Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 05.09.2024 – B 5 S 24.733
Titel:

Entlassung einer Beamtin auf Widerruf aus dem Vorbereitungsdienst wegen Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung, offene Erfolgsaussichten der Hauptsache, Interessenabwägung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BBG § 37
Schlagworte:
Entlassung einer Beamtin auf Widerruf aus dem Vorbereitungsdienst wegen Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung, offene Erfolgsaussichten der Hauptsache, Interessenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35971

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 17.05.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2024 wird wiederhergestellt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 4.420,11 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die gegen sie ausgesprochene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf unter Anordnung des Sofortvollzugs.
2
Die am … geborene Antragstellerin wurde zum 01.09.2023 als Polizeimeisteranwärterin anlässlich des Vorbereitungsdienstes zum mittleren Polizeivollzugsdienst im Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum … (BPOLAFZ **) zur Beamtin auf Widerruf ernannt. Im Rahmen einer Sportunterrichtung am 04.10.2023 erlitt die Antragstellerin einen Kreuzbandriss am linken Kniegelenk. Infolgedessen kam es zu einer erhöhten Anzahl krankheitsbedingter Abwesenheiten (Stand 27.02.2024: 105 Tage seit Beginn der Ausbildung). Auf Veranlassung des BPOLAFZ … vom 27.02.2024 wurde die Antragstellerin wegen bestehender Zweifel an ihrer gesundheitlichen Eignung am 27.03.2024 zur Prüfung der gesundheitlichen Eignung während des Vorbereitungsdienstes (Polizeidienstfähigkeit) durch den Sozialmedizinischen Dienst … (SMD …*) untersucht. Das sozialmedizinische Gutachten vom 11.04.2024 kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin aktuell gemäß der Polizeidienstvorschrift (PDV) 300 nicht uneingeschränkt gesundheitlich geeignet für den Polizeivollzugsdienst sei. Infolge des erlittenen Kreuzbandrisses sei die Antragstellerin am 18.12.2023 operiert worden und der therapeutische Fortschritt stelle sich nicht adäquat dar. Zum aktuellen Zeitpunkt könne keine Aussage darüber getroffen werden, wann die Antragstellerin wieder uneingeschränkt mit der Ausbildung zur Polizeivollzugsbeamtin beginnen könne. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre sie nur dazu geeignet, an den theoretischen Inhalten der Ausbildung teilzunehmen, wenn gleichzeitig die adäquate physiotherapeutische Behandlung weitergeführt werden könne. Aufgrund der Entfernung zwischen Wohnort und Dienstort und der fehlenden Reisefähigkeit der Antragstellerin könne dies sinnvoll nicht in … erfolgen. Bei normalem Heilungsverlauf wäre mit einer uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin neun Monate nach der Operation zu rechnen. Aufgrund der deutlich verzögerten Rekonvaleszenz müsse davon ausgegangen werden, dass bei der Antragstellerin frühestens ein Jahr nach der Operation, mithin erst im neuen Jahr 2025, eine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst wieder gegeben sein könne. Die Antragstellerin sei aktuell noch dienstunfähig erkrankt, jedoch wäre eine Innendiensttätigkeit heimatnah mit der Möglichkeit, den Arbeitsplatz entsprechend zu erreichen, innerhalb der nächsten drei Monate absehbar. Aktuell sei es der Antragstellerin aufgrund der fehlenden ausreichenden Beweglichkeit des Kniegelenks nicht möglich, selbständig längere Zeit Auto oder Bahn zu fahren. Diese Beurteilung stützte der SMD … auf die persönliche Befragung und körperliche Untersuchung der Antragstellerin vom 27.03.2024 sowie auf folgende ärztliche Aufzeichnungen:
1. Einsatzprotokoll BPOLAFZ …, PäD, … vom 04.10.2023
2. Durchgangsarztbericht, Prof. Dr. …, … vom 04.10.2023
3. Unfallmeldung Formblatt U1, … vom 16.10.2023
4. Bundeswehrkrankenhaus … vom 10.10.2023
5. Sportorthopädicum, … vom 14.11.2023, OP-Bericht vom 18.12.2023/19.03.2024
6. BPOLAFZ …, Sachbereich Personal, Formblatt U3a, … vom 17.11.2023
7. BPOLAFZ …, …, Polizeiärztin, … vom 26.02.2024
8. Radiologie …, … vom 28.02.2024
3
Mit Schreiben vom 22.04.2024, zugestellt am 26.04.2024, wurde die Antragstellerin zur beabsichtigten Entlassung wegen fehlender gesundheitlicher Eignung angehört und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Am 29.04.2024 teilte die Antragstellerin telefonisch mit, dass derzeit die Leistung des Knies zu 80% erreicht sei und kündigte die Übersendung einer ärztlichen Einschätzung von dem Operateur des Knies an, die nach Angabe der Antragsgegnerin nicht eingegangen sei.
4
Mit Bescheid vom 17.05.2024, zugestellt am 27.05.2024, wurde das zwischen der Antragstellerin und der Bundesrepublik Deutschland begründete Beamtenverhältnis auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) i.V.m. § 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) wegen fehlender persönlicher (gesundheitlicher) Eignung widerrufen und die Antragstellerin aus der Bundespolizei entlassen. Weiter wurde die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf das ärztliche Gutachten vom 11.04.2024 ausgeführt, dass das bei der Antragstellerin vorliegende Krankheitsbild zum Ergebnis habe, dass die Antragstellerin für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich nicht geeignet sei. Die Einschätzung des SMD … sei von diesem in seiner Funktion als Amtsarzt getroffen worden. Die Antragstellerin sei aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit an der Beendigung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert. Daher sei ihre gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst gemäß PDV 300 nicht mehr gegeben. An die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit von Polizeibeamten seien hohe Anforderungen zu stellen, weshalb es sachgerecht sei, bereits bei Beamten auf Widerruf ein hohes Maß an körperlicher Eignung zu verlangen. Künftige Erkrankungen, Leistungsschwächen oder Dienstunfähigkeit müssten mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad ausgeschlossen werden können. Ein solcher Wahrscheinlichkeitsgrad könne bei der Antragstellerin nicht angenommen werden. Ausweislich der Ausführungen des SMD … bestünden bei der Antragstellerin Kniegelenkbeschwerden, deren Rekonvaleszenz nach im Dezember 2023 stattgefundener Operation frühestens zu Beginn des Jahres 2025 zu erwarten sei. Es bestünden zumindest ernsthafte Zweifel an der gesundheitlichen Eignung. Diese wiederum führten dazu, dass nicht davon auszugehen sei, dass der Antragstellerin ein erfolgreicher Abschluss des Vorbereitungsdienstes in absehbarer Zeit möglich sei und sie darüber hinaus auch nicht die körperlichen Schwierigkeiten, welche die Polizeibeamtenlaufbahn mit sich bringe, bewältigen könne.
5
Gegen den Bescheid vom 17.05.2024 legte die Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 20.06.2024 Widerspruch ein und verwies darauf, dass nach der fachmedizinischen Einschätzung der sie behandelnden Ärzte eine positive Entwicklung zu verzeichnen sei, sodass das Ausbildungsziel jetzt noch erreichbar sei. Die Entlassung sei nur dann ermessensfehlerfrei und stünde mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang, wenn die Widerrufsbeamtin wegen ihres Gesundheitszustandes auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert sei. Mit Schreiben vom 28.06.2024 übermittelte sie die angekündigte ärztliche Stellungnahme mit Datum vom 26.06.2024, wonach eine vollumfängliche Arbeitsfähigkeit im Herbst 2024 zu erwarten sei. Insbesondere sei eine zweimalige Verschiebung der Prüfung möglich, wobei vorliegend bislang nur eine einmalige Verschiebung erfolgt sei.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2024, der Antragstellerin zugegangen am 17.07.2024, wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Dabei stützte sich die Antragsgegnerin darauf, dass die gesundheitliche Eignung nicht gegeben sei und berief sich darauf, dass sich der bisherige Heilungsverlauf bei der Antragstellerin als problematisch darstelle und daher eine vollständige Heilung erwartet werde, aber nicht sicher sei. Der medizinischen Einschätzung des SMD … sei ein höherer Stellenwert als der privatärztlichen Stellungnahme beizumessen. Ausweislich dieser Ausführungen bestehe bei der Antragstellerin ein nicht adäquater Heilungsverlauf, so dass der Zeitpunkt des Heilungserfolgseintritts lediglich vermutet und nicht sicher zu prognostizieren sei. Eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes, um die Teilnahme an den Prüfungen zu ermöglichen, sei vorgesehen, wenn die Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes und dessen Beendigung absehbar sei. Hinzu komme, dass der Antragstellerin aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten nur eine ca. einmonatige Teilnahme an der Ausbildung möglich gewesen sei und infolgedessen die Ausbildungsinhalte fast gänzlich versäumt worden seien.
7
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 06.08.2024, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am selben Tag, ließ die Antragstellerin gegen den Bescheid und Widerspruchsbescheid Klage erheben und gleichzeitig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 06.08.2024 gegen die Entlassungsverfügung der Bundespolizeiakademie vom 17.05.2024, mit der die Entlassung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen wurde, wiederherzustellen.
8
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der aktuellen gesundheitlichen Entwicklung, aus der sich die positive Entwicklung der letzten Wochen ergebe, das Ausbildungsziel jetzt noch erreichbar sei. Darüber hinaus gehe die Antragsgegnerin von einem falschen Maßstab der gesundheitlichen Eignung aus.
9
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 08.08.2024,
den Antrag abzulehnen.
10
Zur Begründung bezog sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin seit elf Monaten nicht an der Laufbahnausbildung habe teilnehmen können und damit fast das komplette erste Dienstjahr des dreijährigen Vorbereitungsdienstes versäumt habe. Sie erfülle aufgrund der nicht erbrachten Prüfungsleistungen nicht die Voraussetzungen für die Teilnahme an den weiteren Ausbildungsabschnitten und könne somit nicht zur Laufbahnprüfung zugelassen werden. Ein Abschluss des Vorbereitungsdienstes zum 30.08.2026 sei der Antragstellerin infolgedessen nicht mehr möglich. Die Entlassung nach § 37 Abs. 1 BBG wegen Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung setze keine dauerhafte Nichteignung voraus. Es sei vielmehr ausreichend, wenn der Widerrufsbeamte wegen seines Gesundheitszustandes auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert sei. Dabei komme es nicht darauf an, auf welche Ursachen dieser Zustand zurückzuführen sei. Maßgebend sei, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden könne. Dies sei vorliegend der Fall, da bei der Antragstellerin nicht feststehe, ob und wann die gesundheitliche Eignung wiedererlangt werde.
11
Die Antragstellerin nahm die daraufhin eingeräumte Frist zur Stellungnahme nicht mehr wahr.
12
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
13
1. Der zulässige Antrag ist begründet und hat daher in der Sache Erfolg.
14
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 105). Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass ein Widerspruch oder eine Klage wohl Erfolg haben werden, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 04.10.1982 – 19 AS 82 A.2049 – BayVBl. 1983, 23). Kann im summarischen Verfahren noch keine eindeutige Antwort auf die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, bedarf es einer Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zeigt sich im Rahmen der Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, kann auch dies zur Gewichtung der betroffenen Interessen herangezogen werden. Nach der insoweit gebotenen summarischen Prüfung ist zwar die Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges nicht zu beanstanden (a.), allerdings bestehen zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 17.05.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2024 im Hinblick auf die ihm zugrunde gelegten Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin auf unabsehbare Zeit, die sich im Verfahren des Eilrechtsschutzes nicht ausräumen lassen (b.). Eine Interessenabwägung führt hier aber nicht zu einem Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerseite (c.).
15
a. Die Anordnung des Sofortvollzuges erfolgte in formell rechtmäßiger Weise (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die Begründung der Vollzugsanordnung der Antragsgegnerin vom 17.05.2024 ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen der Antragstellerin berücksichtigt.
16
b. Die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt im vorliegenden Fall, dass zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Entlassungsverfügung vom 17.05.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2024 bestehen.
17
aa. In formeller Hinsicht ist die Entlassungsverfügung nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin wurde ordnungsgemäß nach § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angehört. Auch wurden die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe entsprechend § 39 VwVfG in der Entlassungsverfügung mitgeteilt.
18
bb. Rechtsgrundlage für die Entlassung der Antragstellerin ist § 2 BPolBG i.V.m. § 37 Abs. 1 BBG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund. Grundsätzlich ist insoweit ein an den Besonderheiten des Einzelfalls zu messendes sachgerechtes Entlassungsmotiv ausreichend, dabei genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für sein Amt besitzt (vgl. BVerwG, U.v. 09.06.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267 – juris Rn. 20). Ein grundsätzlich ausreichender Grund für die Entlassung kann dabei insbesondere die – hier von Antragsgegnerseite herangezogene – fehlende gesundheitliche Eignung des Beamten sein (vgl. bereits BVerwG, U.v. 29.10.1964 – II C 219.62 – BVerwGE 19, 344).
19
Bei der Festlegung der Voraussetzungen, denen ein Polizeivollzugsbeamter in gesundheitlicher Hinsicht genügen muss, steht dem Dienstherrn ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich des jeweiligen Dienstpostens zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Widerrufsbeamten zu messen ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.07.2013 – 2 C 12.11 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 25.01.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 9). Hinsichtlich der anschließenden Frage, ob der einzelne Beamte den laufbahnbezogen festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt, ist dem Dienstherrn hingegen kein Beurteilungsspielraum eröffnet. Darüber haben letztverantwortlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Bewertungen des Dienstherrn gebunden zu sein (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – BVerwGE 148, 204 – juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 25.01.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 9; B.v. 12.12.2016 – 6 CE 16.2250 – juris Rn. 14; B.v. 18.08.2016 – 6 ZB 15.1933 – juris Rn. 8). Daher sind die hier zugrunde gelegten Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin gerichtlich voll überprüfbar.
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Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahin eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.07.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst – wie hier – für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW, B.v. 18.02.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17 m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.01.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6). Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn – mit Blick auf die Antragstellerin also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (vgl. BVerwG, U.v. 09.06.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.07.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.02.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20).
21
Da der Polizeivollzugsdienst Tätigkeiten mit sich bringt, die in besonderem Maße körperliche Leistungsfähigkeit erfordern, ist es sachgerecht, bereits vom Polizeibeamten auf Widerruf ein hohes Maß an körperlicher Eignung zu verlangen. Der hiesige Fall ist von der Einstellungssituation eines Beamtenbewerbers insofern zu unterscheiden, als es hier nicht um eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Geeignetheit eines Beamtenbewerbers geht, sondern um die Feststellung der Polizeidienstfähigkeit zu einem konkreten Zeitpunkt und letztlich im Rahmen von § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG eine ewtaige Prognoseentscheidung anzustellen ist. Diese bezieht sich nicht auf die gesetzliche Altersgrenze (vgl. BVerwG, U.v. 25.07.2013 – 2 C 12/11 – BVerwGE 147, 244 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 25.01.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 10), sondern auf das Ende des Vorbereitungsdienstes bzw. eines absehbaren späteren Zeitpunkts (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 09.07.2013 – 3 CS 13.302 – juris Rn. 28). Dies erklärt sich aus dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes, denn wenn der Widerrufsbeamte wegen seines Gesundheitszustandes nicht polizeidiensttauglich ist, kann der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses nicht erreicht werden (vgl. BVerwG, B.v. 26.01.2010 – 2 B 47.09 – juris; BayVGH, B.v 15.01.2014 – 3 ZB 13.1074 – juris Rn. 13).
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Die Entlassung eines Widerrufsbeamten ist daher nur dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen. Dies ist anerkanntermaßen der Fall, wenn der Widerrufsbeamte wegen seines Gesundheitszustandes auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Ursachen dieser Zustand zurückzuführen ist. Maßgebend ist, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung. Widerrufsbeamte können nicht verlangen, auf unabsehbare Zeit im Vorbereitungsdienst zu bleiben und Unterhaltsleistungen zu erhalten, obwohl sie das Ausbildungsziel aus gesundheitlichen Gründen nicht erreichen können (vgl. BVerwG, B.v. 26.01.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6 m.w.N.).
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Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen bestehen zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Antragsgegnerin, wonach aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme des SMD … vom 11.04.2024 davon auszugehen sein soll, dass die Antragstellerin auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Entlassung ist die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der letzten Behördenentscheidung, hier also des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2024.
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Die Feststellung von Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin ist nicht zu beanstanden. Die polizeiärztliche Beurteilung vom 11.04.2024 kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin aktuell nicht uneingeschränkt gesundheitlich geeignet für den Polizeivollzugsdienst ist. Da es dabei nicht um eine Prognoseentscheidung geht, sondern um die Feststellung eines gegenwärtigen Zustands, kommt es auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Heranziehung eines etwaig fehlerhaften Maßstabs nicht an. In Bezug auf die Entlassung der Antragstellerin war jedoch im Rahmen von § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG und seiner Einschränkung des weiten Entlassungsermessens eine Prognoseentscheidung erforderlich. Diese notwendige Prognose ist durch die Antragsgegnerin nicht zur Überzeugung der Kammer vorgenommen worden. Die lediglich pauschale Feststellung im Bescheid vom 17.05.2024 (S. 5), dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Antragstellerin ein erfolgreicher Abschluss des Vorbereitungsdienstes in absehbarer Zeit möglich ist, erachtet das Gericht als nicht ausreichend.
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Im Rahmen des an den SMD … gerichteten Untersuchungsauftrags vom 27.02.2024 bat die BPOLAK um die Klärung von drei Fragestellungen. Erstens sollte die aktuelle Verwendungsfähigkeit für den Polizeivollzugsdienst geprüft werden, zweitens, ob innerhalb von zwei Jahren mit der Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit zu rechnen ist, und drittens die gesundheitliche Eignung für eine Verwendung im allgemeinen Verwaltungsdienst. Die gutachterliche Stellungnahme vom 11.04.2024 verhält sich nur zur ersten Frage vollständig und stellt fest, dass die Antragstellerin aktuell nicht uneingeschränkt geeignet für den Polizeivollzugsdienst ist. In Bezug auf die zweite Frage wird nur darauf hingewiesen, dass zum aktuellen Zeitpunkt keine Aussage darüber getroffen werden könne, wann die Antragstellerin wieder uneingeschränkt mit der Ausbildung zur Polizeivollzugsbeamtin beginnen kann. Weiterhin wird dargelegt, dass bei einem normalen Heilungsverlauf mit einer uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin neun Monate nach der Operation zu rechnen wäre und bei der Antragstellerin aufgrund der deutlich verzögerten Rekonvaleszenz davon ausgegangen werden müsse, dass frühestens ein Jahr nach der Operation und somit erst im neuen Jahr 2025 eine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst wiedergegeben sein könne. Dadurch wird die Frage nach Ansicht der Kammer allerdings nicht vollständig beantwortet. Jedenfalls bleibt offen, ob mit einer Wiederherstellung der gesundheitlichen Eignung bis zum Ende des Vorbereitungsdienstes zu rechnen ist. Vielmehr ist aus der gutachterlichen Stellungnahme sogar zu schließen, dass durchaus mit einer Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung zumindest gerechnet werden kann. Als Antwort auf die dritte Frage verhält sich das Gutachten insofern, als innerhalb der nächsten drei Monate jedenfalls eine Innendiensttätigkeit möglich wäre.
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Damit kann jedenfalls eine unabsehbare Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung und somit Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes nicht angenommen werden. Alleine der verzögerte Heilungsverlauf schließt die vollständige Wiedererlangung in einem absehbaren Zeitraum nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 09.07.2013 – 3 CS 13.302 – juris Rn. 28 ff.; VG Ansbach, U.v. 07.05.2020 – AN 1 K 18.01284 – juris Rn. 84). Zum einen kommt das Gutachten vom 11.04.2024 zu dem Ergebnis, dass zum aktuellen Zeitpunkt keine Aussage darüber getroffen werden kann, wann die Antragstellerin wieder uneingeschränkt mit der Ausbildung zur Polizeivollzugsbeamtin beginnen kann. Zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass bei der Antragstellerin frühestens ein Jahr nach der Operation und somit im neuen Jahr 2025 eine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung wieder gegeben sein kann. Eine vollständige Wiedererlangung innerhalb von zwei Jahren ist daher zumindest nicht ausgeschlossen und daher wohl nicht unabsehbar.
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Dem von der Antragstellerin vorgelegten – durchaus knappen – privatärztlichen Attest, wonach die vollschichtige Arbeitsfähigkeit im Herbst 2024 zu erwarten sei, kommt ein geringerer Beweiswert als der gutachterlichen Stellungnahme des SMD … zu. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der beamtete Arzt stets neutral und unabhängig ist. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig wahr. Er steht Dienstherrn und Beamten gleichermaßen fern (vgl. BVerwG, U.v. 09.10.2002 – 1 D 3.02 – juris Rn. 22). Darüber hinaus sind die in der Regel besseren Kenntnisse des beamteten Arztes hinsichtlich der Belange der öffentlichen Verwaltung und der von dem Beamten zu verrichtenden Tätigkeiten sowie seine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit maßgebend. Für Gutachten, in denen Fragen des Dienstrechts aus medizinischer Sicht zu beurteilen sind, ist ein spezieller Sachverstand erforderlich, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung, andererseits auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen beruht (vgl. OVG RhPf, U.v. 22.05.2013 – 2 A 11083/12 – juris Rn. 34).
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Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, dass erkennbar sei, dass die Antragstellerin weiterhin an der Fortsetzung der Ausbildung und der Beendigung der Ausbildung verhindert sein wird, ist zumindest fraglich, ob dies schon eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen Fehlens der gesundheitlichen Eignung rechtfertigt. Offen bleibt nach dem Vortrag der Beteiligten, inwiefern sich die versäumten Prüfungen auf das Ausbildungsverhältnis auswirken. Während die Antragstellerin vorgetragen hat, dass eine zweimalige Verschiebung der Prüfung möglich ist, bisher allerdings erst eine einmalige Verschiebung stattgefunden hat, behauptet die Antragsgegnerin, die Antragstellerin erfülle aufgrund der nicht erbrachten Prüfungsleistungen nicht die Voraussetzungen für die Teilnahme an den weiteren Ausbildungsabschnitten und könne somit nicht zur Laufbahnprüfung zugelassen werden. In Bezug auf den Vortrag der Antragsgegnerin ist jedenfalls festzustellen, dass dies vielmehr für ein endgültiges Nichtbestehen einer vorgeschriebenen Zwischenprüfung als Entlassungsgrund i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 2 BBG von Relevanz ist. Bei der Prognose der Antragsgegnerin, ein Abschluss des Vorbereitungsdienstes zum 30.08.2026 sei der Antragstellerin nicht mehr möglich, bleibt offen, wieso sie die Verlängerungsmöglichkeit des Vorbereitungsdienstes in § 46 Abs. 3 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei (MBPolVDVDV), soweit er zur Wiederholung der Zwischenprüfung erforderlich ist, verneint. Offen bleibt dabei auch, wieso die Antragsgegnerin von einem dreijährigen Vorbereitungsdienst, abweichend von § 6 der Bundespolizei-Laufbahnverordnung (BPolLV) und § 21 Abs. 1 MBPolVDVDV, ausgeht. Jedenfalls ist für die Kammer nicht abschließend zu beurteilen, wieso das Ausbildungsziel nicht mehr erreicht werden kann. Gegebenenfalls käme auch eine Wiederholung des ersten Dienstjahres in Betracht. Maßgebend wäre vorliegend, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann. Vorliegend ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin das Ausbildungsziel – nach Wiedererlangung ihrer gesundheitlichen Eignung Anfang des Jahres 2025 – aus gesundheitlichen Gründen nicht erreichen können soll. Dabei ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine unfallbedingte Verletzung handelt, die auf ein konkretes Ereignis zurückzuführen ist. Trotz des inadäquaten Heilungsverlaufs kann der gutachterlichen Stellungnahme vom 11.04.2024 nicht entnommen werden, dass eine Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung ausgeschlossen wird, sondern nur, dass sie sich verzögert. Es findet seitens der Antragsgegnerin keine überzeugende Auseinandersetzung damit statt, inwiefern nun das Ausbildungsziel nicht mehr erreicht werden kann.
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Zuzugestehen ist der Antragsgegnerin auf der anderen Seite freilich, dass die Antragstellerin bis zur Wiedererlangung ihrer gesundheitlichen Eignung wohl die Hälfte der Ausbildungsinhalte des 2,5-jährigen Vorbereitungsdienstes (vgl. § 6 der BPolLV) verpasst haben wird und seit dem Unfall am 04.10.2023 auch keine Teilnahme an den theoretischen Inhalten der Ausbildung stattgefunden hat. Hinzukommt, dass nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 MBPolVDVDV Ziel der Grundausbildung im ersten Dienstjahr auch die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist. Damit ist der Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses zwar in Zweifel zu ziehen, allerdings unklar, ob dieser auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann.
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Angesichts der geschilderten Ungewissheiten hinsichtlich der von der Antragsgegnerin angestellten Prognose auf Grundlage des Gutachtens vom 11.04.2024 ergeben sich für die Kammer nicht unerhebliche Zweifel an der Feststellung, dass die Antragstellerin auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist. Im Rahmen der im Verfahren des Eilrechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung können diese Zweifel aber nicht abschließend ausgeräumt werden, eine entsprechende Klärung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind damit als offen anzusehen.
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c. Erforderlich ist daher eine Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Insoweit ist maßgeblich, ob bei einer Abwägung das private Interesse des Betroffenen, vom Sofortvollzug verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug überwiegt. Dabei ist zugunsten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass kein öffentliches Interesse daran besteht, einen Ausbildungsplatz mit einer Beamtin auf Widerruf zu besetzen und diese weiter auszubilden und zu alimentieren, obwohl ihr die gesundheitliche Eignung für den angestrebten Beruf fehlt. Sollte sich im Hauptsacheverfahren ergeben, dass die Antragstellerin tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht für den Vorbereitungs- bzw. Polizeivollzugsdienst geeignet ist, wäre die Antragsgegnerin lediglich auf die – gegebenenfalls schwierig durchzusetzende – Rückforderung der zu Unrecht bezahlten Bezüge verwiesen. Umgekehrt wäre aber im Falle eines Obsiegens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren eine sofortige Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf und der damit verbundene Abbruch der Ausbildung für die Antragstellerin mit nachträglich kaum wieder auszugleichenden Nachteilen verbunden. Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass das Interesse der Antragstellerin, die weitere Ausbildung – zunächst – fortsetzen zu können und damit eine spätere Tätigkeit im angestrebten Beruf nicht von vornherein auszuschließen, das im Wesentlichen nur wirtschaftliche Interesse der Antragsgegnerin überwiegt.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Anzusetzen war insoweit die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Anwärterbezüge nach §§ 59 ff. des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) i.V.m. Anlage VIII des BBesG (Anwärtergrundbetrag für den mittleren Polizeivollzugsdienst von 1.473,37 €); dieser Betrag war für das Verfahren des Eilrechtsschutzes nochmals zu halbieren.