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AG München, Endurteil v. 23.05.2024 – 191 C 23654/23
Titel:

Rückzahlungsanspruch bei Erlebnisgutschein gegen Vermittler

Normenkette:
BGB § 275, § 323, § 326 Abs. 2, § 346
Leitsatz:
Bietet ein Vermittler gegen Entgelt einen "Erlebnisgutschein" an, mit dem der Gutscheininhaber einen Anspruch auf Durchführung des Erlebnisses gegen einen Dritten erlangt, ist der Vermittler zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet, wenn die Durchführung des Erlebnisses unmöglich wird und er den Leistungserbringer bereits bezahlt hat. (Rn. 11 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erlebnisgutschein, Vermittler, Rückzahlungspflicht, Unmöglichkeit, Annahmeverzug, Panzerfahrt, No Show
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35502

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 339,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2023 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 90,96 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 339,00 € festgesetzt.
5. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rechte des Kunden bei einem von der Beklagten vertriebenen Erlebnisvertrag.
2
Die Beklagte hat der Klägerin einen Gutschein über 342,00 € für ein Erlebnis (Schützenpanzer fahren 60 Minuten in der Nähe von O… verkauft. Dieses Erlebnis wurde letztlich nicht durchgeführt, weshalb die Klägerin von der Beklagten den Kaufpreis zurückverlangt.
3
Der Leistungserbringer für das Erlebnis sollte die „… H…“ sein, ein entsprechen – der Erlebniserbringungsvertrag kam auch mit der Klägerin zustande. Der Termin zur Durchführung der Panzerfahrt wurde zweimal vereinbart (09.10.2021, 15.03.2022), wobei der erste Termin einvernehmlich verschoben wurde; später wurde das Erlebnis vom Leistungserbringer nicht mehr angeboten.
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Die Klägerin, die sich dazu auch auf ihr zurückübertragene Ansprüche stützt, meint, dass das Erlebnis endgültig ausgefallen sei und verlangt von der Beklagten den gezahlten Preis zurück. Sie vertritt weiter die Ansicht, aus § 15, § 16 Abs. 2 AGB ergebe sich, dass letztlich noch keine „Einlösung“ des Gutscheins erfolgt sei; es komme auch die tatsächliche Durchführung des Erlebnisses an, was gerade nicht erfolgt sei.
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Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 339,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2023 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 90,96 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass sie nur Vermittlerin sei; die Vermittlung sei erfolgreich gewesen, da der Erlebniserbringungsvertrag zustande kam und der Gutschein damit eingelöst worden war. Nach den AGB des Leistungserbringers liege wegen des verstrichenen Termins am 15.03.2022 ein „No show“ vor und dessen Vergütung sei verdient. Streitigkeiten über das Bestehen des Vergütungsanspruchs seien allein zwischen der Klägerin und dem Leistungsanbieter zu klären.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteinhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

9
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
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Die Beklagte schuldet die Rückzahlung des von der Klägerin gezahlten Entgelts für das ausgefallene Erlebnis (§§ 346, 323 ff BGB; § 15 Abs. 2 AGB).
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Die für das Gericht entscheidende Frage ist, wer bei einer Leistungsstörung, die zum Ausfall des Erlebnisses führt, die Rückzahlung des vom Kunden vorab gezahlten Entgelts schuldet: Nur der Leistungserbringer oder auch die Beklagte? Die Antwort auf diese Frage betrifft nicht die Feststellung, dass die Beklagte das Erlebnis nur vermittelt und nicht selbst schuldet (wovon das Gericht ausgeht), sondern unter welchen Bedingungen die Beklagte den vorab von ihr eingezogenen Preis für das Erlebnis dem Leistungserbringer auszahlen darf. Für den vorliegenden Fall geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte die von ihr eingezogene Vergütung nicht an den Leistungserbringer hätte auszahlen dürfen, sondern diese der Klägerin zu erstatten hat.
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Dies beruht auf diesen Überlegungen:
13
1. Unstreitig wurde das von der Beklagten der Klägerin vermittelte Erlebnis tatsächlich nicht durchgeführt. Unstreitig ist weiter, dass das Erlebnis auch innerhalb des Gültigkeitszeitraums des Gutscheins nicht mehr durchgeführt werden kann, nachdem Panzerfahrten auf dem dafür vorgesehenen Gelände (aus Gründen, die von keiner Partei zu vertreten sind) nicht länger durchführbar sind. Die vom Leistungserbringer geschuldete Leistung ist daher unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB).
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2. Umstritten ist zwischen den Parteien, ob sich die Klägerin (bzw. ihr Rechtsnachfolger) wegen der Abnahme der Leistung (Panzerfahrt) im Annahmeverzug befand, nachdem zwei Termine für die Durchführung der Panzerfahrt (vor Eintreten der Unmöglichkeit) verstrichen waren. Im Einzelnen streiten die Parteien, ob der zweite Termin am 15.03.2022 einvernehmlich wieder aufgehoben wurde und ob die AGB des Leistungserbringers im (Erlebnis-)Vertrag mit der Klägerin einbezogen wurden.
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Die Klage wäre im Ergebnis unbegründet, wenn der zuletzt vereinbarte Termin (19.03.2022) mit dem Leistungserbringer nicht einvernehmlich/vertragskonform wieder aufgehoben worden wäre, die Klägerin trotz verbindlicher Buchung nicht erschienen wäre und nach dem einbezogenen AGB des Leistungserbringers (sog. no show) die vollständige Vergütung fällig geworden wäre. In diesem Fall wäre auch die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin berichtigt gewesen, den von ihr schon eingezogenen Preis an den Leistungserbringer „als fällig“ auszuzahlen (§ 4 Abs. 6 AGB). Dies ergibt sich aus der Auslegung des Erlebnisvertrages und der Interessenlage, weil in diesem Fall die Zahlung im objektiven und wohlverstandenen Interesses des Kunden liegt, weil dieser auf diesem Weg auch seine Verpflichtungen im Verhältnis zum Leistungserbringer erfüllt; der Beklagten stünde wegen des gezahlten Preises jedenfalls ein Anspruch auf Aufwendungserstattung zu (§ 670 BGB).
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3. Vorliegend liegt der Fall einer fälligen (und unstreitigen) Vergütung des Leistungserbringers aber nicht vor.
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Die Einbeziehung der AGB des Leistungserbringers ist zwischen den Parteien dieses Prozesses streitig; die Beklagte vermag weder den Einbeziehungsablauf nicht lückenlos darzustellen noch bietet sie hierfür geeignete Beweismittel an. Erst Recht kann die Beklagte den Vortrag der Klägerin nicht widerlegen, dass der Termin am 15.03.2022 einvernehmlich (individuell) aufgehoben wurde. Damit ist davon auszugehen, dass im Verhältnis der Klägerin zum Leistungserbringer kein „No Show“ vorlag.
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4. In diesem Fall ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen kein ungekürzter Anspruch des Leistungserbringers auf seine Vergütung:
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Wurde der Termin am 15.03.2022 einvernehmlich aufgehoben, fehlt es an einem Annahmeverzug der Klägerin in dem Moment als die (weiterhin) geschuldete Leistung des Leistungserbringers (Panzerfahrt) unmöglich wurde (§ 275 BGB); der Anspruch des Leistungserbringers auf die Gegenleistung (Vergütung) wäre vielmehr mit der Unmöglichkeit der eigenen Leistung entfallen (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB).
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Sollte sich die Klägerin ab dem 15.03.2022 im Annahmeverzug (§ 296 BGB) befunden haben, würde sie zwar die Gegenleistung weiterhin schulden, auch wenn dem Leistungserbringer seine Leistung später unmöglich wird (§ 326 Abs. 2 Satz 1 BGB; §§ 644, 645 BGB). Jedoch wäre die von der Klägerin geschuldete Gegenleistung um ersparte Aufwendungen zu kürzen, was hier schon wegen der ersparten Kraftstoffkosten nahe liegt. Eine ungekürzte Zahlungspflicht der Klägerin läge jedenfalls nicht vor.
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5. Die AGB der Beklagten regeln nicht, ob die Beklagte die von Kunden vorab für das Erlebnis an die Beklagte gezahlte Vergütung an den Leistungserbringer (ohne Rücksprache mit dem Kunden) auszahlen darf, wenn – wie hier – zwischen Kunde und Leistungserbringer streitig ist, ob die Vergütung fällig war oder ob die Vergütung (ohne Leistungserbringung) ganz oder teilweise fällig wurde (hier: Vorliegen des no show der Klägerin am 19.03.2022 i.V.m. den AGB des Leistungserbringers).
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In § 4 Abs. 6 AGB der Beklagten findet sich dazu keine eindeutige Regelung. Im Ansatz trifft der Standpunkt der Beklagten zwar zu, dass sie nur den Vertrag vermittelt und ihre Aufgabe erfüllt hat, wenn der Vertrag Kunde-Leistungserbringer zustandegekommen ist. Vorliegend geht es aber um die weitere Tätigkeit der Beklagten als Zahlungsvermittlerin zwischen Kunde (Klägerin) und Leistungserbringer im vermittelten (Erlebnis-)Vertrag.
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Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Leistungserbringer (nur) gegenüber der Beklagten die gebuchte Leistung „als erbracht“ abgerechnet. Im Verhältnis zum Kunden ist dies jedoch umstritten und ungeklärt. In § 4 Abs. 6 AGB der Beklagten ist (nur) der Fall geregelt, dass die „Gebühren fällig“ sind. Dies ist vorliegend streitig und die Beklagte kann diesen Nachweis nicht führen. Es fehlt daher an einer in den AGB vereinbarten Autorisierung der Klägerin gegenüber der Beklagten, die von ihr vorab gezahlte Vergütung für das Erlebnis an den Leistungserbringer auszuzahlen. Auch später hat die Klägerin nicht in die Auszahlung eingewilligt.
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6. Nachdem inzwischen feststeht, dass innerhalb der Gültigkeitsdauer des Gutscheins das Erlebnis nicht mehr stattfinden kann, ist die Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet, da der vermittelte Erlebnisvertrag nicht mehr durchgeführt werden kann (§§ 326 Abs. 1, 4, 346 BGB); die Auszahlung der Vergütung an den Leistungserbringer stellt mangels einer Autorisierung durch die Klägerin keine Erfüllung dar (kein Fall des §§ 362 Abs. 2, 185 BGB). Der Beklagten steht auch kein Gegenanspruch aus § 670 BGB, da eine Weisung der Klägerin zur Auszahlung fehlt, ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin (§ 280 Abs. 1 BGB) wird nicht dargestellt, nachdem die Auszahlung ohne vorherige Einbindung der Klägerin vorgenommen wurde. Eine eigene Vergütung der Beklagten allein für die erfolgreiche Vermittlung des Erlebnisvertrages (Provision) wurde nicht vereinbart und wurde auch von der Beklagten im Prozess nicht geltend gemacht.
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Dieser Lösung steht nicht das Argument der Beklagten entgegen, der Kunde könnte sich so beliebig viele Verträge vermitteln lassen und Termine blockieren. Die Vermittlungsleistung der Beklagten wurde mit dem Zustandekommen des ersten geschlossenen Erlebnisvertrages erbracht; weitere Verträge kann der Kunde aufgrund des insoweit „eingelösten“ Gutscheins nicht abschließen. Es geht nunmehr darum, ob dem Leistungsanbieter im vermittelten Vertrag quasi auf dessen Zuruf von der Beklagten die Vergütung ausgezahlt werden darf und der Kunde (von der Beklagten aufgezwungen) im Erlebnisvertrag (entgegen §§ 320, 641 BGB) eine ungesicherte Vorleistung erbringt. Dies ist in den AGB der Beklagten so nicht vorgesehen, so dass es nach dem Gesetz auf das Vorliegen einer tatsächlich erteilten Autorisierung der Auszahlung durch den Kunden ankommt, an der es vorliegend fehlt.
26
7. Die Nebenforderung ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB.
II.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung wurde nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO zugelassen.