Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 20.02.2024 – B 5 K 22.477
Titel:

Nichtanerkennung der Folgen einer Corona-Schutzimpfung als Dienstunfall

Normenkette:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bei den Räumlichkeiten eines Impfzentrums handelt es sich jedenfalls dann nicht um den Dienstort eines dort geimpften Beamten, wenn der Dienstherr das Impfzentrum für die Dauer der Impfung nicht zum Dienstort bestimmt, zumal wenn gerade keine Impfpflicht besteht, sondern die Schutzimpfung lediglich ermöglicht wurde und auf freiwilliger Basis erfolgte. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird Beschäftigten zwar die Teilnahme an einer Schutzimpfung ermöglicht, jedoch nicht durch eigenes Personal in eigenen Räumlichkeiten des Dienstherrn vorgenommen und nicht mittels eines durch den Dienstherrn bestimmten und finanzierten Impfstoffs, fehlt es an einer formellen Dienstbezogenheit der Impfung. Auch aus der Beteiligung des Dienstherrn im Zuge der Impfstrategie zur Bekämpfung bzw. Eindämmung des Coronavirus kann nichts anderes hergeleitet werden, wenn diese im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für die Allgemeinbevölkerung aufgrund gesetzlicher Regelungen sowie als Akteur im Rahmen der Bekämpfung einer Pandemie, nicht aber in der Eigenschaft als Dienstherr erfolgt. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es mag zutreffen, dass die Impfung gegen COVID-19 möglichst vieler Lehrkräfte auch einem geordneten Schulbetrieb und demzufolge dienstlichen Interessen dient. Die Impfung dient aber insbesondere dem allgemeinen öffentlichen Anliegen, die Verbreitung der Krankheit in der Bevölkerung einzudämmen, was kein spezifisches dienstliches Interesse darstellt. Es fehlt der Impfung daher an einer materiellen Dienstbezogenheit. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Impfung gegen Coronavirus als Dienstunfall, Impfung als dienstliche Veranstaltung (verneint), Dienstort, Dienstunfall, Dienstzeit, Corona-Schutzimpfung, dienstliche Veranstaltung, Dienstbezogenheit, Impfzentrum
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35958

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Impfung gegen das Coronavirus als Dienstunfall.
2
Die am … geborene Klägerin stand am 17.05.2021 als Studienreferendarin am … im Dienst des Beklagten. Sie stellte unter dem 27.09.2021 einen Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls. Den dortigen Angaben zum Unfallereignis ist zu entnehmen, der Unfall sei am 17.05.2021 um 13:00 Uhr geschehen. Es habe sich um eine Impfaktion im Rahmen der Corona-Pandemie gehandelt. Dabei sei eine Impfung im Rahmen einer Sonderimpfaktion für Lehrkräfte erfolgt, um sie vor dem Coronavirus zu schützen. Infolgedessen sei es zu einer Lungenembolie und weiteren Komplikationen gekommen. In Folge des Dienstunfalls habe ab dem 13.09.2021 Dienstunfähigkeit bestanden. Dem Antrag wurde vonseiten der Schulleitung ein Beiblatt beigefügt. Aus diesem geht hervor, dass für das Lehrerkollegium aufgrund eines Angebots des Schulamts … ein gemeinsamer Impftermin organisiert worden sei, um allen impfwilligen Lehrkräften aufgrund deren beruflicher Situation zu einer vorgezogenen Immunisierung zu verhelfen. Die Teilnahme sei daher schulorganisatorisch ermöglicht worden, eine dienstliche Verpflichtung hierzu habe – der Rechtslage in Bayern entsprechend – nicht bestanden. Im Impfzentrum sei die in diesem Fall übliche Aufklärung im Rahmen eines individuellen Impfgesprächs erfolgt. Dem von der Klägerin und vom behandelnden Arzt ausgefüllten weiteren Beiblatt zum Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls ist zu entnehmen, dass vor dem Unfall keine Verletzungen oder Beschwerden an dem verletzten Körperteil bestanden hätten und der Unfall nicht durch einen körperinneren Vorgang oder eine bereits bestehende Verletzung oder Behinderung mitverursacht worden sei. Im Rahmen des Befundberichts des behandelnden Arztes, Dr. …, ist hinsichtlich des 18.05.2021 die Diagnose „Z.n. Lungenembolie nach SARS-CoVid Impfung“ angegeben. Ab dem 14.09.2021 bestehe bis auf weiteres Dienstunfähigkeit. Hinsichtlich des Befunds wurde ein ärztliches Attest vom 14.09.2021 beigefügt, demzufolge sich die Klägerin seit dem 14.09.2021 in der dortigen berufsgenossenschaftlichen, allgemeinmedizinischen und fachärztlich chirurgischen Behandlung befinde. Unter Diagnosen ist angegeben: „subsegmentale Lungenembolie nach SARS-CoVid-2 Impfung am 18.05.2021; Nachweis von Anti Beta 2 Glykoprotein 1 – AK vom IgG Typ“. Laut Attest sei die Klägerin am 18.05.2021 im Rahmen ihres Referendariats gegen den SARS-CoVid-2 Virus geimpft worden. Im Anschluss sei es zu einem fieberhaften Infekt mit Schüttelfrost und Myalgien gekommen. Im weiteren Verlauf habe die Klägerin über Abgeschlagenheit, Müdigkeit und weiterhin Schweißausbrüche und Schwindelattacken geklagt. Am 14.06.2021 sei dann bei weiter anhaltender Symptomatik und zunehmender Atemnot die Durchführung einer D-Dimere-Bestimmung erfolgt, wobei sich eine signifikante Erhöhung gezeigt habe. Es müsse eindeutig, geklärt auch von der Universitätsklinik …, von einer durch die Impfung induzierten Lungenembolie ausgegangen werden. Nachgewiesen worden seien Antikörper vom Anti Beta 2 Glykoprotein 1 – AK vom IgG Typ. Somit müsse in Zusammenhang mit dem VTE-Ereignis von einem Anti-Phospholipidsyndrom ausgegangen werden. Die Anerkennung als Dienstunfall sei damit regelrecht.
3
Mit Bescheid vom 27.10.2021 wurde das Schadensereignis vom 17.05.2021 durch das Landesamt für Finanzen nicht als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) anerkannt. Beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen könnten nicht gewährt werden. Laut dem Antrag der Klägerin sei die Impfung am 17.05.2021 im Rahmen einer Sonderimpfaktion für Lehrkräfte im zuständigen Impfzentrum erfolgt. Nach Angaben des Dienstvorgesetzten sei für alle impfwilligen Lehrkräfte aufgrund eines Angebots des Staatlichen Schulamtes ein gemeinsamer Impftermin organisiert worden. Eine dienstliche Verpflichtung zur Impfung habe demnach nicht vorgelegen. Die Schutzimpfung sei freiwillig. Die Teilnahme an einer freiwilligen Schutzimpfung sei keine Dienstausübung oder Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung und unterliege grundsätzlich nicht dem Dienstunfallschutz, was auch für ggf. auf die Impfung zurückzuführende Schäden gelte. Daher könne das Schadensereignis vom 17.05.2021 nicht als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG anerkannt werden.
4
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit undatiertem Schreiben, das beim Landesamt für Finanzen am 23.11.2021 einging, Widerspruch. Der Bevollmächtigte der Klägerin führte zur Widerspruchsbegründung im Wesentlichen aus, der Impftermin sei für das Lehrerkollegium durch das Schulamt organisiert worden. Entgegen der im Bescheid vertretenen Auffassung handle es sich um eine dienstliche Veranstaltung im Sinne von Art. 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBeamtVG. Die Schutzimpfung habe in der Verantwortung des Dienstherrn gelegen, da diese durch das Schulamt … organisiert und die Teilnahme während der Dienstzeiten ermöglicht worden sei. Hierbei habe auch ein Interesse des Dienstherrn an der Teilnahme der Lehrkräfte am Impfangebot bestanden, um den Lehrkräften eine vorgezogene Immunisierung zu ermöglichen. Insoweit stehe nach der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 29.08.2013 – 2 C 1/12) der Annahme einer dienstlichen Veranstaltung auch nicht entgegen, dass die Teilnahme an der Impfung freigestellt gewesen sei.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2022, der dem Bevollmächtigten der Klägerin am 07.04.2022 zugestellt wurde, wies das Landesamt für Finanzen den Widerspruch zurück. Ein Unfall sei nur dann in Ausübung des Dienstes eingetreten, wenn zwischen dem Dienst und dem Unfallereignis ein Kausalzusammenhang bestehe. Dies bedeute, dass der Unfall außerhalb der privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre in dem Gefahrenbereich eingetreten sein müsse, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig gewesen sei. Durch eine dem privaten Lebensbereich zuzuordnende Verrichtung sei der Zusammenhang mit dem Dienst unterbrochen, wenn die private Betätigung des Beamten mit der pflichtgemäßen Dienstausübung schlechthin nicht in Zusammenhang gebracht werden könne. Es müssten also neben der subjektiven Vorstellung des Beamten, in Ausübung des Dienstes zu handeln, noch besondere objektive Umstände festgestellt werden, die den Entschluss rechtfertigten, dass die fragliche Tätigkeit nicht der Privatsphäre, sondern dem dienstlichen Aufgabenbereich zuzuordnen sei. Die Tätigkeit, während derer das Unfallereignis eintrete, müsse durch die Erfordernisse des Dienstes, den der Beamte üblicherweise zu leisten habe, maßgebend geprägt sein. Nach Art. 46 Abs. 1 Nr. 2 BayBeamtVG sei die Teilnahme an einer Veranstaltung dienstunfallgeschützt, wenn dabei die Kriterien einer materiellen Dienstbezogenheit (entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre und im engen Zusammenhang mit den Dienstaufgaben z.B. zur Pflege des Betriebsklimas der Dienststelle oder einer organisatorischen Einheit) und formellen Dienstbezogenheit (vom Dienstvorgesetzten veranlasst und organisiert) gegeben seien. Im vorliegenden Fall sei der Impftermin nicht wie im Ausgangsfall zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.08.2013 in einem Dienstgebäude des Dienstherrn und somit in dessen Einflussbereich von ihm organisiert und durchgeführt, sondern es seien lediglich im Rahmen der vom Gesundheitsamt … durchgeführten Veranstaltung Termine gebucht worden. Somit liege die formelle Dienstbezogenheit nicht vor. Zudem sei das persönliche, private Interesse der Klägerin an einer Impfung während der Corona-Pandemie zu berücksichtigen, die gegen eine entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre und somit gegen eine materielle Dienstbezogenheit spreche.
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Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom Montag, den 09.05.2022 – bei Gericht eingegangen am selben Tag – Klage erheben. In Ergänzung zum Vorbringen im Widerspruchsverfahren wurde klagebegründend ausgeführt, dass auch in dem Sachverhalt, welcher der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liege, die Impfung nicht am Dienstort stattgefunden habe. Vielmehr sei die Impfung als eine dienstliche Veranstaltung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Beamtenversorgungsgesetz eingeordnet worden. Voraussetzung für die Anerkennung als dienstliche Veranstaltung sei nicht, dass die Veranstaltung im Einflussbereich des Dienstherrn von diesem organisiert und durchgeführt werde.
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Die Klägerin beantragt,
1. Der Bescheid vom 27.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2022 wird aufgehoben und das Schadensereignis vom 17.05.2021 als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG anerkannt.
Hilfsweise unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2022 den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden über die Anerkennung des Schadensereignisses vom 17.05.2021 als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG.
2. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er bringt vor, die Arbeitszeit der Klägerin habe am 17.05.2021 um 12:55 Uhr geendet, der Impftermin habe um 13:00 Uhr stattgefunden. Die Aufklärung und Impfung der Klägerin sei durch die am fraglichen Tag im kommunalen Impfzentrum tätigen Ärzte erfolgt. Der Impfstoff, mit dem die Klägerin geimpft worden sei, sei im Rahmen der nationalen Impfkampagne über das Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt worden. Der Impfstoff und die gesamte Impfmaßnahme seien vom Bund finanziert worden. Zu etwaigen Werbemaßnahmen der Schulleitung für den Impftermin, beispielsweise durch Aushänge, sei nichts vorgetragen worden. Ein Anspruch gem. Art. 46 BayBeamtVG setze einen Körperschaden voraus. In dem von der Klägerin vorgelegten Attest werde das Vorliegen einer subsegmentalen Lungenembolie unter Berufung auf Befunde der Universitätsklinik … diagnostiziert, die ihrerseits jedoch nicht vorgelegt worden seien. Die Bezügestelle Dienstunfall habe die Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2022 um Übersendung einer vollständigen Schweigepflichtsentbindung und weiterer Befundberichte gebeten, die bislang nicht eingereicht worden seien. Herr Dr. … gebe in seinem Attest vom 14.09.2021 an, dass sich die Klägerin erst seit jenem Tag in seiner Behandlung befinde. Die Feststellung, dass es im Anschluss an die Impfung vom Mai 2021 bei der Klägerin zu einem fieberhaften Infekt mit Schüttelfrost und Myalgien gekommen sei, beruhe daher auf Berichten der Klägerin und eventuell Fremdbefunden. Die D-Dimere-Bestimmung vom 14.06.2021 und der Nachweis der Antikörper seien ebenfalls nicht von Dr. … erbracht worden. Daher sei das Attest für den Nachweis eines Körperschadens nicht ausreichend. Darüber hinaus sei die Impfung der Klägerin nicht im Rahmen einer dienstlichen Veranstaltung gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBeamtVG erfolgt, da es an der formellen und materiellen Dienstbezogenheit der Impfung fehle, was bereits im Widerspruchsbescheid dargestellt worden sei. Insbesondere unterschieden sich die Umstände der Coronaschutzimpfung der Klägerin in wesentlichen Punkten von den Umständen der Grippeschutzimpfung, die Gegenstand des zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gewesen seien: Die Coronaschutzimpfung der Klägerin sei nicht während der Dienstzeit erfolgt, da die Dienstzeit am 17.05.2021 um 12:55 Uhr geendet habe und die Impfung um 13:00 Uhr erfolgt sei. Die Aufklärung der Klägerin über die Impfrisiken sei nicht durch vom Dienstherrn gestelltes Personal, sondern durch im kommunalen Impfzentrum tätige Ärzte erfolgt. Der Corona-Impfstoff sei im Gegensatz zum Impfstoff der Grippeschutzimpfung nicht vom Dienstherrn ausgewählt, sondern im Rahmen der nationalen Impfkampagne über das Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt worden. Die Kosten für die Impfmaßnahme und den Impfstoff seien, anders als bei der Grippeschutzimpfung, nicht vom Dienstherrn übernommen worden. Vielmehr sei eine Finanzierung im Rahmen der nationalen Impfkampagne vom Bund erfolgt. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie, vergleichbar dem Kläger im zitierten Verfahren, durch besondere Werbemaßnahmen des Dienstherrn zur Impfung motiviert worden sei. Auch sei die Coronaschutzimpfung der Klägerin anders als bei der Grippeschutzimpfung nicht in vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten, sondern in einem kommunalen Impfzentrum erfolgt.
10
Mit Schriftsatz vom 29.12.2022 legte der Beklagte medizinische Unterlagen des Universitätsklinikums … betreffend die Klägerin vor, auf die Bezug genommen wird (Bl. 51 bis 70 d. GA). In Bezug auf diese wird ausgeführt, es hätten weder die von der Klägerin vorgetragenen, unmittelbar nach der zweiten Impfung aufgetretenen Körperschäden noch die Kausalität der zweiten Impfung für die festgestellte subsegmentale Lungenembolie belegt werden können. Auch aus diesem Grund stehe der Klägerin kein Anspruch auf Anerkennung der durchgeführten Impfung als Dienstunfall zu.
11
Mit Schriftsatz vom 10.01.2023 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass die Klägerin mit Ablauf ihres Referendariats zum 31.12.2022 nicht mehr Beamtin im Dienste des Beklagten sei. Ferner wurde vorgebracht, wie sich der Stellungnahme der Schulleitung des … vom 27.09.2021 entnehmen lasse, sei Zielsetzung gewesen, allen impfwilligen Lehrkräften aufgrund ihrer beruflichen Situation zu einer vorgezogenen Immunisierung zu verhelfen, womit die Impfung sehr wohl im Interesse des Dienstherrn gelegen habe. Eine Untersuchung zur Kausalität habe im Verwaltungsverfahren bislang nicht stattgefunden. Die Klägerin könne insoweit nur auf das ärztliche Attest des Herrn Dr. … vom 14.09.2021 verweisen. Es werde klägerseits angeregt, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Beantwortung folgender Fragen einzuholen:
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a) Welcher Körperschaden liegt bei der Klägerin seit dem Ereignis vom 17.05.2021 vor?
13
b) Liegt bei der Klägerin zusätzlich seit dem Unfallereignis vom 17.05.2021 ein weiterer Körperschaden vor, insbesondere wurde der unter Buchstabe a) festgestellte Körperschaden durch das Ereignis vom 17.05.2021 verstärkt? Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2024 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
15
Die zulässige Klage bleibt im Hauptsowie im Hilfsantrag ohne Erfolg.
16
Der Bescheid vom 27.10.2021 sowie der Widerspruchsbescheid vom 01.04.2022 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin somit nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da die Klägerin keinen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 17.05.2021 als Dienstunfall hat (1.). Ferner kann die Klägerin nicht beanspruchen, die Beklagte zur erneuten Entscheidung über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten (2.).
17
1. Die Klägerin hat keinen – hier mit dem Hauptantrag verfolgten – Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 17.05.2021 als Dienstunfall i.S.v. Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBamtVG. Insoweit nimmt das Gericht zunächst auf die zutreffende Begründung des angegriffenen Bescheids sowie des Widerspruchsbescheids Bezug und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend hierzu ist zum Vorbringen der Beteiligten sowie zur Sache noch das Folgende auszuführen:
18
Die Klägerin mag als – im maßgeblichen Zeitpunkt des geltend gemachten Unfalls (vgl. Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: März 2024, Art. 45 BayBeamtVG Rn. 13 f.) – Beamtin auf Widerruf (vgl. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Leistungslaufbahngesetz – LlbG) zwar grundsätzlich zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen zählen. Jedoch handelt es sich bei der in Rede stehenden Impfung der Klägerin nicht um einen Dienstunfall i.S.v. Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG. Hiernach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Der bei der Klägerin eingetretene Körperschaden ist indes nicht in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten (a.). Insbesondere handelte es sich bei der Impfung nicht um eine „dienstliche Veranstaltung“ i.S.v. Art. 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBeamtVG (b.).
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a. Das gesetzliche Merkmal „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ verlangt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst. Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeregelung. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird. Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Dienstort im dienstunfallrechtlichen Sinne ist derjenige Ort, an dem der Beamte die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben zu erledigen hat. Sind dem Beamten für gewisse Zeit Aufgaben zugewiesen, die er nicht an seinem üblichen Dienstort, insbesondere nicht an seinem Arbeitsplatz in einem Dienstgebäude, sondern an einem anderen Ort wahrnehmen muss, so wird dieser Ort für die Dauer der Aufgabenerledigung vorübergehend Dienstort. Mit dem Merkmal „infolge des Dienstes“ werden die Fälle erfasst, in denen die den Dienstunfall kennzeichnende Kausalkette zwischen dem den Schaden auslösenden Ereignis und dem Eintritt des Körperschadens zwar während der Erfüllung der Dienstobliegenheiten durch den Beamten begonnen, aber erst nach deren Abschluss ihr Ende gefunden hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 29.08.2013 – 2 C 1/12 – juris Rn. 10 ff. m.w.N. zur gleichlautenden bundesrechtlichen Norm des § 31 BeamtVG).
20
In der vorliegenden Fallkonstellation scheidet eine Zuordnung der Impfung zur Risikosphäre des Dienstherrn nach den Kriterien Dienstzeit und Dienstort aus. Denn unabhängig von der Frage, ob die Impfung um 13:00 Uhr angesichts der Arbeitszeit am Unfalltag bis 12:55 Uhr (vgl. S. 2 des Antrags auf Anerkennung eines Dienstunfalls, Bl. 3 der Behördenakte) außerhalb der Dienstzeit erfolgt ist, handelt es sich beim Impfzentrum, in dem die Impfung der Klägerin erfolgt ist, jedenfalls nicht um deren Dienstort. Sie hatte ihre dienstlichen Pflichten ersichtlich nicht in den Räumlichkeiten des Impfzentrums zu erfüllen. Der Dienstherr hatte das Impfzentrum für die Dauer der Impfung nicht zum Dienstort der Klägerin bestimmt, zumal gerade keine Impfpflicht bestand, sondern die Schutzimpfung lediglich ermöglicht wurde und auf freiwilliger Basis erfolgte.
21
b. Bei der erfolgten Impfung handelte es sich auch nicht um die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung, welche nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBeamtVG ebenfalls zum Dienst zählt.
22
Mit der ausdrücklichen Aufführung der dienstlichen Veranstaltung hat der Gesetzgeber den gesetzlichen Dienstunfallbegriff nicht erweitert. Es sollte lediglich klargestellt werden, dass neben dem eigentlichen Dienst auch dienstliche Veranstaltungen zum Dienst gehören (vgl. BVerwG, U.v. 29.08.2013 – 2 C 1/12 – juris Rn. 16 m.w.N, in Bezug auf § 31 BeamtVG).
23
Eine Gemeinschaftsveranstaltung wie etwa ein Betriebsausflug, ein Sommerfest oder eine Weihnachtsfeier der Dienststelle, der der Beamte angehört, kann eine dienstliche Veranstaltung i.S.d. Dienstunfallrechts darstellen, wenn sie materiell und formell dienstbezogen ist. Die Veranstaltung muss im Zusammenhang mit dem Dienst, d.h. den eigentlichen Dienstaufgaben, stehen sowie dienstlichen Interessen dienen (sog. materielle Dienstbezogenheit) und vom Dienstherrn mit in die dienstliche Sphäre einbezogen sowie – unmittelbar oder mittelbar – von der Autorität eines Dienstvorgesetzten getragen sein (sog. formelle Dienstbezogenheit); das erfordert nicht, dass die Veranstaltung vom Dienstvorgesetzten selbst durchgeführt wird, er kann damit auch andere Personen betrauen. Eine derartige Veranstaltung dient der Pflege der Gemeinschaft sowie der Förderung der Zusammengehörigkeit der bei der Behörde tätigen Bediensteten untereinander. Dem Dienstunfallschutz im Rahmen von Gemeinschaftsveranstaltungen unterfallen sämtliche Verrichtungen, die mit dem Zweck der Veranstaltung vereinbar sind und bei denen der erforderliche Zusammenhang mit dem Dienst gewahrt ist (vgl. BayVGH, B.v. 03.03.2017 – 3 ZB 14.1976 – juris Rn. 4 m.w.N.; Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: März 2024, § 31 BeamtVG Rn. 124 ff.).
24
Legt man dies zugrunde, kann im Hinblick auf die inmitten stehende Impfung der Klägerin von einer dienstlichen Veranstaltung im vorstehenden Sinne nicht ausgegangen werden. Wie der Beklagte zu Recht annimmt, ist insoweit weder die formelle noch die materielle Dienstbezogenheit gegeben.
25
aa. Schon von einer formellen Dienstbezogenheit im Sinne eines Getragenseins der Veranstaltung von der Autorität des Dienstherrn und einer Einbeziehung in den weisungsgebundenen Dienstbereich kann hier keine Rede sein. In der klägerseits zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.08.2013 – 2 C 1/12) hat dieses in Bezug auf die dortige freiwillige Grippeschutzimpfung dem Umstand besonderes Gewicht beigemessen (vgl. juris Rn. 18: „Vor allem aber […]“), dass in jenem Fall der Beklagte den Impfstoff bestimmte, das Personal und die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte und sämtliche Kosten der Impfung übernahm. Im hiesigen Fall hingegen wurde den Beschäftigten zwar die Teilnahme an der Schutzimpfung ermöglicht, jedoch erfolgte diese gerade nicht durch eigenes Personal – wie beispielsweise im Bereich der Polizei durch den polizeiärztlichen Dienst –, nicht in den Räumlichkeiten des Beklagten, nicht mit einem beklagtenseits bestimmten und finanzierten Impfstoff und auch sonst entzog sich der weitere Ablauf der Impfung einer Einflussmöglichkeit des Beklagten.
26
Auch aus der Beteiligung des beklagten Freistaats Bayern im Zuge der Impfstrategie zur Bekämpfung bzw. Eindämmung des Coronavirus kann die Klägerin in diesem Zusammenhang nichts für sich Günstiges herleiten. Denn ungeachtet deren konkreter Ausgestaltung erfolgte diese im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für die Allgemeinbevölkerung aufgrund gesetzlicher Regelungen sowie als Akteur im Rahmen der Bekämpfung einer Pandemie, nicht aber in der Eigenschaft des Beklagten als (seinerzeitiger) Dienstherr der Klägerin (vgl. VG Freiburg, U.v. 02.05.2023 – 3 K 3268/21 – juris Rn. 27; VG Hannover, U.v. 24.11.2022 – 2 A 460/22 – juris Rn. 33)
27
Die Kammer tritt schließlich dem Standpunkt der Beklagtenpartei bei, dass der Umstand, dass es für die Klägerin einen gesonderten Impftermin gab (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolls), als zusätzlicher Gesichtspunkt gegen das Vorliegen einer dienstlichen Veranstaltung spricht.
28
bb. Darüber hinaus – und selbstständig tragend – ist auch die materielle Dienstbezogenheit zu verneinen, da die Teilnahme an der Impfung nicht ihre entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre erhielt und auch nicht im engen natürlichen Zusammenhang mit den Dienstaufgaben der Klägerin stand. Es mag zutreffen, dass die Impfung möglichst vieler Lehrkräfte auch einem geordneten Schulbetrieb und demzufolge dienstlichen Interessen dient. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend. Vielmehr wäre für die Zuordnung zur dienstlichen Sphäre entscheidend, dass die Veranstaltung ausschlaggebend einem entsprechenden dienstlichen Zweck dient (vgl. Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: März 2024, § 31 BeamtVG Rn. 124 a.E.). Demgegenüber diente die Impfung gegen COVID-19 auch und insbesondere dem allgemeinen öffentlichen Anliegen, die Verbreitung der Krankheit in der Bevölkerung einzudämmen, was kein spezifisches dienstliches Interesse darstellt (vgl. VG Freiburg, U.v. 02.05.2023 – 3 K 3268/21 – juris Rn. 29; VG Hannover, U.v. 24.11.2022 – 2 A 460/22 – juris Rn. 34).
29
c. Da die Impfung somit nicht dem dienstlichen Bereich zuzuordnen ist, scheidet die Anerkennung des Schadensereignisses als Dienstunfall aus. Ob – was zumindest offen erscheint – darüber hinaus der Gesundheitsschaden der Klägerin kausal auf der Impfung basiert, kann demzufolge dahinstehen. In der Konsequenz war den diesbezüglichen Beweisanregungen der Klägerseite mangels Entscheidungserheblichkeit auch nicht nachzugehen.
30
2. Auch im Hilfsantrag hat die Klage keinen Erfolg. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, inwieweit hier eine von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO für ein Bescheidungsurteil vorausgesetzte fehlende Spruchreife gegeben sein sollte (zu den Fallgruppen vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 113 Rn. 45 ff.). Insbesondere steht die Anerkennung eines Dienstunfalls nicht im Ermessen des Beklagten.
II.
31
Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Folglich besteht kein Anlass zu einer Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 25).
III.
32
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. § 711 ZPO findet keine entsprechende Anwendung.