Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 04.12.2024 – Ws 800/24
Titel:

Verlängerung der Führungsaufsicht aufgrund von Erkenntnissen aus einem Ermittlungsverfahren

Normenkette:
StGB § 68b, § 68c
Leitsatz:
Wird die unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht darauf gestützt, dass sich aus dem Verstoß gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus dem deshalb geführten Ermittlungsverfahren nicht entgegen, dass der Verurteilte deswegen bislang nicht rechtskräftig verurteilt worden oder geständig ist (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung im Senatsbeschluss vom 02.05.2018, 1 Ws 126/18). (Rn. 22 – 27)
Schlagworte:
Führungsaufsicht, Verlängerung, Ermittlungsverfahren, Rechtskraft, Geständnis
Vorinstanz:
LG Regensburg vom -- – SR StVK 963/17
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35481

Tenor

1. Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der auswärtigen kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 19.08.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
1
Mit Urteil vom 23.11.2015 verhängte das Landgericht Regensburg gegen den Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, davon in vier Fällen mit vorsätzlicher Körperverletzung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Verurteilte an seiner damaligen Lebensgefährtin gegen deren Willen in vier Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr und in einem Fall den analen Geschlechtsverkehr vollzog, wobei er ihr in vier Fällen körperliche Schmerzen zufügte.
2
Der Beschwerdeführer hat die Freiheitsstrafe bis 29.07.2019 vollständig verbüßt. Die Führungsaufsicht endete am 09.10.2024.
3
Mit Beschluss vom 11.04.2019 ordnete das Landgericht Regensburg an, dass die mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Strafvollzug gemäß § 68f Abs. 1 S. 1 StGB eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt (vgl. § 68f Abs. 2 StGB). Für die Dauer der Führungsaufsicht, deren Höchstfrist von fünf Jahren die Kammer nicht abkürzte (vgl. § 68c Abs. 1 StGB), unterstellte sie den Beschwerdeführer der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers und erteilte ihm verschiedene strafbewehrte und nicht strafbewehrte Weisungen, unter anderem ein strafbewehrtes Kontaktverbot zum Tatopfer (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB), eine strafbewehrte Vorstellungsweisung bei der Fachambulanz für Sexualstraftäter (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB) und eine nicht strafbewehrte Therapieweisung bei der Fachambulanz für Sexualstraftäter (§ 68b Abs. 2 StGB).
4
Mit Beschluss vom 05.04.2024 ergänzte das Landgericht den Führungsaufsichtsbeschluss vom 11.04.2019 um die strafbewehrte Weisung Ziffer 4.f), jeglichen Kontakt (gleich auf welche Weise, persönlich, schriftlich oder mittels Kommunikationseinrichtungen) zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin B. zu unterlassen. Mit Beschluss vom 02.05.2024 ergänzte die Kammer die letztgenannte Weisung dahingehend, dass der Verurteilte jeglichen Kontakt (gleich auf welche Weise, persönlich, schriftlich oder mittels Kommunikationseinrichtungen oder über Dritte) zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin B. zu unterlassen hat.
5
Die Staatsanwaltschaft R. beantragte mit Verfügung vom 24.05.2024, die Führungsaufsicht unbefristet zu verlängern und Weisungen zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung zu erteilen.
6
Das Landgericht Regensburg gab mit Verfügung vom 26.06.2024 dem Verurteilten rechtliches Gehör, auch zur Bestellung eines Pflichtverteidigers, ordnete ihm mit Verfügung vom 08.07.2024 einen Pflichtverteidiger bei, gewährte dem Verteidiger Akteneinsicht und gewährte Gelegenheit zur Stellungnahme.
7
Am 24.07.2024 erließ das Amtsgericht Nürnberg in einem neuen gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft N.-F.(257 Js 15151/24) Haftbefehl gegen den Verurteilten wegen des Verdachts des besonders schweren Falls der Nachstellung zum Nachteil seiner ehemaligen Lebensgefährtin, begangen vom 29.11.2023 bis 22./23.06.2024. Der Verurteilte wurde am 01.08.2024 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
8
Mit Beschluss vom 19.08.2024 verlängerte die Strafvollstreckungskammer die Führungsaufsicht gegen den Beschwerdeführer gemäß § 68c Abs. 3 S. 1 Nr. 2a StGB unbefristet (Ziff. 1) und erteilte ihm neben den bestehenden Weisungen für die Dauer der Führungsaufsicht die strafbewehrten Weisungen, sich gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB die zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung erforderlichen technischen Mittel anlegen zu lassen, diese ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen (Ziff. 2.a) und dass er sich gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB nicht in den drei Verbotszonen in ... aufhalten darf, die sich aus den dem Beschluss beigefügten Anlagen 1-4 ergeben (Ziff. 2.b). Zudem erteilte die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten die nicht strafbewehrten Weisungen nach § 68b Abs. 2 StGB, ein ihm im Rahmen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen, dessen Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen (Ziff. 3.a) und die im Rahmen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung einzusetzende Home-Unit in seiner Wohnung aufstellen zu lassen und an der Beseitigung von Störungen der technischen Mittel für die elektronische Aufenthaltsüberwachung durch Vor-Ort-Service der Fa. S., M., mitzuwirken (Ziff. 3.b).
9
Zur Begründung führte die Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen aus, es seien aufgrund von Weisungsverstößen und bestimmter Tatsachen konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten durch den Verurteilten gegeben. Nach den bisherigen Erkenntnissen aus Ermittlungsberichten der Polizeiinspektion ... , aus den Berichten der Bewährungshelferin und der Fachambulanz für Sexualstraftäter habe der Verurteilte in einer Vielzahl von Fällen in Kenntnis des entgegenstehenden Willens seiner ehemaligen Lebensgefährtin trotz eines Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz und trotz des strafbewehrten Kontaktverbots durch die Strafvollstreckungskammer Kontakt zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin, welcher sein Vorleben bekannt ist, und zu deren Kindern aufgenommen. Beim Verurteilten zeigten sich – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gutachtens des Sachverständigen E. vom 29.09.2015 im Anlassverfahren in Übereinstimmung mit dem Bericht der Fachambulanz für Sexualstraftäter vom 17.04.2024 Züge einer dissozialen Persönlichkeit mit Impulsivität, geringer Frustrationstoleranz, hoher Selbstbezogenheit, Defiziten in der Beziehungsfähigkeit, antisozialen Zügen und geringer Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub. Deshalb seien weitere Straftaten, namentlich Nachstellung, aber auch Eskalationen wie Vergewaltigungen, zu befürchten. Nur durch die Anordnung der unbefristeten Führungsaufsicht und der genannten Weisungen könne dies verhindert werden.
10
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30.08.2024 hat der Verurteilte „sofortige Beschwerde“ gegen den Beschluss eingelegt, die er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.10.2024 begründet hat. Der Verurteilte macht geltend, Straftaten der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Art seien von ihm nicht zu befürchten. Die Weisungen seien unverhältnismäßig und unbestimmt.
11
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 04.09.2024 den Vorgang zur Entscheidung vorgelegt.
12
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 04.10.2024 hat der Verurteilte klargestellt, dass er sich gegen Ziffer 1. des Beschlusses des Landgerichts Regensburg vom 19.08.2024 und die Weisungen in Ziffern 2.a), 2.b), 3.a) und 3.b) wendet.
II.
13
Das gegen die unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht und gegen die Weisungen der Führungsaufsicht gerichtete Rechtsmittel ist gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO als Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 304 StPO). Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
14
1. Soweit die Strafvollstreckungskammer eine Abhilfeentscheidung unterlassen hat, steht dies einer sofortigen Entscheidung des Senats über die Beschwerde nicht entgegen, weil die Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung darstellt.
15
2. Die Führungsaufsicht ist unbefristet zu verlängern.
16
a. Die angefochtene Entscheidung der Verlängerung der Führungsaufsicht unterliegt der unbeschränkten Nachprüfung durch das Beschwerdegericht; die Einschränkungen nach § 453 Abs. 2 S. 2 1. Alt. in Verbindung mit § 463 Abs. 2 StPO für Beschwerden gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht gelten insoweit nicht. Für Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68d – und damit auch nach dem hier in Rede stehenden § 68c Abs. 3 S. 1 Nr. 2a StGB – verweist § 463 Abs. 2 StPO wegen des Verfahrens und der Rechtsmittel auf § 453 StPO. Dessen Abs. 2 S. 2 1. Alt. StPO beschränkt die Überprüfung von Anordnungen auf die Frage, ob sie gesetzwidrig sind. Von dieser Einschränkung ausgenommen ist gemäß § 453 Abs. 2 S. 2 2. Alt. StPO allerdings explizit der Sonderfall einer Verlängerung der Bewährungszeit (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.01.2019, 2 Ws 855/18, juris Rn. 13, 18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.12.1999, 3 Ws 252/99, juris Rn. 4). Einzig diese den Verurteilten besonders belastende Entscheidung – nicht hingegen eine Ablehnung der Verlängerung oder dergleichen – stellt das Gesetz zur umfassenden Überprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. OLG Nürnberg, a. a. O.; OLG Stuttgart, a. a. O.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 453 Rn. 11). Entsprechendes gilt über § 463 Abs. 2 StPO für die nachträgliche unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht (vgl. OLG Nürnberg, a. a. O.).
17
Damit ist dem Senat ein eigenes Ermessen nach § 68c Abs. 3 S. 1 StGB eröffnet; denn angesichts des unbeschränkten Prüfungsumfangs tritt an die Stelle der von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Ermessensentscheidung eine Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts.
18
b. Der Senat teilt die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, dass die Führungsaufsicht nach § 68c Abs. 3 S. 1 Nr. 2a StGB unbefristet zu verlängern ist. Das Beschwerdevorbringen steht dem nicht entgegen.
19
aa. Die formellen Voraussetzungen der genannten Vorschrift sind erfüllt. Der Beschwerdeführer war unter anderem wegen – von § 181b StGB erfasster – Straftaten nach den §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB in der zur Zeit des Anlassurteils geltenden Fassung verurteilt worden und stand nach vollständiger Verbüßung der deshalb gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren unter Führungsaufsicht. Die Strafvollstreckungskammer hat die Führungsaufsicht auch vor dem Ende der befristeten Führungsaufsicht am 09.10.2024 unbefristet verlängert.
20
bb. Es bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass von dem Beschwerdeführer eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist.
21
(1) Aus dem Verlauf der Führungsaufsicht ergeben sich konkrete Erkenntnisse, die eine derartige Erwartung rechtfertigen. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Aus den Erkenntnissen aus Ermittlungsberichten der Polizeiinspektion ... , aus den Berichten der Bewährungshelferin und der Fachambulanz für Sexualstraftäter und den Feststellungen des Anlassurteils sowie des dort erholten fachpsychiatrischen Gutachtens hat der Verurteilte durch die íntensiven Kontaktaufnahmen zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin im Zeitraum vom 29.11.2023 bis 22./23.06.2024 hinreichend dokumentiert, dass er nicht bereit ist, von seiner ehemaligen Lebensgefährtin abzulassen, „egal, was diese wolle“. Durch die persönliche räumliche Annäherung an die Geschädigte, Anrufe mit „Keuchen und Stöhnen“ am Telefon lässt der Verurteilte deliktnahes Verhalten entsprechend dem Anlassdelikt, bei dem es sich um eine Beziehungstat handelte, erkennen, so dass unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten mit dissozialen Zügen, häufigen Regelverletzungen, fehlendem Schuldbewusstsein, geringer Frustrationstoleranz, geringer Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub und Impulsivität nicht nur mit massiven Nachstellungshandlungen, durch die die Opfer psychisch schwer geschädigt werden können, zu rechnen ist, sondern auch mit Eskalationen wie einer erneuten Vergewaltigung.
22
(2) Der Verwertung der Erkenntnisse aus dem vorgenannten Ermittlungsverfahren steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer deswegen bislang nicht rechtskräftig verurteilt worden oder geständig ist.
23
Den Vollstreckungsgerichten ist es nicht verwehrt, im Rahmen der von ihnen zu treffenden Prognoseentscheidungen ein die Rechtsordnung möglicherweise verletzendes Verhalten des Betroffenen zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anknüpfungspunkt das Verhalten als solches und nicht dessen strafrechtlicher Gehalt ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21.10. 2020, 2 BvR 2473/17, juris Rn. 54, und vom 16.06.2005, 2 BvR 841/05, juris Rn. 5).
24
Anders als für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung bedarf es für die Entfristung der Führungsaufsicht keines rechtskräftigen Schuldnachweises oder glaubhaften richterlichen Geständnisses (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.01.2019, 5 Ws 221/18, juris). An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung (Beschluss vom 02.05.2018, 1 Ws 126/18, Rn. 20, 21, juris) hält der Senat nicht fest.
25
(a) Dieses Erfordernis ist weder dem Wortlaut des § 68c Abs. 3 S. 1 Nr. 2a StGB zu entnehmen noch dem Sinn des Instituts der Führungsaufsicht. Abweichend von § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB ist Voraussetzung des § 68c Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht, dass eine Straftat begangen wurde, sondern dass ein Verstoß gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 oder 2 StGB oder andere bestimmte Tatsachen vorliegen. Bei so einem Verstoß oder solchen Tatsachen muss es sich aber nicht um Straftaten handeln, es kann sich auch um einen Weisungsverstoß oder eine sonstige Tatsache handeln. Eine Würdigung des Verstoßes im Wege des Freibeweises im Verfahren zur Anordnung der unbefristeten Führungsaufsicht verstößt daher nicht gegen die Unschuldsvermutung. Darauf, ob sich der Verurteilte damit auch strafbar gemacht hat, kommt es für die unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich aus dem gezeigten Verhalten ergibt, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist.
26
(b) Zudem kann die Führungsaufsicht auch aufgrund eines Verstoßes gegen eine nach § 68b Abs. 2 StGB erteilte Weisung unbefristet verlängert werden, der keine Strafbarkeit nach § 145a StGB sich zieht. In diesen Fällen kommt es somit nie zu einer rechtskräftigen Feststellung des Weisungsverstoßes.
27
(c) Dasselbe gilt, wenn sich Befürchtung der Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten aus anderen bestimmten Tatsachen ergibt, die keinen Straftatbestand erfüllen.
28
3. Die angefochtenen Weisungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
29
a. Nach § 453 Abs. 2 S. 2 StPO kann die Beschwerde über die Ausgestaltung der Führungsaufsicht nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung gesetzeswidrig ist. Dies ist der Fall, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschritten werden (vgl. OLG Bamberg, StV 2012, 737-740, juris Rn. 13).
30
b. Die Erteilung der Weisungen hinsichtlich der elektronischen Aufenthaltsüberwachung in Ziff. 2.a und 3.a) und b) des angefochtenen Beschlusses lässt keine Rechtsfehler erkennen.
31
aa. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die elektronische Aufenthaltsüberwachung angeordnet werden kann.
32
(1) Die formellen Voraussetzungen des § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 12, S. 3 Nr. 1 und 2, S. 4 StGB liegen vor. Die Führungsaufsicht ist gemäß § 68f StGB aufgrund der vollständigen Verbüßung der Strafe von vier Jahren aus der Verurteilung des Landgerichts Regensburg vom 23.11.2015 wegen einer Tat nach § 66 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 1a StGB – nämlich § 177 StGB – eingetreten.
33
(2) Aus den im angefochtenen Beschluss ausführlich und nachvollziehbar dargelegten Gründen besteht auch die Gefahr, dass der Verurteilte weitere Straftaten der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Art begehen wird (§ 68b Abs. 1 S. 3 Nr. 3 StGB). Aufgrund des dort geschilderten Verhaltens des Verurteilten in Bezug auf seine frühere Partnerin, bei dem er die ihm auch gerichtlich gesetzten Grenzen überschreitet und nicht bereit ist, die Trennung von ihr zu akzeptieren, ist zu befürchten, dass seine Handlungen weiter eskalieren und er, wie bei der Anlasstat, die er ebenfalls zum Nachteil seiner damaligen Lebensgefährtin begangen hat, erneut schwere Sexualstraftaten wie Vergewaltigung begehen wird.
34
(3) Die Einholung eines auf diese Fragestellung bezogenen Prognosegutachtens ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Auch im Hinblick auf die Amtsaufklärungspflicht ist sie entbehrlich, wenn im Einzelfall ohne ein solches Gutachten eine hinreichende Prognosegrundlage besteht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2012, III-2 Ws 190/12, juris Rn. 71; OLG München, Beschluss vom 24.06.2015, 4 Ws 405/15, juris Rn. 66 f.). Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 17/3403, S. 37).
35
Ein auf die Voraussetzungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung bezogenes Prognosegutachten ist vorliegend entbehrlich, da die Prognose aufgrund der Erkenntnisse des Ausgangsgutachtens in Verbindung mit dem Bericht der den Verurteilten seit Jahren betreuenden Fachambulanz für Sexualstraftäter zuverlässig beurteilt werden kann.
36
Soweit die Kammer im Ergebnis zu dem Schluss gelangt ist, dass sich an dieser Einschätzung auch durch den während der Führungsaufsicht durchlaufenen Therapieprozess bei der Fachambulanz für Sexualstraftäter nichts ändert, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Denn nach Ende der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin ist der Verurteilte in sein altes Verhaltensmuster zurückgefallen, woran Kontaktverbote und Gefährderansprachen nichts zu ändern vermochten. Rückfallvermeidungsstrategien hat der Verurteilte nicht mehr angewandt.
37
Die für diese Einschätzung erforderliche Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Verlaufs der Führungsaufsicht konnte das Landgericht in diesem Fall aufgrund des vorangegangenen Gutachtens sowie der polizeilichen Ermittlungsberichte, der Berichte der Bewährungshilfe und der Fachambulanz auch ohne Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens treffen.
38
(4) Die Strafvollstreckungskammer ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Weisung auch erforderlich erscheint, um den Verurteilten durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Abs. 4 S. 2 StPO, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach S. 1 Nr. 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 S. 1 genannten Art abzuhalten (§ 68b Abs. 1 S. 3 Nr. 4 StGB).
39
Dem Verurteilten wurde zugleich verboten, sich in bestimmten Gebieten aufzuhalten, was die Kontaktaufnahme zu seiner früheren Partnerin erschwert und sein Entdeckungsrisiko und damit die Abschreckungswirkung für den Verurteilten erhöht.
40
(5) Im Anschluss an die Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sind auch die Folgeweisungen in Ziff. 3.a) und b) rechtlich nicht zu beanstanden.
41
c. Auch die Weisung, sich in drei genauer definierten Verbotszonen nicht aufhalten zu dürfen (Ziff. 2.b) nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB begegnet aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen keinen rechtlichen Bedenken. Sie genügt insbesondere aufgrund der klar definierten Lagepläne mit Straßenabgrenzungen, die Bestandteil des Beschlusses sind, dem Bestimmtheitserfordernis und ist angesichts der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr für seine frühere Partnerin und deren Kind auch verhältnismäßig.
42
d. Dass sich der Verurteilte in Untersuchungshaft befindet und deshalb derzeit von ihm keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, ändert daran nichts. Es ist nicht absehbar, wie lange die Untersuchungshaft angeordnet bleibt. Es ist Vorsorge zu treffen für den Fall einer kurzfristigen Entlassung.
43
4. Die Entscheidungen konnten gemäß § 68d Abs. 1 StGB auch nachträglich getroffen werden, da aufgrund der Trennung des Verurteilten von seiner Partnerin und seinem daran anschließenden Verhalten neue Tatsachen eingetreten sind, die eine Abänderung der früher getroffenen Regelungen erfordert.
III.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.