Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 29.02.2024 – B 4 K 21.412
Titel:

Ausschlussfrist für Erschließungsbeitrag – Planabweichung

Normenketten:
KAG Art. 5a Abs. 7 S. 2
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 125
Leitsätze:
1. Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG ist auch in Fällen anwendbar, in denen der Beitragsbescheid zwar bereits vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erlassen, die Beitragspflicht tatsächlich (und rechtlich) jedoch erst danach entstanden und damit die im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides bestehende Rechtswidrigkeit des Bescheides geheilt wurde. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplanes vorliegt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Frist des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG kann nicht zu laufen beginnen, solange eine Straße keine Erschließungsfunktion aufweist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Planabweichung (§ 125 BauGB), Heilung des Beitragsbescheides ex nunc, Anwendbarkeit des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, Erschließungsbeitragsbescheid, Planabweichung, Herstellung der Erschließungsanlage, Ausschlussfrist, 25-Jahres-Frist
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35951

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2021 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … (Grundstücksfläche 4.926 m²), das an der … Straße in … liegt. Das Grundstück ist teilweise von einem auf der Fl.-Nr. …, Gemarkung …, befindlichen Gebäude überbaut. Auf den Fl.-Nrn. … und …, beide Gemarkung …, befinden sich ein Hotel und ein Gasthof. Die Klägerin ist auch Eigentümerin der Grundstücke Fl.-Nr. … und …, jeweils Gemarkung … Die … Straße zweigt im Osten von der Bundesstraße B … ab, verläuft zunächst in einer Kurve in nordwestlicher Richtung und endet an der Abzweigung …berg, … Die … Straße war zunächst Staatsstraße und wurde durch Umstufungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern (Straßenbauverwaltung) und der Beklagten vom 6./11. Dezember 1969 der Beklagten überlassen. Sie wurde durch Entschließung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 18. Februar 1970 (Nr. …), die am 1. April 1970 in Kraft trat, teils zur Ortsstraße, teils zur Gemeindeverbindungsstraße abgestuft. Für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, wurde am 12. Dezember 1967 eine Baugenehmigung für einen Hotelneubau erteilt, für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, wurde am 30. Januar 1980 eine Baugenehmigung für den Neubau eines Ärztehauses erteilt. Für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, wurde am 19. September 1994 eine Baugenehmigung für den Bau der …kirche … mit Begegnungsstätte und Hausmeisterwohnung erteilt. Der erste Spatenstich für die Errichtung der …kirche erfolgte am 14. Juni 1995, am 28. Juni 1998 wurde die Kirche geweiht (https:/ …, zuletzt aufgerufen am 28. Februar 2024). Auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, wurde mit Baugenehmigung vom 18. November 1994 die Errichtung des Gebäudes der … (heute …) genehmigt. In der Fertigstellungsanzeige vom 18. Oktober 1995 ist der 31. August 1995 als Datum der Fertigstellung angegeben. Die Beklagte stellte für das betreffende Gebiet einen qualifizierten Bebauungsplan „…“ auf, der am 13. September 2000 in Kraft trat. Das klägerische Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplanes. Die … Straße liegt ab der Kreuzung … Straße/ … bis zur Einmündung in die B … im Geltungsbereich des Bebauungsplanes. Im Vorentwurf des Bebauungsplanes (Stand: 21. März 2000) war der Gehweg ausschließlich auf der nordwestlichen bzw. nordöstlichen Seite der … Straße eingezeichnet. Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange schlug der Landkreis … mit Schreiben vom 30. Mai 2000 vor, den Gehweg entlang der Staatsstraße … zur gefahrloseren Anbindung der … (Fl.-Nr. …, Gemarkung …) ab der Zufahrt zum Parkplatz-Kirche auf die östliche Straßenseite zu verlegen. Der Gemeinderat der Beklagten stimmte in der Sitzung vom 6. Juni 2000 dieser vorgeschlagenen Verlegung des geplanten Gehweges zu. Der Bebauungsplan in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 19. Mai 2015 sieht in der … Straße einen Gehweg vor, der teilweise an der nordwestlichen, ab der Einmündung der St.-Gallus Straße an der südöstlichen Straßenseite (an der Grenze zum Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …) verläuft. Im Planteil B „Textliche Festsetzungen“ des Bebauungsplanes unter A. Festsetzungen durch Zeichen werden unter Ziffer 5 Verkehrsflächen in Ziffer 5.3 auch die Gehwege genannt, auf § 9 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 6 des Baugesetzbuches (BauGB) wird verwiesen. Aufgrund einer Begutachtung des Ausbauzustandes der … Straße durch das Straßenbauamt … am 13. Oktober 2003 führte dieses mit Schreiben vom 15. Oktober 2003 aus, die Fahrbahnbreite schwanke von 5,50 m bis 6 m. Die Fahrbahnoberfläche sei in weiten Bereichen augenscheinlich in einem guten Zustand. Entwässerungseinrichtungen seien nicht durchgängig vorhanden. Eine fußläufige Verbindung zwischen der Ortsdurchfahrt … (Bushaltestellen) und dem Gasthaus …, …kirche etc. sowie eine Straßenbeleuchtung seien nicht vorhanden. Der Gemeinderat der Beklagten beschloss am 24. Januar 2006, bei der Erschließungsanlage … Straße im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „…“ die Kostenspaltung bezüglich der Straßenbeleuchtung. Im Januar 2006 wurden Kosten der Straßenbeleuchtung mit Erschließungsbeitragsbescheiden für die Teileinrichtung „Straßenbeleuchtung“ auf die Anlieger umgelegt. In der Sitzung des Bauausschusses der Beklagten am 15. Januar 2020 stellte das beauftragte Ingenieurbüro die Bauentwurfsunterlagen für den Bau des Gehweges in der … Straße vor. Der einseitige Gehweg war mit einer Breite von 1,85 m ausschließlich auf der nördlichen Seite der … Straße vorgesehen. Der Bauausschuss der Beklagten nahm die vorgelegte Detailplanung zustimmend zur Kenntnis. Entsprechend dieser Planung wurde im Jahr 2020 an der Nordseite der … Straße, u.a. an der Grundstücksgrenze Fl.-Nr. …, Gemarkung …, ein 1,85 m breiter einseitiger Gehweg sowie eine funktionstüchtige Entwässerungseinrichtung gebaut. Die letzte Unternehmerrechnung datiert vom 22. März 2021, bei der Beklagten eingegangen am 23. März 2021. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 16. März 2021 mit, die … Straße sei nun im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellt, der beitragsfähige Aufwand sowie die Berechnung der persönlichen Beitragsschuld wurden erläutert.
3
Die Beklagte erhob mit Bescheid vom 26. März 2021 für das Grundstück bzw. die Miteigentumsanteile am Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … für die erstmalige endgültige Herstellung der Teileinrichtungen Gehweg und Straßenentwässerung in der … Straße zwischen … Straße/ … und der B … einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 13.411,81 EUR. Der zu zahlende Betrag war einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides zur Zahlung fällig. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bauarbeiten zur erstmaligen endgültigen Herstellung der … Straße zwischen … Straße/ … und der B … seien im Jahr 2020 abgeschlossen worden. Die Straße verfüge nun über einen Gehweg und eine funktionstüchtige Straßenentwässerung. Die Fahrbahn und die Straßenbeleuchtung seien bereits vorher endgültig hergestellt gewesen und nicht mehr abgerechnet worden. Der umlagefähige Aufwand betrage abzüglich des Anteils der Gemeinde 237.317,34 EUR. Bei einer Summe der Nutzungsflächen im Abrechnungsgebiet von 139.462,81 m² ergebe sich ein Betrag je m² Nutzungsfläche von 1,701653 EUR/m². Bei einer Grundstücksfläche von 4.926 m² und einem Nutzungsfaktor von 2,4 ergebe sich abzüglich eines Billigkeitserlasses von 1/3 für das klägerische Grundstück eine Beitragsschuld i.H.v. 13.411,81 EUR.
4
Die Klägerin ließ mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. April 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, Klage erheben und beantragen,
Der als Anlage K1 vorgelegte Bescheid der Beklagten vom 26.03.2021 (ohne Az; betreffend das Grundstück …) wird aufgehoben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der im Internet auf der Webseite der Beklagten abrufbare Bebauungsplan „…“ sehe südlich des Grundstücks der …kirche (Fl.-Nr. …, Gemarkung …) eine öffentliche Grünfläche vor. Ein Gehweg in diesem Bereich sei nach dem Bebauungsplan nicht vorgesehen. Nördlich des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung …, sei die Herstellung eines Gehweges vorgesehen. Bei den im Jahr 2020 abgeschlossenen Bauarbeiten zur behaupteten endgültigen Herstellung der … Straße sei entsprechend dem Ausbauplan der nördlich des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung …, vorgesehene Gehweg tatsächlich nicht errichtet worden. Vielmehr seien ein im Bebauungsplan südlich des Grundstücks der …kirche mit der Fl.-Nr. …, Gemarkung …, nicht vorgesehener Gehweg und eine Parkbucht erbaut worden. Die im Bebauungsplan dort vorgesehene öffentliche Grünfläche sei durch den jetzt dort erstellten Gehweg ersetzt worden. Das nach dem Ausbauprogramm des Bebauungsplanes vorgesehene Bauprogramm sei nicht umgesetzt worden. Die tatsächliche Herstellung weiche von der Grundkonzeption des Bauprogramms des Bebauungsplanes wesentlich ab. Erschließungsbeitragspflichten hätten dem Grunde nach nicht entstehen können. Der Ausbau des Gehweges, die Herstellung der Parkbucht und der fehlende Ausbau der öffentlichen Grünflächen widersprächen den Festsetzungen des gültigen Bebauungsplanes, diese Abweichungen seien nicht gemäß § 125 Abs. 3 BauGB unbeachtlich. Der Ausbau sei teils planüberschreitend und teils planunterschreitend erfolgt. Der planüberschreitende Ausbau des Gehweges auf der südlichen Seite des Kirchengrundstücks habe im Vergleich zu der im Bebauungsplan vorgesehenen öffentlichen Grünfläche denknotwendig Mehrkosten verursacht, da die Herstellung eines Gehweges höhere Kosten als die Herstellung einer öffentlichen Grünfläche erfordere. Die Erschließungsbeitragspflichtigen würden daher mehr als bei einer plangerechten Herstellung belastet (§ 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB). Diese Mehrbelastung werde nicht dadurch kompensiert, dass durch den planunterschreitenden Ausbau auf der gegenüberliegenden Straßenseite Kostenersparnisse erzielt worden seien. Der Verzicht auf die Herstellung eines im Bebauungsplan festgesetzten Gehweges berühre in der Regel schon für sich betrachtet die Grundzüge der Planung. Nach der planerischen Konzeption des Bebauungsplanes habe ein damals bereits geplanter herzustellender Geh- und Radweg entlang der Bundesstraße B … auf den entlang des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung …, geplanten Gehweg einmünden sollen, damit der in das Baugebiet fließende Fußgänger- und Radverkehr, ohne die … Straße im Kreuzungsbereich queren zu müssen, verkehrssicher gelenkt werde. Planerisch sei damit das Unfallpotenzial, dass bei der Querung von Fußgängerverkehr im Kreuzungsbereich zwischen einer viel befahrenen Ortsstraße und einer Bundesstraße besonders hoch sei, reduziert worden. Umgekehrt habe der Kraftverkehr im Kreuzungsbereich unbeeinflusst von den Behinderungen der auf einer ungeteilten Fahrbahn sich bewegenden Fußgänger ablaufen sollen. Eine solche Verkehrskonzeption, insbesondere in einem Kreuzungsbereich einer stark befahrenen Ortsstraße mit einer Bundesstraße von erheblicher Bedeutung, stelle einen Grundzug der Planung dar. Die Beklagte habe dieses Gefährdungspotenzial nunmehr durch den Verzicht des im Bebauungsplan vorgesehenen Gehweges auf der Grundstückseite des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung …, begründet, was ebenfalls eine erhebliche Berührung der Grundzüge der Planung bedeute. Diese Planüberschreitung mache die Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig. Die gleiche Rechtsfolge sei auch wegen der Planunterschreitung eingetreten. Die Planunterschreitung sei ebenfalls mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar. Die im Bebauungsplan festgesetzte Erschließungsanlage sei mangels Herstellung eines Gehweges an der im Bebauungsplan vorgesehenen Stelle und mangels der im Bebauungsplan vorgesehenen öffentlichen Grünflächen nicht endgültig fertiggestellt worden, die im Bebauungsplan vorgesehenen Teileinrichtungen des Gehweges und der öffentlichen Grünflächen seien im betroffenen Bereich vollständig entfallen. Damit ermangele es zugleich auch an der endgültigen erstmaligen Herstellung der zum Anbau bestimmten Straße, da diese in ihrer gesamten Ausdehnung nicht mit allen Teileinrichtungen den Vorgaben des satzungsgemäßen Teileinrichtungsprogramms entspreche. Zudem sei der zur endgültigen Herstellung der Straße erforderliche Grunderwerb derzeit noch nicht abgeschlossen und das Abrechnungsgebiet gemäß § 4 der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (Erschließungsbeitragssatzung – EBS) unzutreffend gebildet. Im Übrigen sei nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) Spiegelstrich 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) die Festsetzung eines Beitrages ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrete, nicht mehr zulässig. Die … Straße sei bereits in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in dem Zustand hergestellt gewesen, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Erlass des Bebauungsplanes „…“ am 11. Juli 2000 befunden habe. Die Vorteilslage sei im Zeitpunkt des Beschlusses des Bebauungsplanes bereits vor mehr als 30 Jahren begründet worden. Die Beklagte habe diesen Eindruck auch verstärkt, da sie das im Bebauungsplan vorgesehene Ausbauprogramm erst nach achtzehn Jahren seit Erlass des Bebauungsplanes umgesetzt habe, den zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes vorhandenen Ausbauzustand also offensichtlich als ausreichend angesehen habe.
6
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. April 2021,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagtenbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 16. August 2023 aus, zwar sei die zeichnerische Darstellung des Gehweges im Bebauungsplan nicht umgesetzt worden. Der Grundgedanke eines einseitigen, durchgängigen Gehweges, wie auch in der Begründung des Bebauungsplanes vorgesehen, sei – wenn auch auf der anderen Straßenseite – umgesetzt worden. Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes lasse nach § 125 Abs. 3 BauGB die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes unberührt, da diese mit den Grundzügen der Planung vereinbar sei. Aus der zeichnerischen Darstellung und aus der Begründung sei ersichtlich, dass sammelnde Straßen, eine solche sei die … Straße zweifelsfrei, einen einseitigen Gehweg aufweisen sollen. Dies sei hier, wenn auch auf der anderen Straßenseite, umgesetzt worden. Ein Aliud sei nicht hergestellt worden. Die Planunterschreitung hindere die Rechtmäßigkeit nicht. Die Planüberschreitung auf der Nordseite belaste die Beitragspflichtigen nicht mehr, als wenn der Gehweg entlang der Südseite gebaut worden wäre. Auch werde die Nutzung der Anliegergrundstücke hierdurch nicht, schon gar nicht wesentlich, beeinträchtigt. Vielmehr profitiere die Klägerin, die selbst nördlich der Anlage liege, von dem nördlich angelegten Gehweg, da sie direkt anliege. Die planabweichende Herstellung sei mit den Grundzügen der Planung vereinbar, da die Planungskonzeption des Bebauungsplanes unangetastet geblieben sei. Die Beklagte habe stets die Intention gehabt, eine Anbindung des Ortskerns an die Verbraucherzentren im Gewerbegebiet zu schaffen. Hierbei hätten gleichzeitig die vorhandene …kirche und das Gaststättengewerbe in der … Straße sowie das Wohnbaugebiet … fußläufig sicher erreicht werden sollen. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens inklusive des Bewegungsverkehrs von Lastwagen sei die Errichtung eines Gehweges zwingend erforderlich und das überwiegende Motiv für die Aufnahme der … Straße in den Bebauungsplan „…“ gewesen. Im Zeitpunkt der Bauleitplanung im Jahr 2000 sei die überörtliche Planung noch nicht hinreichend verdichtet gewesen. Die Entscheidung der überörtlichen Planung sei erst im Zuge der Herstellungsarbeiten an der … Straße im Jahr 2020 bekannt geworden, sodass eine förmliche Plankorrektur nicht mehr möglich gewesen sei. Der ursprüngliche Planungswille und die Planungskonzeption seien aber gerade in diesem Zusammenhang der Auslöser der Planabweichung gewesen. Die Entscheidung des Freistaates Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt …, den überörtlichen Geh- und Radweg entlang der Bundesstraße … auf der südlichen Straßenseite und nicht, wie ursprünglich angedacht, auf der nördlichen Seite zu errichten, habe es ermöglicht, dass die Beklagte den innerörtlichen Gehweg auf die übergeordnete Verkehrsader habe anschließen können. Nachdem der überörtliche Geh- und Radweg weiter in das Gewerbegebiet Ost, Bauabschnitt 1, führe, sei der ursprüngliche Planungswille der Beklagten zu 100% als erfüllt anzusehen. Dagegen sei im Zeitpunkt der Planaufstellung Sachstand gewesen, dass der überörtliche Geh- und Radweg entlang der Bundesstraße … erst nach der Einmündung der B … in die … Straße im innerörtlichen Bereich aufschließen solle. Aus diesem Grund sei im Bebauungsplan der Gehweg in der … Straße auf der östlichen Straßenseite eingezeichnet worden. Nachdem die Beklagte im Zuge der Ausführungsplanung die Information erhalten habe, dass der überörtliche Geh- und Radweg auf der anderen Straßenseite aufschließen werde, habe der Planungswille der Beklagten vollumfänglich erfüllt werden können. Die weitere wichtige planerische Konzeption der Beklagten, wie z. B. die Anbindung des Ortskerns an die Einkaufsmärkte, an die gewerblichen Gaststättenbetriebe und an die …kirche in der … Straße sowie an die Anbindung an das Wohnbaugebiet … seien damit vollumfänglich sichergestellt worden. Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG habe den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, bis zum Stichtag 31. März 2021 begonnene Maßnahmen zu Ende zu führen und abzurechnen, sofern die merkmalsgerechte endgültige Herstellung erfolgt sei, die sachlichen Beitragspflichten entstanden seien und die Beitragsbescheide bekanntgegeben worden seien. Dies sei vorliegend aus Sicht der Beklagten eingehalten. Es sei darauf hinzuweisen, dass erstmals der Bebauungsplan „…“ die … Straße in diesem Bereich als Erschließungsanlage vorgesehen und damit ein Bauprogramm geliefert habe. Die früher entstandenen Bauten des Gasthof Hotel … westlich der …kirche hätten die Erschließung über das Gebiet „…“ vorgesehen. Art. 13 Abs. 1 Nummer 4 b) bb) KAG setze eine Höchstfrist von 20 Jahren als Ausschlussfrist fest, die sich am Eintritt der Vorteilslage orientiere. Die Vorteilslage trete erst dann ein, wenn die endgültige technische Herstellung der Straße dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm entspreche.
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Der Klägerbevollmächtigte erwiderte mit Schriftsatz vom 21. September 2023, die Grundzüge der Planung seien schon bereits deshalb berührt, da der veranlagte Gehweg nicht auf der im Bebauungsplan hierfür vorgesehenen Straßenseite errichtet worden sei. Eine Lageabweichung einer Erschließungsanlage führe bereits für sich gesehen dazu, dass es sich um ein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplanes handle. Die Errichtung eines Gehweges – bei gleichzeitiger Änderung bzw. Weglassung der im Bebauungsplan vorgesehenen Anlagen – auf einer anderen als der vorgesehenen Straßenseite stelle hinsichtlich der Planungskonzeption eine nicht nur unerhebliche Abweichung dar. Bei dem Satzungsbeschluss hätten nur die Umstände in Bezug auf die abwägungsrelevanten Aspekte berücksichtigt werden können, die sich für den Gehweg auf der nach dem Bebauungsplan vorgesehenen Straßenseite ergeben hätten. Abwägungsrelevante Aspekte in Bezug auf die planabweichende Herstellung hätten bei dem Satzungsbeschluss denknotwendig keine Rolle spielen können. Eine Berührung der Grundzüge der Planung liege jedenfalls dann vor, wenn es nicht ausgeschlossen sei, dass im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses andere abwägungsrelevante Aspekte für die geänderte Erschließungsanlage zu berücksichtigen gewesen wären, insbesondere natürlich die Belange der Grundstückseigentümer der Grundstücke, die an eine im Bebauungsplan nicht vorgesehene Erschließungsanlage angrenzen bzw. die Belange der Grundstückseigentümer, die nunmehr eine im Bebauungsplan vorgesehene Erschließungsanlage nicht mehr unmittelbar an ihrer Grundstücksgrenze fänden. Soweit die Beklagte vortrage, die überörtliche Planung sei zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses des Bebauungsplanes noch nicht hinreichend verdichtet gewesen und die Beklagte habe von Entscheidungen der überörtlichen Planung erst im Jahr 2020 hinreichende Kenntnis erlangt, sei dies aus den vorliegenden Akten nicht nachvollziehbar und werde vorsorglich bestritten. Unbeschadet dessen liege, was rechtlich insoweit ausschließlich maßgeblich sei, tatsächlich eine Planunter- und -überschreitung vor. Auf die Gründe, die hierzu nach dem Sachvortrag der Beklagten geführt hätten, komme es nicht maßgeblich an.
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Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schriftsatz vom 30. November 2023 mit, die Beklagte habe in der Zwischenzeit ein Verfahren zur 8. Änderung des Bebauungsplanes „…“ eingeleitet, dessen erklärtes Ziel die Herstellung der Plankonformität aus abgabenrechtlichen Gesichtspunkten sei. Die nachträgliche Planfeststellung wirke nur „ex nunc“. Für eine rückwirkende Heilung sei nach Ablauf des Stichtagstermins aus Art. 5a Abs. 7 KAG kein Raum. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten ergänzenden Unterlagen sei das relevante Teilstück der … Straße im Jahr 1988 in das Straßenverzeichnis der Beklagten übernommen worden. Spätestens damit – nach Auffassung des Klägerbevollmächtigten bereits zuvor mit der Wirksamkeit der Umstufungsvereinbarung vom 21. Juli 1970 – sei der Beginn der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage anzunehmen. Zum Zeitpunkt der Beitragsveranlagung seien alle Stichtagsfristen längst verstrichen, jedenfalls aber mit dem 1. April 2021.
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Am 4. Dezember 2023 fand eine Beweiserhebung über die örtlichen Verhältnisse im Bereich der … Straße zwischen … Straße/ … und der B … statt. Auf das Protokoll des Augenscheins wird Bezug genommen.
11
In der öffentlichen Sitzung vom 4. Dezember 2023 beschloss der Gemeinderat der Beklagten die 8. Änderung des Bebauungsplanes „…“, die am 8. Dezember 2023 im Amtsblatt des Landkreises … bekanntgemacht wurde. In der Begründung ist unter Ziffer 1.1 ausgeführt, dass der Gemeinderat im Zuge des Planungsprozesses mehrheitlich entschieden habe, vom ursprünglich planerisch festgesetzten Ausbau gemäß Bebauungsplan „…“ abzuweichen. Zur erneuten Herstellung der Plankonformität und aus abgabenrechtlichen Gesichtspunkten solle der Bebauungsplan erneut geändert werden. Ziele und Zwecke der Planung im weiteren Sinne seien somit die planerische Festsetzung des tatsächlichen Ausbauzustands der Erschließungsanlage … Straße. Die 8. Änderung des Bebauungsplanes „…“ bildet bezüglich des Gehweges den tatsächlichen Ausbauzustand der Erschließungsanlage … Straße ab.
12
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2023 führte der Klägerbevollmächtigte ergänzend aus, dass die Beklagte im Bebauungsplanverfahren bei der Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen die Anregung des Landkreises … zur Verlegung des Gehweges auf die östliche Seite der … Straße aufgegriffen habe. Dies zeige, dass es sich bei der Situierung der Gehwege nicht um eine die Grundzüge der Planung nicht berührende Abweichung handle. Mit der Änderung habe die gefahrlosere Anbindung der … erreicht werden sollen. Gerade Aspekte der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, zu denen auch der Fußgängerverkehr zähle, würden zu den Grundzügen der Planung zählen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der planabweichenden Ausführung liege vor, da die Zugänglichkeit der von ihr betroffenen Grundstücke positiv wie negativ qualitativ verändert werde. Soweit die Beklagte die 8. Änderung des Bebauungsplanes in der Sondersitzung vom 4. Dezember 2023 beschlossen habe, sei dies unerheblich. Zwar könne eine Planungsentscheidung bis zur abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz mit heilender Wirkung nachgeholt werden, dies komme aus Rechtsgründen jedoch nicht mehr in Betracht, wenn – was vorliegend der Fall sei – die maßgeblichen Stichtagsfristen längst abgelaufen seien.
13
Der Beklagtenbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2023 aus, eine Rekonstruktion des Widmungsverlaufs sei schwierig. Im Jahr 1980 sei die Gemeindeverbindungsstraße … Straße mit Eintragungsverfügung vom 30. September 1980 zur Ortsstraße abgestuft worden. 1988 seien am Bestandsverzeichnis der Beklagten Korrekturen vorgenommen und mit Eintragungsverfügung vom 29. Juli 1988 die Eintragung der … Straße als Ortsstraße auf einer Länge von 932 m verfügt worden. Es sei davon auszugehen, dass seit 1980 die heutige … Straße als Ortsstraße der Beklagten geführt werde, spätestens jedoch seit 1988. Für die Erschließungsbetrachtung komme es nicht nur auf die Widmung an, sondern auf den Zeitpunkt, ab welchem die Straße zum Anbau bestimmt gewesen sei. Maßgeblich sei, dass die erste Bauleitplanung mit der Urfassung des Bebauungsplanes „…“ im Jahr 2000 entstanden sei.
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Der Klägerbevollmächtigte erwiderte mit Schriftsatz vom 12. Januar 2024, eine Ortsstraße sei generell zum Anbau bestimmt. Der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan sei offensichtlich keinerlei Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigungen vom 30. Januar 1980, vom 19. September 1994, vom 18. November 1994, vom 11. Juli 1967 und vom 12. Dezember 1967 gewesen. Soweit der Gemeinderat der Beklagten eine Änderung des Bebauungsplanes in der Sitzung vom 4. Dezember 2023 beschlossen habe, hätte eine sachliche Beitragspflicht erst durch diesen Satzungsbeschluss entstehen können. Erst zu diesem Zeitpunkt sei gegebenenfalls von einer rechtmäßigen Herstellung der Erschließungsanlage auszugehen. Da dies nach dem maßgeblichen Stichtagstermin zum 31. März 2021 gewesen sei, finde jedenfalls Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG Anwendung. Erst mit der Nachholung werde die Herstellung rechtmäßig. Liege der Heilungszeitpunkt nach dem Stichtagstermin, könne der Beitragsbescheid nicht mehr rechtmäßig werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG lägen vor. Seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage seien, wovon auch die Beklagte ausgegangen sei, über 25 Jahre vergangen und die Straße habe jedenfalls seit 1994, nach Auffassung des Klägerbevollmächtigten bereits seit 1967 oder spätestens seit 1980, Erschließungsfunktion gehabt.
15
Der Beklagtenbevollmächtigte trug mit Schriftsatz vom 7. Februar 2024 im Wesentlichen vor, bei der abgerechneten Straße liege kein Fall des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG vor. Die Vorschrift knüpfe daran an, dass die Straße dem gemeindlichen Bauprogramm entspreche. Die Beleuchtung, die im Wege der Kostenspaltung 2006 abgerechnet worden sei, sei 2005 in Rechnung gestellt worden. Damit seien keine 25 Jahren mit Ablauf des 31. März 2021 verstrichen. Selbst wenn man auf die Bauleitplanung der Beklagten abstellen wolle, beginne die Frist erst im Jahr 2000. Die Beklagte verbleibe dabei, dass frühestens mit Inkrafttreten der Bauleitplanung die Anbaubestimmung bezüglich der abgerechneten Straße vorgelegen habe. Die Erteilung einzelner Baugenehmigungen alleine mache eine Straße noch nicht aus der anlagenbezogenen Sicht zur zum Anbau bestimmten Straße mit Erschließungsfunktion.
16
Das Gericht wies mit Schreiben vom 8. Februar 2024 darauf hin, dass nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Erschließungsanlage … Straße gemäß Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG ausgeschlossen sei.
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Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2024 erklärte der Klägerbevollmächtigte, mit Schriftsatz vom 28. Februar 2024 der Beklagtenbevollmächtigte den Verzicht auf mündliche Verhandlung.
18
Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten, hinsichtlich der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
19
Über die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
B.
20
Die zulässige Klage ist begründet.
21
I. Der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 26. März 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Erhebung eines Erschließungsbeitrags ist ausgeschlossen, da die Regelung des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zur Anwendung kommt (1.) und seit dem Beginn der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage 25 Jahre vergangen sind (2.).
22
Gemäß Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG kann nach diesem Gesetz kein Erschließungsbeitrag erhoben werden, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Die Regelung des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, die erst ab 1. April 2021, also nach dem Erlass des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheides vom 29. März 2021 in Kraft trat, ist auch in den Fällen anwendbar, in denen der Beitragsbescheid zwar bereits vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erlassen, die Beitragspflicht tatsächlich (und rechtlich) jedoch erst danach entstanden und damit die im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides bestehende Rechtswidrigkeit des Bescheides geheilt wurde (Schneeweiß in Schmidt/Wernsmann, BeckOK Kommunalabgabenrecht Bayern, 2. Edition Stand: 1.2.2024, Art. 5a KAG Rn. 293).
23
1. Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 26. März 2021 war im Zeitpunkt des Bescheidserlasses rechtswidrig (a.). Soweit der rechtswidrige Bescheid durch die nachträgliche Änderung des Bebauungsplanes „…“, die am 8. Dezember 2023 wirksam wurde, geheilt wurde, erfolgte diese Heilung zeitlich nach dem 1. April 2021 (b.).
24
a. Die Erschließungsanlage … Straße wurde nicht gemäß § 125 Abs. 1 BauGB entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes hergestellt (aa.), diese Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes sind nicht gemäß § 125 Abs. 3 BauGB unbeachtlich (bb.).
25
Gemäß § 125 Abs. 1 BauGB setzt die Herstellung der Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2 Satz 2 BauGB einen Bebauungsplan voraus. Nach § 125 Abs. 3 BauGB wird die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurück bleiben (Nr. 1) oder die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen (Nr. 2).
26
aa. Die Festlegung der Fläche des Gehweges im Bebauungsplan „…“ ist eine Festsetzung des Bebauungsplanes und nimmt an der normativen Bindungswirkung des Bebauungsplanes teil. Von dieser Festsetzung wurde abgewichen.
27
Eine Flächenunterteilung in einem Bebauungsplan für Teileinrichtungen wie den Gehweg kann Festsetzungscharakter oder nur nachrichtliche Bedeutung haben. Hat eine Flächenunterteilung nur nachrichtliche Funktion, ist sie im Rahmen des § 125 BauGB ohne Bedeutung (Schmitz, Erschließungsbeiträge 2018, § 7 Rn. 6). Wenn eine normative Bindung gewollt ist, muss sich das hinreichend deutlich aus den normativen Festsetzungen selbst ergeben, etwa durch die Verwendung von Planzeichen der Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhaltes (Planzeichenverordnung – PlanZV) und den Verweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB. Soweit den Darstellungen im Lageplan nur nachrichtliche Bedeutung zukommen soll (§ 9 Abs. 6 BauGB), ist dies im Rahmen der Zeichenerklärung des Lageplans klarzustellen. Dies gebietet auch § 2 Abs. 1 Satz 5 PlanZV. Andernfalls vermitteln die im Lageplan zu einem Bebauungsplan im Anschluss an die Planzeichenverordnung verwendeten Symbole regelmäßig den Charakter verbindlicher normativer Festsetzungen (VGH BW, U.v. 18.8.1992 – 5 S 1/92 – DÖV 1993, 532 f. m.w.N.).
28
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte für die bauplanerische Festsetzung des Gehweges eine normative Bindung gewollt. Sie hat im Bebauungsplan „…“ die Planzeichen nach der PlanZV verwendet, insbesondere Ziffer 6.1. der Anlage der PlanZV für Straßenverkehrsflächen und Ziffer 6.2. der Anlage der PlanZV für eine Straßenbegrenzungslinie auch gegenüber Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung. Sie hat im Übrigen im Planteil B „Textliche Festsetzungen“ des Bebauungsplanes unter A. Festsetzungen durch Zeichen bei Ziffer 5 Verkehrsflächen unter Ziffer 5.3 auch die Gehwege genannt und auf § 9 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 6 BauGB verwiesen. Da weitere Erläuterungen fehlen, ist davon auszugehen, dass sich der nachrichtliche Hinweis (§ 9 Abs. 6 BauGB) ausschließlich auf die Fahrbahn bezieht, die im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes bereits vorhanden war.
29
Eine Planabweichung liegt vor. Da – wie oben ausgeführt – die Ausweisung der Flächen für den Gehweg an der Rechtssatzqualität des Bebauungsplanes teilnahmen, konnte die Beklagte diese Angaben auch nicht mit einem formlosen Bauprogramm wie z.B. mit Beschluss des Bauauschusses der Beklagten vom 15. Januar 2020 ändern bzw. verdrängen (Driehaus/ Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Auflage 2022, § 11 Rn. 67). Diese Angaben konnten nur durch eine Änderung des Bebauungsplanes geändert werden. Der einseitige Gehweg in der … Straße ist im Bebauungsplan „…“ in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 19. Mai 2015 teilweise an der nordwestlichen, ab der Einmündung der St.-Gallus Straße teilweise an der südöstlichen Straßenseite (an der Grenze zum Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …) eingetragen. Tatsächlich wurde der einseitige Gehweg, wie der Augenscheintermin am 8. Dezember 2023 bestätigte, ausschließlich an der Nordwest- bzw. Nordostseite der … Straße, u.a. an der Grundstücksgrenze Fl.-Nr. …, Gemarkung …, verlaufend bis zur Einmündung in die B … gebaut. Da der Gehweg nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen an der südöstlichen Seite der … Straße, insbesondere vor dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, gebaut wurde, liegt eine Planunterschreitung i.S.d. § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB vor. Da der Gehweg, entgegen den Festsetzungen im Bebauungsplan an der nordwestlichen bzw. nordöstlichen Seite der … Straße, insbesondere vor dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, errichtet wurde, liegt auch eine Planüberschreitung i.S.d. § 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB vor.
30
bb. Durch diese Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes wird gemäß § 125 Abs. 3 BauGB die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage berührt. Die Abweichungen sind mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar.
31
Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplanes unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht. Ob eine Abweichung in diesem Sinne von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde (BVerwG, U.v. 9.3.1990 – 8 C 76.88 – BVerwGE 85, 66, 71f.). Entscheidend ist, dass das der Planung zugrundeliegende Leitbild nicht verändert wird, d. h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt (BVerwG, B.v. 15.3.2000 – 4 B 18.00, NVwZ-RR 200, 759 m.w.N.). Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d. h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Planer gewollt hat oder zumindest gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte (BVerwG, U.v. 9.3.1990 – 8 C 76.88, a.a.O.; B.v. 15.3.2000 – 4 B 18.00 – a.a.O.). Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplanes vorliegt (BayVGH, B.v. 21.5.2014 – 6 ZB 12.377 -BeckRS 2014, 52090; VG München, U.v. 5.4.2016 – M 2 K 15.2002 – BeckRS 2016,122366).
32
Gemessen an diesem Maßstab sind die planüberschreitende und die planunterschreitende Herstellung des Gehweges nicht mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Der tatsächlich gebaute Gehweg ist hinsichtlich der Lage ein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplanes. Insbesondere ist der im Bebauungsplan vorgesehene Gehweg auf der südöstlichen Seite der … Straße komplett entfallen (vgl. BayVGH, U.v. 5.5.1989 – 6 B 95.1259 – BeckRS 1999, 26088; Driehaus/Raden, a.a.O., § 7 Rn. 42), dieser wurde vielmehr auf der nordöstlichen Seite der … Straße hergestellt. Aus der Entstehungsgeschichte des Bebauungsplanes „…“ ergibt sich zweifelsfrei, dass nach der Planungskonzeption des Bebauungsplanes der Gehweg teils an der nordwestlichen Seite der … Straße und ab der (östlichen) Zufahrt zum Parkplatz der …kirche (Fl.-Nr. …, Gemarkung …) bzw. ab der Einmündung der St.-Gallus Straße, auf der südöstlichen Seite der … Straße verlaufen sollte. So war im Vorentwurf des Bebauungsplanes (Bl. 16 der Behördenakte/Verfahrensakt Bebauungsplan) der Gehweg zunächst ausschließlich auf der nordwestlichen bzw. nordöstlichen Seite der … Straße eingezeichnet. Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange schlug der Landkreis … in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2000 u.a. vor, den Gehweg entlang der Staatsstraße … ab der Zufahrt zum Parkplatz-Kirche auf die (süd)östliche Straßenseite zur gefahrloseren Anbindung der … (Fl.-Nr. …, Gemarkung …) zu verlegen. In der Sitzung des Gemeinderates der Beklagten vom 6. Juni 2000 wurde der vorgeschlagenen Verlegung des geplanten Gehweges in diesem Bereich auf die östliche Seite der … Straße zugestimmt. In dem Beschluss des Gemeinderates der Beklagten vom 6. Juni 2000 bekundete diese den planerischen Willen hinsichtlich der Lage des Gehweges auf der nordwestlichen und der südöstlichen Seite der … Straße gerade im Hinblick auf die gefahrlosere Anbindung der … (Fl.-Nr. …, Gemarkung …). Dieser planerische Wille wird nicht unerheblich berührt, wenn die tatsächliche Herstellung des Gehweges auf der nordwestlichen bzw. der nordöstlichen Seite der … Straße erfolgt. Die von den Festsetzungen des Bebauungsplanes abweichende Herstellung des Gehweges liegt auch nicht im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder zumindest gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte. Zwar hat die Beklagte u.a. beim Augenscheintermin vorgetragen, Grund für die abweichende Herstellung des Gehweges sei gewesen, dass ursprünglich die Verkehrsinsel auf der B … und die Einmündung des überörtlichen Geh- und Radweges an der B … östlich der Einmündung in die … Straße geplant gewesen seien. Dieser Umstand ist – wie auch der Klägerbevollmächtigte vorträgt – der Behördenakte nicht zu entnehmen. Im Übrigen war es der ausdrückliche Wille des Gemeinderates der Beklagten, mit der Verlegung des Gehweges eine gefahrlosere Anbindung der … (Fl.-Nr. …, Gemarkung …) zu verwirklichen. Um dieses Ziel zu erreichen war ein Gehweg auf der südöstlichen Seite der … Straße vor dem Grundstück der … (Fl.-Nr. …, Gemarkung …) und nicht auf der gegenüberliegenden Seite erforderlich. Es kann somit nicht angenommen werden, dass der Planer im Hinblick auf die geänderte Planung der Verkehrsinsel auf der B … und der Einmündung des Geh- und Radweges von der B … eine von den tatsächlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes abweichende Lage des Gehweges gewollt hätte. Dass die Lage des Gehweges an der … Straße ein wesentlicher Teil des planerischen Grundgedankens der Beklagten war, zeigen auch der Auszug aus dem Sitzungsbuch des Gemeinderates der Beklagten zur Sitzung vom 23. April 2020 und die Stellungnahme der Bauverwaltung zur Sitzungsvorlage 063/2020 (Bl. 88 der Behördenakte/I. Allgemeiner Teil). Darin wird ausgeführt, der qualifizierte Bebauungsplan „…“ stelle für den Gehweg das Bauprogramm dar. Dementsprechend verlaufe der Gehweg ab der Ortsstraße … auf der nordöstlichen Seite der … Straße bis zur Einmündung der St.-Gallus Straße und von dort aus auf der südöstlichen Seite bis zur B … Der Einschätzung der Kammer, dass vorliegend die Grundzüge der Planung berührt sind und die Beklagte ein „Aliud“ gebaut hat, steht nicht entgegen, dass in der Sitzung des Bauausschusses der Beklagten vom 15. Januar 2020 das Ingenieurbüro für den Bau des Gehweges geänderte Bauentwurfsunterlagen vorgelegt hat, die einen Gehweg auf der nördlichen Seite der Straße mit einer Breite von 1,85 m vorsehen, und der Bauausschuss das Ingenieurbüro mit der Ausführungsplanung beauftragt hat. Die Ausführungsplanung vom 8. Mai 2020 und die Baubeschreibung vom 3. Juni 2020 sehen dementsprechend den Bau eines gepflasterten Gehweges an der Nordseite der … Straße vor. Wie das Sitzungsbuch des Gemeinderates der Beklagten zur Sitzung vom 23. April 2020 ebenfalls ausführt, ging die Bauverwaltung der Beklagten (unzutreffend) davon aus, dass diese Planabweichung durch Beschluss des Bauausschusses der Beklagten vom 15. Januar 2020 geändert werden konnte. Alleine, dass sich der Gemeinderat der Beklagten mit der planabweichenden Ausführung des Gehweges beschäftigt hat, zeigt, dass die Lage des Gehweges entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes Ausdruck des planerischen Willens und ein Grundzug der Planung ist. Die (unzutreffende) rechtliche Einschätzung der Bauverwaltung widerlegt nicht die Annahme, dass vorliegend die Lage des Gehweges Teil der Planungskonzeption der Beklagten ist. Wie unter aa. ausgeführt, war die Lage des Gehweges an der … Straße als normative Festsetzung im Bebauungsplan gewollt. Dass die im Bebauungsplan festgesetzte Lage des Gehweges an der … Straße einen Grundzug der Planung darstellt, wird im Übrigen auch dadurch belegt, dass der Gemeinderat der Beklagten in der öffentlichen Sitzung vom 4. Dezember 2023 die 8. Änderung des Bebauungsplanes „…“ beschlossen hat, die am 8. Dezember 2023 im Amtsblatt des Landkreises … bekanntgemacht wurde. Dabei wird in der Begründung unter Ziffer 1.1 ausgeführt, dass der Gemeinderat im Zuge des Planungsprozesses mehrheitlich entschieden habe, vom „ursprünglich planerisch festgesetzten Ausbau“ gemäß Bebauungsplan „…“ an gewissen Stellen abzuweichen. Die erstmalige endgültige Herstellung sei planabweichend realisiert worden. Zur erneuten Herstellung der Plankonformität und aus abgabenrechtlichen Gesichtspunkten solle der Bebauungsplan erneut geändert werden. Auch damit wird belegt, dass die im Bebauungsplan festgesetzte Lage des Gehweges in der … Straße dem planerischen Willen der Beklagten entsprach.
33
Da die Herstellung der Erschließungsanlage … Straße von den Festsetzungen des Bebauungsplanes, d.h. von den an der Rechtssatzqualität teilnehmenden Angaben abweicht (§ 125 Abs. 1 BauGB), und diese Abweichung planungsrechtlich rechtswidrig ist (§ 125 Abs. 3 BauGB), ist der Erschließungsbeitragsbescheid vom 26. März 2021 im Zeitpunkt seines Erlasses mangels Entstehens der (sachlichen) Beitragspflicht rechtswidrig (Driehaus/Raden, a.a.O., § 7 Rn. 66).
34
b. Für das Erschließungsbeitragsrecht ist allgemein anerkannt, dass bei der gerichtlichen Überprüfung eines Beitragsbescheides nicht auf den Zeitpunkt seines Erlasses, sondern auf den der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist. Dementsprechend kann ein Bescheid bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz durch rechtliche oder tatsächliche Veränderungen mit Wirkung ex nunc geheilt werden (Schmitz, a.a.O., § 15 Rn. 18).
35
Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Bebauungsplan „…“ mit der 8. Änderung des Bebauungsplanes „…“, die am 8. Dezember 2023 im Amtsblatt des Landkreises … bekanntgemacht wurde, und die den tatsächlichen Ausbauzustand des Gehweges der … Straße festsetzt, wirksam geändert worden ist. Die Änderung des Bebauungsplanes erfolgte im vereinfachten Verfahren gemäß § 13 BauGB. Einheitliche Anwendungsvoraussetzung für alle Planänderungen und -ergänzungen im vereinfachten Verfahren nach § 13 Abs. 1 Hs. 1 Alt. 1 BauGB ist jedoch, dass hierdurch die Grundzüge der Planung nicht berührt werden (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Auflage 2022, BauGB § 13 Rn. 9). Das Bundesverwaltungsgericht versteht den Begriff in §§ 13 und 125 jeweils gleich (vgl. BVerwG B.v. 15. 3. 2000 – 4 B 18.00 – juris Rn. 4). Wie oben unter bb. ausgeführt, ist die Lage des Gehweges von der Planungskonzeption des Bebauungsplanes umfasst und damit ein Grundzug der Planung. Selbst wenn der Erschließungsbeitragsbescheid vom 29. März 2021 mit der 8. Änderung des Bebauungsplanes geheilt wurde, erfolgte die Heilung ex nunc am 8. Dezember 2023, womit die Regelung des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zur Anwendung kommt, die am 1. April 2021 in Kraft trat.
36
2. Der Erhebung eines Erschließungsbeitrages steht somit jedenfalls Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, der bestimmt, dass für vorhandene Erschließungsanlagen, bei denen seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung mindestens 25 Jahre vergangen sind, keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden können und die gemäß Art. 5a Abs. 8 KAG als erstmalig hergestellt gelten, entgegen. Seit dem Beginn der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage … Straße sind mindestens 25 Jahre vergangen.
37
Bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 7 Satz 2 KAG ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nicht nur vom Beginn der erstmaligen technischen Herstellung spricht, sondern diese ausdrücklich auf eine Erschließungsanlage bezieht, mithin auf den Anfang des durch zentrale erschließungsbeitragsrechtliche Begriffe umschriebenen Vorgangs der „erstmaligen Herstellung“ (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) einer beitragsfähigen „Erschließungsanlage“ (§ 127 Abs. 2 BauGB) abstellt. Der fristauslösende Beginn wird nicht durch irgendwelche sichtbaren Bauarbeiten markiert, sondern nur durch solche, die objektiv auf die erstmalige und endgültige Herstellung gerichtet sind und bei Fortführung der Baumaßnahmen zur endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage führen sollen, also Teil der Herstellung sind (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2023 – 6 BV 22.306 – juris Rn. 29; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand 74. AL; 18. Update, Rn. 1101a).
38
Selbst unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention, durch die neue Ausschlussfrist Rechtssicherheit für Gemeinden und Anlieger zu schaffen, sowie im Zweifel möglichst viele bisher nicht von Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG erfasste „Altanlagen“ der Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts zu entziehen (vgl. BayLTDrs. 17/8225, 16), findet sich in den Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber trotz der ausdrücklichen Verwendung des Begriffs der „Erschließungsanlage“ nicht zugleich auch die in Art. 5a Abs. 2 KAG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB für eine Erschließungsanlage normierte Voraussetzung der Anbau – oder Erschließungsfunktion, die im Übrigen auch in Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2013 – 6 ZB 11.2973 – juris Rn. 7) und Literatur (vgl. Driehaus/Raden, a.a.O., § 12 Rn. 36 ff.; Schmitz, a.a.O., § 6 Rn. 24 ff.) unbestritten ist, in Bezug nehmen wollte (VG München, U.v. 1.9.2021 – M 28 K 21.1559 – BeckRS 44988 Rn. 35 m.w.N.). Die Frist des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG kann nicht zu laufen beginnen, solange eine Straße keine Erschließungsfunktion aufweist (ebenso: Matloch/Wiens, a.a.O Rn. 1101a; BayVGH, B.v. 28.3.2023 – 6 CS 23.272 – juris Rn. 21). Eine etwa der Zufahrt zu landwirtschaftlichen Grundstücken im Außenbereich oder dem reinen Verbindungsverkehr dienende Straße in unbeplanten Gebieten erhält die Funktion einer Erschließungsanlage nicht dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut werden, vielmehr ändert sich ihre rechtliche Qualität im Sinne eines Funktionswandels hin zur Anbaustraße mit Erschließungsfunktion erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt, wenn also zumindest für eine Straßenseite bauplanungsrechtlich eine Innenbereichslage im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB zu bejahen ist. Das verlangt, dass die maßgeblichen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang liegen, der einem Ortsteil angehört. Für die an das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu stellenden Anforderungen ist ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt; wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (insgesamt hierzu: BayVGH, B.v. 21.11.2013 – 6 ZB 11.2973 – a.a.O. m.w.N).
39
Gemessen an diesen Grundsätzen waren auch dann, wenn man von einem erstmaligen Entstehen der sachlichen Beitragspflichten mit der Bekanntmachung der 8. Änderung des Bebauungsplanes „…“ am 8. Dezember 2023 ausgeht (vgl. oben), in diesem Zeitpunkt mindesten 25 Jahre seit der erstmaligen technischen Herstellung der … Straße vergangen. Nach Aktenlage war die … Straße zunächst Staatsstraße und wurde durch Entschließung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 18. Februar 1970 (Nr. …) mit Wirkung ab 1. April 1970 teils zur Ort straße, teils zur Gemeindeverbindungsstraße abgestuft. Die Widmung der gesamten … Straße zur Ortsstraße erfolgte spätestens mit Eintragsverfügung vom 29. Juli 1988. Im Zeitpunkt der Abstufung von der Staatsstraße zur Ortsstraße bzw. zur Gemeindeverbindungsstraße war die Fahrbahn bereits hergestellt. Die Fahrbahn blieb laut Behördenakte in der Folge auch unverändert. Das Straßenbauamt … bescheinigte aufgrund einer Begutachtung des Ausbauzustandes der … Straße am 13. Oktober 2003 mit Schreiben vom 15. Oktober 2003, die Fahrbahnoberfläche sei in weiten Bereichen augenscheinlich in einem guten Zustand. Objektiv war somit in jedem Fall am 29. Juli 1988 mit der erstmaligen Herstellung einer Erschließungsstraße bereits begonnen worden. Der fristauslösende Funktionswandel der … Straße zu einer Erschließungsanlage erfolgte spätestens am 28. Juni 1998 mit der Weihe der …kirche auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung … In jedem Fall war 25 Jahre vor dem maßgeblichen Zeitpunkt 8. Dezember 2023 an der … Straße eine gehäufte Bebauung vorhanden, die … Straße hatte eine Anbau- bzw. Erschließungsfunktion. Für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, an der nördlichen Seite der … Straße wurde bereits am 12. Dezember 1967 eine Baugenehmigung für einen Hotelneubau erteilt, am 30. Januar 1980 wurde für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, an der südlichen Seite der … Straße eine Baugenehmigung für den Neubau eines Ärztehauses erteilt. Auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, wurde mit Baugenehmigung vom 18. November 1994 die Errichtung des Gebäudes der … (heute …) genehmigt. In der Fertigstellungsanzeige vom 18. Oktober 1995 ist der 31. August 1995 als Datum der (endgültigen) Fertigstellung der heutigen … angegeben. Für das Grundstück  Fl.-Nr. …, Gemarkung …, wurde am 19. September 1994 eine Baugenehmigung für den Bau der …kirche … mit Begegnungsstätte und Hausmeisterwohnung erteilt. Die Weihe der …kirche erfolgte am 28. Juni 1998. Damit waren in jedem Fall 25 Jahre vor dem maßgeblichen Zeitpunkt 8. Dezember 2023 die Bauarbeiten an der …kirche vollendet, so dass aufgrund der tatsächlich vorhandenen Bebauung ein Bebauungszusammenhang vorgelegen hat. Trotz vorhandener Baulücken vermittelt somit nach Auffassung des Gerichts die zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorhandene aufeinanderfolgende Bebauung an der … Straße, die im Übrigen seitdem unverändert ist, den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2023 – 6 CS 23.272, a.a.O., Rn. 13). Ein Bebauungszusammenhang im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB lag jedenfalls spätestens am 8. Dezember 1998 vor. Die Erhebung eines Erschließungsbeitrages ist damit gemäß Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG ausgeschlossen. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).