Inhalt

AG Erlangen, Endbeschluss v. 13.09.2024 – 1 F 1602/23
Titel:

Durchsetzung einer Abstammungsuntersuchung

Normenkette:
BGB § 1598a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Auch wenn die Klärung der Abstammung ein Element in einem zwischen den Beteiligten geführten heftigen Streit darstellt, ist sie allein deshalb nicht als Rechtsmissbrauch zu beurteilen. (Rn. 20) (red. LS Axel Burghart)
2. Reines Zuwarten der Geltendmachung trotz Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen kann bei einem Anspruch nach § 1598a BGB nicht zur Verwirkung führen, da dies gerade Regelungsinhalt der Verjährung ist und der Anspruch nicht der Verjährung unterliegt. (Rn. 22) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Abstammung, Abstammungsuntersuchung, Probeentnahme, Rechtsmissbrauch, Verwirkung
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.12.2024 – 11 WF 930/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35472

Tenor

1. Die Zustimmung der Antragsgegnerin zu 1 (Mutter) und der Antragsgegnerin zu 2 (Kind) in eine .durchzuführende genetische Abstammungsuntersuchung werden ersetzt und die Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten Probe, die nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden muss, Wird angeordnet.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert für das Verfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gegenstand des Verfahrens ist die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung.
2
Der Antragsteller ist der rechtliche Vater der Antragsgegnerin zu 2.
3
Mit Schreiben vom 25.04.2023 und 22.05.2023 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zu 2 zur Zustimmung zur DNA-Untersuchung auf.
4
Mit Schreiben vom 02.06.2023 forderte er Antragsteller die Antragsgegnerin zu 1 zur Zustimmung zur DNA-Untersuchung auf.
5
Die Antragsgegnerin zu 1 und die Antragsgegnerin zu 2 verweigerten die Zustimmung.
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Der Antragsteller beantragt,
dass das Familiengericht die nach wie vor sowohl von der beteiligten Kindesmutter … als auch von der beteiligten Tochter … erteilte Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung ersetzt und eine Probeentnahme anordnet.
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Die Antragsgegnerin zu 1 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
8
Die Antragsgegnerin zu 2 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
9
Die Antragsgegnerin zu 1 und die Antragsgegnerin zu 2 sind der Meinung, der Anspruch bestehe nicht, da die Geltendmachung rechtsmissbräuchlich sei und zudem verwirkt sei. Der Antragsteller übe Psychoterror aus, indem er den Beteiligten nachstelle, regelmäßig an den Wohnorten der Beteiligten vorbeifahre und sie beleidige. Ferner habe er bereits im Jahr 2015 die Kinder als Bastarde bezeichnet und einen DNA-Test gefordert und auch vor fünf Jahren zweifelte er die Vaterschaft an, den Anspruch mache der Antragsteller aber erst jetzt geltend. Der Antrag sei ein Versuch wieder in Kontakt mit der Familie zu treten.
10
Das Gericht hat die Beteiligten des Verfahrens zur Abstammungssache angehört. .
11
Der nach §§ 1598a BGB, 169 ff FamFG zulässige Antrag auf Ersetzung der Einwilligung zur DNA-Untersuchung ist begründet.
12
Das Amtsgericht Erlangen ist gemäß §§ 2, 111 Nr. 3, 169 Nr. 2, 170 Abs. 1 FamFG zuständig.
13
Der Antrag auf Anordnung der Probeentnahme bzw. die Antragsgegnerinnen zur Probeentnahme zu verpflichten, ist als Antrag auf Anordnung der Duldung der Probeentnahme auszulegen.
14
Der geltend gemachte Anspruch des Antragstellers besteht gemäß § 1598 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB.
15
Hiernach hat jeder rechtliche Vater das Recht auf eine genetische Abstammungsuntersuchung, als niederschwellige legale Möglichkeit die Abstammungsverhältnisse zu klären ohne Auswirkungen auf die rechtliche Statuszuordnung zu haben. Der Antragsteller kann daher die Zustimmung zur Untersuchung und die Duldung der Probeentnahme von der Antragsgegnerin zu 1 als Mutter und der Antragsgegner zu 2 als Tochter verlangen.
16
Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen.
17
Ein Rechtsmissbrauch liegt vorliegend nicht vor.
18
Ein Rechtsmissbrauch als Schranke der Antragsbefugnis ist zutreffend dann bejaht worden, wenn eine auf Vaterschaftsanfechtung gerichtete Klage bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist auf Grundlage eines Abstammungsgutachtens, welches nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstattet worden ist und ein eindeutiges Ergebnis hat.
19
Im Übrigen wird die Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Interessen höchst selten gegen Treu und Glauben verstoßen (OLG Düsseldorf, JAmt 2011, 31 unter Hinweis auf Wellenhofer, NJW 2008, 1185 [1187]). Dies ist auch im vorliegenden Fall zu verneinen.
20
Zwar wird vorgetragen, dass der Antragsgegner durch das Verfahren den Kontakt zur Familie wieder aufnehmen möchten und der Familie nachstelle und diese beleidige. Für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten muss die Geltendmachung des Anspruchs der Erreichung allein sachfremder Zwecke dienen, wie etwa die Schädigung und Gängelung der Anspruchsverpflichteten. Zwar waren die abgeschlossenen Verfahren zwischen den Beteiligten wohl erheblich streitbelastet und es bestehen auch weiterhin Konflikte zwischen den Beteiligten; nicht jeder sachfremde, dem Klärungsinteresse mitschwingende Zweck stellt aber einen Missbrauch des geltend gemachten Rechts dar. Werden gesetzeskonforme Zwecke verfolgt, d.h. die Klärung der genetischen Abstammung, so steht dies mit der Rechtsordnung in Einklang, auch wenn die Klärung der Abstammung ein Element in einem zwischen den Beteiligten geführten heftigen Streit darstellt (vgl. Auch OLG München FPR 2011, 405 (406)). Die vorgetragenen Beleidigungen und Nachstellungen genügen nicht um ein reines Schädigungsinteresse des Antragstellers durch die Geltendmachung des Anspruchs darzulegen. In den letzten fünf Jahren wurden keine familiengerichtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten geführt. Das Bedürfnis wieder Kontakt mit der Familie aufnehmen zu wollen, steht der Geltendmachung nicht entgegen, auch wenn die übrigen Beteiligten diesen Kontakt ablehnen.
21
Der Anspruch ist auch nicht verwirkt.
22
Die Verwirkung des Anspruchs kann in Betracht kommen, wenn neben einem Zeitmoment ein sog. Umstandsmoment vorliegt, welches dazu führt, dass mit der Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr gerechnet werden musste. Nachdem gerade keine. Fristbindung für die Geltendmachung des Anspruchs seitens des Gesetzgebers gewollt war, sind an das Umstandsmoment umso höhere Voraussetzungen zu stellen. Der Antragsteller müsste also vorliegend bei der Antragsgegnerin zu 1 und der Antragsgegner zu 2 durch sein Verhalten, die Erwartung unterhalten haben, dass er den Anspruch nicht mehr geltend machen wird. Dies ist vorliegend nicht der Fäll. Vielmehr hat der Antragsteller sowohl im Scheidungsverfahren im Jahr 2015 als auch vor fünf Jahren an der Vaterschaft gezweifelt. Eine zwischenzeitliche Versöhnung oder anderweitige Klärung der Zweifel, was ein Vertrauen in die Nichtgeltendmachung geschaffen haben könnte, erfolgte nicht. Vielmehr wurde der Anspruch trotz der geäußerten Zweifel erst jetzt geltend gemacht. Durch ein reines Zuwarten der Geltendmachung trotz Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, kann bei einem Anspruch nach § 1598 a BGB jedoch nicht zur Verwirkung führen, da dies gerade Regelungsinhalt der Verjährung ist und der Anspruch eben nicht der Verjährung unterliegt gemäß § 194 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Kosten und Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
24
Die Festsetzung des Verfahrenswertes wegen Abstammungssachen beruht auf § 47 FamGKG.