Titel:
Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge wegen Fernbleibens vom Dienst - Rechtfertigungsgrund der Dienstunfähigkeit
Normenketten:
BayUrlMV § 16
BayBG Art. 95 Abs. 1
BayBesG Art. 9 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der feststellenden Entscheidung nach Art. 9 Abs. 1 S. 3 BayBesG trifft die Behörde die Beweislast nicht nur für die Tatsache des Fernbleibens vom Dienst, sondern insbesondere beim geltend gemachten Rechtfertigungsgrund der Dienstunfähigkeit auch für das Fehlen dieser. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Legt der Beamte zum Beleg seiner Dienstunfähigkeit Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Privatärzte vor, so kann der Nachweis seiner Dienstfähigkeit regelmäßig nur durch Einschaltung eines Amtsarztes geführt werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlust der Besoldung, Beweislastverteilung, amtsärztliche Stellungnahmen, privatärztliche Atteste, Verlust der Dienstbezüge, Lehrer, dienstunfähig erkrankt, Beweislast, Dienstunfähigkeit
Fundstellen:
BeckRS 2024, 35987
FDArbR 2025, 935987
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2022, Az. …, wird insoweit aufgehoben, als in Ziffern 1 und 2 ein Verlust der Dienstbezüge für den 16. Januar 2022, den 31. Januar 2022 und für den Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis zum 9. Februar 2022 festgestellt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
3. Das Urteil ist bezüglich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem der Verlust der Dienstbezüge festgestellt wurde.
2
1. Der Kläger wurde am … 1966 geboren und war als Lehrer bei der Beklagten tätig. Er war zuletzt als Oberstudienrat in der beruflichen Schule … bei der Beklagten eingesetzt und dort Lehrer für Elektrotechnik und Mathematik. Er hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 und ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
3
Der Kläger meldete sich bei seiner Schule am 10. Januar 2022 aus der Türkei telefonisch krank. Am 11. Januar 2022 übersandte er per Email ein Attest eines Arztes in türkischer Sprache, in dem dem Kläger sinngemäß wegen Covid-19 eine Dienstunfähigkeit vom 6. Januar 2022 bis 15. Januar bescheinigt wurde.
4
Der Kläger schickte der Schule am 18. Januar 2022 eine weitere ärztliche Bescheinigung eines türkischen Arztes mit Datum vom 17. Januar 2022. In dieser wurden dem Kläger eine „Lungenentzündung“ und ein Muskelschmerz diagnostiziert. Hintergrund sei eine COVID-19 Erkrankung. Für 14 Tage wurde eine Bettruhe angeordnet.
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In einer Email an den Kläger führte der Schulleiter aus, dass die am 11. Januar 2022 vorgelegte Bescheinigung unleserlich gewesen sei. Das weitere Attest vom 17. Januar 2022 genüge nicht für eine Fortzahlung der Bezüge. Es werde auf § 16 UrlMV hingewiesen und auf Nr. 3.5.4 ADON, wonach er verpflichtet sei, eine Dienstunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Er sei länger als drei Kalendertage dienstunfähig erkrankt. Es sei spätestens am darauffolgenden Tag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
6
Der Beklagte schrieb den Kläger mit E-Mail vom 28. Januar 2022 an und erläuterte, dass aufgrund der Tatsache, dass die vom Kläger bislang vorgelegten Atteste in englischer bzw. in türkischer Sprache ausgestellt seien, eine abschließende Bewertung, ob und für welchen Zeitraum er gemäß § 16 UrlMV Anspruch auf die Fortgewährung der Leistungen habe, nicht möglich sei. Gleiches gelte für die Beurteilung, ob er den beamtenrechtlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Dienstverhinderung ausreichend nachkomme. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht nachvollziehbar sei, warum er erst am 6. Februar 2022 nach Deutschland zurückkehren könne. Nach den hiesigen Feststellungen bestünden auch vor dem 6. Februar 2022 Rückflugmöglichkeiten.
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Mit Schreiben vom 3. Februar 2022 wandte sich die Beklagte an den Kläger und führte aus, dass die bislang vorgelegten Atteste nicht ausreichten, um festzustellen, ob der Kläger gemäß § 16 UrlMV Anspruch auf Fortgewährung der Dienstbezüge habe. Mit Email vom 2. Februar 2022 habe der Kläger eine weitere Bescheinigung in türkischer Sprache vorgelegt, mit der er vom 2. Februar 2022 – 12. Februar 2022 krankgeschrieben werde. Die Atteste reichten nicht für die Annahme einer Dienstunfähigkeit aus. Aufgrund dessen und weil hinsichtlich der behaupteten Erkrankung in der Türkei keine anderen Möglichkeiten bestünden, sei die Beibringung eines amtsärztlichen Zeugnisses das geeignete, erforderliche und angemessene Mittel, um die vom Kläger behauptete Dienstunfähigkeit überprüfen zu können. Er werde daher aufgefordert, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrlMV unverzüglich ein amtsärztliches Zeugnis über die behauptete Dienstunfähigkeit vorzulegen.
8
Der Kläger stellte sich am 10. Februar 2022 zur amtsärztlichen Untersuchung beim Gesundheitsamt der Beklagten vor. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger keine Anzeichen einer akuten Erkrankung aufweise und vollständig dienstfähig sei. Es fänden sich keine Anzeichen einer vorausgegangenen längeren Erkrankung. Eine solche könne aber zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht ausgeschlossen werden.
9
Der Kläger legte am 14. Februar 2022 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Privatarztes vor, wonach er vom 14. Februar 2022 bis zum 28. Februar 2022 arbeitsunfähig sei. Mit Schreiben vom 15. Februar 2022 führte die Beklagte aus, dass die übersandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Nachweis der vorübergehenden Dienstunfähigkeit nicht ausreiche und nicht anerkannt werde. Der Kläger fehle somit unentschuldigt. Der Kläger legte in der Folge weitere privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum 28. Februar 2022 bis 14. März 2022 und vom 14. März 2022 bis zum 11. April 2022 vor.
10
Mit Schreiben vom 17. März 2022 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge an. Es sei festzustellen, dass der Kläger am 16. Januar 2022 und vom 31. Januar 2022 bis 1. Februar 2022 unentschuldigt gefehlt habe. Gleichfalls sei die Zeit ab 2. Februar 2022 weiter als unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst zu werten, da die vorgelegten privatärztlichen Bescheinigungen zum Nachweis nicht ausreichten.
11
Der Bevollmächtigte des Klägers zeigte seine Bevollmächtigung gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 23. März 2022 an. Der Kläger legte eine weitere privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 11. April 2022 vor, die eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 25. April 2022 bescheinigte.
12
Mit Schreiben vom 11. April 2022 ließ der Kläger über seinen Bevollmächtigten ausführen, dass kein schuldhaftes Fernbleiben des Klägers vom Dienst vorliege. Der Kläger sei an den genannten Tagen und seit dem 2. Februar 2022 dienstunfähig. Diese Dienstunfähigkeit sei durch die Bescheinigungen belegt. Es wurde eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Privatarztes vom 25. April 2022 bis zum 23. Mai 2022 vorgelegt.
13
Am 14. April und am 28. April 2022 stellte sich der Kläger beim Gesundheitsamt der Beklagten erneut vor. Dieses empfahl am 12. Mai 2022 ein CT vom Kopf des Klägers machen zu lassen. Zudem solle eine Begutachtung durch einen externen Psychiater erfolgen. Eine ambulante Psychotherapie sei mehrfach empfohlen worden, aber bisher noch nicht aufgenommen worden.
14
Am 24. Mai 2022 stellte sich der Kläger erneut beim Gesundheitsamt der Beklagten vor. Dieses führte aus, dass unverändert widersprüchliche Testergebnisse, Befunde und Aussagen bestünden. Daher werde dringend ein CT vom Kopf empfohlen, sodass organische Ursachen sicher ausgeschlossen werden könnten. Außerdem sei eine neuropsychologische, psychiatrische und psychologische Diagnostik zwingend erforderlich. Dazu sollte sich der Kläger dringend einem niedergelassenen Psychiater oder Neurologen vorstellen. In Zusammenschau aller Untersuchungen und Befunde bestünden zur Zeit keine gravierenden Einschränkungen, die eine Krankschreibung rechtfertigten.
15
Mit fachärztlicher Stellungnahme vom 29. Juni 2022 wurde dem Kläger eine depressive Episode mit somatischen Beschwerden und Panikstörung diagnostiziert. Es wurde eine stationäre psychosomatische Therapie für dringend erforderlich gehalten.
16
Das Gesundheitsamt der Beklagten führte am 15. September 2022 aus, dass der Kläger arbeitsunfähig vom 12. September 2022 bis 21. September 2022 sei. Am 27. September 2022 wurde der Kläger einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX durch die Bundesagentur für Arbeit gleichgestellt.
17
Der Bevollmächtigte des Klägers führte mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 zu der beabsichtigten Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge aus, dass zwischenzeitlich Klarheit darüber bestehen dürfte, dass der Kläger am 16. Januar 2022 und vom 31. Januar 2022 bis 1. Februar 2022 nicht unentschuldigt gefehlt habe. Des Weiteren dürfte Klarheit darüber bestehen, dass die drei durch den Kläger seit dem 14. Februar 2022 vorgelegten privatärztlichen Bescheinigungen in Verbindung mit den sich daran anschließenden mehrfachen amtsärztlichen Untersuchungen zum Nachweis dafür, dass die durch den Kläger geltend gemachte Dienstunfähigkeit tatsächlich bestanden habe, ausreichend gewesen seien. Der Kläger habe sich vom 11. Oktober 2022 bis zum 6. Dezember 2022 in stationärer Behandlung gefunden.
18
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2022 stellte die Beklagte den Verlust der Dienstbezüge des Klägers für die Tage des 16. Januar 2022, des 31. Januar 2022 und des 1. Februar 2022 fest (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids). Der Verlust der Dienstbezüge des Klägers wurde für den Zeitraum vom 2. Februar 2022 bis 24. Mai 2022 festgestellt (Ziffer 2). Für den Bescheid würden keine Kosten erhoben (Ziffer 3). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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2. Hiergegen ließ der Kläger am 16. Januar 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger an den in Rede stehenden Tagen und dem im Bescheid angeführte Zeitraum nicht schuldhaft dem Dienst ferngeblieben sei. Der 16. Januar 2022 sei ein Sonntag gewesen. Bei der Ausstellung der Folgebescheinigung am 17. Januar 2022 sei ärztlicherseits nicht beachtet worden, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lückenlos sein müsse. Auch der Kläger habe dies nicht gewusst. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. Januar 2022 gebe an, dass der Kläger 14 Tage Bettruhe halten solle. Diese habe bis zum 31. Januar 2022 gegolten, so dass er an diesem Tag nicht unentschuldigt gefehlt habe. Der Kläger habe am 2. Februar 2022 ebenfalls nicht unentschuldigt gefehlt, da der behandelnde Arzt in der Türkei festgestellt habe, dass der Gesundheitszustand keine Rückreise per Flugzeug zugelassen habe. Der Kläger habe schließlich auch für den Zeitraum vom 2. Februar 2022 bis 24. Mai 2022 nicht schuldhaft gefehlt. Zudem weise der Kläger einschlägige Vorerkrankungen auf. Bei der Untersuchung am 11. Februar 2022 durch die Amtsärztin sei der Kläger aufgrund der Untersuchungssituation so verstört gewesen, dass er der Amtsärztin nicht habe sagen können, dass er psychisch erkrankt sei und einschlägige Vorerkrankungen erneut aufgetreten seien. Die Amtsärztin habe den Kläger auch danach nicht gefragt.
20
Der Kläger ließ beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2022 wird aufgehoben.
21
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und beantragte,
Die Klage wird abgewiesen.
22
Die zulässige Klage sei in der Sache nicht begründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die durch den Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen erfassten den 16. Januar 2022 gerade nicht. Der Beamte sei verpflichtet, den Dienstherrn seine Dienstunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauere die Dienstunfähigkeit länger als drei Kalendertage, müsse der Beamte eine ärztliche Bescheinigung und die voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorlegen. Diese Bescheinigung des Arztes müsse vom 1. Tag der Erkrankung an lückenlos sein. Daraus resultiere die Pflicht, auch für grundsätzlich dienstfreie Tage eine ärztliche Bescheinigung über die Dienstunfähigkeit vorzulegen. Der Kläger habe auch zumindest grob fahrlässig gehandelt.
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Die weitere Dienstunfähigkeit sei ihm ab dem 17. Januar 2022 attestiert worden und habe bis Sonntag, 30. Januar 2022, gegolten. Der 31. Januar 2022 sei damit nicht mehr umfasst gewesen. Am 1. Februar 2022 sei der Kläger damit zum Dienst verpflichtet gewesen. Für den Zeitraum vom 2. Februar 2022 bis 24. Februar 2022 sei der Kläger zum Dienst verpflichtet gewesen. Der Kläger habe seit dem 2. Februar 2022 trotz Aufforderung kein amtsärztliches Zeugnis über seine behauptete Dienstunfähigkeit vorgelegt. Ein amtsärztliches Gutachten habe grundsätzlich einen höheren Beweiswert als ein privatärztliches Gutachten. Ordne der Dienstherr an, dass sich der Beamte bei der Geltendmachung einer seine Dienstfähigkeit ausschließenden Erkrankung beim Amtsarzt melden müsse, damit dieser die Dienstunfähigkeit prüfe und gegebenenfalls bestätige, so sei der Beamte von der Dienstpflicht nur befreit, wenn er dieses vorgegebene Verfahren einhalte. Andernfalls bleibe der Beamte dem Dienst bedingt vorsätzlich fern.
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Am 16. Oktober 2023 teilte die Beklagte mit, dass durch das Gesundheitsamt die dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers festgestellt und das Verfahren zur Ruhestandsversetzung eingeleitet worden sei. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2023 wurde der Kläger durch die Beklagte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids ist Gegenstand im Verfahren AN 1 K 24.65.
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3. In der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2024 war der Bevollmächtigte des Klägers allein erschienen. Die Beklagtenseite war ebenfalls vertreten. Das Verfahren wurde zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren AN 1 K 24.65 verbunden. Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten erörtert. Im Übrigen wird auf das Protokoll Bezug genommen.
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4. Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27
Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2022 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als in Ziffern 1 und 2 ein Verlust der Dienstbezüge für den 16. Januar 2022, den 31. Januar 2022 und für den Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis zum 9. Februar 2022 festgestellt wurde. Im Übrigen war die Klage aber abzuweisen, weil der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
28
1. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig.
29
Das Personalamt der beklagten Stadt … war für die Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge nach Art. 14 Satz 3 BayBesG zuständig.
30
Der Kläger wurde vor Erlass des Bescheids mit Schreiben der Beklagten vom 17. März 2022 angehört, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG.
31
Die fehlende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 SGB IX vor Bescheiderlass ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar wurde mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales – Region … – Versorgungsamt vom 10. August 2021 ein Grad der Behinderung von 40 beim Kläger festgestellt und er durch weiteren Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 4. November 2022 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Beklagte hatte aber zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 27. Dezember 2022 keine Kenntnis von der Gleichstellung. Diese erlangte sie erst am 3. Januar 2023, sodass die unterbliebene Beteiligung nicht zu einer Rechtswidrigkeit führt (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 2 B 28.16 – juris Rn. 8).
32
Die Beteiligung des Personalrats war nicht erforderlich, weil die Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge keine der in Art. 75 Abs. 1 BayPVG benannten Maßnahmen ist.
33
Weitere Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit sind nicht ersichtlich und wurden nicht geltend gemacht.
34
2. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2022 war nur teilweise materiell rechtswidrig und erwies sich weitüberwiegend als materiell rechtmäßig.
35
2.1. Rechtsgrundlage für den Bescheid waren Art. 9 Abs. 1 BayBesG i.V.m. Art. 95 Abs. 1 BayBG. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 bis Satz 3 BayBesG sieht vor, dass wer ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst fernbleibt, für die Zeit des Fernbleibens den Anspruch auf Besoldung verliert. Dies gilt auch bei einem Fernbleiben vom Dienst für Teile eines Tages. Der Verlust der Besoldung ist festzustellen. In Art. 95 Abs. 1 BayBG wird die beamtenrechtliche Pflicht formuliert, dass Beamtinnen und Beamte nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten dem Dienst fernbleiben dürfen und die Dienstunfähigkeit wegen Krankheit auf Verlangen nachzuweisen ist.
36
Eine aktuelle Dienstunfähigkeit wegen Krankheit stellt einen Rechtfertigungsgrund dar. Zur Dienstunfähigkeit führt eine Erkrankung dann, wenn sie den Beamten außer Stande setzt, die ihm nach den Aufgaben seines Amts im konkret-funktionellen Sinn obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2012 – 3 CS 11.2521 – juris Rn. 27).
37
Bei der feststellenden Entscheidung nach Art. 9 Abs. 1 Satz 3 BayBesG trifft die Behörde die Beweislast nicht nur für die Tatsache des Fernbleibens vom Dienst, sondern insbesondere beim geltend gemachten Rechtfertigungsgrund der Dienstunfähigkeit auch für das Fehlen dieser (Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht d. Bundes u. d. Länder, Stand: Februar 2019, Art. 9 BayBesG Rn. 13; OVG Lüneburg, B.v. 26.5.2008 – 5 OB 17/06 – juris; BayVGH, a.a.O. Rn. 28). Dies gilt selbst dann, wenn der Beamte seiner beamtenrechtlichen Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, sondern diese verletzt. Die Verletzung der Mitwirkungspflichten ist lediglich ein wichtiges Indiz, dass der Beamte nicht dienstunfähig war (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2003 – 16 DC 01.2048 – juris; Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Stand: Februar 2019, Art. 95 Rn. 36). Zu begründen ist dies damit, dass mit einer solchen Verteilung der Beweislast auf den Dienstherrn die Ausnahme vom Alimentationsprinzip besser zum Tragen kommt, welches gerade die Fortzahlung der Besoldung auch im Krankheitsfall umfasst (vgl. Kathke, a.a.O. m.w.N.). Gleichzeitig schließt eine fehlende Mitwirkung des Beamten nicht aus, dies einer disziplinarrechtlichen Würdigung zu unterziehen.
38
Legt der Beamte zum Beleg seiner Dienstunfähigkeit Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Privatärzte vor, so kann der Nachweis seiner Dienstfähigkeit regelmäßig nur durch Einschaltung eines Amtsarztes geführt werden. Denn es bedarf medizinischer Sachkunde, um ärztliche Befunde zu überprüfen. Weicht die medizinische Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes ab, so kommt der Beurteilung des Amtsarztes Vorrang zu, wenn keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen. Die medizinische Beurteilung muss auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen und in sich stimmig und nachvollziehbar sein. Hat der Privatarzt seinen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt nachvollziehbar darlegen, weshalb er den Erwägungen des Privatarztes nicht folgt. Der Vorrang des Amtsarztes hat im Konfliktfall seinen Grund in dessen Neutralität und Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht dem Beamten und der Dienststelle gleichermaßen fern (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2006 – 1 D 10.05 – juris Rn. 35 bis 37 m.w.N.).
39
2.2. Nach diesen Maßgaben war zu Gunsten des Klägers die Verlustfeststellung der Bezüge für den 16. Januar 2022, den 31. Januar 2022 und für den Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis zum 9. Februar 2022 aufzuheben, weil insoweit die Beklagte den ihr obliegenden Beweis für die Dienstfähigkeit des Klägers während dieser Tage nicht erbracht hat.
40
Der Kläger hat sich für diese Tage auf seine Dienstunfähigkeit berufen. Er hat hierfür im Januar und Februar 2022 wiederholt privatärztliche Atteste vorgelegt. Selbst soweit Zeiträume im Januar und Februar 2022 von den Attesten nicht umfasst wurden, hat er sich auf seine Dienstunfähigkeit auch an diesen Tagen berufen. Nach dem oben Gesagten kann der Nachweis der Dienstfähigkeit in dieser Konstellation nur durch Einholung einer amtsärztlichen Begutachtung erlangt werden. Durch die Beklagte wurde erst am 10. Februar 2022 eine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt, die zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger keine Anzeichen einer akuten Erkrankung aufweise und vollständig dienstfähig sei. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass keine Anzeichen einer längeren Erkrankung zu finden seien, diese zum jetzigen Zeitpunkt aber auch nicht ausgeschlossen werden könne, sodass für den Zweitraum bis zum 9. Februar 2022 die Amtsärztin keine Aussage zur Dienstfähigkeit des Klägers gemacht hat. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass die Beklagte den Kläger wiederholt auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen hat und ihn letztlich mit Schreiben vom 3. Februar 2022 zur Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses zur Dienstunfähigkeit nach § 16 Abs. 2 Satz 2 UrlMV aufgefordert hatte, was der Kläger zunächst nicht tat. Dies führt nach dem oben Gesagten aber nicht zu einer Umkehr der Beweislast.
41
Für den Zeitraum ab dem 10. Februar 2022 bis zum 24. Mai 2022 sieht das Gericht demgegenüber die materiellen Voraussetzungen für eine Feststellung des Verlusts der Bezüge als gegeben an. Der Kläger ist in diesem Zeitraum nicht zum Dienst erschienen und hat sich in diesem Zeitraum weiter auf seine Dienstunfähigkeit berufen. Als Beleg legte er weiter privatärztliche Atteste vor, die ihm eine Dienstunfähigkeit bescheinigten.
42
Das Gericht geht demgegenüber davon aus, dass die Beklagte berechtigterweise von der Dienstfähigkeit des Beklagten ausgegangen ist und der Kläger schuldhaft dem Dienst ohne Rechtfertigungsgrund ferngeblieben ist.
43
Die privatärztlichen Atteste waren durch die parallel bestehende, fortlaufende Kontrolle durch die Amtsärztin und deren Einschätzungen widerlegt. Das amtsärztliche Zeugnis vom 11. Februar 2022, welches auf Basis der Untersuchung vom 10. Februar 2022 erstellt wurde, kam zur vollständigen Dienstfähigkeit des Klägers. Dieses beruhte, wie es sich aus der beigezogenen Akte des Gesundheitsamts der Beklagten zum Kläger ergibt, aus einer ausführlichen Anamneseerhebung und eingehenden Untersuchung des Klägers. Die dem Dienstherrn bis dahin vorgelegten privatärztlichen Atteste zur Dienstunfähigkeit wurden der Amtsärztin ebenfalls vorgelegt. Entgegen des Vortrags der Klägerseite spielte dabei auch die psychische Verfasstheit des Klägers eine Rolle und wurde durch die behandelnde Amtsärztin in ihre Bewertung miteinbezogen. Diese Darstellung der Amtsärztin ist für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar.
44
Auch die weiteren amtsärztlichen Untersuchungen am 14. April 2022, nachdem der Kläger eine Untersuchung am 31. März 2022 nicht wahrgenommen hatte, und am 28. April 2022 führten, wie die amtsärztliche Stellungnahme vom 12. Mai 2022 nachvollziehbar belegt, nicht zur Annahme, dass von einer Dienstunfähigkeit beim Kläger ausgegangen wurde. Die Amtsärztin kam auf Basis ihr durch den Kläger weiter vorgelegter fachärztlicher Befunde lediglich zum Erfordernis einer weiteren Befunderhebung, weil widersprüchliche Testergebnisse und anamnestische Aussagen gegeben seien.
45
Die weitere amtsärztliche Stellungnahme vom 25. Mai 2022 kam ebenfalls zur Feststellung unverändert bestehender widersprüchlicher Testergebnisse und der Empfehlung einer weiteren Abklärung. In Zusammenschau aller Untersuchungen und Befunde bestünden zur Zeit keine gravierenden Einschränkungen, die eine Krankschreibung rechtfertigten.
46
Der Kläger handelte schuldhaft, wobei dies Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit umfassen soll (Kathke in in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht d. Bundes u. d. Länder, Stand: Februar 2019, Art. 9 BayBesG Rn. 92). Der Kläger handelte jedenfalls fahrlässig. Er hätte wissen müssen, dass er von seiner Dienstleistungspflicht nicht befreit war. Die Beklagte hatte den Kläger wiederholt darauf hingewiesen, dass die Vorlage der amtsärztlichen Atteste nicht ausreiche, um von seiner Dienstunfähigkeit auszugehen.
47
Weitere Gesichtspunkte gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids sind nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich bei der feststellenden Entscheidung der Behörde um eine gebundene Entscheidung, sodass keine Ermessenserwägungen anzustellen waren (vgl. Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Stand: Februar 2019, Art. 95 Rn. 44).
48
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
49
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.