Inhalt

VG München, Beschluss v. 11.11.2024 – M 31 K 22.5002
Titel:

Kostenerinnerung, Unwirksame Erhebung auf dem Postweg, Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt)

Normenketten:
VwGO § 165, § 151
VwGO § 55d S. 1
Schlagworte:
Kostenerinnerung, Unwirksame Erhebung auf dem Postweg, Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36395

Tenor

I. Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. September 2024 (M 31 K 22.5002) wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. September 2024.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit Urteil vom 8. März 2024 im Verfahren M 31 K 22.5002 im zuwendungsrechtlichen Klageverfahren des Klägers die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Mit am 27. August 2024 eingegangenem Schriftsatz wurde die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt, über die seitens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs noch nicht entschieden ist (Az. 21 ZB 24.1465).
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Im Kostenfestsetzungsantrag vom 16. September 2024 beantragten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin für das Klageverfahren die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG, einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG, der Post- und Telekommunikationsdienstleistungsentgelte nach Nr. 7002 VV-RVG und der Umsatzsteuer auf die Vergütung nach Nr. 7008 VV-RVG. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. September 2024, dem Antragsteller über seinen Bevollmächtigten ausweislich des bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses (spätestens) am 27. September 2024 zugestellt, setzte die Urkundsbeamtin die Kosten antragsgemäß fest.
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Mit Schreiben vom 1. Oktober 2024, bei Gericht in Papierform per Post am 4. Oktober 2024 eingegangen, ließ der Antragsteller hiergegen
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die Entscheidung des Gerichts
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beantragen. Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und ihn unter dem 8. Oktober 2024 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren M 31 K 22.5002 verwiesen.
II.
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1. Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.). Über die die streitige Kostenfestsetzung auslösende Verwaltungsstreitsache M 31 K 22.5002 wurde mit klageabweisendem Urteil vom 8. März 2024 durch den Einzelrichter entschieden (vgl. Übertragungsbeschluss vom 21.11.2023). Folglich ist der Einzelrichter auch im vorliegenden Erinnerungsverfahren zur Entscheidung berufen.
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2. Die am 4. Oktober 2024 auf dem Postweg eingegangene Erinnerung ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der maßgeblichen Zweiwochenfrist (§§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO) in der gemäß §§ 165 Satz 2, 151 Satz 2, 55d Satz 1 und 2 VwGO zu beachtenden Form erhoben wurde.
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a) Die Frist zur Erhebung der Erinnerung beträgt gemäß §§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. September 2024 wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses spätestens am 27. September 2024 zugestellt. Zwar ist die Datumsangabe auf dem in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnis weitgehend unleserlich, das Empfangsbekenntnis wurde indes mit Telefax vom 27. September 2024 übermittelt, so dass der Empfang des Kostenfestsetzungsbeschlusses spätestens an diesem Tag bestätigt worden sein muss. Jedenfalls mit dem 11. Oktober 2024 war mithin die Frist zur Erhebung der Erinnerung abgelaufen.
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b) Die am 4. Oktober 2024 in Papierform per Post erhobene Erinnerung ist nicht in der gebotenen Form eingereicht worden und wahrt daher nicht die vorgenannte Frist. Nach § 55d VwGO sind den Verwaltungsgerichten insbesondere bestimmende Schriftsätze (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 253 Abs. 4 VwGO) und damit auch die Erinnerung nach § 165 VwGO (ausdrücklich etwa Kunze, in: BeckOK VwGO, 70. Ed. 1.7.2024, § 165 Rn. 5; Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, 45. EL Januar 2024, § 55d Rn. 11) als elektronische Dokumente zu übermitteln. Für Steuerberater steht seit dem 1. Januar 2023 (vgl. §§ 86d, 157e StBerG) ein sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Verfügung, zu dessen Nutzung sie nach § 55d Satz 2 VwGO verpflichtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2023 – 22 CS 23.1040 – juris Rn. 11; VG München, GB v. 23.5.2024 – M 31 K 24.819 – juris Rn. 11; U.v. 28.11.2023 – M 31 K 23.1446 – juris Rn. 16 f.; zur Parallelvorschrift § 52d FGO z.B. BFH, B.v. 2.2.2024 – VI S 23/23 – juris Rn. 6). Eine herkömmliche Einreichung von Schriftsätzen ist seither bei Steuerberatern wie dem Klägerbevollmächtigten, der vorliegend gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO vertretungsbefugt ist, prozessual unwirksam.
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Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers auf die seitens des X. Senats des Bundesfinanzhofs im Zusammenhang des § 52d FGO geäußerten Zweifel an der Registrierungspflicht der Steuerberater für das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) verweist (BFH, B.v. 17.4.2024 – X B 68, 69/23 – juris Rn. 19 ff.) sowie generell davon ausgeht, dass nur für das finanzgerichtliche Verfahren eine aktive Nutzungspflicht bestehe, greift dies nicht durch. Relevant ist vorliegend die Vorschrift des § 55d VwGO, die wie ausgeführt gemäß §§ 55d Satz 2, 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch Steuerberater im Rahmen ihrer Vertretungsbefugnis betrifft. Grundlegende Bedenken gegen die Registrierungs- und damit letztlich Nutzungspflicht des beSt erkennt das Gericht ebenso wie die weitere, auch obergerichtliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nicht (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2023 – 22 CS 23.1040 – juris Rn. 11; B.v. 3.7.2023 – 22 ZB 23.906 – juris Rn. 12; VG Bayreuth, U.v. 1.7.2024 – B 7 K 23.275 – juris Rn. 25; VG Würzburg, GB v. 30.1.2024 – W 8 K 23.1036 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 28.11.2023 – M 31 K 23.1446 – juris Rn. 16). Im Übrigen ist zu bemerken, dass die angesprochenen Bedenken des X. Senats des Bundesfinanzhofs soweit ersichtlich bislang von anderen Senaten dieses Gerichts sowie generell in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht geteilt werden (vgl. etwa der zeitlich später ergangene Beschluss des II. Senats, BFH, B.v. 8.5.2024 – II R 3/23 – juris Rn. 16; mit eingehender Auseinandersetzung, auf die das Gericht Bezug nimmt, FG Düsseldorf, U.v. 4.7.2024 – 14 K 463/23 E – juris Rn. 19 ff.).
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Auch die durch den Klägerbevollmächtigten vorgebrachte Irreführung durch die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses in Papierform ist nicht anzunehmen. Das Verwaltungsgericht ist berechtigt, für die Zustellung der Entscheidung eine der vorgesehenen Möglichkeiten der Zustellung oder Ersatzzustellung (§ 56 Abs. 2 VwGO, §§ 166 ff. ZPO) zu wählen. Das Verwaltungsgericht war insbesondere nicht verpflichtet, die Entscheidung als elektronisches Dokument gemäß § 173 ZPO zuzustellen. § 173 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass ein elektronisches Dokument elektronisch nur auf einem sicheren Übermittlungsweg zugestellt werden kann. Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Steuerberater, einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen, folgt jedoch nicht, gleichsam umgekehrt, die Verpflichtung des Gerichts, bei der Zustellung von Entscheidungen diesen Weg auch zu nutzen (BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 22 ZB 23.906 – juris Rn. 8).
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Damit fehlt es an der notwendigen Sachentscheidungsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Erhebung der Erinnerung in der nach §§ 165 Satz 2, 151 Satz 2, 55d Satz 2 VwGO gebotenen Form, die im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von Amts wegen zu beachten ist und nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten steht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 – juris Rn. 7 m.w.N.).
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3. Dem Antragsteller ist ferner auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller schon nicht gestellt. Eine gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dies setzt voraus, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt wird und die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen offenkundig sind. An beidem fehlt es vorliegend. Der Klägerbevollmächtigte wurde durch das Gericht in offener Erinnerungsfrist mindestens einmal – Schreiben vom 7. Oktober 2024 und Erstzustellung vom 11. Oktober 2024 – auf das nicht eingehaltene Formerfordernis hingewiesen. Daraufhin führte der Klägerbevollmächtigte lediglich – erneut in Papierform mit Schreiben vom 8. Oktober 2024 – seine gegenteilige Rechtsauffassung aus, holte aber (von dem erneut nicht eingehaltenen Formerfordernis abgesehen) auch in der Sache gerade nicht die Erhebung der Erinnerung nach. Dass dem Klägerbevollmächtigten eine formwirksame Einreichung nicht möglich gewesen wäre (§ 55d Satz 3 und 4 VwGO) ist nicht ansatzweise vorgetragen, im Übrigen nutzte der Klägerbevollmächtigte im korrespondierenden Klageverfahren M 31 K 22.5002 regelmäßig das besondere elektronische Steuerberaterpostfach und konnte offenbar auch im vorliegenden Verfahren ohne weiteres gerichtliche Schreiben auf diesem Wege empfangen.
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Nach alledem war die Erinnerung des Antragstellers mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen; das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.