Titel:
Ärztliche Weiterbildung aus EU-Mitgliedsstaat, Ausgleichsprüfung, wesentliche Unterschiede in der Weiterbildung
Normenkette:
HKaG Art. 27, Art. 29 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 S. 3 analog, Art. 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 7
Leitsatz:
Gelingt es einem Arzt nachzuweisen, dass wesentliche Unterschiede der ausländischen Weiterbildung ausgeglichen sind, ist kein Raum für eine Eignungsprüfung;.
Schlagworte:
Ärztliche Weiterbildung aus EU-Mitgliedsstaat, Ausgleichsprüfung, wesentliche Unterschiede in der Weiterbildung, Heilberufe
Fundstellen:
BeckRS 2024, 35978
MedR 2025, 399
LSK 2024, 35978
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 1. Februar 2021 verpflichtet, dem Kläger die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ anzuerkennen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen einen Ablehnungsbescheid der beklagten Bayerischen Landesärztekammer vom 1. Februar 2021 und begehrt die Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten.
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Der am … in Österreich geborene Kläger hat von Oktober 2001 bis Februar 2007 in Österreich Humanmedizin studiert und wurde nach der Beendigung des Studiums zunächst in Österreich beruflich tätig. Im Jahr 2011 wurde er erstmals in Deutschland als Arzt tätig. Nach eigenen Angaben betreibt der Kläger seit 2014 in Österreich eine Privatpraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie, ist zugleich aber auch in Deutschland als angestellter Arzt tätig.
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Der Kläger ist auf verschiedenen Gebieten Facharzt. Unter anderem wurde ihm am … 2014 von der Landesärztekammer … die Berufsbezeichnung „Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie“ zuerkannt. Außerdem hat der Kläger in Österreich und Deutschland verschiedene Kurse und Schulungen für Ärzte besucht. Er ist unter anderem berechtigt, das im Jahr 2015 verliehene ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ der Österreichischen Ärztekammer (kurz: ÖÄK) zu führen.
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Mit Schreiben vom 1. April 2019 wandte sich der Kläger erstmals an die Beklagte und beantragte, dass diese ihm die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ nach ihrer Weiterbildungsordnung anerkennen möge. Dazu legte er das ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ der Österreichischen Ärztekammer und verschiedene andere Nachweise über die Teilnahme an österreichischen Weiterbildungen vor. Er verwies dabei auf die RL 2005/36/EG vom 7. September 2005 und machte Ausführungen zur Vergleichbarkeit der Weiterbildungen.
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2019 teilte die Beklagte dem Kläger unter Verweis auf die Weiterbildungsordnung der Beklagten mit, dass Voraussetzung für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ sei, dass (1.) eine 24-monatige Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung bei einem Weiterbilder gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO (2004) absolviert sei, (2.) eine 12-monatige Tätigkeit bei einem Weiterbilder für Sportmedizin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO (2004) in einer sportmedizinischen Einrichtung erfolgt sei, wobei diese Zeiten ersetzbar seien durch 240 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 WBO (2004) und (3.) 120 Stunden sportärztlicher Tätigkeit in einem Sportverein oder einer anderen vergleichbaren Einrichtung innerhalb von mindestens 12 Monaten. Weiter verweist die Beklagte darauf, dass die Anerkennung der Zusatzqualifikation voraussetze, dass die erforderlichen Kompetenzen in einer Prüfung nachgewiesen seien. In Bezug auf die Zulassungsvoraussetzungen teilte die Beklagte mit, dass sie die erste Voraussetzung – eine 24-monatige Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung – als erfüllt anerkenne. Hinsichtlich der anderen Voraussetzungen bat die Beklagte um die Vorlage von entsprechenden Nachweisen.
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Sodann reichte der Kläger verschiedene Unterlagen ein, welche die Beklagte intern zur Prüfung an das zuständige Fachberatergremium für Sportmedizin gab.
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Mit Schreiben vom 7. August 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Österreichische Ärztekammer der Beklagten mitgeteilt habe, dass das ÖÄK-Diplom in Sportmedizin kein Diplom einer Berufsqualifikation im Sinne der RL 2005/36/EG, sondern ein Diplom über eine von der ÖÄK organisierte Fortbildung sei. Weiterhin wurde ausgeführt, dass die zwischenzeitlich mit den eingereichten Unterlagen nachgewiesenen „Ausbildungsinhalte zum Großteil ‚orthopädisch-traumatologisch-chirurgisch‘ ausgerichtet [seien] und […] in die Kategorie B (Motorik, Stütz- und Bewegungsapparat) [fielen], weshalb es zu einer erheblichen Überschreitung der Kategorie B [käme], so dass seitens der [Beklagten] keine weiteren Stunden mehr in der Kategorie B angerechnet [würden]. Somit […fehlten dem Kläger…] noch 60 Stunden Kurs-Weiterbildung in der Sportmedizin. Diese müssten noch in den nachfolgend aufgeführten Kategorien, hier: E, G, H, I und 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 belegt werden.“ Hinsichtlich der 120 Stunden sportärztlicher Tätigkeit in einem Sportverein oder einer anderen vergleichbaren Einrichtung fehle es ebenfalls noch an Nachweisen, so dass die Beklagte hierzu keine Aussage treffen könne.
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Auf Nachfrage des Klägers, warum trotz einer deutlich größeren Anzahl von Kurs-Weiterbildungsstunden nur 180 Stunden anerkannt würden, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 11. September 2019 mit, dass die Österreichische Ärztekammer eine andere Themenauswahl für die Erlangung des ÖÄK-Diploms vorsehe. Auch seien die Themen für das ÖÄK-Diplom stärker an den Gegebenheiten in Österreich orientiert. Die Weiterbildungsordnung der Beklagten sei in Bezug auf das Ausbildungsprogramm inhaltlich breiter aufgestellt.
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Nach weiterem Schriftverkehr teilte die Beklagte in einem Schreiben vom 19. Februar 2020 mit, welche Weiterbildungsstunden sie nicht anerkenne. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass diese Kurse keine Bestandteile des (Muster-)Kursbuches „Sportmedizin“ der deutschen Bundesärztekammer (Stand: 25. Juni 2010) wären. Weiter wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er noch 30 Weiterbildungsstunden „Sportmedizin“ in den Kategorien E, G, H, I und 30 Stunden „sportmedizinische Aspekte“ in den Kategorien 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 nachweisen müsse. Hinsichtlich der Tätigkeit für einen Sportverein (oder eine andere vergleichbare Einrichtung) wurde unter Bezugnahme auf ein vorgehendes Schreiben der Beklagten darauf verwiesen, dass der Nachweis dieser Tätigkeit noch nicht erbracht sei.
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Mit Schreiben vom 14. September 2020 teilte der Kläger mit, er hätte sich wegen der Rechtsansicht der Beklagten an den Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments gewandt und von dort die auf den 30. März 2020 datierende Entscheidung des Petitionsausschusses erhalten, dass – wenn sich ein Anspruch auf die direkte Anerkennung einer Berufsqualifikation aus dem europäischen Recht nicht ergäbe – die nationalen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats den Inhalt der im Herkunftsmitgliedstaat absolvierten Ausbildung prüfen und diese mit der im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschriebenen Ausbildung vergleichen müssten. Sollten sich wesentliche Unterschiede ergeben, könnte der Aufnahmemitgliedstaat Ausgleichsmaßnahmen verlangen. Der Kläger sei der Ansicht, dies stütze seine Rechtsauffassung. Daher ersuche er die Beklagte, seinen Antrag vor dem Hintergrund dieser Mitteilung des Petitionsausschusses erneut zu prüfen. Für den Fall, dass die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt über die Nichtanwendung des Unionsrechts aufrechterhielte, ersuchte der Kläger um eine bescheidmäßige Erledigung seines Antrags.
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Mit dem klagegegenständlichen Bescheid vom 1. Februar 2021, der dem Kläger am 5. Februar 2021 zugestellt wurde, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ durch Anerkennung des ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“ ab. Zur Begründung verwies die Beklagte zunächst darauf, dass (1.) die Voraussetzungen im Rahmen des Regelweiterbildungsgangs nicht erfüllt seien. Denn auch wenn der Kläger die 24 Monate Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung nachgewiesen habe, fehle es doch an der 12-monatigen Tätigkeit bei einem Weiterbilder für Sportmedizin beziehungsweise – alternativ – an den 240 Stunden Kurs-Weiterbildung in der Sportmedizin, denn der Kläger habe nachweislich nur 238 Stunden Kurs-Weiterbildung absolviert. Im Übrigen habe der Kläger auch die 120 Stunden sportärztlicher Tätigkeit in einem Sportverein oder einer anderen vergleichbaren Einrichtung innerhalb von mindestens 12 Monaten nicht nachgewiesen; (2.) Soweit es nach § 10 WBO (2004) denkbar sei, die begehrte Zusatzbezeichnung auf der Grundlage eines abweichenden Weiterbildungsgangs anzuerkennen, wäre dies nicht möglich, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er eine anderweitige gezielte, planmäßig strukturierte und dokumentiere Unterweisung durch einen nachweislich ausreichend qualifizierten weiterbildenden Arzt erhalten habe; (3.) Auch die Voraussetzungen des § 18a WBO (2004) lägen nicht vor. Das vom Kläger vorgelegte ÖÄK-Diplom sei kein Weiterbildungsnachweis im Sinne der WBO (2004). Das durch den Kläger vorgelegte ÖÄK-Diplom sei gemäß der Fortbildungsrichtlinie für Sportmedizin ausgestellt. Es stelle damit keinen Ausbildungsnachweis dar, sondern bescheinige lediglich den erfolgreichen Abschluss einer Fortbildung. Ein Fortbildungsnachweis sei etwas anderes als ein Weiterbildungsnachweis. Daher fände § 18a WBO (2004) keine Anwendung; (4.) Der Kläger könne auch nicht mit dem Verweis auf die Antwort des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments durchdringen, denn auch wenn die RL 2005/36/EG anwendbar wäre, was die Beklagte aber bestreite, dann sei auf die Vergleichbarkeit der Ausbildungen abzustellen. Eine solche Vergleichbarkeit sei nicht gegeben, weil sich die Inhalte der Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ deutlich von den Inhalten, welche für die Anerkennung des ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“ durchlaufen werden müssten, unterschieden. Zur Verdeutlichung stellt die Beklagte in ihrem Bescheid die Inhalte gegenüber und stellt dabei fest, dass die Inhalte „psychologische Probleme des Sports“ und „Sportpädagogik“ nicht absolviert worden seien. Sodann kommt die Beklagte zu dem Ergebnis, dass eine Gleichwertigkeit des ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“ mit der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ gemäß WBO (2004) erst gegeben sei, wenn der Nachweis der fehlenden Kurs-Weiterbildungen gemäß § 4 Abs. 8 WBO (2004) in Sportmedizin, die Weiterbildungsinhalte, Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Themenbereichen „Psychologische Probleme des Sports“, „Gebietsbezogenen Arzneimitteltherapie“ und der „Sportpädagogik“, die 120 Stunden sportärztliche Tätigkeit in einem Sportverein (oder einer vergleichbaren Einrichtung) innerhalb von mindesten 12 Monaten geführt wäre sowie die erforderlichen Kompetenzen gemäß § 2 Abs. 1 WBO (2004) in einer Prüfung nachgewiesen wären.
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Mit Schreiben vom 3. März 2021, das dem Gericht am selben Tag zugegangen ist, erhob der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte Klage und beantragte,
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 1. Februar 2021 verpflichtet, dem Antrag des Klägers vom 1. April 2019 zu entsprechen und die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ anzuerkennen.
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Zur Begründung des Klageantrags führte die Klägervertreterin mit Schreiben vom 19. Juli 2021 aus, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ aus ärztlichem Satzungsrecht i.V.m. dem Berufsqualifizierungsgesetz (kurz: BQFG) i.V.m. Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zustehe. Die Rechtsansicht der Beklagten, das ÖÄK-Diplom sei kein Weiterbildungsnachweis, sei nicht zutreffend. Vielmehr ergäbe sich aus der Verordnung über ärztliche Weiterbildung der ÖÄK, dass ein Arzt mit einem ÖÄK-Diplom nachweise, dass er sich in einem definierten Gebiet der Medizin strukturiert und qualitätsgesichert weitergebildet habe. Da das ÖÄK-Diplom somit eine Weiterbildung nachweise, komme es für die Anerkennung darauf an, ob zwischen den beiden Weiterbildungen wesentliche Unterschiede vorlägen. Dabei komme es wegen der Formulierung in § 18a Abs. 2 WBO (2004) darauf an, ob wesentliche zeitliche Unterschiede vorlägen. Die Klägervertreterin verneint angesichts der durch den Kläger absolvierten Kurs-Weiterbildungen solche wesentlichen Unterschiede. Vorsorglich verwies die Klägervertreterin darauf, dass der Kläger ausreichend Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben habe, welche nach § 18 Abs. 3 Satz 5 WBO (2004) die wesentlichen Unterschiede ausgleichen könnten. Auch die Tätigkeit für einen Sportverein (oder eine andere vergleichbare Einrichtung) sei zwischenzeitlich ausreichend nachgewiesen.
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Mit der Klageerwiderung vom 3. September 2021, welche dem Gericht am 6. September 2021 zugegangen ist, beantragte die Beklagte
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Zur Begründung des Klageabweisungsantrags verwies die Beklagte darauf, dass es sich nach Mitteilung der ÖÄK aus dem Jahr 2008 in anderer Sache bei den ÖÄK-Diplomen nicht um den Nachweis einer Weiterbildung, sondern um den Nachweis einer Fortbildung handle. Diese Rechtsauffassung habe die ÖÄK auf Nachfrage der Beklagten am 5. März 2020 und am 2. August 2021 gegenüber der Beklagten bestätigt. Die Beklagte sei an diese Wertung der ÖÄK gebunden. Damit wäre der Anwendungsbereich der Bestimmungen des § 18a i.V.m. § 18 WBO (2004) schon nicht eröffnet. Obwohl es nach Ansicht der Beklagten schon nicht mehr darauf ankäme, habe die Beklagte bezogen auf die Inhalte eine Gleichwertigkeitsprüfung vorgenommen und festgestellt, dass wesentliche Unterschiede bei den Weiterbildungsinhalten vorlägen und auch daher eine Anerkennung ausscheide. Insbesondere fehlten dem Kläger drei nach der bayerischen WBO (2004) geforderte Inhalte (psychologische Probleme des Sports, gebietsbezogene Arzneimitteltherapie und Sportpädagogik). Es ergäben sich aber auch hinsichtlich der Dauer der Weiterbildung wesentliche Unterschiede. Schließlich verweist die Beklagte darauf, dass der Kläger seine Kompetenzen nicht im Rahmen einer Prüfung nachgewiesen habe, wie es die WBO (2004) der Beklagten vorsehe. Von daher könne auch keine Anerkennung der Zusatzbezeichnung im Rahmen des regulären Weiterbildungsgangs oder eines abweichenden Weiterbildungsgangs nach § 10 WBO (2004) erfolgen. Ein Verstoß gegen Art. 12 GG läge nicht vor.
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2023 legte der Kläger weitere Nachweise zu Kurs-Weiterbildungen und seiner Tätigkeit in Sportvereinen vor bzw. benannte Zeugen hierfür. Er bestätigte, dass für die Anerkennung des ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“ keine Prüfung zu absolvieren sei. Zugleich teilte der Kläger mit, dass er nicht bereit sei, eine Prüfung abzulegen. Er verwies auf seine beruflichen Erfahrungen und legte dazu ein Konvolut von Befundberichten vor.
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Mit Schreiben vom 8. November 2023 teilte die Beklagte mit, dass sie nach Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine weitere Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung gegeben sei, weil der Kläger nunmehr nachgewiesen habe, dass er 120 Stunden sportärztlicher Tätigkeit in einem Sportverein oder einer anderen vergleichbaren Einrichtung innerhalb von mindestens 12 Monaten erbracht habe. Die Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ sei aber gleichwohl noch nicht möglich, weil der Kläger noch nicht nachgewiesen habe, dass er entweder die 12-monatige Tätigkeit bei einem Weiterbilder für Sportmedizin oder die erforderlichen 240 Stunden Kurs-Weiterbildung erbracht habe. Der Anerkennung des ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“ stünde noch immer entgegen, dass hinsichtlich der Inhalte wesentliche Unterschiede zur Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ der bayerischen WBO (2004) bestünden. Auch habe die Klägervertreterin eingeräumt, dass der Kläger keine Prüfung absolviert habe, um das ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ zu erwerben, was der Anerkennung ebenfalls entgegenstünde.
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Nach weiterem Schriftverkehr und der Vorlage von Unterlagen teilte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 2023 mit, dass nunmehr auch der Nachweis für die beiden fehlenden Stunden Kurs-Weiterbildung erbracht sei. Der Kläger erfülle nunmehr alle Voraussetzungen, um im Rahmen des regulären Weiterbildungsgangs zur Prüfung zugelassen zu werden. Eine Anerkennung der Zusatzbezeichnung ohne Prüfung komme weiterhin nicht in Betracht.
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Auf Rückfrage des Gerichts teilte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Februar 2024 mit, dass die wesentlichen Unterschiede im Sinne des § 18 Abs. 3 Satz 5 WBO (2004) noch immer nicht ausgeglichen seien. Zur Begründung verwies die Beklagte auch auf die Entwicklungshistorie der Bestimmung des § 18 Abs. 3 Satz 4 WBO (2004). Aus der Entwicklungshistorie leitet die Beklagte ab, dass wesentliche Unterschiede auch dann vorlägen, wenn in der nachgewiesenen Weiterbildung Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten fehlen, deren Erwerb eine wesentliche Voraussetzung für die beantragte Bezeichnung wäre. Der Kläger habe noch immer nicht nachgewiesen, dass er die drei bereits als fehlend benannten Weiterbildungsinhalte („Psychologische Probleme des Sports“, „Gebietsbezogene Arzneimitteltherapie“ und „Sportpädagogik“) belegt habe. Außerdem fehle es weiterhin an einer Prüfung. Damit seien die wesentlichen Unterscheide nicht ausgeglichen.
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Mit Schreiben vom 15. März 2024 teilte der Kläger mit, dass der Kläger auch über Kenntnisse in den noch drei als fehlend benannten Weiterbildungsinhalten verfüge und legte verschiedene Dokumente vor.
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Mit Schreiben vom 8. April 2024 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger mit den zuletzt vorgelegten Unterlagen nachweise, dass er über Kenntnisse betreffend den Weiterbildungsinhalt „Psychologische Probleme des Sports“ verfüge. Hinsichtlich der beiden weiteren – schon wiederholt als noch ausstehend benannten – Weiterbildungsinhalte „Gebietsbezogene Arzneimitteltherapie“ und „Sportpädagogik“ könne die Beklagte nicht erkennen, dass der Kläger über ausreichende Kenntnisse verfüge. Hinsichtlich des Weiterbildungsinhalts „Gebietsbezogene Arzneimitteltherapie“ habe der Kläger zwar Kenntnisse in Bezug auf die „Doping-Problematik“ nachgewiesen, doch sei der Weiterbildungsinhalt nach Abschnitt C Nr. 44 Spiegelstrich 7 der Weiterbildungsordnung weiter gefasst, denn der erforderliche Inhalt laute „Arzneimitteltherapie einschließlich der Doping-Problematik“. Der Weiterbildungsinhalt „Sportpädagogik“ sei aus Sicht der Beklagten vollumfänglich nicht belegt.
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Mit Schreiben vom 2. November 2023 hörte das Gericht die Parteien dazu an, ob auf eine mündliche Verhandlung verzichtet würde. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 8. November 2023 mit, dass Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestünde. Seitens des Klägers wurde das Einverständnis mit Schreiben vom 1. Dezember 2023 erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann über die Klage im erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
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Die als Versagungsgegenklage erhobene Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“. Der Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2021 ist im maßgeblichen Zeitpunkt, dem Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht am 17. April 2024, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Anspruch des Klägers auf die Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ ergibt sich aus Art. 27, Art. 29 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 Satz 3 analog, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) i.V.m. § 18a i.V.m. § 18 Abs. 3 bis Abs. 7 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung vom 10. Oktober 2020 (WBO 2004), wobei sich die Anwendung dieser Fassung aus § 20 Abs. 7 Satz 1 analog der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 16. Oktober 2021 in der Fassung vom 15. Oktober 2023 (WBO 2021) ergibt. Auch ohne einen ausdrücklichen Antrag des Klägers, die WBO (2004) anzuwenden, ergibt sich dieser klägerische Wille – auch nach dem Inkrafttreten der WBO (2021) zum 1. August 2022 – aus den wiederholten Bezugnahmen der klägerischen Seite auf die WBO (2004). Zugleich ist die Anwendung dieser früheren Fassung der WBO aufgrund der Übergangsbestimmungen in § 20 Abs. 7 WBO (2021) zulässig.
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1. Der Kläger erfüllt derzeit nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ im Rahmen des Regelverfahrens nach Art. 27, Art. 29 Abs. 1 Satz 2, Art. 35 Abs. 2 Nr. 3 HKaG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2, § 11, § 14 WBO (2004), denn gleichwohl er die im Abschnitt C Nummer 44 vorgeschriebenen Mindestanforderungen erfüllt, hat er die nach § 2 Abs. 1 Satz 2, § 11 Nr. 2 WBO (2004) vorgeschriebene Prüfung nicht abgelegt.
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2. Der Kläger hat aber einen Anspruch darauf, dass ihm wegen seines in Österreich erworbenes ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“ in Deutschland nach Art. 27, Art. 29 Abs. 1 Satz 2, Art. 35 Abs. 2 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) i.V.m. § 18a, § 18 Abs. 3 bis 7 WBO (2004) die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ anerkannt wird.
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a. Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht schon aus der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 7. September 2005, denn Adressat einer Richtlinie ist nach Art. 288 Abs. 3 AEUV der nationale Gesetzgeber. Ein Individuum kann sich nur ganz ausnahmsweise auf eine Richtlinie berufen. Im zu entscheidenden Verfahren ist nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen dafür, dass sich ein Individuum auf eine europäische Richtlinie berufen kann, gegeben sind. So fehlt es schon an der Voraussetzung, dass die Richtlinie nicht oder nur unzureichend in nationales Recht umgesetzt worden wäre. Vorliegend ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass der inländische Normgeber es versäumt hat, die Richtlinie innerhalb der Umsetzungsfrist (Art. 63 der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 7. September 2005) in geeigneter Weise in nationales Recht umzusetzen.
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b. Der Anspruch des Klägers ergibt sich – entgegen der klägerischen Ansicht in einem früheren Verfahrensabschnitt – auch nicht aus dem (Bundes-) Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (kurz: BQFG), denn dieses ist wegen der Existenz des Bayerischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BayBQFG) nicht anwendbar. Das BayBQFG findet nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 BayBQFG vorbehaltlich anderweitiger rechtlicher Regelungen – welche im zu entscheidenden Fall aber nicht erkennbar sind – keine Anwendung auf die Anerkennung von Bezeichnungen, die auf der Grundlage des Heilberufe-Kammergesetzes von der zuständigen Heilberufekammer ausgesprochen werden. Die vom Kläger begehrte Zusatzbezeichnung ist eine solche Bezeichnung, denn die Rechtsgrundlage für die Zusatzbezeichnung findet sich in Art. 27 HKaG.
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c. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus Art. 27, Art. 29 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 Satz 3 analog, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 HKaG i.V.m. § 18a i.V.m. § 18 Abs. 3 bis Abs. 7 WBO (2004), weil der Kläger trotz der wesentlichen Unterschiede zwischen den Anforderungen der WBO (2004) der Beklagten und den Anforderungen des ÖÄK-Diploms nachzuweisen vermochte, dass die wesentlichen Unterschiede im Sinne des § 18a Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 5 WBO (2004) durch Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten ausgeglichen werden.
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aa. Das dem Kläger im Jahr 2015 von der Österreichischen Ärztekammer zuerkannte ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ ist kein Weiterbildungsnachweis, dessen automatische Anerkennung im Sinn des § 18 Abs. 1 vorgesehen ist. Insbesondere ist in der der RL 2005/36/EG vom 7. September 2005 nicht vorgesehen, dass das ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ in Deutschland unmittelbar als Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ anzuerkennen ist. Auch ist nicht erkennbar, dass sich aus anderen Rechtsquellen ergibt, dass das ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ unmittelbar zu der Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ führen muss.
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bb. Der Anspruch auf die Anerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ ergibt sich durch die Anerkennung des ÖÄK-Diploms „Sportmedizin“, denn die bestehenden wesentlichen Unterschiede kann der Kläger durch seine Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten ausgleichen.
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(1) Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei dem vorgelegten ÖÄK-Diplom um einen Weiterbildungsnachweis. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Österreichische Ärztekammer der Beklagten mitgeteilt hat, dass die ÖÄK-Diplome Fortbildungsnachweise wären. Denn auch wenn sowohl in Deutschland als auch in Österreich die deutsche Sprache Amtssprache ist, so werden Begriffe dennoch nicht zwingend identisch verwandt. Dies erfordert, dass der genaue Bedeutungsgehalt ermittelt wird.
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Bei der Ermittlung des genauen Bedeutungsgehalts ist zu berücksichtigen, dass es dem Gedanken der Grundfreiheiten des Europarechts widerspräche, besonders strenge Anforderungen zu stellen. Vielmehr soll nach dem 19. Erwägungsgrund der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 7. September 2005 der Grundsatz der automatischen Anerkennung der Ausbildungsnachweise von medizinischem Personal vorherrschen, soweit die Mindestanforderungen an die Ausbildung koordiniert sind.
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(a) Ein Weiterbildungsnachweis ist ein fachbezogenes Diplom, fachbezogenes Prüfungszeugnis oder ein sonstiger fachlicher Ausbildungsnachweis, d.h. ein Nachweis, der eine abgeschlossene Weiterbildung feststellt und bescheinigt (VG Würzburg, U.v. 15.5.2020 – W 10 K 19.1422 – juris Rn. 29). Eine solche Weiterbildung verlangt regelmäßig eine über die entsprechende berufliche Praxis im entsprechenden Bereich hinausgehende gezielte, strukturierte und zu dokumentierende theoretische Unterweisung durch einen hierfür nachweislich ausreichend qualifizierten weiterbildenden Arzt (BayVGH, B.v. 20.11.2013 – 7 ZB 13.1677 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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(b) Dem Kläger wurde sein ÖÄK-Diplom im Jahr 2015 zuerkannt. Rechtsgrundlage für die Anerkennung war die damals geltende Diplomordnung der ÖÄK in der Fassung vom 15. Dezember 2006. Ermächtigungsgrundlage der Diplomordnung war § 11a Abs. 3 des österreichischen Ärztegesetzes. Ausweislich des § 1 Abs. 1 Satz 2 der Diplomordnung der ÖÄK wendet sich die Diplomordnung (2006) an Ärzte und damit an Personen, deren Ausbildung bereits abgeschlossen ist. Nach § 1 Abs. 3 der Diplomordnung der ÖÄK (2006) werden durch den Abschluss einer Diplom-Weiterbildung eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten nachgewiesen, welche zur Ankündigung einer speziellen ärztlichen Tätigkeit durch Führen einer zur Arztbezeichnung zusätzlichen Diplombezeichnung nach Maßgabe der Diplomordnung berechtigen. Ausweislich der seit 2018 in Österreich geltenden „Verordnung über ärztliche Weiterbildung“ (öWBV 2018), welche nach § 20 öWBV (2018) die Nachfolgeregelung zur Diplomordnung der ÖÄK (2006) ist, ergibt sich deutlich die Parallelität zur WBO (2004) der Beklagten: Nach § 2 Abs. 1 öWBV (2018) sind Weiterbildungen strukturierte Bildungsvorgänge, die zu einem bestimmten Bereich der ärztlichen Berufsausübung nach einem von der Österreichischen Ärztekammer definierten Aufbau (Inhalt, Umfang und Organisation) absolviert werden. Sie dienen dazu, beruflich erworbene Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten zu vertiefen und zu erweitern. Demgemäß weist ein Arzt nach § 2 Abs. 3 öWBV (2018) durch den Erwerb eines ÖÄK-Diploms nach, dass er sich in einem definierten Gebiet der Medizin strukturiert und qualitätsgesichert weitergebildet hat.
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(c) Diese in der Diplomordnung von 2006 und der öWBV (2018) mitgeteilten Ziele decken sich mit denen der WBO (2004) der Beklagten, denn auch diese führt in § 1 WBO (2004) aus, dass die Weiterbildung in strukturierter Form der Vertiefung der ärztlichen Kenntnisse dient und mit dem Abschluss der Weiterbildung der Nachweis für erworbene Kompetenzen im Sinne einer besonderen ärztlichen Befähigung ist.
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(d) Die Parallelität der Systeme zeigt sich auch in der Abgrenzung der Weiterbildungen von den Fortbildungen. So werden Fortbildungen durch die ÖÄK in der „Verordnung über ärztliche Fortbildung“ und damit außerhalb der „Verordnung über die ärztliche Weiterbildung“ geregelt. Auf der Grundlage der durch jeden Arzt nachzuweisenden Fortbildung wird einem Arzt diesem bei der Erfüllung bestimmter Kriterien ein „Fortbildungsdiplom“ zuerkannt, das keine Schwerpunktsetzung in einem bestimmten Bereich kennt und auch nur einen bestimmten Gültigkeitszeitraum hat. Das vom Kläger vorgelegte Dokument ist ein ÖÄK-Diplom und kein Fortbildungsdiplom, so dass sich hieraus ergibt, dass das vom Kläger absolvierte Curriculum zum Erwerb dieses Diploms nach dem Verständnis der ÖÄK keine Fortbildung zum Wissenserhalt darstellt, sondern eine Weiterbildung zum Zweck der Vertiefung und der Erweiterung der Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten. Wegen der aufgezeigten Parallelen der öWBV (2018) und der WBO (2004) der Beklagten ist das vorgelegte ÖÄK-Diplom entgegen der Rechtsansicht der Beklagten als Weiterbildungsnachweis im Sinne des § 18a i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO (2004) anzusehen.
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(e) Dem steht auch nicht entgegen, dass zum Erwerb des ÖÄK-Diploms keine Prüfung abzulegen war. Denn es ist mit den Wertvorstellungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere mit den Regelungen der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 7. September 2005 – deren Umsetzung die hier maßgeblichen Bestimmungen dienen sollen und in deren Licht dieselben auszulegen sind – nicht vereinbar, dass schon bei der Prüfung, ob überhaupt ein Weiterbildungsnachweis vorliegt, ein allzu strenger Maßstab angelegt wird und beispielsweise ein Verfahren gefordert wird, dass dem inländischen Verfahren entspricht. Damit ist es einer deutschen Behörde untersagt, bei der Prüfung des Weiterbildungsabschlusses auf entsprechende Inhalte der inländischen Weiterbildung oder die inländische Weiterbildungsstruktur abzustellen. Ist der Nachweis aus dem Ausland nach dortigem Recht der Abschluss einer Weiterbildung, darf diese Tatsache nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Bei der Anerkennung einer Weiterbildung kann es in solchen Fällen nur noch, aber auch erst dann um die Frage gehen, ob eine solche im Ausland abgeschlossene Weiterbildung mit der deutschen Weiterbildung gleichwertig ist oder nicht (hierzu unter dem Aspekt der ärztlichen Ausbildung: VG Stuttgart, U.v. 18.1.2018 – 4 K 2206/17 – juris Rn. 22). Damit ist es der Beklagten verwehrt – wie zuletzt im Schreiben vom 29. Februar 2024 geschehen – bei der Vergleichbarkeit der Weiterbildungen auf die Kriterien der Durchführung der Beendigung der Weiterbildung abzustellen und die Gleichwertigkeit schon zu verneinen, wenn keine Abschlussprüfung stattgefunden hat.
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(2) Hinsichtlich der Prüfung der Gleichwertigkeit hat sich die Beklagte in ihrem Satzungsrecht in Bezug auf die Prüfung der Gleichwertigkeit bei Zusatzbezeichnungen insoweit festgelegt, als sie in § 18a Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 3 WBO (2004) bestimmt hat, dass ein Weiterbildungsstand als gleichwertig anzusehen ist, wenn die Weiterbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten aufweist. Bezüglich der wesentlichen Unterschiede betreffend die Anerkennung einer Zusatzbezeichnung traf die Beklagte in § 18a Abs. 2 Satz 2 WBO (2004) eine Legaldefinition: Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn sich die Dauer der nachgewiesenen Weiterbildung gegenüber der in dieser Weiterbildungsordnung geregelten Weiterbildung deutlich unterscheidet.
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Soweit die Beklagte dazu ausführt, wesentliche Unterschiede lägen auch vor, wenn sich die Weiterbildungsinhalte unterscheiden, findet sich dafür in der WBO (2004) kein Anhaltspunkt. Wenn die Beklagte dies aus der unstimmigen Verweisung in § 18a Abs. 2 Satz 1 WBO (2004) ableitet, so kann dies das Gericht nicht überzeugen. Denn hätte der Normgeber die von der Beklagten angeführte Regelung gewollt, hätte die Bestimmung des § 18a Abs. 2 Satz 2 WBO (2004) richtigerweise lauten müssen: „Wesentliche Unterschiede liegen auch vor, …“. Der Wortlaut des § 18a Abs. 2 Satz 2 WBO (2004) spricht ganz eindeutig dafür, dass der Normgeber eine Legaldefinition vornehmen wollte, die von der Bestimmung des § 18 Abs. 3 Satz 4 WBO (2004) abweicht. Hierfür spricht nicht zuletzt auch der Wortlaut des § 18a Abs. 2 WBO (2021), welcher dem Wortlaut des § 18a Abs. 2 Satz 2 WBO (2004) identisch ist. Der Normgeber hat mit der Neufassung des Textes herausgestellt, dass er für den Bereich der Zusatzbezeichnungen eine gesonderte Legaldefinition der „wesentlichen Unterschiede“ wollte, ohne dass es auf einen Vergleich der Inhalte ankäme.
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(3) Ein Vergleich der beiden Weiterbildung zeigt einen wesentlichen Unterschied in der Dauer der österreichischen von der inländischen Weiterbildung.
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(a) Um die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ zu erlangen, muss ein Arzt nach Abschnitt C Nummer 44 der WBO (2004) folgende Weiterbildungszeiten erbracht haben: 24 Monate Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung, 240 Stunden Kurs-Weiterbildung und zusätzlich 120 Stunden sportärztlicher Tätigkeit.
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(b) Um das ÖÄK-Diplom „Sportmedizin“ zu erwerben, musste der Kläger gemäß „ÖÄK-Diplomrichtlinie Sportmedizin“, welche am 18. April 2012 in Kraft getreten ist und die im Zeitpunkt der Erteilung des ÖÄK-Diploms an den Kläger im Jahr 2015 galt, 120 Unterrichtseinheiten Theorie und 60 Unterrichtseinheiten Praxis absolvieren.
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(c) Der Zeitansatz unterscheidet sich wesentlich, denn zum einen setzt die Anerkennung der Zusatzbezeichnung nach der WBO (2004) voraus, dass der Antragsteller 24 Monate Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung absolvieren muss und zum anderen fordert die WBO (2004) sowohl bei den theoretischen als auch bei den praktischen Elementen jeweils doppelt so viele Unterrichtsstunden wie sie die Vorschrift der österreichischen Ärztekammer im Jahr 2015 forderte.
47
(d) Dem Bestehen von wesentlichen Unterschieden kann nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger in seiner Person bereits 240 Kurs-Weiterbildungsstunden nachgewiesen hat, was dem inländischen Curriculum entspricht. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstands nach objektiven Umständen zu bemessen ist; maßgeblich ist insoweit der Ausbildungsstand, der sich aufgrund des vom Antragstellers absolvierten Ausbildungsgangs ergibt. Die inländische Ausbildung ist in Bezug zu der im Ausland absolvierten Ausbildung in Bezug zu setzen (BVerwG, U.v. 14.6.2021 – 3 C 35.00 – juris Rn. 18). Andernfalls hätte es der Antragsteller in der Hand, gegebenenfalls durch die Teilnahme an weiteren Kurs-Weiterbildungsstunden eine Vergleichbarkeit in der Dauer seiner nachgewiesenen Weiterbildung herbeizuführen.
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(4) Der Kläger vermochte durch die Vorlage von entsprechenden Nachweisen zu belegen, dass er über Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügt, die die wesentlichen Unterschiede ausgleichen.
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(a) Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte selbst mit ihrem Schreiben vom 12. Dezember 2023 mitgeteilt hat, dass der Kläger nunmehr alle Voraussetzungen erfülle, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Diese Mitteilung kann nur so verstanden werden, dass der Kläger alle theoretischen und praktischen Fähigkeiten erlangt habe, die nach der WBO (2004) gefordert sind. Er müsse nunmehr nur noch nachweisen, dass er sie verinnerlicht habe. Dieses Zugeständnis, dass er zwischenzeitlich den Nachweis geführt habe, dass er alle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben habe und auch die weiteren Voraussetzungen erfülle, um zur Prüfung zugelassen zu werden, zeigt, dass der Kläger auch im Sinne des § 18a Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 5 WBO (2004) über alle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt, die nach der WBO (2004) erforderlich sind.
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(b) Soweit die Beklagte anbringt, dass dem Kläger noch Kenntnisse in den Bereichen der „Gebietsbezogenen Arzneimitteltherapie einschließlich der Doping-Problematik“ und im Bereich der „Sportpädagogik“ fehlen, vermag dies nicht, die Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger die wesentlichen Unterschiede auszugleichen vermag, zu erschüttern. Das Gericht sieht hier schon einen deutlichen Widerspruch, wenn die Beklagte einerseits mit dem Schreiben vom 12. Dezember 2023 mitteilt, der Kläger habe vollumfänglich alle erforderlichen Nachweise für Kurs-Weiterbildungsstunden erbracht, um zur Prüfung zugelassen zu werden, andererseits aber dann doch vorbringt, dem Kläger würden zum Zweck der Anerkennung der ausländischen Weiterbildung noch Kenntnisse bei einzelnen Themenbereichen fehlen. Dies ist mit den Leitgedanken des Europarechts schwerlich zu verbinden.
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Aber auch jenseits dieses Widerspruchs ist die Ansicht der Beklagten, dem Kläger würden noch Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in den von der Beklagten genannten zwei Themenbereichen fehlen, nicht nachvollziehbar.
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(aa) Das Modul der „Gebietsbezogenen Arzneimitteltherapie einschließlich der Doping-Problematik“ soll in der Weiterbildung ausweislich des „(Muster-)Kursbuch Sportmedizin auf der Grundlage der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018“ der Bundesärztekammer (Modul 15: „Spezielle Aspekte der Sportmedizin: Nahrungsergänzungsmittel, Pharmaka und Doping sowie rechtliche und ethische Aspekte“) 16 der 240 Kurs-Weiterbildungsstunden ausmachen. Hinsichtlich dieses Module der Weiterbildung hat der Kläger aber nachgewiesen, dass er zumindest zum Teilaspekt des Dopings über Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt, was die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 8. April 2024 einräumte. Insofern sind die noch fehlenden Aspekte der „Gebietsbezogenen Arzneimitteltherapie“ zeitlich von untergeordneter Bedeutung und es ist mit dem Leitgedanken der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 7. September 2005 nicht vereinbar, dass vom Kläger ein vollständig identischer Wissensstand verlangt wird. Eine Einheitlichkeit des Wissenstands in den Weiterbildungen ist bei der Anerkennung ausländischer Weiterbildungen nicht geboten (vgl. OVG NW, U.v. 21.1.2010 – 13 A 23/08 – juris Rn. 48).
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(bb) Hinsichtlich des Moduls „Sportpädagogik“ berücksichtigt die Beklagte nicht ausreichend, dass dieser Weiterbildungsinhalt nach dem „(Muster-)Kursbuch Sportmedizin auf der Grundlage der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018“ der Bundesärztekammer eine untergeordnete Bedeutung hat, denn Aspekte der Sportpädagogik finden sich im Wesentlichen nur unter dem 4. Spiegelstrich („Grundlagen der Sportdidaktik und Trainingslehre sowie ausgewählter sportpsychologischer Aspekte“) der fünf Lerninhalte des „Modul 1 – Energiebereitstellung und Leistungsdiagnostik“. Angesichts dessen, dass auch dieses Modul einen Umfang von 16 Kurs-Weiterbildungsstunden der insgesamt 240 Stunden hat und in diesen 16 Stunden fünf Lerninhalte vermittelt werden sollen und der Spiegelstrich, unter dem das sportpädagogische Element genannt wird („Grundlagen der Sportdidaktik und Trainingslehre …“) auch sportpsychologische Lerninhalte benennt, kann auch in Bezug auf den Weiterbildungsinhalt „Sportpädagogik“ darauf verwiesen werden, dass die Weiterbildungsinhalte, deren Vorliegen der Kläger aus Sicht der Beklagten nicht nachweisen konnte, von untergeordneter Bedeutung sind. Eine Einheitlichkeit des Wissenstands in den Weiterbildungen ist bei der Anerkennung ausländischer Weiterbildungen nicht geboten (vgl. OVG NW, U.v. 21.1.2010 – 13 A 23/08 – juris Rn. 48).
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(5) Da es dem Kläger gelingt nachzuweisen, dass er über Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügt, welche die wesentlichen Unterschiede der Weiterbildung auszugleichen vermögen, ist kein Raum für eine Prüfung. Eine Prüfung ist als Ausgleichsmaßnahme nach § 18a Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 6 WBO (2004) nur vorgesehen, wenn ein Ausgleich der wesentlichen Unterschiede nicht gelingt.
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Im Übrigen ist anzumerken, dass die Beklagte wiederholt darauf hingewiesen hat, dass sie eine Prüfung nach den Vorschriften des § 2 Abs. 1 Satz 3 WBO (2004) fordert. Diese Prüfung ist aber die zum Zweck der Anerkennung nach dem inländischen Regelverfahren. Die Beklagte hat aber nicht eine Prüfung nach § 18 Abs. 3 Satz 6 – Satz 10 WBO (2004) gefordert, welche die Eignungsprüfung zum Ausgleich von wesentlichen Unterschieden wäre. Es gibt aber keine Rechtsgrundlage dafür, dass die Beklagte die Prüfung nach dem Regelverfahren fordern kann. Vielmehr ist es einer deutschen Behörde nach der ständigen Rechtsprechung zur ärztlichen Ausbildung untersagt, bei der Prüfung des Ausbildungsabschlusses auf entsprechende Inhalte der deutschen Ausbildung oder die deutsche Ausbildungsstruktur abzustellen. Wurde der Nachweis einer im Ausland abgeschlossenen Ausbildung nach dem dortigen Recht erbracht, darf diese Tatsache nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Bei der Anerkennung der Ausbildung kann es in solchen Fällen nur noch, aber auch erst dann um die Frage gehen, ob eine solche im Ausland abgeschlossene Ausbildung zum Arzt mit der deutschen Ausbildung gleichwertig ist oder nicht (vgl. für viele: VG Stuttgart, U.v. 18.1.2018 – 4 K 2206/17 – juris Rn. 22). Damit ist kein Raum für eine von der Beklagten geforderten Prüfung nach dem inländischen Regelverfahren.
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cc. Soweit die Beklagte angedeutet hat, dass sie eine Diskriminierung von Personen sieht, die die Weiterbildung nach dem inländischen Regelverfahren durchlaufen, wenn der Kläger die Zusatzbezeichnung erhält ohne jemals eine auf die Zusatzbezeichnung bezogene Prüfung abgelegt zu haben, ist dem entgegenzuhalten, dass sich aus dem Leitgedanken der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 7. September 2005, wie er beispielsweise im 19. Erwägungsgrund dieser Richtlinie benannt ist, gerade ergibt, dass die Mitgliedsstaaten die Grundfreiheiten fördern wollten und so mehr Raum für die gegenseitige Anerkennung von Aus-, Fort- und Weiterbildungen schaffen wollte. Der Sicherheit im aufnehmenden Staat dienen bei wesentlichen Unterschieden Ausgleichsmaßnahmen. Diese durchzuführen ist aber angesichts des Umstands, dass das Wirken des Klägers keine Gefährdung erwarten lässt, nicht erforderlich. Die Ausgleichmaßnahmen dienen dagegen nicht, die anderen Marktteilnehmer im Aufnahmestaat vor Markteilnehmern aus anderen Mitgliedsstaaten zu schützen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 709 ZPO.