Titel:
Anerkennung der Covid-19-Infektion eines Bürgermeisters als Dienstunfall, kein Dienstunfall nach Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG aufgrund fehlender zeitlicher Bestimmbarkeit der Ansteckung, keine Anerkennung als Berufserkrankung nach Art. 46 Abs. 3 BeamtVG, keine besondere erhöhte Ansteckungsgefahr
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3 S. 1
Anlage 1 BKVO Nr. 3101
Schlagworte:
Anerkennung der Covid-19-Infektion eines Bürgermeisters als Dienstunfall, kein Dienstunfall nach Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG aufgrund fehlender zeitlicher Bestimmbarkeit der Ansteckung, keine Anerkennung als Berufserkrankung nach Art. 46 Abs. 3 BeamtVG, keine besondere erhöhte Ansteckungsgefahr
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36332
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer nach seiner Auffassung in Ausübung seines Amtes erlittenen Corona-Infektion als Dienstunfall.
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Der Kläger war hauptamtlicher Erster Bürgermeister der Beklagten. Aufgrund einer erlittenen Corona-Infektion und den daraus resultierenden Langzeitfolgen (Long-COVID) ist der Kläger mit Wirkung zum 31.01.2024 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Im Rahmen einer amtsärztlichen Begutachtung wurde die dauerhafte Dienstunfähigkeit des Klägers durch Gutachten vom 11.01.2024 festgestellt.
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Mit Antrag vom 13.07.2022 beantragte der Kläger, die Corona-Infektion als Dienstunfall anzuerkennen. Er habe sich die zur dauerhaften Dienstunfähigkeit und Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand führende Infektion mit COVID-19 im Rahmen der Ausübung seines Amtes als Erster Bürgermeister zugezogen und zwar in der Nacht vom 05.03.2022 auf den 06.03.2022. Er führte hierzu aus, aufgrund des seinerzeit kurz zuvor ausgebrochenen Ukraine-Krieges habe sich eine Gruppe engagierter Bürger aus B** B* … auf den Weg an die polnisch-ukrainische Grenze gemacht, um eine Lieferung von Hilfsgütern dort abzugeben. Die Rückkehr der Bürger sei für den späten Abend des 05.03.2022 geplant gewesen. Die Bürger hätten ukrainische Flüchtlinge in ihren Privatfahrzeugen mit nach B** B* … genommen. In Absprache mit der evangelischen Kirche sei seitens der Stadt B** B* … entschieden worden, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Erster Bürgermeister sowie der evangelische Pfarrer die Menschen aus der Ukraine offiziell in B1 B. willkommen heißen sollten. Zudem sei sichergestellt worden, dass auch eine ärztliche Betreuung vor Ort vorhanden sei. Es hätten sich weitere Freiwillige gemeldet, die auf die Ankunft der Flüchtlinge hätten warten wollen, um diese mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln zu versorgen. So hätten sich schließlich am 05.03.2022 gegen 23:30 Uhr etwa 10-11 Personen im evangelischen Gemeindehaus getroffen. Die Fahrzeuge mit den Flüchtlingen seien um etwa 02:00 Uhr des 06.03.2022 angekommen. Nach Klärung mit der ebenfalls vor Ort befindlichen Polizei und Begrüßung durch den Kläger als Bürgermeister der Stadt B1 B. seien die ankommenden Menschen aus der Ukraine erst einmal mit Essen versorgt worden. Nachdem über den Kläger als Bürgermeister die Unterbringung der Ukrainer geregelt worden sei, seien gegen 04:30 Uhr am Morgen des 06.03.2022 alle Personen nach Hause gegangen. An den darauf folgenden Tagen habe sich der Kläger jeweils täglich mit einem Schnelltest auf COVID-19 getestet. Beim Test vor der Aufsichtsratssitzung am 09.03.2022 (abends) sei der Schnelltest noch negativ, beim nächsten Test am darauf folgenden Tag (10.03.2022) sodann positiv gewesen. Dieser Schnelltest sei dann durch einen PCR-Test bestätigt worden. Freigetestet habe sich der Kläger sodann erst unter dem 18.03.2022. In der Folgezeit habe sich herausgestellt, dass sich an diesem Abend ca. 6-7 Personen mit COVID-19 infiziert hätten bzw. in zeitlicher Nähe zu dem Abend des 05.03.2022 positiv getestet worden seien. Bei sämtlichen Terminen, die der Kläger zwischen dem 04.03.2022 und 09.03.2022 wahrgenommen habe, hätten sich lediglich Personen aus der Nacht vom 05.03.2022 auf den 06.03.2022 mit COVID-19 infiziert. Darüber hinaus könne eine Infektion im häuslichen Umfeld ausgeschlossen werden, da die Kinder des Klägers in der Schule regelmäßig und auch die Frau des Klägers, welche in der Klinik arbeite, ebenfalls an ihrer Arbeitsstätte nahezu täglich getestet worden seien. Darüber hinaus sei dem Kläger eine COVID-19 Erkrankung im näheren Umfeld nicht bekannt geworden, so dass eine Ansteckung im privaten Umfeld daher auszuschließen sei. Der behandelnde Facharzt des Klägers sei insoweit in seinem Attest vom 20.11.2023 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sich im Rahmen der dienstlichen Veranstaltung in der Nacht vom 05.03.2022 auf den 06.03.2022 mit COVID-19 infiziert habe.
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Die Beklagte lehnte den Antrag auf Anerkennung der Covid-19-Infektion als Dienstunfall mit Schreiben vom 29.12.2023 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) ab.
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Hiergegen hat der Kläger am 10.10.2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhoben mit dem Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2023 die Infektion und Erkrankung des Klägers an SARS-CoV-2/COVID-19 bzw. die daraus resultierende Long-Covid-Erkrankung als Dienstunfall (Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG), hilfsweise als Berufserkrankung im Sinne von Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG anzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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Der Antrag des Klägers vom 13.07.2022 auf Anerkennung der Long-COVID-Erkrankung und deren Auswirkung auf dessen Gesundheit als Dienstunfall gemäß § 31 BeamtVG, Art. 46 BayBeamtVG nach Maßgabe des Stadtratsbeschlusses vom 22.09.2022 sei abzulehnen gewesen, da es bereits am Vorliegen eines Kausalzusammenhanges zwischen der Dienstausübung des Klägers und dem Unfallereignis fehle. So müsse die Verrichtung dienstlicher Aufgaben die alleinige oder wesentliche Ursache des Unfalls gewesen sein, d.h. dass der Kläger in seiner damaligen dienstlichen Eigenschaft als 1. Bürgermeister der Beklagten und somit als kommunaler Wahlbeamter zur Zeit des Unfalles entscheidend aufgrund der Anforderung des Dienstes und nicht aufgrund der eigenwirtschaftlichen, dem privaten Lebensbereich zuzurechnenden Anforderungen tätig gewesen sei. Es fehle vorliegend an einem inneren und äußeren Kausalzusammenhang zwischen der Anwesenheit des Klägers bei der von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde organisierten Ankunft und Begrüßung der 21 Kriegsflüchtlinge und der hierbei erfolgten Ansteckung des Klägers mit dem COVID-19-Virus. Hiervon sei der Kläger offensichtlich selbst ausgegangen, da es sich bei dieser Begrüßungsveranstaltung nicht um eine offizielle Veranstaltung der Stadt B1 B. gehandelt habe und der Kläger nach eigenem Bekunden als Helfer bei der Ankunft dieser Kriegsflüchtlinge vor Ort gewesen sei, so dass es an der Verrichtung von dienstlichen Aufgaben und damit an einem inneren und äußeren Kausalzusammenhang, der alleinige oder wesentliche Ursache dieser Erkrankung gewesen wäre, gefehlt habe. Diese helfende Tätigkeit im Rahmen einer kirchlich organisierten Veranstaltung, bei welcher die Infektion mit dem COVID-19-Virus als sog. Unfallereignis eingetreten sei, sei somit nicht durch die Erfordernisse des Dienstes des Bürgermeisteramtes maßgebend geprägt und bedingt gewesen; der Umstand, dass diese helfende Tätigkeit des Klägers im Interesse seines Bürgermeisteramtes lag, reiche nicht aus. So erfordere das Merkmal „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ einen inneren Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes, d. h. der dienstlichen Aufgabenerfüllung. Hierzu reiche der bloße Umstand, dass das Ereignis den Beamten bei Gelegenheit der Dienstausübung trifft, noch nicht aus. Vielmehr müsse das fragliche Verhalten des Beamten auch bei einer Bewertung der Risikosphären als durch die Dienstausübung geprägt bzw. in diese einbezogen erscheinen (so VG Würzburg, Urteil vom 15.11.2022, Az. W 1 K 22.1251). Hierbei komme auch dem Umstand erhebliche Bedeutung zu, dass der Kläger bedauerlicherweise bei dieser Ankunft der Flüchtlinge in der Nacht vom 05. auf den 06.03.2022 auf das Anlegen einer COVID-19-Schutzmaske verzichtet habe, obwohl bereits zu der damaligen Zeit die Gefahr einer Ansteckung mit dem COVID19-Virus allgemein bekannt und das Tragen einer solchen Schutzmaske in der Öffentlichkeit entsprechend den gesetzlichen Vorgaben im Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmegesetz und der hierauf gestützten Allgemeinverfügung verpflichtend vorgeschrieben gewesen sei. Entsprechend hätten auch zahlreiche Anwesende bei der Ankunft der Flüchtlinge die vorgeschriebene Schutzmaske getragen, wie aus den mit der Behördenakte vorgelegten Lichtbildern deutlich zu erkennen sei. Mutmaßlich hätte eine Infektion des Klägers mit dem COVID-19-Virus und den höchst bedauerlichen Krankheitsfolgen vom Kläger beim durchgängigen Tragen der Schutzmaske bei der Ankunft der Flüchtlinge vermieden werden können. Fehle es somit an dem Vorliegen eines inneren ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Ereignis der Ansteckung mit dem COVID-19-Virus und seiner dienstlichen Tätigkeit als 1. Bürgermeister der Stadt B** … so habe der Stadtrat in seiner Sitzung vom 22.09.2022 somit in rechtsfehlerfreier Weise den Antrag auf Anerkennung der bedauerlicherweise beim Kläger als damaliger 1. Bürgermeister erfolgten Erkrankung an Long-COVID als Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1, Abs. 3 BayBeamtVG, § 31 BeamtVG abgelehnt mit der Folge, dass sich der angefochtene und gegenständliche Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 29.12.2023 als rechtmäßig erweise.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig; sie wurde insbesondere innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO rechtzeitig erhoben. Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Die angefochtene Entscheidung der Beklagten vom 29.12.2023 erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung der durch PCR-Testergebnis vom 10.03.2022 nachgewiesenen COVID-19-Infektion als Dienstunfall nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung der Infektion als Dienstunfall ergibt sich weder aus Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG (dazu unter 1.) noch aus Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG (dazu unter 2.).
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1. Ein Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG liegt mangels örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignisses, das zu der am 10.03.2022 bekannt gewordenen COVID-19 Erkrankung des Klägers geführt hat, nicht vor. Auch wenn viel dafürspricht, dass sich der Kläger am 05.03.2022 während der Teilnahme an der Flüchtlingsaktion infiziert hat, lässt sich der genaue Zeitpunkt der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Vielmehr ist es mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit möglich, dass sich der Kläger außerhalb des Dienstes bei irgendeiner anderen Person angesteckt hat. Der Kläger kann sich in der Zeit vom 19.02.2022 bis zum 08.03.2022 infiziert haben. Denn die Infektion kann frühestens 18 Tage, spätestens 2 Tage, wahrscheinlich 6 Tage vor dem 10.03.2022 stattgefunden haben. Die Inkubationszeit (die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung) ist bei Covid-19 sehr volatil. Die kürzeste belegte Inkubationszeit beträgt 1,8 Tage, die längste 18,87 Tage (aerzteblatt.de/nachrichten/136846/Kuerzere-Inkubationszeit-Omikron-fuehrt-schneller-zur-Erkrankung-als-fruehere-Varianten, v. 23.08.2022). Wahrscheinlich hat er sich am bzw. um den 4./5.03.2022 herum infiziert. Denn die Inkubationszeit wurde im Mittel mit 5,8 Tagen (95 Prozent Konfidenzintervall 5,0 – 6,7 Tage) berechnet (RKI, a.a.O.). Auch wenn also gewichtige Gründe dafürsprechen, dass sich der Kläger am 05.03.2024 infiziert hat, hält es die Kammer nach alledem für nicht aufklärbar, ob sich der Kläger während einer dienstlichen Verrichtung oder außerdienstlich im privaten Bereich mit dem Covid19-Virus angesteckt hat. Denn für die zeitliche Bestimmbarkeit genügt es nicht, dass sich ein über mehrere Tage erstreckender Zeitraum nach Anfangs- und Schlusstag eingrenzen lässt (BVerwG, B.v. 19.1.2006 – 2 B 46.05 – juris Rn. 6). Ebenso erfüllt eine abstrakte Bestimmung des möglichen Tages der Infektion durch Rückrechnung aufgrund der Inkubationszeit nicht das Erfordernis der konkreten zeitlichen Bestimmbarkeit (Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, September 2023, § 31 BeamtVG Rn. 37). Lassen sich Ort und Zeit einer Infektion nicht genau feststellen, so geht das zu Lasten des Beamten, der die materielle Beweislast trägt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 8). Dem Kläger ist auch keine Beweiserleichterung im Zusammenhang mit dem Kausalitätsnachweis in Form des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweis) einzuräumen. Denn ein Anscheinsbeweis greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 18). Der Anscheinsbeweis scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil im Hinblick auf die Inkubationszeit und die mannigfaltigen Möglichkeiten einer anderweitigen Infektion es nicht typischerweise oder geradezu zwangsläufig zu einer Infektion im dienstlichen Rahmen zum fraglichen Zeitraum gekommen sein muss (vgl. BayVGH, U.v. 3 BV 21.3116).
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Es gibt auch keine Veranlassung, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann, eine quasi Beweislastumkehr über die Heranziehung des Anscheinsbeweises zu Gunsten der Beamten zu begründen. Denn der Gesetzgeber hat der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV, die grundsätzlich auch die Erkrankung an Covid-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen soll der Dienstherr nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 12.12.2022 – 23 K 8281/21 – juris Rn. 55; OVG NW, B.v. 13.10.2010 – 1 A 3299/08 – juris Rn. 21; Günther/Michaelis, COVuR 2022, S. 46 (47); BVerwG, U.v. 11.2.1965 – II C 11/62 – ZBR 1965, 244).
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2. Die Erkrankung des Klägers kann auch nicht gemäß Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG als Dienstunfall anerkannt werden. Nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG gilt als Dienstunfall auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 zur BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit, wenn der Beamte oder die Beamtin nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war (2.1.), es sei denn, dass der Beamte oder die Beamtin sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat (2.2.).
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2.1. Gemäß Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV i.V.m. § 1 BKV sind Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten erfasst, wenn der Versicherte (hier der Beamte/die Beamtin) im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
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Da die COVID-19 Erkrankung des Klägers durch die Infektion (Ansteckung) mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht wird und daher eine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit ist (vgl. dazu den unter „Infektionskrankheiten A-Z“ aufgeführten Steckbrief des Robert-Koch-Instituts unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/InfAZ_marginal_node.html; BVerfG, B.v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 3), wird sie von Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV grundsätzlich erfasst.
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Der Kläger ist weder im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig (gewesen). Die damit allein in Betracht kommende Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 zur BKV fordert eine der betreffenden Tätigkeit innewohnende besondere, den übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 11). Sowohl Nr. 3101 – letzte Alternative – der Anlage 1 der BKV als auch Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG enthalten das Tatbestandsmerkmal, der Erkrankungs- bzw. Infektionsgefahr besonders ausgesetzt gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es im Zusammenhang mit der in Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG geforderten besonderen Dienstbezogenheit der Erkrankung („nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung“) zu prüfen.
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Für das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG, für die besondere Erkrankungsgefahr und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung trägt der Beamte die materielle Beweislast.
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Nach der Rechtsprechung des BayVGH (B.v. 09.09.2024 – 3 ZB 24.840 – juris) soll Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (vgl. auch BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17). Deshalb genügt die generelle Ansteckungsgefahr, der ein Beamter ausgesetzt sein kann, wenn er im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, gerade nicht (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 22 f. m.w.N.). Bei einer pandemisch verbreiteten Krankheit reicht selbst ein hoher Grad an Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes grundsätzlich nicht aus, um eine besondere Infektionsgefahr zu begründen (BayVGH, U.v. 5.6.2024, a.a.O. Rn. 78). Hinzukommen muss vielmehr immer eine im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besondere, mit der konkreten dienstlichen Verrichtung verbundene Übertragungsgefahr. Denn der Gesetzgeber ist von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, dass die Folgen schicksalsmäßiger – d.h. von niemandem verschuldeter – schädlicher Einwirkungen von dem Geschädigten selbst zu tragen sind, also regelmäßig nicht auf einen schuldlosen Dritten – hier den Dienstherrn – abgewälzt werden können; und er hat den öffentlich-rechtlichen Dienstherren in Abweichung von diesem Grundsatz das (wirtschaftliche) Risiko für eine von einem Beamten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit erlittenen Infektion nur ausnahmsweise auferlegt (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1965 – II C 11.62 – BeckRS 1965, 31317469; BayVGH, U.v. 5.6.2024, a.a.O. Rn. 80). Hierfür genügt nicht eine Infektionsgefahr, die aus der bloßen Zusammenarbeit mit anderen Menschen herrührt. Denn die bloße Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist gerade nicht einer konkreten dienstlichen Tätigkeit eigentümlich, sie ist vielmehr generell in einer Beschäftigung im Arbeitsleben und nicht nur im Beamtentum und der konkreten dienstlichen Verrichtung angelegt. Es bedarf daher besonderer, für die dienstliche Verrichtung typischer Umstände, die zu einer im Vergleich zur übrigen Bevölkerung höheren Übertragungsgefahr geführt haben. Hierunter fiele es insbesondere, wenn die dienstliche Verrichtung das Außerachtlassen empfohlener und üblicherweise vorgesehener Infektionsschutzmaßnahmen (Abstand, Masken, Testpflichten, Hygieneschutzkonzepte) bedingte (BayVGH, U.v. 5.6.2024, a.a.O. Rn. 78).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger geschilderte Situation am Abend des 05.03.2022 gerade nicht die Notwendigkeit beinhaltete, die empfohlenen und üblicherweise vorgesehenen Infektionsschutzmaßnahmen außer Acht zu lassen, wie dies aufgrund der vorgelegten Bilder schon dadurch der Fall war, dass zwar einige, nicht aber alle Anwesenden Masken trugen; indes gehörte es gerade nicht zum Inhalt der dienstlichen Verrichtung des Klägers als 1. Bürgermeister – um eine solche handelte es sich nach Auffassung der Kammer zweifelsohne – sich einer besonderen Infektionsgefahr auszusetzen, indem Schutzmaßnahmen unterlassen wurden.
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3. Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).