Titel:
Bestätigung einer österreichischen Gerichtsstandsvereinbarung in Darlehensverträgen und die daraus folgende Unzuständigkeit deutscher Gerichte
Normenkette:
EuGVVO Art. 25 Abs. 1 S. 1, Nr. 5
Leitsätze:
1. Eine hinreichend bestimmte Gerichtsstandsklausel muss nicht so formuliert sein, dass sich das zuständige Gericht schon auf Grund des Wortlauts bestimmen lässt. Es genügt, wenn die Klausel die objektiven Kriterien nennt, über die sich die Parteien bei der Bestimmung des Gerichts, die über ihre bereits entstandenen oder künftigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollen, geeinigt haben. (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO kann sich auch auf zwei oder mehrere Gerichte zur Wahl einer der Parteien beziehen, solange die Vereinbarung wenigstens hinreichend deutliche Kriterien zur Bestimmung des Gerichts oder der Gerichte nennt. (Rn. 44 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Übererlösansprüche, Zwangsversteigerung, Gerichtsstandsvereinbarung, Gerichtsstandsklausel, internationale Zuständigkeit, dingliches Recht
Vorinstanz:
LG Traunstein, Endurteil vom 22.03.2024 – 5 O 1615/23
Fundstellen:
LSK 2024, 35506
BeckRS 2024, 35506
BKR 2025, 417
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 22.03.2024, Az. 5 O 1615/23, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115% des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 104.605,15 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Übererlösansprüche aus einem abgeschlossenen Zwangsversteigerungsverfahren geltend.
2
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG nach deutschem Recht mit Sitz in A., war die Alleineigentümerin der Liegenschaft … 2 in A., vorgetragen im Grundbuch von A. des Amtsgerichtes A., Band …26, Blatt …70, Flurstücke …1 und …47/5 (im Folgenden: streitgegenständliches Anwesen) und betrieb dort das Hotel „Z. “.
3
Die Beklagte ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach österreichischem Recht mit (Haupt-)Sitz in Salzburg.
4
Zwischen der Klägerin als Kreditnehmerin und der Beklagten als Kreditgeberin wurden die folgenden drei Kreditverträge (im Folgenden zusammenfassend: Darlehensverträge) vereinbart:
· am 22.01.2015 ein revolvierend ausnutzbarer Kredit (Konto-Nr. …346) über 100.000 € (s. Anlage K 1),
· am 22.01.2015 ein Einmalbarkredit (Konto-Nr. …079) über 2.400.000 € (s. Anlage K 2),
· am 04.12.2015 ein Einmalbarkredit (Konto-Nr. …619) über 380.000 € (s. Anlage K 3).
5
Die Kredite waren unter anderem besichert durch eine Buchgrundschuld in Höhe von 2.700.000 € auf das streitgegenständliche Anwesen.
6
In allen Darlehensverträgen war vereinbart:
„Es gelten die ´Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte (AGB)´ (…), die einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bilden.“
7
Sämtlich war am Ende der Darlehensverträge vor den Unterschriften aufgeführt:
„Mit der(den) nachfolgenden Unterschrift(en) wird auch der Erhalt nachfolgender Beilagen bestätigt:
Allgemeine Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte (AGB)“.
8
In den „Allgemeine(n) Geschäftsbedingungen“ der Beklagten (Anlage B 1; im Folgenden: AGB) ist in Ziff. I. A. 1. Z 1 Abs. 1 S. 1 bestimmt:
„Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen (…) gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und allen in- und ausländischen Geschäftsstellen des Kreditinstituts.“
9
In Abs. 2 ist geregelt:
„Die Begriffe ´Verbraucher´ und ´Unternehmer´ werden im Folgenden im Sinn des Konsumentenschutzgesetzes verstanden.“
10
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes ist Unternehmer jemand, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört.
11
In Ziff. I. F. der AGB unter der Überschrift „Erfüllungsort; Rechtswahl; Gerichtsstand“ in Ziff. 3. Z 21 Abs. 1 unter „Gerichtsstand“ geregelt:
„Klagen eines Unternehmers gegen das Kreditinstitut können nur beim sachlich zuständigen Gericht am Sitz der Hauptniederlassung des Kreditinstituts erhoben werden. Dieser Gerichtsstand ist auch für Klagen des Kreditinstituts gegen einen Unternehmer maßgeblich, wobei das Kreditinstitut berechtigt ist, seine Rechte auch bei jedem anderen örtlich und sachlich zuständigen Gericht geltend zu machen.“
12
Die Beklagte kündigte die drei benannten Kreditverhältnisse und stellte die Darlehen zum 31.12.2016 fällig.
13
Zur Beitreibung ihrer Forderungen aus den Kreditverträgen beantragte die Beklagte unter dem 08.06.2017 beim Amtsgericht Mühldorf am Inn (Az. K 35/17) aus der zu ihren Gunsten an dem oben bezeichneten Grundbesitz bestellten Grundschuld die Zwangsversteigerung. Vor dem Amtsgericht Mühldorf am Inn wurde dann das streitgegenständliche Anwesen zwangsversteigert. Der rechtskräftige Zuschlagsbeschluss des Versteigerungsgerichts erging am 09.08.2019 zu Gunsten der Ersteherin V.P. A. GmbH, N., für das bare Meistgebot in Höhe von 4.250.000 €. Dieser Betrag wurde am 22.08.2019 bei Gericht hinterlegt. Sodann wurde schließlich der Beklagten hieraus ein Betrag in Höhe von 3.837.200 € gutgeschrieben. Die Beklagte errechnete sodann einen Übererlös von 235.946,55 € (s. Anlage K 6), welcher an die Klägerin ausbezahlt wurde.
14
Die Klägerin führt aus, ihr stehe gegen die Beklagte ein um mindestens 104.605,14 € höherer Zahlungsanspruch aus Übererlös gegen die Beklagte zu (vgl. Anlage K 7). Dieser ergebe sich aus einer unrichtigen Zinsabrechnung, welche die Beklagte ihrer Abrechnung zu Grunde gelegt habe.
15
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 84 ff. d. LGeAkte), auf dessen tatsächliche Feststellungen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO) und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits nicht zulässig, da nicht die deutsche Gerichtsbarkeit für den hiesigen Rechtsstreit international zuständig sei, sondern die österreichische.
16
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 19.04.2024 (Bl. 1 f. d. OLGeAkte) eingelegte und mit Schriftsatz vom 25.06.2024 (Bl. 7 ff. d. OLGeAkte) begründete Berufung der Klägerin.
17
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und zu erkennen wie folgt:
„Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 104.605,15 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozent jährlich hieraus seit dem 05.11.2019 zu bezahlen.“
18
Sollte der Senat die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO für gegeben ansehen, wird beantragt,
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
19
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
20
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 25.06.2024 (Bl. 7 ff. d. OLGeAkte), die Berufungserwiderung vom 07.10.2024 (Bl. 19 ff. d. OLGeAkte) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
21
Der Senat wies die Parteien mit Hinweisbeschluss vom 18.10.2024 (Bl. 23 ff. d. OLGeAkte) nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Hierzu nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 10.12.2024 (Bl. 40 ff. d. OLGeAkte) Stellung.
22
Die Entscheidung beruht auf § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.
23
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
24
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
25
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist richtig. Dessen Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsinstanz, auch jene in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats, vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil, auf das Bezug genommen wird, nicht erschüttern.
Anzumerken bleibt nur Folgendes:
26
Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die deutschen Gerichte für die verfahrensgegenständliche Zahlungsklage international nicht zuständig sind.
27
1. Dies richtet sich nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO), weil das gerichtliche Zivilverfahren i.S.v. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO durch Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids beim Amtsgericht Coburg im Jahr 2022 und damit nach dem 10.01.2015 eingeleitet worden ist (s. Bl. 1 f. d. LGeAkte), Art. 66 Abs. 1 EuGVVO.
28
2. Ausschließlich zuständig sind in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach Art. 25 EuGVVO die österreichischen Gerichte.
29
Die internationale Zuständigkeit für die vorliegende Zahlungsklage auf Auskehrung weiteren Übererlöses ergibt sich aus der von den Parteien in den Darlehensverträgen in Verbindung mit den AGB der Beklagten jeweils getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung.
30
a) Die Prorogationsvereinbarung in den drei Darlehensverträgen ist wirksam abgeschlossen.
31
aa) Die Vorgaben des Art. 25 Abs. 1 EuGVVO sind erfüllt.
32
aaa) Die Vereinbarung bezieht sich auf künftige Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmt bezeichneten Rechtsverhältnis, Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVVO.
33
α) Eine hinreichend bestimmte Gerichtsstandsklausel muss nicht so formuliert sein, dass sich das zuständige Gericht schon auf Grund ihres Wortlauts bestimmen lässt. Es genügt, wenn die Klausel die objektiven Kriterien nennt, über die sich die Parteien bei der Bestimmung des Gerichts oder der Gerichte, die über ihre bereits entstandenen oder künftigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollen, geeinigt haben. Diese Kriterien, die so genau sein müssen, dass das angerufene Gericht feststellen kann, ob es zuständig ist, können gegebenenfalls durch die besonderen Umstände des jeweiligen Falls konkretisiert werden (insg. hierzu EuGH, Urteil v. 09.11.2000, Az. C-387/98, Rz. 15 [ECLI:ECLI:EU:C:2000:606]).
34
Die Parteien haben vereinbart, dass Klagen eines Unternehmers – wie die Klägerin – gegen das Kreditinstitut – mithin die Beklagte – aus Streitigkeiten betreffend die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und allen in- und ausländischen Geschäftsstellen des Kreditinstituts am Sitz der Hauptniederlassung des Kreditinstituts – unstreitig Salzburg und damit Österreich – erhoben werden müssen. Die Beklagte ist darüber hinaus berechtigt, ihre Rechte auch bei jedem anderen örtlich und sachlich zuständigen Gericht geltend zu machen.
35
β) Wenn die Klägerin einwendet, die Gerichtsstandsvereinbarung sei unwirksam, weil es ihr an Bestimmtheit mangele, so geht dies fehl.
36
Die Ausführungen in einer Entscheidung des EuGH, auf welche die Klägerin insoweit verweist (Urteil v. 21.05.2015, Az. C-352/13, Rz. 69 [ECLI:ECLI:EU:C:2015:335]), besagen lediglich, dass eine Prorogationsvereinbarung, die sich auf Rechtsstreitigkeiten aus Vertragsverhältnissen bezieht, nicht einen Rechtsstreit erfasst, in dem ein Vertragspartner aus deliktischer Haftung belangt wird. Darum geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht.
37
Dass die Gerichtsstandsvereinbarung hier für die gesamte Geschäftsverbindung der Parteien getroffen wurde, ist aus Bestimmheitsgesichtspunkten unbedenklich und führt nicht zu deren Unwirksamkeit. Sie schränkt lediglich ihre Geltung auf die Rechtsstreitigkeiten ein, die ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis haben, anlässlich dessen die Vereinbarung geschlossen wurde; dies soll vermeiden, dass eine Partei dadurch überrascht wird, dass die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für sämtliche Rechtsstreitigkeiten begründet wird, auch solche, die ihren Ursprung in einer anderen Beziehung als derjenigen haben, anlässlich deren die Begründung des Gerichtsstands vorgenommen wurde (EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Az. C-352/13, Rz. 68 [ECLI:ECLI:EU:C:2015:335]; Urteil v. 10.03.1992, C-214/89, Rz. 31 [ECLI:ECLI:EU:C:1992:115]).
38
bbb) Die Gerichtsstandsklausel in den AGB der Beklagten ist wirksam in die Darlehensverträge einbezogen worden und inhaltlich nicht zu beanstanden.
39
α) Dies ist allein am Maßstab von Art. 25 EuGVVO zu beurteilen. Ein Rückgriff auf nationales Recht ist insoweit verwehrt.
40
Die Einbeziehungskontrolle erfolgt ausschließlich anhand der Prüfung der autonomen Formerfordernisse der EuGVVO (Peiffer/Peiffer in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 67. EL Juni 2024, Art. 25 EuGVVO Rz. 103). Auch eine AGB-Inhaltskontrolle nach einzelrechtlichem Maßstab ist im Geltungsbereich von Art. 25 EuGVVO nicht statthaft (EuGH, Urteil v. 16.03.1999, Az. C-159/97, Rz. 46 ff. [ECLI:ECLI:EU:C: 1999:142]; OLG Hamm, Urteil v. 20.09.2005, Az. 19 U 40/05, juris Rz. 25).
41
β) Die Vereinbarung ist formwirksam, weil sie schriftlich geschlossen worden ist (Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. a) EuGVVO).
42
Eine Gerichtsstandsvereinbarung in AGB genügt nur dann der Schriftform, wenn feststeht, dass der andere Vertragsteil bei Anwendung normaler Sorgfalt von der Klausel Kenntnis nehmen konnte und seine schriftlich erteilte Zustimmung auch die in den AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung erfasst (Peiffer/Peiffer in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 67. EL Juni 2024, Art. 25 EuGVVO Rz. 152).
43
Dies ist hier der Fall. Die Beklagte wies die Klägerin in den Darlehensverträgen – hinreichend deutlich (vgl. EuGH, Urteil v. 14.12.1976, Az. Rs 24/76, Rz. 12 [ECLI:ECLI:EU:C: 1976:177]) – auf ihre AGB hin. Die Klägerin hatte die Möglichkeit, von den AGB-Kenntnis zu erlangen, sie bestätigte deren Erhalt jeweils ausdrücklich. Durch ihr Verhalten brachte die Klägerin ihre Zustimmung zu den AGB zum Ausdruck. Dies stellen die Parteien nicht infrage.
44
γ) Die Gerichtsstandsvereinbarung zeigt sich nicht – wie die Klägerin meint – als „Diktat“ mit einer unbegründeten Öffnungsklausel zu Gunsten der Beklagten.
45
Die Klägerin stößt sich dabei an der Tatsache, dass zwar Klagen eines Unternehmers gegen die Beklagte nur beim sachlich zuständigen Gericht am Sitz der Hauptniederlassung der Beklagten erhoben werden dürfen, Klagen der Beklagten gegen einen Unternehmer daneben aber auch bei jedem anderen örtlich und sachlich zuständigen Gericht geltend gemacht werden können.
46
Entgegen Klageauffassung wird der Beklagten damit aber keine Wahlmöglichkeit eingeräumt, die weder eingeschränkt noch definiert ist. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO kann sich auch auf zwei oder mehrere Gerichte zur Wahl einer der Parteien beziehen, solange die Vereinbarung wenigstens hinreichend deutliche Kriterien zur Bestimmung des Gerichts oder der Gerichte nennt (Hau in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl., Teil 5 Rz. G157). Die durch Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVVO eingeräumte Möglichkeit, auch nicht ausschließliche Gerichtsstände zu vereinbaren, umfasst auch die Vereinbarung eines Gerichtsstands, der nur zugunsten einer Partei ausschließlich wirkt, eine sogenannte asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarung (Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 9. Aufl., § 7 Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Rz. 7.127 m.w.N.; Ostendorf, IHR 2024, 221 [228]; s. auch Lehmann/Grimm, ZEuP 2013, 890 [insb. 897]). Die Parteien können sie als Ausfluss ihrer prozessualen Autonomie vereinbaren (Mankowski in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rz. 343), zumal es der benachteiligten Vertragspartei eher entgegenkommt, wenn ihr Vertragspartner sich aufgrund einer solchen Klausel dafür entscheidet, nicht an seinem eigenen Sitz, sondern am Sitz der benachteiligten Partei zu klagen (Magnus in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, IntVertrVerfR Rz. 490). Unwirksam ist lediglich eine Vereinbarung, die selbst keine Kriterien für das Gericht oder die Gerichte enthält, die zuständig sein sollen, und nur festlegt, dass eine Partei einseitig und beliebig das zuständige Gericht bestimmen kann (OLG Hamm, Urteil v. 20.09.2005, Az. 19 U 40/05, juris Rz. 32; Stadler/Krüger in: Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rz. 3a; Geimer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rz. 37b; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rz. 171; Garber in: Czernich/Geimer, Streitbeilegungsklauseln im internationalen Vertragsrecht, 1. Aufl., Teil 2. A. VII. 2. b) Rz. 45).
47
Letzteres ist hier nicht der Fall, da die Möglichkeit der Beklagten, im Gegensatz zur Klägerin neben den Gerichten am Sitz ihrer Hauptniederlassung auch andere örtlich und sachlich zuständige Gerichte in Anspruch zu nehmen, schlicht besagt, dass es insoweit mit den gesetzlich eröffneten Zuständigkeiten sein Bewenden hat.
48
δ) Auch im Übrigen ist inhaltlich gegen die Gerichtsstandsklausel nichts zu erinnern.
49
Art. 25 EuGVVO trifft keine ausdrücklichen Vorkehrungen gegen inhaltlich unangemessene Gerichtsstände (Peiffer/Peiffer in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 67. EL Juni 2024, Art. 25 EuGVVO Rz. 70).
50
Eine Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsklauseln nach nationalem Recht findet nicht statt (OLG Hamburg, Urteil v. 14.04.2004, Az. 13 U 76/03, BeckRS 2004, 4394). Gemäß Art. 67 EuGVVO könnte eine solche nur in Verbraucherfällen anhand der Vorschriften zur Umsetzung der RL 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durchgeführt werden. Die Parteien sind indes unstreitig keine Verbraucher.
51
ccc) Die Prorogationsvereinbarung ist auch nicht nach dem Recht Österreichs materiell ungültig, Art. 25 Abs. 1 S. 1 letzter Hs. EuGVVO.
52
α) Aus der Formulierung „es sei denn die Vereinbarung ist (…) materiell ungültig“ in Art. 25 Abs. 1 S. 1 letzter Hs. EuGVVO ist zu folgern, dass die materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu vermuten ist (Peiffer/Peiffer in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 67. EL Juni 2024, Art. 25 EuGVVO Rz. 113).
53
β) αα) Nach § 104 Abs. 1 S. 1 der österreichischen Jurisdiktionsnorm (JN) können sich Parteien durch ausdrückliche Vereinbarung der inländischen Gerichtsbarkeit und/oder einem oder mehreren Gerichten erster Instanz namentlich angeführter Orte unterwerfen.
54
Die Vereinbarung muss urkundlich nachgewiesen werden (§ 104 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 JN), wobei dies nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich (OGH) keine Formvorschrift, sondern eine Beweisregel darstellt (OGH, Beschluss v. 22.01.2009, Az. 2 Ob 159/08h [ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00159.08H.0122.000]; Beschluss v. 14.06.2007, Az. 2 Ob 105/07s [ECLI:AT:OGH0002:2007:0020OB00105.07S.0614.000]).
55
Dies ist sämtlich gegeben. Eine sonstige Voraussetzung muss gemäß der ausdrücklichen Bestimmung in § 104 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 JN nicht erfüllt sein.
56
ββ) Nach § 104 Abs. 4 JN kann unter anderem in Rechtssachen nach den § 81 JN die österreichische Gerichtsbarkeit nach § 104 Abs. 1 JN nicht begründet werden.
57
Gemäß § 81 Abs. 1 JN gehören neben anderem Klagen, durch welche ein dingliches Recht auf ein unbewegliches Gut, die Freiheit von einem solchem Recht oder die Aufhebung desselben geltend gemacht wird, vor das Gericht, in dessen Sprengel das unbewegliche Gut gelegen ist. Damit wurde ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand für Streitigkeiten um unbewegliches Gut, ein dinglicher Gerichtsstand (forum rei sitae), geschaffen.
58
Die Bestimmung bezweckt für unbewegliche Sachen eine Konzentration der Rechtsstreite bei dem Gericht, in dessen Sprengel die unbewegliche Sache gelegen ist. Diese beruht auf der Erwägung, dass das Gericht wegen der örtlichen Nähe eher zu einer sicheren Feststellung und Würdigung der Rechtsverhältnisse in der Lage sei (OGH, Beschluss v. 29.04.1997, Az. 1 Ob 107/97z [ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00102.97Z.0429.000]).
59
Das dingliche Recht muss nach der österreichischen Rechtsprechung indessen Klagegegenstand und darf nicht nur Klagegrund sein (OGH, Beschluss v. 27.12.2017, Az. 34 R 161/17d [ECLI:AT:LG00003:2017:03400R00161.17D.1227.000]; Beschluss v. 29.04.1997, Az. 1 Ob 107/97z [ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00102.97Z.0429.000]). Im hiesigen Rechtsstreit macht die Klägerin jedoch – nach österreichischem Rechtsverständnis – einen Anspruch auf Auszahlung eines sich allfällig ergebenden Rests des Verkaufserlöses aus einer Zwangsversteigerung nach Berichtigung aller vorgehenden Ansprüche (sog. Hyperocha) i.S.v. § 217 Abs. 2 der österreichischen Exekutionsordnung geltend. Hierbei handelt es sich aber um eine Geldforderung (OGH, Beschluss v. 30.05.2006, 3 Ob 101/06h [ECLI:AT:OGH0002:2006:0030OB00101.06H.0530.000]), welche erst durch die Zuschlagserteilung entsteht (OGH, Beschluss v. 27.02.2014, Az. 1 Ob 222/13y [ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00222.13Y.0227.000]), weil der bisherige Liegenschaftseigentümer damit sein Eigentum verliert (OGH, Beschluss v. 27.05.2010, Az. 5 Ob 81/10p [ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00081.10P.0527.000]). Folglich ist das zugrunde liegende dingliche Recht – das verlorene Grundeigentum der Klägerin – nicht selbst strittig, sondern dessen Verlust im Rahmen der Zwangsversteigerung geht dem geltend gemachten monetären Anspruch auf die Hyperocha nur voraus. Mithin handelt es sich vorliegend eindeutig nicht um eine dingliche Klage i.S.v. § 81 Abs. 1 JN.
60
γ) Die Erholung eines Sachverständigengutachtens zum österreichischen Recht durch den Senat war nicht veranlasst, wie die Klägerin meint.
61
Gemäß § 293 ZPO ist das hier das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebende österreichische Recht und dessen Inhalt von Amts wegen vom Senat zu ermitteln (BGH, Urteil v. 29.06.1987, Az. II ZR 6/87, juris Rz. 8). Zu ermitteln und anzuwenden ist dabei nicht nur das ausländische Gesetzesrecht, sondern das Recht, wie es die Richter des betreffenden Landes auslegen und anwenden (OLG Saarbrücken, Urteil v. 19.09.2001, Az. 1 U 215/01, juris Rz. 27). Dabei kann der Senat nach § 293 S. 2 ZPO alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen benutzen. Wie sich der Senat die notwendigen Erkenntnisse verschafft, liegt dabei in seinem Ermessen (BGH, Urteil v. 28.11.1994, Az. II ZR 211/93, juris Rz. 11). An die Ermittlungspflicht werden um so höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist (BGH, Urteil v. 30.04.1992, Az. IX ZR 233/90, juris Rz. 28). Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (BGH, Urteil v. 13.12.2005, Az. XI ZR 82/05, Rz. 33)
62
Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Senat durch eigene Recherchen Kenntnis des ausländischen Rechts zu verschafft, insbesondere wenn es sich – wie hier – um Normen und diese ausgestaltende Rechtsprechung des deutschsprachigen Auslands handelt (Brand in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/ Ring, BGB, Rom-Verordnungen, 4. Aufl., Das anwaltliche Mandat im internationalen Schuldrecht, Kap. III. 4. Rz. 51). Ein formloses Verfahren ist jedenfalls im Falle von eher einfach gelagerten und kurz und eindeutig zu beantwortenden Rechtsfragen sinnvoll. Nur bei schwierigen und komplexeren Fragestellungen ist erforderlich, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 293 Rz. 26). Die Hinzuziehung eines Sachverständigen kann auch dann unterbleiben, wenn die maßgeblichen Erkenntnisquellen leicht zugänglich sind (BGH, Beschluss v. 30.03.2021, Az. XI ZB 3/18, Rz. 63; Bacher in: BeckOK ZPO, 54. Ed., Stand: 01.09.2024, § 293 Rz. 18).
63
Die Hinzuziehung eines Sachverständigen war infolgedessen nicht veranlasst, weil sich die vorliegend einschlägigen Normen der – mit dem deutschen Recht eng verwandten – österreichischen Zivilrechtsordnung und die Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Österreich im Rahmen einer einfachen Recherche aus öffentlich zugänglichen Quellen ohne Weiteres ermitteln lassen und Sprachbarrieren nicht zu überwinden sind.
64
ddd) Art. 25 Abs. 4 i.V.m. Art. 19 EuGVVO, welche Gerichtsstandsvereinbarungen ausschließen, falls sie den besonderen Schutzbestimmungen für Verbrauchersachen zuwiderlaufen, sind nicht anwendbar. Beide Parteien sind unbestritten nicht Verbraucher.
65
bb) Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung der Darlehensverträge beeinflusst die von den Parteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung nicht.
66
Die Kündigung des materiell-rechtlichen Vertrags führt nicht dazu, dass die in diesem Vertrag getroffene Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit außer Kraft tritt (BGH, Urteil v. 06.12.2018, Az. IX ZR 22/18, Rz. 23). Insoweit ist zunächst zwischen einer Gerichtsstandsvereinbarung und den materiellen Bestimmungen des Vertrags, in den diese Vereinbarung eingefügt ist, zu unterscheiden. Selbst wenn geltend gemacht wird, dass der Vertrag, in dem eine gem. Art. 25 Abs. 1 EuGVVO wirksam getroffene Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ist, unwirksam sei, bleibt das Gericht eines Vertragsstaates, das in dieser Vereinbarung als zuständiges Gericht bestimmt ist, grundsätzlich für die von dieser Gerichtsstandsvereinbarung erfassten Streitigkeiten ausschließlich zuständig. Die Gerichtsstandsvereinbarung soll im Fall sämtlicher Streitigkeiten aus dem Vertrag – und gerade auch die im Fall der Beendigung entstehenden – gelten (LG München I, Urteil v. 12.02.2008, Az. 33 O 5434/07, juris Rz. 41). Daher bleibt insbesondere eine Gerichtsstandsvereinbarung auch nach der Kündigung oder Beendigung eines schuldrechtlichen Vertrags wirksam, selbst wenn sie in der gleichen Urkunde enthalten ist, Art. 25 Abs. 5 EuGVVO (Geimer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rz. 40). Dies gilt auch im Streitfall.
67
b) Zu Unrecht meint die Klägerin, dass sich die Zuständigkeit für ihre Zahlungsklage nach Art. 24 Nr. 1 EuGVVO richte und damit das Landgericht Traunstein ausschließlich zuständig und daher die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben sei.
68
aa) Nach Art. 24 Nr. 1 EuGVVO sind für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedsstaats ohne Rücksicht ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Eine Gerichtsstandsvereinbarung wäre insoweit gemäß Art. 25 Abs. 4 EuGVVO ausgeschlossen, weil sie die Zuständigkeit eines aufgrund des Art. 24 EuGVVO ausschließlich zuständigen Gerichts abbedingen würde.
69
Art. 24 Nr. 1 EuGVVO umfasst nicht alle Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die darauf gerichtet sind, Umfang oder Bestand einer unbeweglichen Sache, das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte hieran zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern (EuGH, Urteil v. 11.11.2020, Az. C-433/19, Rz. 24 [ECLI:ECLI:EU:C:2020:900]; Urteil v. 10.07.2019, Az. C-722/17, Rz. 44 [ECLI:ECLI:EU:C:2019:577]; Urteil v. 03.04.2014, Az. C-438/12, Rz. 42 [ECLI:ECLI:EU:C:2014:212]; Urteil v. 18.05.2006, Az. C-343/04, Rz. 30 [ECLI:ECLI:EU:C:2006:330]; Urteil v. 10.01.1990, Az. C-115/88, Rz. 11 [ECLI:ECLI:EU:C:1990:3]; BGH, Urteil v. 06.12.2018, Az. IX ZR 22/18, Rz. 39).
70
Es genügt nicht, dass ein solches Recht von der Klage berührt wird oder dass die Klage in einem Zusammenhang mit einer unbeweglichen Sache steht. Die Klage muss vielmehr auf ein dingliches Recht und – unbeschadet der für Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen vorgesehenen Ausnahme – nicht auf ein persönliches Recht gestützt sein (EuGH, Beschluss v. 05.04.2001, Az. C-518/99, Rz. 16 [ECLI:ECLI:EU:C:2001:209]; Urteil v. 09.06.1994, Az. C-292/93, Rz. 13 [ECLI:ECLI:EU:C:1994:241]; Urteil v. 17.05.1994, Az. C-294/92, Rz. 14 [ECLI:ECLI:EU:C:1994:193]; BGH, Urteil v. 04.08.2004, Az. XII ZR 28/01, juris Rz. 15; OGH, Beschluss v. 11.12.2007, Az. 5 Ob 267/07m [ECLI:AT:OGH0002:2007:0050OB00267.07M.1211.000]).
71
Der Unterschied zwischen einem dinglichen Recht und einem persönlichen Anspruch besteht auch hier darin, dass das dingliche Recht an einer Sache gegen jedermann wirkt, während der persönliche Anspruch nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann (EuGH, Urteil v. 03.04.2014, Az. C-438/12, Rz. 43 [ECLI:ECLI:EU:C:2014:212]; Beschluss v. 05.04.2001, Az. C-518/99, Rz. 17 [ECLI:ECLI:EU:C:2001:209]; Urteil v. 09.06.1994, Az. C-292/93, Rz. 14 [ECLI:ECLI:EU:C:1994:241]; BGH, Urteil v. 18.07.2008, Az. V ZR 11/08, Rz. 8; Urteil v. 04.08.2004, Az. XII ZR 28/01, juris Rz. 15).
72
Art. 24 Nr. 1 EuGVVO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, weil die ausschließliche Zuständigkeit dazu führen kann, dass den Parteien eine ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und sie in gewissen Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht des Wohnsitzes ist (EuGH, Urteil v. 18.05.2006, Az. C-343/04, Rz. 27 [ECLI:ECLI:EU:C:2006:330]; Urteil v. 09.06.1994, Az. C-292/93, Rz. 12 [ECLI:ECLI:EU:C:1994:241]; Urteil v. 10.01.1990, Az. C-115/88, Rz. 9 [ECLI:ECLI:EU:C:1990:3]; Urteil v. 14.12.1977, Az. C-73/77, Rz. 17/18 [ECLI:ECLI:EU:C:1977:208]; BGH, Urteil v. 18.07.2008, Az. V ZR 11/08, Rz. 9).
73
bb) Die Voraussetzungen des Art. 24 Nr. 1 EuGVVO sind vorliegend nicht erfüllt. Auf der Grundlage der oben geschilderten Rechtsprechung streiten die Parteien nicht um dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen im Sinne dieser Vorschrift.
74
Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass der von ihr geltend gemachte (weitere) Übererlösanspruch rechtlich das Surrogat (vgl. BGH, Urteil v. 11.10.1984, Az. IX ZR 111/82, juris Rz. 26) der in der Zwangsversteigerung untergegangenen Grundschuld darstellt. Der Übererlös resultiert aus der über den Sicherungszweck hinausgehenden dinglichen Belastung des Grundstücks und gebührt nach dem Sicherungsvertrag deshalb nicht dem Sicherungsnehmer, sondern dem Sicherungsgeber. Dessen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingter Anspruch auf Rückgewähr des nicht valutierten Teils der Grundschuld wandelt sich nach deren Erlöschen in der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks in einen Anspruch auf Herausgabe des Übererlöses um (stRspr., z.B. BGH, Urteil v. 18.02.1992, Az. XI ZR 134/91, juris Rz. 7; Urteil v. 19.10.1988, Az. IVb ZR 70/87, juris Rz. 38; Urteil v. 19.09.1986, Az. V ZR 72/85, juris Rz. 25; Urteil v. 11.10.1984, Az. IX ZR 111/82, juris Rz. 26).
75
Nun fällt aber – entgegen der Ansicht der Klägerin – bereits der primäre, aufschiebend bedingte Anspruch auf Rückgewähr des nicht valutierten Teils der Grundschuld nicht in den Anwendungsbereich des Art. 24 Nr. 1 EuGVVO. Eine Klage, die persönliche Ansprüche des Sicherungsgebers hinsichtlich der Rückgewähr von dinglichen Sicherheiten betrifft, ist keine Klage, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hat (BGH, Urteil v. 06.12.2018, Az. IX ZR 22/18, Rz. 39; Urteil v. 04.08.2004, Az. XII ZR 28/01, juris Rz. 16; Paulus in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 67. EL Juni 2024, Art. 24 EuGVVO Rz. 23; Schmidt in: Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 5 – Stichwort „Rückübertragung“; Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 5). Die Klägerin konnte ihren vor der Verwertung der Grundschuld gegebenen Rückgewähranspruch gerade nicht aus dem Wesen des dinglichen Rechts herleiten, sondern aus dem Sicherungsvertrag der Parteien (BGH, Urteil v. 19.10.1988, Az. IVb ZR 70/87, juris Rz. 38; Urteil v. 19.09.1986, Az. V ZR 72/85, juris Rz. 25; Urteil v. 25.03.1986, Az. IX ZR 104/85, juris Rz. 18).
76
Damit ist aber umso mehr der durch den Wegfall des Sicherungszwecks entstandene, sekundäre Anspruch der Klägerin auf Herausgabe des Übererlöses vertraglich und nicht dinglich (BGH, Urteil v. 18.02.1992, Az. XI ZR 134/91, juris Rz. 7). Er stellt mithin eine persönliche Forderung der Klägerin dar (BGH, Urteil v. 19.09.1986, Az. V ZR 72/85, juris Rz. 25).
77
Da sowohl der primäre als auch der sekundäre Anspruch jeweils aus dem geschlossenen Sicherungsvertrag resultieren, damit relativ wirken und von der Klägerin nur gegen die Beklagte geltend gemacht werden konnten/können, sind sie nicht auf ein dingliches Recht gestützt, das gegen jedermann wirkt. Damit unterfallen sie nicht Art. 24 Nr. 1 EuGVVO.
78
c) Ebenso wenig ist der ausschließliche Gerichtsstand des Art. 24 Nr. 5 EuGVVO einschlägig.
79
aa) Danach sind für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen i.S.v. Art. 2 lit. a) EuGVVO zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist.
80
Das Verfahren muss unmittelbar die Zwangsvollstreckung zum Gegenstand haben, nicht erfasst werden Klagen, die nur mittelbar damit zu tun haben (Geimer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., Art. 24 EuGGVO Rz. 33).
81
Unter Art. 24 Nr. 5 EuGVVO fallen Rechtsbehelfe, die auf eine Entscheidung über eine Beanstandung der Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen oder Urkunden, gerichtet sind (EuGH, Urteil v. 09.12.2021, Az. C-242/20, Rz. 31 [ECLI:ECLI:EU:C:2021:985]; Urteil v. 26.03.1992, Az. C-261/90, Rz. 27 [ECLI:ECLI:EU:C:1992:149]).
82
Der Grund für die Zuweisung der ausschließlichen Zuständigkeit an die Gerichte des Vollstreckungsorts liegt darin, dass die Zwangsvollstreckung hoheitlichen Charakter hat, weshalb die Anordnung und Überprüfung hierauf gerichteter Maßnahmen den Gerichten des betreffenden Staates vorbehalten bleiben soll (EuGH, Urteil v. 26.03.1992, Az. C-261/90, Rz. 26 [ECLI:ECLI:EU:C:1992:149]; OGH, Beschluss v. 29.09.2022, Az. 3 Ob 126/22h, BeckRS 2022, 28991 Rz. 7 [ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00126.22H.0929.000]).
83
Als Ausnahme von der allgemeinen Zuständigkeitsregel darf diese Bestimmung nicht weiter ausgelegt werden, als es ihre Zielsetzung erfordert (EuGH, Urteil v. 09.12.2021, Az. C-242/20, Rz. 9 [ECLI:ECLI:EU:C:2021:985]; Urteil v. 07.03.2018, Az. C-560/16, Rz. 26 f. [ECLI:ECLI:EU:C:2018:167]).
84
bb) Damit fällt die vorliegende Klage auf Auskehrung (weiteren) Übererlöses aus einem abgeschlossenen Zwangsversteigerungsverfahren nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Nr. 5 EuGVVO.
85
Sie ist nicht im Sinne der in der vorstehend angeführten Rechtsprechung auf eine Entscheidung über eine Beanstandung der Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen oder Urkunden, gerichtet. Bei einer Klage, welche wie die vorliegende die (teilweise) Auskehrung des Versteigerungserlöses zum Gegenstand hat, steht nicht mehr die eigentliche Zwangsvollstreckung im Vordergrund, sondern die materielle Rechtslage; ein direkter Ausspruch über einen staatlichen Hoheitsakt eines anderen Landes ist damit nicht verbunden (OLG Hamm, Urteil v. 11.04.2000, Az. 19 U 146/99, juris Rz. 38; Geimer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., Art. 24 EuGGVO Rz. 33). Es handelt sich um eine eigenständige Klage, die als solche weder ein Vollstreckungsverfahren noch ein Rechtsbehelf gegen ein solches Verfahren ist (vgl. für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung: EuGH, Urteil v. 09.12.2021, Az. C-242/20, Rz. 32 [ECLI:ECLI:EU:C:2021:985]; Kern in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 42).
86
3. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den EuGH – wie von der Klägerin verlangt – ist im Streitfall nicht erforderlich.
87
Dass die tatsächlich getroffene Gerichtsstandsvereinbarung im Streitfall den Maßstäben des Art. 25 EuGVVO entspricht, kann anhand der Rechtsprechung des EuGH abschließend und zweifelsfrei geklärt werden. Dazu kommt, dass die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung zur Bestimmung der in ihren Geltungsbereich fallenden Rechtsstreitigkeiten nach Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 24.10.2018, Az. C-595/17, juris Rz. 21 [ECLI:ECLI:EU:C:2018:854]; Urteil v. 21.05.2015, Az. C-352/13, Rz. 67 [ECLI:ECLI:EU:C:2015:335]) Sache des nationalen Gerichts ist, vor dem sie geltend gemacht wird – mithin des hier erkennenden Senats.
88
Ebenso orientiert sich die Auslegung von Art. 24 Nr. 1, 5 EuGVVO und dessen Anwendung im hiesigen Einzelfall durch den Senat vollumfänglich an den Vorgaben des EuGH.
89
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 2, § 711 S. 1, 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
90
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht oder die Zulassung der Revision (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
91
Wie dargestellt, liegen den vorstehenden Ausführungen die von der gemeinschaftsrechtlichen sowie der nationalen österreichischen und deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zugrunde.
92
Dazu ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), da keine besonderen Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspräche.