescheiterten Gesprächen mit Investoren stagnierte die weitere Planung.
3
Am 14. September 2023 informierte das Landratsamt die Antragstellerin darüber, dass – in Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer der eingangs genannten Grundstücke – die Unterbringung von bis zu 100 Asylbewerbern auf den Grundstücken geplant sei.
4
Am 25. Oktober 2023 fasste der Gemeinderat der Antragstellerin einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan Nr. … „Gewerbegebiet …“ und beschloss gleichzeitig den Erlass einer Veränderungssperre. Der Aufstellungsbeschluss sieht die Ausweisung eines reinen Gewerbegebiets vor, in dem ausnahmsweise zulässige Nutzungen i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BauNVO ausgeschlossen sein sollen. Der Begründung zur Veränderungssperre ist unter anderem zu entnehmen, dass der gewerbliche Charakter des Areals erhalten bleiben solle und Gewerbeflächen knapp seien. Die Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BauNVO widersprächen teilweise dem ländlichen Charakter der Antragstellerin.
5
Der beigeladene Landkreis beantragte nach einem bereits durchgeführten Bauherrenwechsel mit Bauantrag vom 30. Oktober 2023 die Errichtung einer Asylbewerberunterkunft in Containerbauweise für bis zu 100 Asylbewerber auf den eingangs genannten Grundstücken.
6
Die erkennende Kammer verpflichtete den Antragsgegner mit Beschluss vom 10. November 2023 (AN 3 E 23.2224) zum Erlass einer vorbeugenden Baueinstellungsverfügung gegen den Bauherrn zur Sicherung der Planungshoheit der Antragstellerin. Auf den Beschluss wird Bezug genommen.
7
Mit Schreiben des Landratsamts vom 20. November 2023 wurde die Antragstellerin auf die Rechtslage nach § 246 Abs. 14 Satz 3 BauGB hingewiesen. Gleichzeitig wurde die Antragstellerin darüber informiert, dass nach Meinung des Landratsamts auch die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Veränderungssperre vorlägen (§ 14 Abs. 2 BauGB).
8
Die Antragstellerin versagte ihr Einvernehmen zum Bauantrag mit Schreiben vom 24. November 2023 und nahm darin Bezug auf die Niederschrift der zugrundeliegenden Gemeinderatsitzung. Das gemeindliche Einvernehmen werde unter anderem deswegen verweigert, weil das Vorhaben aufgrund der Veränderungssperre nicht durchgeführt werden dürfe und im Übrigen die straßenmäßige Erschließung des Baugrundstücks nicht gesichert sei. Bei der Zufahrtsstraße handle es sich um eine Privatstraße, welche nicht gewidmet sei.
9
Mit Schreiben des Landratsamts vom 24. November 2023 wurde die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Ersetzung ihres Einvernehmens nach Art. 67 Abs. 4 BayBO i.V.m. § 36 Abs. 2 BauGB bzw. zur Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB sowie hilfsweise zu einer Abweichung nach § 246 Abs. 14 Satz 3 BauGB angehört. Das Landratsamt setzte eine Frist zur Stellungnahme aufgrund der Eilbedürftigkeit von einer Woche.
10
Mit Schreiben des ersten Bürgermeisters vom 1. Dezember 2023 nahm die Antragstellerin Stellung. Die Antragstellerin versage weiterhin ihr Einvernehmen und die Stellungnahme vom 24. November 2023 samt ihren Anlagen habe weiterhin Bestand.
11
Mit streitgegenständlichem Bescheid des Landratsamts vom 3. Januar 2024 wurde die Baugenehmigung für das eingangs genannte Vorhaben erteilt (Ziffer 1). Die Errichtung des Bauvorhabens wurde auf drei Jahre befristet und eine Rückbauverpflichtung ausgesprochen (Ziffer 2). Von der am 2. November 2023 bekanntgemachten Veränderungssperre der Antragstellerin werde nach Maßgabe der Befristung unter Nr. 2 des Bescheides nach § 14 Abs. 2 BauGB eine Ausnahme erteilt (Ziffer 3). Hilfsweise werde von der Veränderungssperre gemäß § 246 Abs. 14 BauGB eine Abweichung erteilt (Ziffer 4). Das Bauvorhaben werde im faktischen Gewerbegebiet nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 246 Abs. 11 BauGB ausnahmsweise zugelassen (Ziffer 5). Das Einvernehmen der Gemeinde zu den Entscheidungen nach Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 werde ersetzt (Ziffer 6).
12
Zur Begründung führt der Bescheid im Wesentlichen aus, dass das Vorhaben im Gebiet eines faktischen Gewerbegebietes nach § 34 Abs. 2 BauGB liege. In einem faktischen Gewerbegebiet könne eine Anlage für soziale Zwecke, worunter eine Einrichtung zur Unterbringung von Personen zähle, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden.
13
Die am 2. November 2023 bekanntgemachte Veränderungssperre werde vom Landratsamt als reine Verhinderungsplanung und damit als unwirksam angesehen (wird weiter ausgeführt). Da dem Landratsamt allerdings keine Normverwerfungskompetenz zustehe, sei es zunächst an die Satzung gebunden. Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstünden, könne nach § 14 Abs. 2 BauGB allerdings eine Ausnahme zugelassen werden (wird weiter ausgeführt). Der streitgegenständliche Bebauungsplan sehe die Festsetzung eines Gewerbegebiets unter Ausschluss von Anlagen für soziale Zwecke vor. Damit sei das Vorhaben nach Inkrafttreten des Bebauungsplans zunächst bauplanungsrechtlich unzulässig. Nach § 246 Abs. 12 BauGB könnte allerdings auch dann bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 für die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden (wird weiter ausgeführt). Folglich sei die Zulassung des Vorhabens auch nach Inkrafttreten des Bebauungsplans unter Befreiung von den Festsetzungen möglich (wird weiter ausgeführt). Die Unterbringungssituation von Asylbewerbern im Landkreis spitze sich durch die jüngsten und noch bevorstehenden Zuweisungen durch die Regierung von Mittelfranken deutlich zu. Alle Unterbringungskapazitäten seien ausgeschöpft bzw. würden absehbar ausgeschöpft sein. Vom Landkreis seien auch Wohnungen angemietet. Hier gebe es derzeit keinerlei Leerstände. Die für 240 Personen ausgelegte Notunterkunft in … sei im Moment mit ca. 260 Asylbewerbern überbelegt. Mangels anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten müssten die zugewiesenen Asylbewerber entsprechend länger in der Notunterkunft in … verbleiben. Eine Anschlussunterbringung sei nur noch sehr schwer zu bewerkstelligen. Die Bleibeperspektive dort betrage nicht mehr wenige Tage oder Wochen, sondern mittlerweile mehr als neun Monate. Dies sei höchst problematisch, da die Menschen kaum Privatsphäre hätten. Sie fühlten sich stark benachteiligt, was zu einer angespannten Situation vor Ort führe. Es gebe immer wieder Hilferufe von ehrenamtlichen Helfern, berufsmäßigen Integrationslotsen und Dritten. Für die Asylbewerber erscheine die Situation in … ausweglos. Auch wenn aufgrund der derzeitigen „Winterdelle“ nur sehr wenige Flüchtlinge ankämen, sei mittel- bis langfristig eine Entspannung der Situation nicht absehbar. Hinzu komme, dass der Landkreis bislang mittelfrankenweit erst eine Erfüllungsquote unter 90% nach der Bayerischen Asyldurchführungsverordnung aufweise und insofern mit weiteren Zuweisungen durch die Regierung rechnen müsse. Die Schaffung von adäquaten Unterkünften für diese Zwecke stehe damit im überragenden öffentlichen Interesse.
14
Auch wenn die Zulassung solcher Unterkünfte derzeit dem Planungsziel der Gemeinde widerspreche, sei diese nicht in ihrer Planungshoheit verletzt, nachdem es sich um eine lediglich befristete Errichtung handle und der Grundstückseigentümer als künftiger Betreiber der Wohnanlage zu erkennen gebe, dass er an der Realisierung der mit der Veränderungssperre gesicherten Planung aktuell kein Interesse habe und damit kein echtes Vollzugshindernis bestehe. Es überwiege das öffentliche Interesse an der Schaffung von Unterkunftskapazitäten. Das Vorhaben sei daher auch bei Inkrafttreten des Bebauungsplans im Wege einer Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB zulässig. Gerade dieser Umstand spreche dafür, dass bereits jetzt eine Ausnahme von der Veränderungssperre erteilt werden könne. Schließlich könne es nicht sein, dass eine Veränderungssperre der kommunalen Planungshoheit stärkeren Schutz vermittle als der künftige Bebauungsplan, der durch sie gesichert werde. Hinzu käme die gerade genannte Erwägung zur Dringlichkeit der Flüchtlingsunterbringung, die nicht nur das öffentliche Interesse bei der (inzidenten) Abwägungsentscheidung im Rahmen von § 246 Abs. 12 BauGB begründe, sondern ebenso bei der Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 14 Abs. 2 BauGB. Die Umsetzung der Planungsabsichten der Gemeinde werde mit der Zulassung einer (befristeten) Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB daher weder akut noch dauerhaft konterkariert. Eine Ausnahme habe erteilt werden können.
15
Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2024 – hier eingegangen am gleichen Tag – ließ die Antragstellerin Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2024 ließ die Antragstellerin Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz einlegen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Verhinderungsplanung vorliege. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners im Bescheid verfüge die Antragstellerin nicht über die Flächen der Erweiterungsfläche „…“, ebenso wenig wie über die Flächen auf dem „…“. Insofern habe sich die Antragstellerin im Jahr 2018 im Wege der Selbstbindung zu einem Vorrang der Innenentwicklung verpflichtet (wird weiter ausgeführt).
16
Eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB sei rechtswidrig. Die Vorschrift setze voraus, dass überwiegende öffentliche Belange einer Veränderungssperre nicht entgegenstünden. Überwiegende öffentliche Belange stünden jedoch dann entgegen, wenn ein Vorhaben mit dem Sicherungszweck der Veränderungssperre nicht vereinbar sei, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspreche oder sie wesentlich erschweren würde. Ein solches Vorhaben dürfe nicht im Wege einer Ausnahme zugelassen werden. Das genehmigte Containerdorf widerspreche eindeutig der beabsichtigten Planung der Antragstellerin, unter anderem Anlagen für soziale Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO im Gewerbegebiet auszuschließen. Der Antragsgegner berufe sich dabei auf eine inzident zu treffende Ermessensentscheidung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Hierbei überwiege aufgrund der zugespitzten Unterbringungssituation im Landkreis das öffentliche Interesse. Von einer „zugespitzten Unterbringungssituation“ und einem „überragenden öffentlichen Interesse“ könne jedoch offenkundig keinerlei Rede (mehr) sein. Man zitiere hierzu aus einem Artikel der … vom 17. Januar 2024.
17
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2024 beantragt die Antragstellerin:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 5. Januar 2024 gegen die vom Antragsgegner dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 3. Januar 2024 wird angeordnet.
18
Mit Schreiben vom 1. Februar 2024 beantragt der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
19
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass man Bezug auf die umfangreichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid nehme. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob der Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten überhaupt gegeben sei, sei auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen. Man trete den Behauptungen der Antragstellerseite aber auch inhaltlich entschieden entgegen. Nach aktuellster Stellungnahme der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes werde die streitgegenständliche Unterkunft weiterhin dringend benötigt. Die Unterkunft in …, auf die Bezug genommen werde, werde derzeit als zentrale Aufnahmestelle im Landkreis genutzt und sei eine reine Notunterkunft, die entlastet werden müsse. Die Geflüchteten sollten sich dort nur kurze Zeit aufhalten. Der Wohncharakter sei dort wesentlich schlechter als z. B. in einem Containerdorf. Die Geflüchteten lebten in einem ehemaligen Lebensmittelmarkt auf kleinen Parzellen, die nur durch Bauzäune voneinander getrennt und mit Plastikfolien überzogen seien. Der beengte Wohnraum sei ein Grund, weshalb der Landkreis den Sicherheitsdienst habe aufstocken müssen, da es dadurch häufiger zu Streitigkeiten der Bewohner komme. Manche Geflüchtete seien ein ganzes Jahr dort untergebracht gewesen. Der Vertrag für die Notunterkunft in … habe eine beidseitige dreimonatige Kündigungsfrist. Laut Vertrag sei diese eigentlich nur für Geflüchtete aus der Ukraine angemietet. Der Landkreis habe keine Planungssicherheit, da der Vermieter den Vertrag jederzeit kündigen könne. Die bayerische Asyldurchführungsverordnung bestimme in § 3 für die Verteilung von Asylbewerbern innerhalb des Freistaates Bayern Aufnahmequoten für einzelne Regierungsbezirke und innerhalb der Regierungsbezirke für die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte. Die Erfüllungsquote liege aktuell bei circa 80 Prozent. Somit müsse mit weiteren Zuweisungen gerechnet werden. Der sogenannte „AnkER“ … (Zentrum für Ankunft, Entscheidung, Rückführung) sei zu 80 Prozent belegt. Von dort aus sollten bald wieder Umverteilungen erfolgen (ab circa 85 Prozent Belegung). Letztes Jahr habe der Landkreis auf diesem Weg innerhalb eines Monats (Oktober 2023) knapp 200 Geflüchtete zugewiesen bekommen. Für dieses Szenario würden freie Kapazitäten sowie Planungssicherheit benötigt. Die angemieteten Privatwohnungen hätten ein beidseitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von drei Monaten. Auch hier bestehe daher keine Planungssicherheit. Für viele Vermieter sei die Vermietung für Unterbringung von Geflüchteten nur eine kurzfristige Lösung. Für bestimmte Personengruppen (z. B. alleinstehende Männer) seien private Unterkünfte nur sehr schwer anmietbar. Im Sommer 2024 sei eine erneute Flüchtlingswelle zu erwarten. In der Kürze der Zeit seien dann keine neuen Objekte akquirierbar.
20
Der Beigeladene äußerte sich im Rahmen des hiesigen Verfahrens nicht.
21
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
22
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zulässig, aber unbegründet.
23
Nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, soweit der Klage – wie im vorliegenden Fall – aufgrund § 80 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt. Hierbei trifft das Gericht eine originäre Ermessensentscheidung, welche sich in erster Linie an den Erfolgsaussichten der Hauptsache (BayVGH, B. v. 26.4.2021 – 15 CS 21.1081 – juris Rn. 22) orientiert. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entspricht es, dass diese Prüfung grundsätzlich nur summarisch erfolgt, da für eine Beweisaufnahme grundsätzlich bei diesen Verfahren kein Raum bleibt. Bei offenen Erfolgsaussichten wird die Ermessensentscheidung anhand einer Interessenabwägung getroffen (BayVGH a.a.O.).
24
Die Anfechtungsklage hat nach summarischer Prüfung wohl keine Aussicht auf Erfolg, da sich die im Bescheid erteilte Ausnahme von der Veränderungssperre als rechtmäßig darstellt (1.). Hilfsweise rechtfertigen die Erwägungen zur Ausnahme von der Veränderungssperre auch eine Abweichung nach § 246 Abs. 14 BauGB (2.).
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1. Einem Kläger kommt im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine an einen Dritten gerichtete Baugenehmigung kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Vielmehr kann der Kläger als Nachbar nur solche Rechtsverletzungen ins Feld führen, die auf Normen beruhen, die in qualifizierter und individualisierter Weise gerade auch dem Schutz des Klägers dienen (BayVGH, B. v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 8).
26
Im Falle der Klage einer Standortgemeinde ergeben sich im Hinblick auf das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB jedoch einige Besonderheiten. Das Erfordernis des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB dient dem Schutz der kommunalen Planungshoheit. Das Einvernehmen darf gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nur aus den dort genannten bauplanungsrechtlichen Gründen versagt werden. Wird das Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB durch die Baugenehmigungsbehörde ersetzt, so steht der Standortgemeinde im Rahmen ihrer Klage gegen die Baugenehmigung ein Vollüberprüfungsanspruch im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Ersetzung ihres Einvernehmens zu (BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – juris Rn. 14 m.w.N. = BVerwGE 156, 1). Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG a.a.O.) Mithin sind die in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Gründe auf Anfechtungsklage der Standortgemeinde hin vollständig zu überprüfen.
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Wird dagegen eine Baugenehmigung nicht nur entgegen der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens, sondern gänzlich ohne Beteiligung der Gemeinde oder Ersetzung des Einvernehmens erteilt, so ist die Baugenehmigung auf die Klage der Standortgemeinde hin schon allein aus diesem Grunde erfolgreich (BVerwG, U.v. 26.3.2015 – 4 C 1/14 – juris Rn. 17 = NVwZ-RR 2015, 685).
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Diese Maßstäbe gelten im Hinblick auf die hier im Bescheid streitgegenständliche Ausnahme von der Veränderungssperre gleichfalls, denn § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB macht die Erteilung einer Ausnahme ebenfalls vom Einvernehmen der Standortgemeinde abhängig.
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1.1 Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann die Baugenehmigungsbehörde Ausnahmen von der Veränderungssperre zulassen, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen.
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Voraussetzung für die Prüfung des Überwiegens der öffentlichen Belange ist jedoch, dass sich die Planungsvorstellungen der zu sichernden Planung nicht als völlig offen, sondern bereits als hinreichend konkretisiert darstellen. Nur dann kann der praktisch wichtigste öffentliche Belang im Rahmen von § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB – die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der gemeindlichen Planung – überhaupt geprüft werden (BayVGH, B.v. 9.9.2009 – 1 CS 09.1292 – juris Rn. 42 = NVwZ-RR 2010, 11). Dazu muss sich die Gemeinde im Mindestmaß über die Art der baulichen Nutzung der zu sichernden Planung im Klaren sein (BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – juris Rn. 19 m.w.N. = BVerwGE 156, 1). Ein Vorhaben, das mit der gemeindlichen Planung nicht vereinbar ist oder diese wesentlich erschweren würde, darf nicht im Wege einer Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, da diese dann ihre Funktion nicht mehr erfüllen könnte (BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – juris Rn. 22 m.w.N. = BVerwGE 156, 1).
31
Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre vor, da der Zulassung keine überwiegenden öffentlichen Belange entgegenstehen. Die Ersetzung des versagten Einvernehmens der Antragstellerin ist vielmehr rechtmäßig.
32
Zu Recht konnte der Antragsgegner dabei die Befreiungsvorschrift des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB inzident für die Frage des Entgegenstehens überwiegender öffentlicher Belange im Rahmen von § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB in Bezug nehmen. Besteht für ein Vorhaben sowohl hinsichtlich der aktuell gültigen Bauleitplanung als auch bezüglich der zukünftigen (zu sichernden) Bauleitplanung ein Anspruch auf Befreiung, so sind die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Veränderungssperre gegeben (VGH Mannheim, U.v. 30.11.2016 – 3 S 1184/16 – juris Rn. 92 ff. = BauR 2017, 699). Unter diesen Voraussetzungen trägt auch das Argument des Antragsgegners, wonach die Veränderungssperre keine stärkere Abwehrwirkung gegen das Vorhaben haben kann, als der zu sichernde Bebauungsplan.
33
Soweit die Antragstellerin meint, hier liege ein unzulässiger „Zirkelschluss“ vor, kann ihre Argumentation nicht nachvollzogen werden. Es ist aus dem Wortlaut nicht ermittelbar, dass der Gesetzgeber durch die Vorschriften von § 246 Abs. 8 ff. BauGB eine die Anwendung der allgemeinen Vorschrift von § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausschließende Wirkung herbeiführen wollte. Dies kann insbesondere dann nicht gelten, wenn – wie im hiesigen Fall – die Voraussetzungen der jeweiligen Dispens-Vorschriften (§ 246 Abs. 11 und Abs. 12 BauGB) vorliegen (siehe 1.1 und 1.2).
34
1.1. Der Beigeladene hat vorliegend einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der aktuellen bauleitplanerischen Situation nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO i.V.m. § 246 Abs. 11 und § 31 Abs. 1 BauGB. Dies hat auch der Antragsgegner im Bescheid unter Ziffer 5 zu Recht angenommen. Die insofern erteilte Ausnahme ist rechtmäßig.
35
Bei dem vorliegenden – zentral im Siedlungsgebiet der Antragstellerin liegenden – sog. … handelt es sich unstreitig um den unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB, der aufgrund seiner augenscheinlich ausschließlich gewerblichen Nutzung als faktisches Gewerbegebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO einzustufen ist. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung der Flüchtlingsunterkunft als sozialer Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 1 ZB 14.2373 – juris Rn. 3 m.w.N. = NVwZ 2015, 912) sind gerade unter Berücksichtigung der Privilegierung von § 246 Abs. 11 BauGB gegeben.
36
a) Die Anwendungsvoraussetzung des § 246 Abs. 13a BauGB liegt vor. Hiernach darf von den Absätzen 8 bis 13 in § 246 BauGB nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte in dem Gebiet der Gemeinde, in dem die Unterkünfte errichtet werden sollen, nicht oder nicht rechtzeitig errichtet werden können (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 2 CS 23.2010 – juris Rn. 14). § 246 Abs. 13a BauGB knüpft an die wesensgleiche Formulierung in § 246 Abs. 14 BauGB an und ist seit dem Inkraftreten des sog. Baulandmobilisierungsgesetzes vom 14.6.2021 (BGBl I 2021, Nr. 33 v. 22.6.2021, S. 1802 ff.) am 23.6.2021 Voraussetzung für die Anwendung der Übergangsregelungen in den Absätzen 8 bis 13 in § 246 BauGB. Insofern gelten auch die entsprechenden gesetzlichen Motive, insbesondere dass nach dem gesetzgeberischen Willen, keine überzogenen Anforderungen an die Tatbestandsvoraussetzungen zu knüpfen sind und eine Plausibilitätsprüfung ausreicht (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 55).
37
Ein dringlicher Bedarf ist hiernach mit den folgenden Erwägungen bei summarischer Betrachtung anzunehmen (vgl. auch VG Schwerin, B. v. 29.8.2023 – 2 B 1269/23 SN – juris Rn. 44 ff. = NJ 2023, 458). Der Antragsgegner hat insofern im Kern darauf abgestellt, dass seine Notunterkunft in … für eine dauerhafte Unterbringung ungeeignet ist. Dies ergibt sich daraus, dass es sich hierbei um einen ehemaligen Supermarkt handelt, im dem die Asylbewerber auf engstem Raum leben und die Parzellen dort nur durch Bauzäune und Plastikfolien getrennt sind. Die mangelnde Eignung zur dauerhaften Unterbringung ist insofern plausibilisiert, als der Sicherheitsdienst dort aufgrund vermehrter Streitereien aufgestockt werden musste. Es erscheint nachvollziehbar, dass diese Unterkunft anscheinend nur „erste Anlaufstation“ sein soll, aus der die unmittelbar zugewiesenen Asylbewerber in zum langfristigen Aufenthalt besser geeignete Unterkünfte umverteilt werden sollen. Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer dort zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses 9 Monate beträgt.
38
Diese Annahme eines dringlichen Bedarfs wird durch den von der Antragstellerseite vorgelegten Artikel in der … (…) vom 17. Januar 2024 nicht in Frage gestellt. Selbst wenn man annehmen will, dass die in dem Artikel beschriebene Situation auch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 3. Januar 2024 bereits vorgelegen hat, wäre immer noch von einem dringlichen Bedarf auszugehen. Die dann zu unterstellende Tatsache, dass die Notunterkunft in … von ihrer Höchstbelegungszahl von 280 auf 180 (wohingegen der streitgegenständliche Bescheid von 260 Personen spricht) zurückgegangen ist, erschüttert die Annahme einer Dringlichkeit nicht. Dass die nach Angaben des Antragsgegners auf 240 Personen ausgelegte Notunterkunft, damit dann nicht mehr „überbelegt“ wäre, kann im Hinblick auf die bezweckte kurzfristige Unterbringung dort nicht als Indiz für einen mangelnden dringlichen Bedarf gewertet werden.
39
Insofern wäre zu beachten, dass § 246 Abs. 13a BauGB letztlich eine Prognose abverlangt, die aus der Natur der Sache heraus mit Unsicherheiten behaftet ist. Aus diesem Grund kann vom Antragsgegner auch nicht mehr als eine Plausibilisierung verlangt werden. Legt man die weiteren Ausführungen zu Zuweisungszahlen in der Vergangenheit zugrunde, dann ist die Annahme einer dringlichen Notwendigkeit weiterer Kapazitäten zur dauerhaften Unterbringung plausibel. So hat der Antragsgegner ausgeführt, dass die sog. „Erfüllungsquote“ des Landkreises bezogen auf seine Verteilungsquote nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 lit. i) DVAsyl bei nur 80% liegt, weshalb mit weiteren Zuweisungen zu rechnen ist. Das „ANKer-Zentrum“ … hat hiernach eine Belegungsquote erreicht, die weitere Zuweisungsentscheidungen an die Landkreise akut erscheinen lassen. Im Hinblick darauf, dass bei der anscheinend letzten Zuweisungsentscheidung im Oktober 2023 200 Personen in einem Monat zugewiesen wurden, ist die Errichtung einer Unterkunft für weitere 100 Personen von einem dringlichen Bedarf gedeckt. Insofern wären auch die im Artikel der … genannten (anderweitigen) ab April verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten für 200 Personen lediglich das „Abfedern“ einer vergleichbar großen Zuweisungszahl wie im Oktober 2023. Die Notunterkunft in … wäre damit im Sinne des Artikels der … nur dann „praktisch leer“, wenn keine weiteren Zuweisungen an den Landkreis mehr erfolgen, wovon im Hinblick der Unsicherheiten der hiesigen Prognoseentscheidung und gerade im Hinblick auf die Zahlen der jüngeren Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann.
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Wie sich die Unterbringungssituation im Landkreis zum Zeitpunkt der Baugenehmigung exakt darstellte, wird sich – bei ex-ante Betrachtung – ggf. erst in einem Hauptsacheverfahren klären lassen. Selbst aber bei Unterstellung der im Artikel der … dargelegten Situation zugunsten der Antragstellerin und damit nach summarischer Sachverhaltsprüfung, ist bisher von einem dringlichen Bedarf auszugehen.
41
Eine anderweitige Bereitstellung von Unterkünften auf dem Gemeindegebiet ist auch offensichtlich gescheitert, denn es ist aktenkundig dokumentiert, dass die von der Antragstellerin in Aussicht gestellten Unterkünfte nicht genutzt werden konnten (Bl. 280 der Behördenakte).
42
b) Nach § 246 Abs. 11 Satz 1 BauGB gilt bei der Erteilung einer Ausnahme für Anlagen für soziale Zwecke betreffend die Unterbringung von Asylbewerbern § 31 Abs. 1 BauGB mit der Maßgabe, dass die Ausnahme in der Regel zugelassen werden soll. Insofern handelt es sich um ein intendiertes Ermessen, mit dem der Gesetzgeber auch einen Widerspruch zur Zweckbestimmung des Baugebiets als regelmäßig nicht anzunehmen vorzeichnet (BT-Drs. 18/6185 S. 54). Es bedarf daher regelmäßig besonderer (atypischer) Umstände, die eine weitergehende Ermessenausübung notwendig machen (B/K/L BauGB § 246 Rn. 31).
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Solche Umstände sind hier – im Hinblick darauf, dass letztlich nur eine auf 3 Jahre befristete Baugenehmigung für mobile Unterkünfte in Form von Wohncontainern vorliegt – nicht ersichtlich. Soweit auf eine Immissionsbelastung abgestellt wird, können – bei einer befristeten Baugenehmigung – auch die tatsächlichen Gegebenheiten stärker in den Blick genommen werden (BT-Drs. 18/6185 S. 54). Da das … anscheinend zu erheblichen Teilen brachliegt (vgl. Niederschrift der Gemeinderatssitzung der Antragstellerin vom 25.10.2023 TOP 4) und dort kaum gewerbliche Nutzung stattfindet, sind keine unzumutbaren Immissionsbelastungen bei der hiesigen lediglich befristeten Baugenehmigung zu erwarten. Gesundheitsgefahren dürften sich ebenso nicht ergeben, da die ehemalige Möbelfabrik die Unterkünfte nach Norden zur B … hin abschirmt. Ebenso kann im Hinblick auf die auf 3 Jahre befristete Errichtung und die aktuellen Verhältnisse auf dem … nicht von einem das Regel-Ausnahme-Verhältnis gefährdenden Umkippen des Gebietscharakters gesprochen werden. Dies gilt schon wegen des befristeten Charakters der Errichtung und der Tatsache, dass die hier zu errichtenden mobilen Unterkünfte auch tatsächlich einfach wieder zurückgebaut werden können.
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Soweit auf bodenrechtliche Spannungen aufgrund angeblich nicht gut fußläufig erreichbarer Querungsmöglichkeiten über die Bundesstraße B … abgestellt wird, ist auf die vorhandene Unterführung hinzuweisen. Dass diese nicht optimal liegt, ist unstreitig. Letztlich stehen die Bewohner der Unterkunft aber vor keiner anderen verkehrlichen Situation als alle Bewohner der südlich des … liegenden Wohngebiete.
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1.2 Auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von der zu sichernden Planung sind gegeben. Auch insofern ist die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung, insbesondere die inzident getroffene Ermessensentscheidung im streitgegenständlichen Bescheid auf S. 5 f., rechtmäßig.
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Nach § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB kann für eine auf maximal drei Jahre befristete Errichtung von mobilen Unterkünften für Asylbewerber eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt werden, wenn die Befreiung unter Würdigung der öffentlichen Belange mit den nachbarlichen Interessen vereinbar ist. Die Grundvoraussetzung des § 246 Abs. 13a BauGB ist aufgrund obiger Erwägungen bereits erfüllt (s.o. 1.1 a)).
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a) Im Übrigen ist auch eine Vereinbarkeit mit den nachbarlichen und öffentlichen Belangen gegeben. Nachbarliche Belange sind im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen worden und betroffene Belange drängen sich, insbesondere da die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse eingehalten sind, nicht auf. Grundsätzlich müssen auch befristet errichtete Flüchtlingsunterkünfte die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse einhalten, wobei jedoch ihr Schutzanspruch bei Realisierung in Industrie- und Gewerbegebieten entsprechend den dort (ausnahmsweise) zulässigen (Betriebs-)Wohnnutzungen verringert ist (BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 9 BV 16.1694 – juris Rn. 58 = BayVBl 2018, 847). Dabei darf aufgrund der befristet zuzulassenden Befreiung auch auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt werden (BT-Drs. 18/6185 S. 54).
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Hiernach darf wiederum auf schon oben dargestellte Verhältnisse hingewiesen werden. Erhebliche Teile des Areals liegen auch nach Ansicht der Antragstellerin brach. Die viel befahrene … ist durch die nördlich der Unterkunft liegende Fabrikhalle hiervon abgeschirmt.
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Weitere, entgegenstehende Belange sind nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin auf ihre Planungshoheit verweist, kann diese hier schon deswegen keine Unvereinbarkeit bewirken, als jede Befreiung in die Planungshoheit eingreift.
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b) Fehler bei der inzident getroffenen Ermessensentscheidung (S. 5 unten folgende des streitgegenständlichen Bescheids) sind nicht ersichtlich.
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Demnach liegen sowohl hinsichtlich der bestehenden planungsrechtlichen Situation als auch hinsichtlich der zu sichernden Planung die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Realisierung vor, weshalb auch eine Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorliegen.
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1.3 Die Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB erschwert auch nicht die Realisierung der Planung der Antragstellerin oder macht diese gar unmöglich. Hier wäre zu beachten, dass die Planung der Antragstellerin erhebliche Zeit beanspruchen dürfte, um überhaupt in Kraft zu treten. Irgendwelche faktischen Umsetzungsperspektiven für ihre Planung hat die Antragstellerin nicht benannt. Sie hat bisher lediglich auf einen „dringenden Bedarf“ an Gewerbeflächen abgestellt, obwohl sie selber einräumt, dass mangels Flächenverfügbarkeit etwa der Wirtschaftsförderungsstelle keine Gewerbeflächen auf dem betroffenen Areal gemeldet werden können (vgl. Niederschrift der Gemeinderatssitzung vom 22. November 2023 TOP 3). Schon mit Blick auf die auf 3 Jahre befristete Errichtung der mobilen Unterkünfte, die nach Inkrafttreten der Planung nur bei Fortbestehen der Befreiungsvoraussetzungen – also auch des dringlichen Bedarfs – maximal drei weitere Jahre verlängert werden darf (§ 246 Abs. 12 Satz 2 BauGB), kann nicht von einem wesentlichen Erschweren oder der Unmöglichkeit der Planung gesprochen werden.
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1.4. Ermessensfehler sind auch im Hinblick auf die Erteilung der Ausnahme von der Veränderungssperre weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat sich der Antragsgegner auch insoweit mit seinem Eingriff in die Planungshoheit der Antragsgegnerin auseinandergesetzt (S. 6 des streitgegenständlichen Bescheids) und das Bedürfnis nach einer zeitlich begrenzten Ausnahme hiervon als höher bewertet, was im Hinblick auf die begrenzte gerichtliche Kontrolle von Ermessenentscheidungen keinen Bedenken begegnet.
54
Nach alledem hat der Antragsgegner nach summarischer Prüfung zu Recht eine Ausnahme von der Veränderungssperre erteilt. Die Ersetzung des von der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. November 2023 versagten Einvernehmens ist deswegen rechtmäßig.
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2. Hilfsweise würden obige Erwägungen auch die Abweichung von den bauplanungsrechtlichen Vorgaben nach § 246 Abs. 14 BauGB rechtfertigen, ohne dass dies noch einer vertieften Auseinandersetzung bedürfte.
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Aus diesen Gründen muss das Suspensivinteresse der Antragstellerin hinter dem Vollzugsinteresse des Bauherrn zurückstehen.
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Der Antrag ist daher abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich der Beigeladene mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es auch nicht der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, ihm einen Kostenerstattungsanspruch zuzusprechen. Er trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
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Die Entscheidung zum Streitwert fußt auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.10 des Streitwertkatalogs.