Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 23.01.2024 – B 5 K 22.657
Titel:

Dienstunfähigkeit einer Lehrerin, Persönlichkeitsstörung, Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Untersuchung, Tatsachengrundlage bei teilweise verweigerter Teilnahme an der Begutachtung

Normenketten:
BeamtStG § 26
BayBG Art. 65
Schlagworte:
Dienstunfähigkeit einer Lehrerin, Persönlichkeitsstörung, Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Untersuchung, Tatsachengrundlage bei teilweise verweigerter Teilnahme an der Begutachtung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35960

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen ihre vorzeitige Ruhestandsversetzung und begehrt darüber hinaus Schadensersatz wegen Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements.
I.
2
Die am … geborene Klägerin wurde mit Urkunde des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (BayStMUK) vom 08.09.2006 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Studienrätin zur Anstellung ernannt. Gleichzeitig wurde sie der Staatlichen Fachoberschule … im Rahmen ihrer Lehrbefähigung (Physik/Chemie) zugewiesen. Nach einer äußerst positiven Probezeitbeurteilung vom 20.05.2009 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 01.10.2009 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. In der periodischen Beurteilung für den Zeitraum 01.10.2009 bis 31.12.2010 erzielte die Klägerin das Gesamturteil EN (Leistung, die den Anforderungen insgesamt entspricht). Ihr wurde darin insbesondere volle psychische und physische Belastbarkeit attestiert. In ihrer periodischen Beurteilung 2014 erzielte sie in sämtlichen Einzelmerkmalen – einschließlich dem Merkmal der Belastbarkeit – sowie im Gesamturteil das Prädikat UB (Leistung, die die Anforderungen übersteigt). In der Begründung zum Gesamtergebnis heißt es, die Klägerin habe sich in jeder Hinsicht bewährt. Sie sei kontaktfreudig, selbstkritisch, urteilssicher und erbringe einwandfreie Leistungen. Mit Urkunde vom 21.12.2016 wurde die Klägerin zur Oberstudienrätin (BesGr. A14) ernannt.
3
Mit Schreiben vom 06.12.2018 wandte sich der Schulleiter und unmittelbare Dienstvorgesetzte der Klägerin an das BayStMUK und bat, ohne dies weiter kommentieren zu wollen, dem Wunsch der Klägerin auf sofortige Abordnung an die FOSBOS … nachzukommen und eine Versetzung zum kommenden Schuljahr in Betracht zu ziehen. Dem Anschreiben lag eine Mitteilung der Klägerin an den Schulleiter vom selben Tag bei, in der sie wegen eines unüberbrückbaren persönlichen Konfliktes mit ihm um entsprechende Abordnung ab Januar 2019 bat. Das Ministerium ordnete die Klägerin daraufhin wunschgemäß ab.
4
Die Schulleiterin der FOSBOS … bat die Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2019 um Stellungnahme zu verschiedenen, namentlich benannten Vorkommnissen, weil das dienstliche Verhalten der Klägerin in der vorangegangenen Woche für erhebliche Irritationen gesorgt habe. Gegenstand war insbesondere die Übernahme von Vertretungsstunden durch die Klägerin in Höhe von 10 Stunden an der FOSBOS … Dieser Aufforderung kam die Klägerin mit Schreiben vom 27.02.2019 nach. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.
5
Die Klägerin befand sich vom 06.02.2019 bis einschließlich 30.04.2019 im Krankenstand.
6
Mit Schriftsatz vom 18.04.2019 zeigte sich die frühere Bevollmächtigte für die Klägerin an, teilte den voraussichtlichen Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Dienstes durch die Klägerin mit, sowie dass mit einer teilweisen Tätigkeit in … kein Einverständnis bestehe.
7
Die Schulleiterin der FOSBOS … erwiderte mit Schreiben vom 23.04.2019, dass aufgrund der genannten Irritationen bereits am 18.03.2019 an der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Berufliche Oberschule in Nordbayern ein Gespräch zwischen ihr, der Klägerin und dem Ministerialbeauftragten stattgefunden habe. Die Klägerin habe erläutert, dass sie aufgrund wiederkehrender massiver psychischer Probleme nicht in der Lage gewesen sei, die Schule über ihre Arbeitsunfähigkeit zu informieren, und mitgeteilt, aktuell ebenfalls wegen schwerwiegender psychischer Probleme keinesfalls arbeitsfähig zu sein. Sie habe den Ministerialbeauftragten eindringlich um Unterstützung bei der Suche nach therapeutischer Hilfe gebeten, weil sie selbst damit überfordert sei. Die daraufhin eingebundene Staatliche Schulpsychologin von der Schulberatungsstelle … habe der Klägerin entsprechend geholfen und die Schule … mit in den Akten befindlichen Schreiben vom 21.03.2019 darüber informiert, dass entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet worden seien, der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit hingegen unklar sei. Man habe erhebliche Zweifel am Dienstantritt zum 02.05.2019, weswegen man in Absprache mit MR …, BayStMUK, einen erneuten Einsatz der Klägerin ausschließe, solange diese nicht durch ein amtsärztliches Gutachten ihre Dienstfähigkeit nachgewiesen habe.
8
In einem ausführlichen Schreiben vom 07.05.2019 teilte die Leiterin der FOSBOS … dem BayStMUK auf dessen Bitten hin die bei der Klägerin beobachteten gesundheitlichen Auffälligkeiten mit. Sie sei in der Handlungs- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt. Nachdem sie am 07. und 08.02.2019 nicht zum Dienst erschienen und die von der Schulleitung informierte Polizei am 08.02.2019 zur Klägerin nach Hause gefahren sei, habe die Klägerin einer Verwaltungskraft und der Schulleiterin gegenüber erklärt, dass sie zwei Tage in ihrer Ferienwohnung gesessen habe und nichts habe tun können. Sie habe geäußert, dass sie wahrscheinlich auch drei Tage später noch teilnahmslos in der Wohnung gesessen hätte, wenn die Polizei nicht gekommen wäre. Sie glaube zudem an Verschwörungen. Am 11.03.2019 habe sie Leistungsnachweise und Notenlisten bei der Verwaltungsangestellten der Schule in … abgegeben und sie gebeten, darauf aufzupassen. An der Schule habe sie nur zu ihr Vertrauen und sie sei in Sorge, dass die Unterlagen sonst verschwinden könnten. Am 20.03.2019 habe die Klägerin bei der Schulleiterin der FOSBOS … per E-Mail angefragt, ob das Gespräch am 05.02.2019, in dem sie um Übernahme von Vertretungsstunden gebeten worden sei, von der Schulleiterin und deren Stellvertreter geplant gewesen sei, um ihr Verhalten zu testen und ob sie ein Experiment mit ihr durchgeführt hätten. Die Rücksprache mit dem Leiter der Beruflichen Oberschule … habe ergeben, dass sich die oben dargestellten Auffälligkeiten in verschiedenen Facetten kontinuierlich auch in der Vergangenheit gezeigt hätten. Häufig habe die Klägerin nach dessen Ausführungen Situationen so interpretiert, dass die Beweggründe ihres Gegenübers darauf abzielten, ihr Schaden zuzufügen. Diese Ideen hätten sowohl den Schulleiter aber auch Kollegen der Fachschaft betroffen. Bereits in … hätten sich Schwierigkeiten in der Handlungs- und Steuerungsfähigkeit gezeigt. Sie habe zum Beispiel aus objektiv nicht nachvollziehbaren Gründen die Fachbetreuung Biologie/Chemie abgegeben, um sie nach kurzer Zeit wieder zurückhaben zu wollen. Ende 2018 habe sie ihr Beamtenverhältnis gekündigt, wofür sie unüberwindbare Probleme mit dem Schulleiter angegeben habe, und diese Kündigung kurze Zeit später wieder zurückgenommen. Ihren Wunsch, nach … versetzt zu werden, habe sie nach einigen Wochen als Fehler bezeichnet. Sie zeige impulsive Handlungen und treffe dabei weitreichende Entscheidungen, ohne deren Folgen zu bedenken. Die unberechenbare Impulsivität der Klägerin, kombiniert mit einer phasenweise gestörten Realitätswahrnehmung und die eingeschränkte Fähigkeit zur Handlungskontrolle hätten zu Zweifeln an ihrer Dienstfähigkeit geführt.
9
Das BayStMUK setzte die Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 14.05.2019 darüber in Kenntnis, dass sich die Klägerin auf entsprechende Aufforderung einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen haben werde.
10
Die zuständige Amtsärztin im Fachbereich Gesundheitswesen beim Landratsamt … teilte dem BayStMUK in einer E-Mail vom 28.05.2019 mit, welche Unterlagen vor Anberaumung eines Untersuchungstermins noch beigebracht werden müssten. Nachdem das BayStMUK mit Schreiben vom 31.05.2019 bei der Klägerbevollmächtigten um Freigabe der entsprechenden Daten an den Fachbereich Gesundheitswesen beim Landratsamt … gebeten hatte, teilte diese mit Schreiben vom 07.06.2019 mit, dass man zunächst darum bitte, ihnen die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, um diese auf Richtigkeit zu prüfen und anschließend gegebenenfalls die Freigabe erklären zu können. Diesem Wunsch kam das BayStMUK mit Schreiben vom 18.06.2019 nach. Die zuständige Amtsärztin teilte dem BayStMUK mit E-Mail vom 01.07.2019 mit, dass die Klägerin gegenüber dem Fachbereich Gesundheitswesen schriftlich erklärt habe, dass sie das Gesundheitsamt nicht gegenüber dem Ministerium von der Schweigepflicht entbunden habe. Sie verlange, dass die Stellungnahme des Fachbereichs Gesundheitswesen vor Übersendung an das Ministerium ihr zur Überprüfung zur Verfügung gestellt werde.
11
Die Klägerbevollmächtigte teilte dem Ministerium weiter im Schriftsatz vom 28.06.2019 mit, dass die Klägerin lediglich damit einverstanden sei, dass an das Gesundheitsamt die Fehlzeiten der letzten fünf Jahre übermittelt würden sowie die Kurzinformation der Schulpsychologin. Mit der Weiterleitung des Schreibens des Schulleiters in … vom 03.06.2019 bestehe Einverständnis, ebenso mit der Weiterleitung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Es werde gebeten, weiterzureichen, dass es in der Vergangenheit keinen Ansatzpunkt für Präventionsmaßnahmen gegeben habe. Dem Wunsch der Klägerin entsprechend übermittelte das Ministerium dem Gesundheitsamt mit Schreiben vom 02.07.2019 diese Informationen.
12
Die zuständige Amtsärztin des Fachbereichs Gesundheitswesen beim Landratsamt … teilte dem BayStMUK mit Schreiben vom 10.07.2019 mit, dass sich die Klägerin am 21.06.2019 zur amtsärztlichen Untersuchung vorgestellt habe. Zuständigkeitshalber verweise man in dieser Angelegenheit auf die Medizinische Untersuchungsstelle bei der Regierung von … (MUS) und empfehle, die Klägerin zur weiteren Beurteilung der Dienstfähigkeit dort vorzustellen.
13
Mit Schreiben vom 08.08.2019 beauftragte das BayStMUK die MUS damit, die Klägerin auf ihre Dienstfähigkeit hin zu untersuchen. Auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung durch die Amtsärztin Dr. … teilte das BayStMUK der Klägerin mit Schreiben vom 07.10.2019 mit, dass laut dem Gesundheitszeugnis der MUS vom 30.09.2019 ihre volle Leistungsfähigkeit wiederhergestellt sei. Ausweislich des beigefügten Gutachtens sei es bei der Klägerin, mit ausgelöst durch externe Belastungsfaktoren und auf dem Boden einer prädisponierenden Persönlichkeitsstruktur mit erhöhter Kränkbarkeit bei sehr hohem Leistungsbewusstsein, zu einer vorübergehenden gesundheitlichen Störung aus dem nervenärztlichen Fachgebiet mit emotionalen Überreaktionen und ausgeprägten Schwankungen des Antriebs gekommen. Ein positives Leistungsbild sei nun aus Sicht der Gutachterin und in Übereinstimmung mit den vorliegenden Berichten dreier Fachärzte für Psychiatrie wieder beschreibbar. Zur Vermeidung eines Rezidivs erscheine die Aufnahme einer regelmäßigen ambulanten Psychotherapie erforderlich, was mit der Klägerin bereits besprochen sei. Für die Gesamtbeurteilung seien ärztliche Stellungnahmen herangezogen worden wie folgt: Bericht einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 20.02.2019, eines Facharztes für Neurologie und Nervenheilkunde vom 30.04.2019, eines Facharztes für Nervenheilkunde vom 07.06.2019, ein radiologischer Befund vom 23.05.2019 sowie ein internistischer Befundbericht vom 05.06.2019. Weitere Untersuchungen seien derzeit nicht erforderlich. Infolge der Erkrankung bestehe aus ärztlicher Sicht keine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Pflichten gemäß § 26 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG).
14
Mit E-Mail vom 12.02.2020 an den Schulleiter der FOSBOS … bat die Klägerin um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und nahm mit Brief vom 21.02.2020 an das BayStMUK den Entlassungsantrag wieder zurück. Sie übersandte zudem eine Krankmeldung von einer orthopädischen Praxis für den Zeitraum ab 12.02.2020.
15
Das BayStMUK bat die MUS mit Schreiben vom 24.02.2020 wegen erneuter längerfristiger Arbeitsunfähigkeit der Klägerin um eine entsprechende Begutachtung. Die Klägerin hatte in der Zwischenzeit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum ab dem 14.02.2020 bis voraussichtlich 27.03.2020 des behandelnden Facharztes für Nervenheilkunde … vorgelegt.
16
Gegen diese Untersuchungsanordnung ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres zwischenzeitlichen Bevollmächtigten vom 11.03.2020 Widerspruch einlegen und bat um Akteneinsicht.
17
Das BayStMUK teilte dem zwischenzeitlichen Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2020 mit, dass aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens eine amtsärztliche Untersuchung der Klägerin nicht möglich sei, das Verfahren zurückgestellt und derzeit nicht weiter betrieben werde und auch über den Widerspruch vorerst nicht entschieden werde.
18
Die Klägerin teilte unter dem 25.07.2020 mit, dass sie seit 28.03.2020 wieder dienstfähig sei und seit der 28. Unterrichtswoche ihren Dienst wieder ausübe.
19
Die Schulleitung der FOSBOS … wandte sich mit Schreiben vom 26.10.2020 erneut an das Ministerium. Aufgrund mehrerer Vorfälle in den zurückliegenden Wochen und Monaten bitte man darum, vor allem den psychischen Gesundheitszustand der Klägerin zu untersuchen. Mit weiterem, sehr ausführlichen Schreiben vom 19.11.2020 ergänzte der Schulleiter die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Verhalten der Klägerin und bat um eine Untersuchung derselben, weil sich die Beschwerden der Schüler mehren würden und gleichzeitig die Klägerin keinen Zugang zu ihrem Unterricht zulasse. Dem Schreiben lag zudem ein Bericht der Fachbetreuerin Biologie/Chemie vom 19.11.2020 bei, der ebenfalls problematische Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Verhalten der Klägerin zum Gegenstand hatte. Auf die Schreiben wird Bezug genommen. Mit E-Mail vom 30.11.2020 ergänzte der Schulleiter, dass die Klägerin bis Freitag den 27.11.2020 erneut krankgeschrieben gewesen sei.
20
Mit Arztbrief vom 30.11.2020 teilte das Bezirksklinikum …, …, mit, dass die Klägerin seit dem 27.11.2020 dort bis auf Weiteres, voraussichtlich bis 08.01.2021, behandelt werde. Die Klägerin war anschließend durch den Neurologen und Psychiater Dr. …, …, bis einschließlich 08.02.2021 krankgeschrieben.
21
Es erfolgte eine telefonische Untersuchung der Klägerin durch die zuständige Amtsärztin bei der MUS, Dr. …, am 27.01.2021. Diese beauftragte sodann mit Schreiben vom 19.02.2021 im Auftrag des BayStMUK Dr. …, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, …, mit der Überprüfung der Dienstfähigkeit der Klägerin.
22
Aus dem daraufhin erstellten Gesundheitszeugnis der MUS vom 26.04.2021 geht hervor, dass die Überprüfung der Dienstfähigkeit der Klägerin ergeben habe, dass keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate bestehe, zu einem späteren Zeitpunkt sei dies nicht wahrscheinlich. Zwar habe die Klägerin bisher keine kontinuierlichen Behandlungsmaßnahmen wahrgenommen. Auch von solchen sei jedoch die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht zu erwarten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für anderweitige Verwendungsmöglichkeiten oder begrenzte Dienstfähigkeit seien nicht gegeben. Eine Nachuntersuchung sei entbehrlich.
23
Das BayStMUK hörte die Klägerin mit Schreiben vom 03.05.2021 zur beabsichtigten vorzeitigen Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 BeamtStG an. Sie wurde auf die Möglichkeit der Ruhestandsversetzung auf Antrag hingewiesen und auch darauf, nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) die Mitwirkung der zuständigen Personalvertretung sowie nach Art. 18 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes (BayGlG) die Beteiligung des Gleichstellungsbeauftragten zu beantragen.
24
Laut Aktenvermerk habe man die Ministerbeteiligung durchgeführt, weil die Ruhestandsversetzung mehr als 10 Jahre vor dem möglichen Antragsruhestand erfolgen solle.
25
Mit Schriftsatz vom 08.06.2021 zeigte sich der nunmehrige Bevollmächtigte der Klägerin unter Vollmachtsvorlage für diese an. Im Schriftsatz vom 15.09.2021 monierte er, dass im Gesundheitszeugnis der Regierung von … vom 10.07.2019 auf Berichte dreier Fachärzte für Psychiatrie Bezug genommen werde, die nicht in der Akte enthalten seien. Gleiches gelte für die Erkenntnisquellen, auf die sich das Gesundheitszeugnis vom 26.04.2021 stütze. Mit weiterem Schriftsatz vom 30.11.2021 beanstandete er, dass es zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit an konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten für die zu treffende Prognose fehle, dass die Klägerin infolge ihres Zustands zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten in Zukunft dauernd unfähig sein werde. Das aus den Akten ersichtliche Schreiben des Landratsamts … vom 28.05.2019, in dem das BayStMUK ersucht werde, zeitnah für die Bearbeitung der Fragen zur Dienstfähigkeit der Klägerin diverse Informationen zu übermitteln, sei nie beantwortet worden. Die in den Akten vorhandenen Gutachten würden in medizinischer Hinsicht schon nicht die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen enthalten, die erforderlich wären, damit der Dienstherr eine Entscheidung treffen könne, ob die Klägerin anderweitig zu beschäftigen gewesen wäre. Den privatärztlichen Feststellungen des Herrn … vom 07.06.2019 gehe der Sachverständige nicht nach. Eine ordnungsgemäße Anamnese für die Bewertung, dass eine anderweitige Verwendung nicht in Betracht komme, finde sich im Gesundheitszeugnis ebenfalls nicht. Wenngleich bei Zurruhesetzungen die vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht für die Rechtmäßigkeit erforderlich sei, wirke sich das Unterlassen desselben jedoch auf die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung aus. Der Dienstherr habe nicht aufgeklärt, ob die Suche nach einer anderweitigen Verwendung für die dienstunfähige Beamtin den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe.
26
Das BayStMUK vertrat im Schriftsatz vom 17.01.2022 die Auffassung, dass das Gesundheitszeugnis vom 26.04.2021 vollumfängliche und abschließende Tatsachen und Feststellungen enthalte, die für die Ruhestandsversetzung erforderlich seien. Um den Anforderungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zu genügen, reiche es aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden könne, dass der Beamte für mindestens für einen Zeitraum von weiteren sechs Monaten dienstunfähig sein werde. Sowohl dem fachärztlichen Gutachter als auch der zuständigen Ärztin bei der MUS hätten die gleichen umfangreichen Akten vorgelegen wie der Klägerin. Da sich das Staatsministerium als Dienstherr in seinem Bescheid zur Versetzung in den Ruhestand vom 03.05.2021 der im Gesundheitszeugnis getroffenen Einschätzung bezüglich der nicht gegebenen gesundheitlichen Voraussetzungen für anderweitige Verwendungsmöglichkeiten oder eine begrenzte Dienstfähigkeit angeschlossen habe, sei die Suchpflicht nach anderweitigen Einsatzmöglichkeiten entfallen.
27
Die Klägerin ließ über ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19.01.2022 vorsorglich Widerspruch gegen den im vorangegangenen Schreiben erwähnten und eventuell bereits ergangenen Ruhestandsversetzungsbescheid erheben.
28
Mit Urkunde vom 04.02.2022 wurde die Klägerin gemäß Art. 66 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) in den Ruhestand versetzt. Mit begleitendem Bescheid vom 09.02.2022 wies der Beklagte die Einwendungen der Klägerseite zurück und verfügte die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand mit Ablauf des Monats, in dem dieses Schreiben zugestellt werde (Ziffer 1). Mit dem Ende des Monats, in dem diese Entscheidung zugestellt sein werde, würden die das zustehende Ruhegehalt übersteigenden Dienstbezüge bis zur Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung einbehalten (Ziffer 2). Zur Begründung wurde zunächst auf die Einwendungen der Klägerseite Bezug genommen, sodann die Argumentation aus den bisher gewechselten Schriftsätzen wiederholt. Unter Würdigung der vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen sei in Anbetracht derer das Staatsministerium in der Lage gewesen, die notwendigen Feststellungen im Bescheid vom 03.05.2021 zu treffen.
29
Die Klägerin ließ mit Schriftsatz vom 18.02.2022 über ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Ruhestandsversetzungsbescheid erheben und gleichzeitig beantragen, die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
30
Zur Begründung führte sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 05.05.2022 aus, dass die Ruhestandsversetzung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig sei. Die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung genüge nicht den formellen Erfordernissen, die nach der Rechtsprechung zu erfüllen seien. Die gegenüber der Klägerin verfügte Untersuchungsanordnung spreche zwar die Dauer der Erkrankung der Klägerin an, ordne aber dann doch allgemein ein amtsärztliches Gutachten zur Frage der Dienstfähigkeit ohne Beschränkung auf die Dauererkrankung an.
31
Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Zur Begründung dieser Rechtsauffassung wurden im Wesentlichen die im Schriftsatz vom 08.06.2021 getätigten Ausführungen wiederholt. Im Gesundheitszeugnis der Regierung von … vom 26.04.2021 werde zudem die gutachterliche Stellungnahme des Dr. … lediglich auszugsweise als Zitat wiedergegeben. Darin räume dieser sogar ein, dass ihm keine ausführliche Anamneseerhebung möglich gewesen sei.
32
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2022 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wiederholte er dabei seine bisherige Argumentation aus den vorangegangenen Schriftsätzen.
II.
33
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13.05.2022 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht …, dort eingegangen am selben Tag, und beantragte,
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2022 wird aufgehoben.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin ihrer Initiativpflicht zur ordnungsgemäßen Einleitung des Verfahrens des „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ (§ 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) wie auch dessen Durchführung seit 20.12.2017 nicht nachgekommen ist und daher infolge des Unterbleibens der dort vereinbarten Vorgaben zum Ersatz aller Schäden verpflichtet ist, die der Klägerin durch die Nichtbeschäftigung entstanden sind und noch entstehen werden.
34
Mit Beschluss vom 05.07.2022 verwies das Bayerische Verwaltungsgericht … unter Ablehnung seiner örtlichen Zuständigkeit den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth (hier eingegangen am 13.07.2022).
35
Die Klägerin ließ mit klagebegründendem Schriftsatz vom 29.08.2022 ausführen, dass der angefochtene Ruhestandsversetzungsbescheid rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze, hilfsweise habe sie wenigstens einen Anspruch darauf, dass über ihre Ruhestandsversetzung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden werde. Die beschriebene vermeintliche Erkrankung aus dem seelischen Formenkreis sei nicht den fachärztlichen Vorgaben entsprechend eruiert worden. Eine Anamnese sei insbesondere im Hinblick auf die objektiven Gegebenheiten des Anforderungsprofils des ausgeübten Dienstpostens der Klägerin unterblieben. Gleiches gelte für den störungsfreien Zeitraum im Dienstverhältnis der Klägerin bis zu dem hier streitgegenständlichen Sachverhalt. Der Beklagte führe zudem unzutreffend aus, die Klägerin habe „eine weitergehende persönliche Untersuchung verweigert“. Die behauptete fundierte fachliche Stellungnahme, die dem Sachverständigen möglich gewesen sein soll, werde bestritten. Das Gesundheitszeugnis der MUS vom 26.04.2021 enthalte unzutreffende Tatsachenfeststellungen; wenn dort ausgeführt werde: „Die Überprüfung der Dienstfähigkeit erfolgte aufgrund der aktuellen Pandemiesituation mit dem Einverständnis von Frau Dr. … im Rahmen einer ausführlichen telefonischen Anamneseerhebung am 27.01.2021“. Die Klägerin sei durchaus nicht „mit dem Vorgehen einverstanden“ gewesen, da sie nicht hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht belehrt worden sei. Die Beurteilung der Dienstunfähigkeit durch den Beklagten leide an verfahrensmäßigen und inhaltlichen Mängeln.
36
Der Untersuchung sei keine ordnungsgemäße Ladung der Klägerin vorausgegangen. Das Ladungsschreiben des Dr. … sei inhaltlich unbestimmt; der Beklagte dokumentiere dies bezeichnenderweise schon nicht, in der Verwaltungsakte sei es nicht zu finden. Die Klägerin sei im Ladungsschreiben nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass ihre vermeintliche Dienstunfähigkeit Thema der ärztlichen Untersuchung sei. Zu rügen sei auch, dass nirgendwo seine gutachterliche Stellungnahme vom 14.04.2021 in vollständiger Form zu finden sei.
37
Der Bescheid der Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit vom 09.02.2022 sei ferner materiell rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten, weil er sich im Wesentlichen auf das inhaltlich fehlerhafte Gesundheitszeugnis vom 26.04.2021 stütze. Die fachpsychiatrische gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … sei schon deswegen fachlich unbrauchbar, weil die dort behauptete Weigerung der Klägerin einen von dieser dem Arzt sogleich mitgeteilten sachlichen Grund gehabt habe, den Dr. … in seinem Gutachten jedoch unerwähnt gelassen habe. Auch enthalte es keine Tatsachenfeststellungen zu den Anforderungen des Dienstpostens der Klägerin; es stehe zu befürchten, dass die in der Akte befindlichen Schreiben der Vorgesetzten im Hinblick auf die dort enthaltenen psychologisierenden Inhalte uneingeschränkt durch den Sachverständigen übernommen worden seien. Unzutreffend sei die Feststellung „Eindeutige Hinweise auf eine tatsächlich vorliegende schwere depressive Episode im Sinne des F32.2 finden sich in den Unterlagen, auch im Entlassbrief der … Klinik nicht.“ Aus diesem Schreiben vom 20.01.2021 sei unter „Diagnosen (ICD 10)“ wörtlich Folgendes ausgeführt: „Schwere depressive Episode … (F32.2)“.
38
Das StMUK erwiderte mit Schriftsatz vom 15.12.2022 für den Beklagten und beantragte
Klageabweisung.
39
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es seien weder formelle noch materielle Fehler in der Ruhestandsversetzungsverfügung ersichtlich, insbesondere sei die ärztliche Feststellung als Entscheidungsgrundlage ausreichend und Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Das Telefaxanschreiben des Landratsamtes … an das Staatsministerium vom 28.05.2019, in dem um die Übermittlung von Unterlagen zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit der Klägerin gebeten wurde, sei für die behördliche Entscheidung über die Dienstunfähigkeit der Klägerin vom 09.02.2022 nicht von Bedeutung. Grundlage hierfür sei alleine das Gesundheitszeugnis vom 26.04.2021 und die dort getroffenen ärztlichen Feststellungen. Die Anamneseerhebung beruhe nicht allein auf dem Telefonat vom 27.01.2021, da weitere Unterlagen zur Auswertung herangezogen worden seien, wie beispielsweise vorherige gutachterliche Stellungnahmen und ärztliche Untersuchungen. In der Tat lasse sich laut dem Gesundheitszeugnis der die fachpsychiatrische gutachterliche Stellungnahme erstellende Arzt Dr. … dahingehend ein, dass ein Gespräch im ärztlichen Büro deshalb nicht habe stattfinden können, weil es die Klägerin seinerzeit abgelehnt habe, dieses überhaupt zu betreten. Diesem Umstand sei zu entnehmen, dass sie sich auch ablehnend gegenüber möglichen weitergehenden Untersuchungen zeigen würde. Damit sei dem ärztlichen Gutachter keine andere Wahl geblieben, als seine Begutachtung auf das kurze Gespräch und die ihm bereits vorliegenden Unterlagen zu stützen.
40
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Bezüglich des Vorbringens der Beteiligten sowie der ärztlichen Gutachter in der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23.01.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
41
Die mit Klageantrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Ruhestandsversetzungsbescheid des Beklagten vom 09.02.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42
Der angefochtene Bescheid vom 09.02.2022 begegnet weder in formeller noch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken. Der Beklagte ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin dauernd dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG ist und eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt.
43
1. Das BayStMUK war als Ernennungsbehörde für die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung zuständig, Art. 66 Abs. 2 Satz 2, Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayBG. Der Klägerin wurde die beabsichtigte Ruhestandsversetzung durch den Beklagten mit Gründen mitgeteilt, Art. 66 Abs. 1 BayBG. Die Klägerin hatte über ihren Bevollmächtigten die Gelegenheit zur Erhebung von Einwendungen i.S.d. Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBG, die sie mit Schriftsatz vom 15.09.2021 geltend machte. Auf die Möglichkeit, die Mitwirkung des Personalrats nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 3 BayPVG sowie nach Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG die Beteiligung des Gleichstellungsbeauftragten zu beantragen, wurde die Klägerin im Anhörungsschreiben vom 03.05.2021 hingewiesen.
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Auch die Tatsache, dass der Klägerin im Vorfeld der amtsärztlichen Untersuchung wohl ein Fragenkatalog nicht übersandt wurde, sondern sie – nach Lage der Akten – möglicherweise nur die ausführliche medizinische Fragestellung an die MUS aus der ursprünglichen Untersuchungsanordnung vom 27.02.2020 übersandt bekommen hatte, führt zu keinem formellen Mangel der angegriffenen Ruhestandsversetzung. Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG ist der Beamte oder die Beamtin verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestehen. Formelle Erfordernisse in Vorbereitung auf die Untersuchung stellt die Vorschrift nicht auf. Zwar darf der Dienstherr hierbei dennoch nicht einfach nach der „lapidaren Überlegung“ vorgehen, der Betroffene wisse schon „worum es gehe“. Sowohl in der Untersuchungsanordnung als auch im ärztlichen Untersuchungsauftrag ist aber dem Bestimmtheitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen, wenn hinreichend deutlich gemacht wird, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche Fragen im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung geklärt werden sollen. Aus der Untersuchungsanordnung selbst müssen dementsprechend grundsätzlich Informationen zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung hervorgehen, sodass der Untersuchungsrahmen dem freien Ermessen des (Amts-)Arztes entzogen ist. Dem Beamten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, die Anordnung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber bewusst sein, in welcher Hinsicht Zweifel am Gesundheitszustand des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung erforderlich sind (vgl. zum Ganzen BeckOK BeamtenR Bayern/Buchard, 26. Ed. 01.09.2022, BayBG Art. 65 Rn. 18.2 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 14.03.2019 – 2 VR 5.18; BayVGH, B.v. 07.06.2019 – 3 CE 19.916; B.v. 18.02.2016 – 3 CE 15.2768). Der Klägerin war hier durch die vorangegangenen Schriftwechsel, insbesondere durch die mehrfache Korrespondenz mit der zuständigen Amtsärztin bei der MUS, Dr. …, der bereits einmal erfolgten Untersuchung auf ihre Dienstfähigkeit im Jahr 2019 hin, und schließlich durch die über ihren aktuellen Bevollmächtigten erfolgte Akteneinsicht in die Untersuchungsakte bei der MUS am 27.10.2021 hinreichend bekannt, vor welchem Hintergrund sie sich zur amtsärztlichen Untersuchung einfinden sollte. Die konkret zu stellenden Fragen brauchten ihr danach im Vorfeld nicht bekannt sein. Dem Erfordernis, dass der zu Untersuchende sich im Klaren darüber sein müsse, in welcher Hinsicht Zweifel an seinem körperlichen Zustand oder der Gesundheit bestehen und welche Fragen im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung geklärt werden sollen, wurde hier genüge getan.
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Auch die aufgeworfene Frage, ob die Klägerin überhaupt ein Einladungsschreiben für die Untersuchung bei Dr. … erhalten habe, führt zu keinen Bedenken im Hinblick auf die formelle Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung. Einerseits hatte sich die Klägerin zur richtigen Zeit am richtigen Ort eingefunden, was bereits nach Aktenlage für die Tatsache spricht, dass der Klägerin ein entsprechendes Einladungsschreiben zugegangen war. Zum anderen hat die Klägerseite selbst in der mündlichen Verhandlung das an sie gerichtete Einladungsschreiben des Dr. … im Original vorgelegt.
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Hinsichtlich der telefonischen Anamnese durch Dr. … am 27.01.2021 wendet die Klägerin schließlich ebenso zu Unrecht ein, dass sie nicht im rechtlichen Sinne damit einverstanden gewesen sei, telefonisch untersucht zu werden, weil sie nicht hinreichend belehrt worden sei. Die Klägerin hatte bereits am 15.01.2021 ein entsprechendes Beiblatt zur Untersuchung ausgefüllt und handschriftlich unterschrieben als Vorbereitung auf die Untersuchung durch Dr. … Zudem hatten zwischen ihr und Frau Dr. … im Vorfeld mehrfacher Schriftwechsel und auch Telefonate zur Thematik der Dienstunfähigkeitsuntersuchung stattgefunden (siehe dazu sogleich unter 2.), sodass davon auszugehen ist, dass sich die Klägerin bewusst und dabei ausreichend informiert über Inhalt und Zielsetzung der telefonischen Untersuchung gestellt hat.
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Letztendlich kommt es hierauf aber ohnehin nicht entscheidungserheblich an. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trägt der Beamte das alleinige Risiko der späteren gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung. Hat der Beamte die Untersuchung verweigert, weil er die Anordnung als rechtswidrig angesehen hat, geht es bei der Würdigung aller Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO regelmäßig zu seinen Lasten, wenn das Gericht nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung feststellt. Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte. Die Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung ist nach Erstellung des Gutachtens ohne Bedeutung (BVerwG. U.v. 26.04.2012 – 2 C 17/10 – NVwZ 2012, 1483 ff., 1485, m.w.N., beck-online).
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2. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweist sich die angegriffene Zurruhesetzungsverfügung als rechtmäßig. Der Beklagte ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Klägerin eine dauernde Dienstunfähigkeit i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorliegt.
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a) Nach § 26 Abs. 1 BeamtStG ist ein Beamter in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge einer Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Art. 65 Abs. 1 BayBG bestimmt für diese Frist einen Zeitraum von sechs Monaten. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist, § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Die Dienstunfähigkeit bezieht sich auf die Erfüllung der Dienstpflichten des Amts im abstrakt-funktionellen Sinn, das heißt jenen Aufgabenbereich, der einem bestimmten Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen auf die konkrete Behörde zugeordnet ist (vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand November 2021, § 26 BeamtStG Rn. 14). Dauernd dienstunfähig i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist ein Beamter, wenn sich die Dienstunfähigkeit in absehbarer Zeit nicht beheben lässt (vgl. Baßlsperger a.a.O. § 26 BeamtStG Rn. 23), d. h. wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.08.1963 – VI C 178.61 – BVerwGE 16, 285 ff.). Dauernd dienstunfähig ist der Beamte dabei nicht nur dann, wenn es ihm nicht möglich ist, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, sondern auch dann, wenn es ihm nicht möglich ist, eine bezogen auf sein Amt vollwertige Dienstleistung zu erbringen (vgl. Baßlsperger a.a.O. § 26 BeamtStG Rn. 15). Der Prognosezeitraum beträgt wie bei der in der Regel erleichterten Prognose des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sechs Monate, wobei hinsichtlich des Beginns maßgeblich auf den Zeitpunkt der ärztlichen Stellungnahme abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 05.05.1994 – 3 CS 94.255). Für die Prognose ist weiter zu beachten, dass zunächst ausgehend von den amtsbezogenen Anforderungen ein leistungseinschränkender Sachverhalt festgestellt werden muss, zu dem dann eine Prognosewertung abgegeben werden muss. Zwischen den festgestellten Amtsanforderungen und dem sich nach dem leistungseinschränkenden Sachverhalt ergebenden Prognosebild muss sich eine Diskrepanz ergeben (vgl. Baßlsperger a.a.O., § 26 BeamtStG Rn. 12).
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Bei der Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U.v. 19.03.2015 – 2 C 37.13 – und U.v. 05.06.2014 – 2 C 22.13 – jeweils juris). Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Prüfung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, vorliegend somit bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2022. Die materielle Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung hängt mithin von den Kenntnissen ab, die der zuständigen Behörde zu diesem Zeitpunkt zur Frage der Dienstunfähigkeit zur Verfügung standen (vgl. BVerwG, U.v. 26.03.2009 – 2 C 46/08 – BayVGH, B.v. 12.08.2005 – 2 B 98.1080 – jeweils juris). Zu diesem Zeitpunkt durfte der Beklagte nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln zu Recht annehmen, dass die Klägerin dienstunfähig im Sinne von § 26 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG war.
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Die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand wegen (dauernder oder prognostischer) Dienstunfähigkeit setzt die Feststellung seiner krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen voraus. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkenntnisse, über die nur ein Arzt verfügt. Dabei wird amtsärztlichen Gutachten gegenüber privatärztlichen Gutachten nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ein Vorrang eingeräumt (u.a. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 3 ZB 13.1665 – juris). Dieser Vorrang findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der ggf. bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt von der Aufgabenstellung her seine Beurteilung unbefangen und unabhängig vor. Er steht so Beamten und Dienstherrn gleichermaßen fern.
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Die gutachterliche Stellungnahme soll dem Dienstherrn die Prognoseentscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten dauernd unfähig ist, ob er im Fall der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann und ob er ggf. begrenzt dienstunfähig ist. Zugleich muss das Gutachten dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und der darauf basierenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen, um diese ggf. substantiiert anzugreifen (BayVGH, U.v. 25.01.2013 – 6 B 12.2062 – juris). Wie detailliert eine ärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, kann nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Ärztliche oder amtsärztliche Gutachten stellen allerdings nur eine medizinisch-fachliche Hilfestellung zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit dar, auch wenn ihr Ergebnis faktisch maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Behörde hat. Die letztendliche rechtliche Würdigung und Einschätzung der Dienstfähigkeit muss daher der für die Ruhestandsversetzung zuständigen Behörde vorbehalten bleiben, da nur sie die konkreten Amtsanforderungen mit dem diagnostizierten Gesundheitszustand des Beamten in Relation setzen kann. Den Gesundheitszustand des Beamten muss daher der Arzt feststellen und medizinisch bewerten, die Schlussfolgerungen hieraus für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggfs. des Gerichts. Der Arzt wird lediglich als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.03.2015 – 2 C 37.13 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 05.06.2014 – 2 C 22.13 – sowie B.v. 06.03.2012 – 2 A 5.10 – jeweils juris).
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Ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes (amts-)ärztliches Gutachten darf sich daher nicht darauf beschränken, nur ein Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, das heißt die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde, darstellen als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, seinen dienstlichen Anforderungen weiter zu genügen (vgl. BVerwG, U.v. 19.03.2015 – 2 C 37.13 – unter Verweis auf BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 6.12 – sowie B.v. 13.03.2014 – 2 B 49.12 – jeweils juris).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben ist der Beklagte im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2022 zu Recht von der Dienstunfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Eine hinreichende medizinische Tatsachengrundlage, um eine Entscheidung über die Dienstfähigkeit der Klägerin zu treffen, lag mit dem amtsärztlichen Gutachten der Frau Dr. … von der medizinischen Untersuchungsstelle bei der Regierung von … vom 26.04.2021 für den Beklagten vor. Die begutachtende Amtsärztin führte nach einer am 27.01.2021 durchgeführten telefonischen Untersuchung der Klägerin unter Einbeziehung der von Dr. … erstatteten fachpsychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme zunächst aus, dass die Überprüfung der Dienstfähigkeit der Klägerin aufgrund der aktuellen Pandemiesituation mit dem Einverständnis der Klägerin im Rahmen einer ausführlichen telefonischen Anamneseerhebung am 27.01.2021 erfolgt sei. Man habe zusätzlich den Entlassbrief einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 20.01.2021 und ein Telefonat mit dem damals neu behandelnden Facharzt für Psychiatrie vom 27.01.2021 ausgewertet. Da man eine externe fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung für erforderlich gehalten habe, sei diese mit Einverständnis der Klägerin eingeleitet worden. Die Beantwortung der vom Dienstherrn aufgeworfenen Fragen im Gutachtensauftrag stütze sich daher auf die von Dr. … erstellte fachpsychiatrische gutachterliche Stellungnahme vom 14.04.2021. Aus dieser im Gutachten auszugsweise zitierten Stellungnahme ergibt sich u.a., dass Dr. … mit der Klägerin ein längeres Gespräch im Warteraum zu seinem Büro geführt habe, weil diese sich geweigert habe, ihm zu einer Untersuchung dorthin zu folgen. Unter zusätzlicher Einbeziehung der ihm von der MUS übersandten, umfangreichen Unterlagen erscheine ihm dennoch eine eindeutige fachliche Stellungnahme ohne vernünftigen Zweifel auf Grund der sehr eindeutigen, über mehr als zwei Jahre hinweg beschriebenen Verhaltensweisen der Klägerin durchaus fundiert möglich. Danach liege bei der Klägerin eine ausgeprägte, komplexe Persönlichkeitsstörung vor. Zu dem komplexen Störungsbild gehörten neben querulatorischen Anteilen auch emotional-instabile und impulsive Verhaltensauffälligkeiten. Zu diesem Misstrauen gehöre auch die starke Neigung bei der Klägerin, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder herabsetzend missdeutet würden. Die Neigung, Fakten im eigenen, persönlichen Sinne pathologisch umzudeuten, habe bei der Betroffenen teilweise zu psychosenahem Erleben geführt wie zum Beispiel der Sorge, beobachtet, bespitzelt oder verfolgt zu werden, was typischerweise bei diesen Patienten zum sozialen Rückzug bis hin zur persönlichen Isolation führen könne, wie auch hier beschrieben. Durch die Diskrepanz zwischen einerseits stark überhöhtem Selbstwertgefühl und dem andererseits durch das pathologische Misstrauen eher geschwächten Selbstvertrauen entstehe die geschilderte Angst vor Ärzten bei gleichzeitigem, aber fruchtlosem Aufsuchen immer neuer Ärzte. Es bestehe daher aus fachärztlicher Sicht kein Zweifel daran, dass auch langfristig eine Dienstfähigkeit nicht mehr gegeben sein werde. Vielmehr bestehe die Befürchtung, dass weitere Lebenserfahrungen ebenso umgedeutet und diese das Verhalten eher zunehmend bestimmen würden. Die Prognose dieser Persönlichkeitsstörungen sei insgesamt eher ungünstig, aufgrund des tief sitzenden Misstrauens und der gleichzeitigen Überzeugung des subjektiven Rechthabens würden langfristige psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen scheitern. Gleiches gelte für eine medikamentöse Intervention, wobei hier ohnehin Psychopharmaka nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Da derartig tiefgreifende Persönlichkeitsanteile auch in künftige Lebenssituation mitgenommen würden, sei zu befürchten, dass es auch bei Versetzung an einen anderen Schulort nur eine Frage der Zeit sein werde, bis auch dort subjektive Erfahrungen von ungerechter Behandlung, Zurücksetzung, Kränkung oder absichtlicher Unterforderung entstehen und zu erneutem Leid bei der Klägerin und u.U. erneuten Verhaltensauffälligkeiten führen könnten.
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Dr. … kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate bestehe, zu einem späteren Zeitpunkt sei dies nicht wahrscheinlich. Zwar habe die Klägerin bisher keine kontinuierlichen Behandlungsmaßnahmen wahrgenommen. Auch von solchen sei jedoch die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht zu erwarten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für anderweitige Verwendungsmöglichkeiten oder begrenzte Dienstfähigkeit seien nicht gegeben. Eine Nachuntersuchung sei entbehrlich.
56
In der mündlichen Verhandlung führte sodann die Amtsärztin zur Erläuterung ihres Gutachtens aus, dass sie die Klägerin zunächst über die im Rahmen der Pandemie erforderlich gewordene Vorgehensweise aufgeklärt habe. Dies sei unschädlich gewesen, weil sie die Klägerin bereits aus der Vorbegutachtung persönlich gekannt habe. Die Klägerin habe zudem mündlich ihr Einverständnis zur telefonischen Anamnese erklärt. Durch die persönliche Bekanntschaft sei die Situation am Telefon gleich „mit einem guten Draht“ gewesen und quasi so, als wären sie im selben Raum. Natürlich habe die körperliche Untersuchung nicht stattfinden können, was aber im Hinblick darauf, dass Fragen der psychischen Gesundheit im Raum gestanden hätten, entbehrlich gewesen sei, sodass die telefonische Untersuchung nach ihrer Einschätzung ein adäquates Mittel gewesen sei. Das Einverständnis der Klägerin mit der Zusatzbegutachtung habe sie am 28.01.2021 telefonisch eingeholt. Die Klägerin habe nach ihrer Dokumentation dazu gesagt „Ich stelle mich der Sache gerne.“ Im Rahmen der telefonischen Anamnese am Tag zuvor habe sie der Klägerin bereits angekündigt, dass möglicherweise eine fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung erforderlich werden könne. Zur telefonischen Anamneseerhebung hätten ihr die bis 2019 zurückreichende Akte bei der MUS zur Verfügung gestanden sowie die von der Klägerin eingereichten Unterlagen über ihre Diensttätigkeit, Lebenslauf und Qualifikationen, ärztliche Bescheinigungen, vom Rechtsanwalt übermittelt, sowie der Entlassbrief der Klinik … über den stationären Aufenthalt. Auch die Ausführungen des Herrn … hätten ihr zur Verfügung gestanden und sie habe sie berücksichtigt. Sie zitierte aus dessen ärztlichem Schreiben vom 17.06.2019. Zudem hätten ihr Atteste von Dr. … und Dr. … zur Verfügung gestanden, aufgrund derer sie sie im Jahr 2019 noch für dienstfähig erachtet habe. Das vorab auszufüllende Formular diene insbesondere der Erklärung der Schweigepflichtsentbindung gegenüber den behandelnden Ärzten. Hier habe die Klägerin angegeben, sie leide an Anpassungsstörungen, posttraumatischer Belastungsstörung und depressiver Episode, Erschöpfung, Belastungsstörung und Angst sowie mangelndem Vertrauen in Vorgesetzte und ihre Dienststelle. Die Frage, ob sie sich für dienstfähig halte, habe sie im Formular hingegen nicht beantwortet. Dr. … erläuterte ihr Gutachtensergebnis sowohl hinsichtlich der aktuellen Dienstfähigkeit als auch im Hinblick auf die gestellte negative Prognose für die nächsten sechs Monate auch mündlich noch einmal dahingehend, dass im Zeitpunkt der ersten Untersuchung im August 2019 zunächst eine Untersuchung am Gesundheitsamt beim Landratsamt … am 21.06.2019 stattgefunden habe, aus der sie sodann zitierte. Dem sei der Untersuchungsauftrag wegen des von der Schule vorgetragenen irritierenden Verhaltens der Klägerin im Februar 2019 vorausgegangen. Aus diesen Berichten zitierte sie in der Folge ebenfalls. Sodann gab sie an, die ärztlichen Berichte der von der Klägerin aufgesuchten Ärzte vom 20.02.2019 von Dr. … in …, vom 30.04.2019 von Dr. …, der ähnliche Aussagen getroffen habe, und schließlich die von Herrn … vorgelegte Befundung sowie die hirnorganische Untersuchung, die ergebnislos geblieben sei, einbezogen zu haben. Daraufhin habe die Untersuchung bei ihr, Dr. …, stattgefunden. Da sich die Klägerin dabei nicht nur stabil gezeigt habe, sondern auch noch drei verschiedene ärztliche Gutachten vorgelegt habe, die ihr Dienstfähigkeit bescheinigten, sei sie zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass die Klägerin dienstfähig sei. Allerdings habe sie ihr eine Psychotherapie empfohlen. Die Klägerin habe einer solchen skeptisch gegenüber gestanden, weil sie Angst vor Ärzten habe, habe aber geäußert: „Wenn ich dann arbeiten darf, mache ich es.“ Eine solche Therapie habe in der Folge aber nie stattgefunden.
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Am 22.12.2020 sei der dritte Untersuchungsauftrag von Seiten des Ministeriums erteilt worden. In den Anlagen sei ausgeführt, dass sich die Beschwerden der Schüler häuften, die Klägerin sich von Kollegen isoliere, hysterisch wirke, oft in unangemessenem Ton spreche, zum Teil gereiztes, aggressives Verhalten zeige, bisweilen auch panisches Verhalten. Häufig mache sie Kollegen Vorwürfe, ihr werde etwas verheimlicht und sie werde überwacht. Dr. … zitierte zudem aus dem Entlassbrief der …klinik, insbesondere dahingehend, dass sich die Klägerin auch dort isoliert habe, sie sehr misstrauisch sei und medikamentöse Behandlung ablehne. Darüber hinaus sei darin vermerkt, dass die Klägerin – was sehr unüblich sei – bei Erstellung des Arztbriefes insofern mitgewirkt habe, als er mit ihr gemeinsam habe gegengelesen werden müssen, bevor eine Freigabe durch die Klägerin habe erfolgen können.
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Bei der telefonischen Untersuchung habe die Klägerin dann angegeben, dass es ihr nicht gut gehe, an der Schule merkwürdige Dinge passierten, sie keinen Antrieb mehr habe und keine Korrekturen mehr durchführen könne. Auf konkrete Vorkommnisse angesprochen habe sie alles anders dargestellt, als es sich aus den Akten ergebe. Sie meine, nun keine Anpassungsstörung mehr diagnostizieren zu können, eher eine schwere depressive Episode mit hypomanen Anteilen, evtl. auch psychotischen Inhalten aufgrund der eigenartigen Wahrnehmungen. Auffällig sei der häufige Behandlerwechsel gewesen, der auch dazu geführt haben dürfte, dass sie immer in einer relativ stabilen Phase bereit gewesen sei, einen Therapeuten aufzusuchen, woraus sich erkläre, warum ihr dort mehrfach Dienstfähigkeit attestiert worden sei. Mittlerweile habe sich ein massiver Arbeitsplatzkonflikt an zwei Orten entwickelt. Auch die dann erfolgte Zusatzbegutachtung durch Dr. … sei ihr im Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar erschienen, und auch dieser habe alle der MUS vorliegenden Akten erhalten und studiert. Seine Ausführungen seien für sie plausibel und hätten ihre Vorbefunde und eigene Einschätzung bestätigt, sodass dann die entsprechende, streitgegenständliche Beurteilung erfolgt sei.
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Anschließend führte der von der Regierung beauftragte Zusatzgutachter Dr. … zur Erläuterung seiner gutachterlichen Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, dass die Klägerin bei dem anberaumten Untersuchungstermin nicht mit ihm habe sprechen wollen, weil sie Angst vor Ärzten habe und weil sie zudem angeblich nicht alle Unterlagen bekommen habe, die sie für die Untersuchung benötige. Trotz des Hinweises von Dr. …, dass er die notwendigen Unterlagen vom Dienstherrn erhalten habe und dass er in seinem Büro die notwendige Autorisierung von der MUS liegen habe, die er ihr zeigen könne, habe sie abgelehnt, ihm in sein Büro zu folgen. Er habe die Frage aufgeworfen, wie es ihrer Meinung nach wohl weitergehe, wenn er die Begutachtung nicht abschließen könne, weil er nicht die geforderte Stellungnahme verfassen könne. Sie habe nach längerem Überlegen gemeint, dass sie ja wieder arbeiten könne, bzw. dass sie lieber mit Dr. … sprechen würde. Auf Nachfrage habe sie angegeben, aktuell – also im Zeitpunkt des Gesprächs – keine Medikamente einzunehmen und keine Behandlung durchzuführen. Danach habe sie sich recht schnell verabschiedet. Dabei sei sie im Gespräch grundsätzlich zugewandt gewesen, habe Rede und Antwort gestanden und auch der Hinweis, dass sie aufgeregt sei, wahrscheinlich hohen Blutdruck habe, sei direkt von ihr aus gekommen und nicht erst auf Nachfrage erfolgt. Zu den genannten Diagnosen sei er gekommen, weil er zur Vorbereitung die vorgelegten Akten gründlich studiert und im Anschluss vor Verfassung der gutachterlichen Stellungnahme zusätzlich noch einmal durchgesehen habe. Den zweiten Teil seiner Beurteilungsgrundlage stelle das ca. 15 Minuten dauernde Gespräch dar. Darin habe er das Misstrauen, die Ambivalenz und die Angst gegenüber Ärzten, die in den Unterlagen zur Sprache gekommen seien, bestätigt erhalten. Er habe auch versucht, andere Diagnosen auszuschließen, die von anderen Ärzten ausweislich der Aktenlage teilweise beschrieben worden seien. Auch von den zwar laienhaften Beschreibungen der Berufskollegen der Klägerin, die zwar in den Formulierungen unterschiedlich gewesen, aber sämtlich in dieselbe Richtung gelaufen seien, was das Verhalten und die Auffälligkeiten betroffen habe, habe er die schließlich gestellten Diagnosen ableiten können. Die Äußerungen der Kollegen bzw. Schulleiter habe er dabei nicht unreflektiert übernommen. Darunter nannte Dr. … beispielhaft die Befürchtung der Klägerin, dass sie durch die Dokumentenkamera überwacht werde. Diese und weitere Schilderungen seien nicht etwas, das sich ein Laie in dieser Form ausdenken könne. Die exakte Festlegung der Diagnose sei ihm möglich gewesen, weil er nach dem Ausschlussverfahren zahlreiche Gründe habe herausarbeiten können, die gegen eine ebenfalls im Raum stehende schwere depressive Episode gesprochen hätten. Eine solche vergehe nicht einfach von sich aus ohne medikamentöse Therapie. Die Klägerin habe ja schließlich keine Medikamente eingenommen und eigene Wege für sich gefunden, sowie gegenüber anderen Patienten ein sehr selbstbewusstes, bestimmendes Verhalten gezeigt. Bei einer schweren depressiven Episode sei ein solches Verhalten aber nicht möglich, weil eine solche durch starke Antriebslosigkeit geprägt sei. Ideen, beobachtet oder bewusst gekränkt zu werden, ließen zwar auch an eine Wahnerkrankung, also eine schizophrene Form der Erkrankung denken. Aber der Schweregrad für eine solche Erkrankung in Form von Verfolgungswahn sei nicht gegeben gewesen. Das Problem bei der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sei, dass die Symptome stigmatisierend wirkten, es sei etwas, das man nicht gerne hören wolle. Ein konkreter Vorfall, wie beispielsweise eine Kränkung, könne bei dieser Form der Störung eine Lawine ins Laufen bringen. Die Problematik sei deswegen eine derart langfristige, weil bei der Persönlichkeitsstörung die Anlagen im Wesen und im Charakter einer Person liegen würden. Dieses Überdauernde, einerseits gekränkt zu sein, andererseits das ungewöhnlich vehemente Eintreten für das eigene Recht und die Schwierigkeit, die eigene Vorstellung an der Realität zu kontrollieren, ziehe sich bei der Klägerin nach Aktenlage durch. Auch den bereits schriftsätzlich geäußerten klägerischen Einwand, der Gutachter hätte möglicherweise auch deswegen keine fundierte Tatsachengrundlage zugrunde gelegt, weil er die Äußerungen der Dienstvorgesetzten unreflektiert übernommen habe, konnte Dr. … überzeugend widerlegen. Diesbezüglich äußerte der sachverständige Zeuge, dass in Bezug auf die Vorgesetzten zunächst ganz unterschiedliche Akteure beteiligt gewesen seien und er nicht unterstellt habe, dass diese sich untereinander abgesprochen hätten. Man habe der Klägerin auch eine Brücke geschlagen hin zu einer psychologischen Unterstützungsmaßnahme. Es sei auch anhand der Formulierungen in den Stellungnahmen der Vorgesetzten nicht ersichtlich gewesen, dass es deren Bestreben gewesen sei, der Klägerin in irgendeiner Form zu schaden. Auf Frage des Prozessbevollmächtigten, wie er darauf komme, dass Therapiemaßnahmen, die man einleite, zu keiner Besserung führen würden, führte der sachverständige Zeuge aus, dies liege in der Grunddiagnose der Persönlichkeitsstörung begründet. Derartige Erkrankungen seien insgesamt schwierig zu behandeln und setzten viel Bereitschaft und Motivation voraus, sich behandeln zu lassen, weil es sich dabei um früh verankerte, tief verwurzelte Persönlichkeitszüge handle, die sich nicht einfach medikamentös behandeln ließen. Zudem sei es bei fünf bis sechs Fachärzten zu keinem Erfolg gekommen. Medikamente seien nicht erfolgversprechend, weil die Grunderkrankung nicht medikamentös behandelt werden könne. Es bedürfe einer enormen Motivation, die er bei der Klägerin nicht gesehen habe, sodass es keine Wahrscheinlichkeit gebe, dass bei der Klägerin mittelfristig eine nachhaltige Verbesserung eintreten könne.
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Auf den Vorhalt der Klägerin, dass es einen Widerspruch darstelle, dass sie beruflich die aus dem Lebenslauf hervorgehenden Erfolge zu verzeichnen habe, gleichzeitig aber eine schwere Persönlichkeitsstörung habe, erläuterte Dr. … in für das Gericht nachvollziehbarer Weise, dass es sich bei einer Persönlichkeitsstörung nicht um eine Geisteskrankheit oder eine kognitive Einschränkung handle. Es gebe mehr Aspekte in der menschlichen Psyche als den Verstand, namentlich die Wahrnehmung, das Fühlen, das Streben, das Wollen und das Interagieren mit anderen Menschen. All das habe nichts mit Intelligenz zu tun. Persönlichkeit habe nichts mit Verstand zu tun und das eine schließe das andere nicht aus. Das Unterrichten von Schülern sei in fachlicher Hinsicht dabei sicher kein Problem, aber der zwischenmenschliche Austausch sei schwierig, insbesondere die Herausforderung, den objektiven Maßstab im Auge zu behalten und dauerhaft durchzuhalten. Abschließend führte er zusammenfassend aus, dass es typisch für Persönlichkeitsstörungen sei, dass man diese über lange Zeit unbemerkt in sich trage und es eine Art Anstoß brauche, dass sie zum Ausbruch kämen.
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Aufgrund dieser aus den Akten hervorgehenden ärztlichen Berichte, auf die sich die Gutachter stützten sowie aufgrund ihrer eigenen Erkenntnisse, die nicht nur Eingang in das der streitgegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Gesundheitszeugnis gefunden haben, sondern auch in der mündlichen Verhandlung erneut nachvollziehbar und plausibel dargelegt wurden, steht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts fest, dass der Beklagte zu Recht von einer Dienstunfähigkeit der Klägerin ausgegangen ist. Sämtliche von der Klägerseite aufgeworfenen Einwendungen im Hinblick auf die telefonisch erfolgte Untersuchung bei Dr. … oder die nur oberflächliche Begutachtung durch Dr. … konnten durch die Einvernahmen der sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung vollumfänglich ausgeräumt werden.
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Konkrete Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde der Amtsärztin bzw. des psychiatrischen Gutachters oder an der Stimmigkeit und Nachvollziehbarkeit ihrer Ausführungen geben würden, hat die Klägerseite nicht vorgebracht und sind auch für das Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere mit der Bezugnahme der Klägerin auf die Ausführungen ihres ehemaligen behandelnden Therapeuten … vom 07.06.2019 in ihren Einwendungen gegen die beabsichtigte Ruhestandsversetzung bzw. im klagebegründenden Schriftsatz hat sie die medizinischen Feststellungen der von der Beklagtenseite beauftragten Amtsärztin bzw. des Gutachters nicht substantiiert in Frage gestellt. Dieser anfänglich behandelnde Facharzt für Nervenheilkunde – mit dem sich die Klägerin nach kurzer Zeit ebenfalls überworfen hatte – attestierte dieser für einen früheren, aber hier nicht maßgeblichen Zeitpunkt zwar, dass sich die Klägerin derzeit in der Lage fühle, ihrer Arbeit nachzugehen und er nichts dagegen einzuwenden habe, dass sie ihren Dienst verrichte. Jedoch ist Auftrag eines behandelnden Arztes nicht die Beurteilung der Auswirkungen einer Erkrankung auf die Dienstfähigkeit, sondern lediglich die Behandlung bzw. Heilung einer bestehenden Erkrankung. Insofern ist zu berücksichtigen, dass dem Amtsarzt hinsichtlich der Beurteilung der Dienstunfähigkeit gegenüber anderen Fachärzten besondere Sachkunde zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 08.03.2001 – 1 DB 8/01 – juris Rn. 12; U.v. 05.06.2014 – 2 C 22/13 – BVerwGE 150, 1, juris Rn. 20). Darüber hinaus wurde bereits dargelegt, dass den Ausführungen des behandelnden Arztes aufgrund seiner größeren Nähe und dem bestehenden längerfristigen Vertrauensverhältnis zum Beamten ein deutlich geringerer Beweiswert zukommt als dem neutralen Urteil eines Amtsarztes.
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Auch der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin erhobene Einwand, es habe sich bei der Person, die sie am 31.03.2021 habe untersuchen wollen, nicht um Dr. … gehandelt, ist zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts noch in der mündlichen Verhandlung vollständig entkräftet worden. Nachdem die Klägerin in Abwesenheit des sachverständigen Zeugen dargestellt hatte, wie ihrer Erinnerung nach der ihr zum damaligen Zeitpunkt Gegenübertretende sowie die dortigen Räumlichkeiten ausgesehen haben sollen, befragte das Gericht im Anschluss Dr. … zunächst zu dem Ablauf der Begegnung mit der Klägerin am 31.03.2021. Aus der darauffolgenden plastischen Schilderung des sachverständigen Zeugen, der in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage seines Lichtbildausweises seine Identität unter Beweis stellte, wurde für das Gericht ohne jeden Zweifel deutlich, dass er selbst es gewesen sei muss, der die Klägerin am 31.03.2021 untersuchen wollte.
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c) Auch unter Berücksichtigung der oben dargestellten Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Formalien und den Inhalt gutachterlicher Stellungnahmen bestehen vorliegend trotz des eher knapp gehaltenen amtsärztlichen Gutachtens – was allerdings wiederum dem Verhalten der Klägerin geschuldet ist, die sich einer Untersuchung durch den privaten Zusatzgutachter verweigert hatte – keine durchgreifenden Bedenken, dass der Behörde eine ausreichende medizinische Tatsachengrundlage vorgelegen hat, um eine Entscheidung über die Dienstfähigkeit der Klägerin treffen zu können. Zu berücksichtigen sind insbesondere die bei der Klägerin konkret vorliegenden Erkrankungen und ihre dadurch bedingten Einschränkungen. Denn je schwerwiegender eine Erkrankung und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Beamten sind (die Dienstunfähigkeit gleichsam auf der Hand liegt und für jeden offensichtlich ist), desto weniger ausführlich müssen die Feststellungen des Amtsarztes sein. Wenn letztlich für die Behörde nur eine Entscheidung in Frage kommt, nämlich die der Feststellung der Dienstunfähigkeit, ist keine (bloß aus formalen Gründen) umfangreiche Stellungnahme des Amtsarztes mehr erforderlich.
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Die erkennende Kammer sieht in diesen Fällen immer das Spannungsverhältnis zwischen den Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung an gutachterliche Stellungnahmen einerseits und den Rechten der untersuchten Beamten und die insoweit bestehende ärztliche Schweigepflicht des Amtsarztes andererseits. Deshalb sollen nach Art. 67 Abs. 1 BayBG auch nur die tragenden Feststellungen und Gründe des Gutachtens und nicht das komplette Gutachten an die Behörde bekanntgegeben werden, soweit deren Kenntnis für diese unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Dieses Spannungsverhältnis angemessen aufzulösen, gestaltet sich in der Praxis oftmals schwierig und die Frage, ob eine ausreichende medizinische Tatsachengrundlage für die von der Behörde zu treffende Entscheidung über die Dienst- und Restleistungsfähigkeit eines Beamten noch gegeben ist, kann jeweils nur im konkreten Einzelfall beantwortet werden.
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Vorliegend bestand eine solche hinreichende medizinische Tatsachengrundlage mit den Ausführungen der Amtsärztin, auch ohne dass der Dienstherr bei Erlass der angefochtenen Bescheide die ausführlichere Stellungnahme des Zusatzgutachters hätte kennen müssen. Dabei kommt es bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit nicht allein und ausschlaggebend auf Art und Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2015 – 3 ZB 13.197 – juris Rn. 6). Dies war hier in Anbetracht der gravierenden Schwierigkeiten, die das Verhalten der Klägerin an nicht nur einer Dienststelle und dabei sowohl unter den Kollegen als auch im Verhältnis zu den Schülern verursacht hat, sowie des fehlenden positiven Leistungsbildes der Fall.
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d) Die Beurteilung der Dienstfähigkeit erfordert schließlich eine anhand konkreter tatsächlicher Umstände zu treffende Prognose (vgl. BGH, U.v. 04.03.2015 – RiZ (R) 5/14 – juris Rn. 45), dass der Beamte infolge der Erkrankung zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig sein wird (vgl. BVerwG, U.v. 14.08.1974 – VI C 20/71 – BVerwGE 47, 1, juris Rn. 28).
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Ausgehend von den oben dargestellten amtsärztlichen Feststellungen durfte der Beklagte die nach § 26 Abs. 1 BeamtStG erforderliche negative Prognose im Hinblick auf die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit der Klägerin treffen. Darauf beruhend ist auch die getroffene Rechtsfolgenentscheidung der Versetzung der Klägerin in den Ruhestand rechtlich nicht zu beanstanden. Wie sich aus dem Gutachten vom 26.04.2021 sowie den Ausführungen der begutachtenden Ärzte im Verhandlungstermin ergibt, kam für die Klägerin weder eine anderweitige Verwendung i.S.d. § 26 Abs. 2 BeamtStG noch die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit i.S.d. § 26 Abs. 3 BeamtStG in Betracht. Auch § 27 Abs. 1 BeamtStG, wonach von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann, scheidet im vorliegenden Fall aus, da die Klägerin, wie festgestellt, die erforderliche Leistungsfähigkeit zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten nicht (mehr) besitzt. Unschädlich ist dabei insbesondere, dass die Klägerin zwar u.a. vom 19.11.2020 bis 28.02.2021 durchgehend krankgeschrieben war, dann aber keine weitere Krankschreibung vorgelegt hat, sondern lediglich wegen der zwischenzeitlich erfolgten Suspendierung keinen Dienst mehr getan hat. Wie bereits ausgeführt ist die Feststellung der Dienstunfähigkeit nicht zwingend mit einer Krankschreibung verknüpft. Die in Art. 65 BayBG und § 26 BeamtStG genannten Zeiträume sind dabei lediglich eine Entscheidungshilfe. Vielmehr ist es für die Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit auch ausreichend, wenn es dem Beamten nicht möglich ist, eine bezogen auf sein Amt vollwertige Dienstleistung zu erbringen, auch wenn es ihm möglich war, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen (vgl. Baßlsperger a.a.O. § 26 BeamtStG Rn 15). Für den in diesem Fall ebenfalls maßgeblichen Prognosezeitraum der folgenden sechs Monate kam – wie dargelegt – die Amtsärztin zu der nicht zu beanstandenden Einschätzung, dass innerhalb dieses Zeitraums bei der Klägerin ein ausreichendes Restleistungsvermögen nicht zu erwarten gewesen ist.
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Mithin erweist sich der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 09.02.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2022 als rechtmäßig, sodass die Klage abzuweisen war.
II.
70
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kann auch der Klageantrag zu 2. keinen Erfolg haben. Ist die Klägerin als vollumfänglich dienstunfähig anzusehen, entfällt auch die Suchobliegenheit des Dienstherrn nach einer anderweitigen (amtsangemessenen) Beschäftigung (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG) oder gar einer Wiedereingliederungsmaßnahme. Auf eine Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX kann die Klägerin ohnehin schon deswegen keinen Anspruch haben, weil sie nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift untersteht. § 151 SGB IX erklärt die Vorschriften dieses Teils des SGB IX – Teil 3: Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht) – ausdrücklich nur für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen für anwendbar. Eine solche Anerkennung wurde aber für die Person der Klägerin weder vorgetragen noch ergibt sich ein Hinweis darauf aus den vorgelegten Akten.
III.
71
Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
72
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.