Titel:
Kostenentscheidung in einer Abstammungssache
Normenketten:
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, § 183
BGB § 1598a
Leitsatz:
Erfolgt die Verpflichtung zur Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung nach vergeblicher außergerichtlicher Aufforderung, entspricht es grundsätzlich der Billigkeit, dem Verpflichteten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. (Rn. 17)
Schlagworte:
Abstammung, Kostenentscheidung, Abstammungsuntersuchung
Vorinstanz:
AG Erlangen, Endbeschluss vom 13.09.2024 – 1 F 1602/23
Fundstellen:
FamRZ 2025, 464
BeckRS 2024, 35471
LSK 2024, 35471
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers wird der Tenor zu 2. des Endbeschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Erlangen vom 13.09.2024, Az.1 F 1602/23, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Antragsgegnerinnen tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers jeweils zur Hälfte. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
II. Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Kostenentscheidung in einer Abstammungssache.
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Mit am 15.12.2023 beim Amtsgericht – Familiengericht – Erlangen eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller – nach vergeblicher außergerichtlicher Aufforderung beider Antragsgegnerinnen – Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung seiner Tochter, der Antragsgegnerin zu 2, beantragt. Er sei sich sicher, dass die Antragsgegnerin zu 2 nicht seine leibliche Tochter sei.
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Ihre Mutter, die Antragsgegnerin zu 1 und geschiedene Ehefrau des Antragstellers, hat eingewendet, dass der Antragsteller seine Vaterschaft bereits im Verfahren 3 F 1091/18 angezweifelt habe. Er stelle ihr und der Antragsgegnerin zu 2 nach. Jeder habe das Recht auf Bestimmung der Abstammung; in diesem Fall gehe es jedoch nur um Psychoterror. Die ehelichen Kinder, auch die Antragsgegnerin zu 2, seien leibliche Kinder des Antragstellers. Offensichtlich handele es sich um einen Versuch, Kontakt zu der Familie herzustellen. Sie wende Verfristung und Verwirkung eines etwaigen Anspruches des Antragstellers auf Feststellung oder Anfechtung der Vaterschaft ein und beantragt, den Antrag abzuweisen. Im Termin vor dem Amtsgericht am 03.05.2024 hat sie erklärt, dass ihre Tochter, die Antragsgegnerin zu 2, keine DNA-Probe abgeben wolle. Sie selbst wolle dies auch nicht, würde es zur Not aber machen. Die Kinder seien bereits mündlich aufgefordert worden, einen DNA-Test durchzuführen. Dann aber sei dieses Begehren nicht mehr verfolgt worden.
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Die Antragsgegnerin zu 2 hat erklärt, sich gegen einen DNA-Test auszusprechen, weil sie von ihrem Vater keine Fürsorge, Liebe und Geborgenheit erfahren habe. Der Antrag komme zu spät, der Antragsteller habe sie und ihre Geschwister bereits vor fünf Jahren als „Bastarde“ beschimpft.
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Der Antragsteller hat darauf verwiesen, dass er lediglich die Zustimmung zu einem Vaterschaftstest nach § 1598a BGB begehre. Im Eilverfahren wegen Gewaltschutz 3 F 1091/18 habe er emotional auf ein Schreiben der Antragsgegnerin zu 1 reagiert, weil diese von „meiner Tochter C…“ gesprochen habe, nicht aber ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert. Wenn er etwas Unangebrachtes gesagt habe, sei das während des Scheidungsprozesses gewesen. 2023 habe er einen Hinweis bekommen, welcher ihm die Augen geöffnet habe. Er habe bis zur Scheidung nie Zweifel an der Vaterschaft gehabt. Die Kosten des Verfahrens, das durch außergerichtliche Einwilligung hätte vermieden werden können, sollten den Antragsgegnerinnen auferlegt werden.
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Mit Endbeschluss vom 13.09.2024 hat das Familiengericht die Zustimmung der Antragsgegnerin zu 1 (Mutter) und der Antragsgegnerin zu 2 (Kind) in eine durchzuführende genetische Abstammungsuntersuchung ersetzt und die Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten Probe, die nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden muss, angeordnet. Der Tenor zu 2. lautet: „Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben“. Die Kostenentscheidung beruht, so der Endbeschluss, auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
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Gegen die Kostenentscheidung des Endbeschlusses, welcher seiner Bevollmächtigten am 13.09.2024 zugestellt worden ist, wendet sich der Antragsteller mit seiner am [Montag, den] 14.10.2024 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Die Antragsgegnerin zu 1 sei die Einzige, die sicher wisse, wer der Vater der Antragsgegnerin zu 2 sei. Er beantrage, die Kosten den Antragsgegnerinnen zuzuweisen.
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Die Antragsgegnerinnen haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, sich im Beschwerdeverfahren aber nicht geäußert.
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Die Beschwerde ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) und auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 63 Abs. 1 und Abs. 3, § 64 Abs. 1 und Abs. 2, § 16 Abs. 2 FamFG, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB) und der Beschwerdeführer in seinen Rechten betroffen und damit beschwerdeberechtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG). Da es sich bei dem zugrundeliegenden Abstammungsverfahren um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, ist eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung möglich, und zwar unabhängig vom Erreichen eines Mindestbeschwerdewerts (vgl. BGH NJW 2013, 3523). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Das Familiengericht hat seine Kostenentscheidung auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG gestützt, ohne die Gründe hierzu näher darzulegen. Daher hat das Beschwerdegericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Es kann dahinstehen, ob eine Ermessensentscheidung des Familiengerichts in vollem Umfang der Überprüfung des Beschwerdegerichts obliegt, so dass das Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen auszuüben hat, oder ob sie nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
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2. Die Kostenentscheidung im Abstammungssachen richtet sich nach den Grundsätzen des § 81 FamFG, weil die Sondervorschrift in § 183 FamFG lediglich für erfolgreiche Anfechtungsverfahren eine spezielle Vorschrift enthalten, namentlich, dass die Beteiligten mit Ausnahme des minderjährigen Kindes die Gerichtskosten zu gleichen Teilen und ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
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Nach § 81 Abs. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist.
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a) Zwar ist das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BT-Drs. 16/6308, 215). Dies gilt vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht. Das Verfahren in Abstammungssachen ist nach der gesetzlichen Neuregelung in den §§ 169 ff. FamFG nicht mehr als streitiges Verfahren, das nach den Regelungen der ZPO geführt wird, sondern als ein einseitiges Antragsverfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Neben einer größeren Flexibilität des Verfahrens wollte der Gesetzgeber hierdurch erreichen, dass sich die Beteiligten in Abstammungssachen nicht als formelle Gegner gegenüberstehen (vgl. BT-Drs. 16/6308, 243).
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b) Das Verfahren nach § 1598a BGB, d.h. die Ermittlung der biologischen Vaterschaft ohne statusrechtliche Konsequenzen, nimmt unter den Abstammungssachen indes eine Sonderrolle ein.
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Zweck des § 1598a BGB ist in erster Linie die Durchsetzung des nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung/Abkömmlinge und somit die Klärung der genetischen Abstammung. Der Gesetzgeber orientiert sich hierbei klar an den Vorgaben des BVerfG. Zur Verwirklichung des Klärungsinteresses schafft § 1598a BGB einen Anspruch von Vater, Mutter und Kind gegen die jeweils anderen beiden Personen auf Einwilligung in die Abstammungsuntersuchung und die Duldung der Entnahme einer geeigneten genetischen Probe, der gerichtlich durchsetzbar ist. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Einführung des Verfahrens nach § 1598a BGB ferner, die Praxis heimlicher Vaterschaftstests zu verhindern, indem eine niederschwellige, legale Möglichkeit geschaffen wird, die Abstammungsverhältnisse zu klären (Reuß, in: BeckOGK Stand 1.11.2024, BGB § 1598a Rn. 29 f.).
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Die nach § 1598a Abs. 1 BGB zur Klärung Verpflichteten haben grundsätzlich in die genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme der erforderlichen genetischen Proben zu dulden. Der Anspruch ist an keine besonderen Voraussetzungen, keine Substanziierungspflicht, auch nicht an Fristen, geknüpft. Er kann auch nicht verjähren, § 194 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das Klärungsbegehren muss nicht begründet werden. Es ist unerheblich, ob die Vaterschaftsanfechtungsfrist bereits verstrichen ist. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung ist höchstpersönlich und unverzichtbar. Eine Zusage, auf den Klärungsanspruch für die Zukunft zu verzichten, wäre rechtlich wirkungslos. Es gilt allerdings [wie im vorliegenden Endbeschluss erörtert] die allgemeine Schranke rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB 9. Aufl. § 1598a Rn. 9 f.).
17
Da der Anspruch auf Einwilligung in die Abstammungsuntersuchung und Duldung der Probeentnahme mithin an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft ist, führt eine Verweigerung durch den anderen Elternteil im Regelfall zu dessen alleinigen Kostentragung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine erhebliche Kindeswohlbeeinträchtigung i.S.v. § 1598a Abs. 3 BGB substantiiert dargelegt wurde und Gegenstand der Sachaufklärung des Gerichts gewesen ist, so dass die Eltern dann unabhängig vom Verfahrensausgang die Gerichtskosten hälftig und ihre Anwaltskosten selbst zu tragen haben. Wird ein Antrag zurückgewiesen, weil der Antragsteller nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehört, kommt § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zur Anwendung (vgl. Dürbeck, NZFam 2019, 524). Vorliegend geht es um den Anspruch des Vaters auf Einwilligung in die Abstammungsuntersuchung und die Duldung der Entnahme einer geeigneten genetischen Probe gegen die Mutter und das Kind, also gegen die beiden Antragsgegnerinnen.
18
c) Unklar ist, welche Kostenfolge der angegriffene Tenor zu 2 meint. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, im FamFG nicht näher definiert, so fallen nach § 92 Abs. 1 ZPO die Gerichtskosten „jeder Partei zur Hälfte zur Last“. In diesem Fall mit insgesamt drei Beteiligten könnte dies bedeuten, dass die Gerichtskosten zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnerinnen hälftig geteilt werden. Denkbar ist aber auch, dass die Gerichtskosten von jeder beteiligten Person, also dem Antragsteller und jeder der Antragsgegnerinnen, jeweils zu einem Drittel getragen werden sollten. Im Übrigen folgt aus der Aufhebung der Kosten, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo ZPO 44. Aufl. § 92 Rn. 5).
19
d) Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Gesichtspunkte, d.h. da das Verfahren zur Abstammungsklärung ohne Statuswirkung an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft ist, kein minderjähriges Kind beteiligt wird und der Antragsteller nach dem Endbeschluss einen solchen Anspruch gegen die beiden Antragsgegnerinnen hat, erscheint eine Beteiligung des Antragstellers an den Kosten nicht angemessen.
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e) Mithin ist die Kostenentscheidung des Amtsgerichts dahin gehend abzuändern, dass die Antragsgegnerinnen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers jeweils zur Hälfte tragen.
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1. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG (vgl. Feskorn, in: Zöller ZPO 35. Aufl. § 84 FamFG Rn. 2).
22
Zwar ist im Beschwerdeverfahren dem Erfolg eines Rechtsmittels erhebliche Bedeutung beizumessen. Jedoch sind die Antragsgegnerinnen der Beschwerde, welche nur die – von Amts wegen zu treffende – Kostenentscheidung erster Instanz zum Gegenstand hat, nicht entgegengetreten, so dass es gerechtfertigt erscheint, von einer Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des obsiegenden Beteiligten abzusehen (vgl. Feskorn, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. § 84 Rn. 6).
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2. Für eine Erhebung von Gerichtsgebühren besteht keine Veranlassung (KV FamGKG Nr. 1912); ein Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ist nicht festzusetzen.
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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Deshalb ist dieser Beschluss mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angreifbar.