Titel:
Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Ablehnung der Verkürzung der Bewährungszeit in der Führungsaufsicht
Normenkette:
StGB § 56a Abs. 2 S. 2, § 68c Abs. 1 S. 2 § 68d Abs. 1
Leitsatz:
Die Entscheidung, durch die ein Antrag auf Verkürzung der Bewährungsfrist und der Dauer der Führungsaufsicht abgelehnt wird, kann mit der Beschwerde nach § 453 Abs. 2 S. 1 StPO angefochten werden. (Rn. 15)
Schlagworte:
Führungsaufsicht, Bewährungszeit, Abkürzung, Strafvollstreckungskammer, Beschwerde, Statthaftigkeit, Ermessen, eingeschränkte Prüfungsmaßstab
Vorinstanz:
LG Ansbach, Beschluss vom 26.09.2024 – StVK 206/18
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35466
Tenor
1. Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Ansbach – Kleine Strafvollstreckungskammer – vom 26.09.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
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Der Verurteilte wurde am 02.02.2018 durch das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 1 KLs 359 Js 16908/16), rechtskräftig seit 10.02.2018, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren drei Monaten verurteilt. Seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.
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Der Verurteilte befand sich ab 14.02.2018 in der Unterbringung nach § 64 StGB.
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Mit Beschluss vom 22.11.2019 setzte die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ansbach die Unterbringung des Verurteilten und die Restfreiheitsstrafe auf fünf Jahre zur Bewährung aus. Die Höchstdauer der Führungsaufsicht von fünf Jahren wurde nicht abgekürzt. Der Verurteilte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Dem Verurteilten wurden strafbewehrte und nicht strafbewehrte Weisungen für die Führungsaufsicht und Bewährungszeit erteilt. Mit Beschluss vom 25.08.2021 wurden die erteilten Weisungen geändert.
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Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt a.d.Aisch vom 21.07.2021 (Az. 4 Cs 401 Js 57775/21), rechtskräftig seit 19.08.2021, wurde gegen den Verurteilten eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50 Euro wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Veröffentlichung eines Gesundheitspasses aus der NS-Zeit mit einem darauf abgebildeten Hakenkreuz auf dem eigenen Facebook-Profil) verhängt. Das Landgericht Ansbach verlängerte daraufhin mit Beschluss vom 03.11.2021 die Bewährungszeit nach § 56f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB um sechs Monate.
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Mit Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 15.11.2022 wurde auf Anregung der Bewährungshelferin die Regelung zur einzuhaltenden Frequenz für die bestehende Vorstellungsweisung bei der Forensischen Ambulanz gelockert.
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Mit Schreiben vom 04.08.2024 beantragte der Verurteilte die Verkürzung seiner Bewährungs- und Führungsaufsichtszeit.
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Die Forensische Ambulanz am Bezirksklinikum A. sprach sich gegen eine Verkürzung der Führungsaufsicht aus. Auch die Staatsanwaltschaft trat der Verkürzung entgegen. Die Bewährungshelferin berichtete am 03.09.2024 von einem stets positivem Bewährungsverlauf. Die Straftat in der Bewährungszeit sei bearbeitet worden. Aus ihrer Sicht bedürfe der Proband der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanz nicht mehr. Sie sprach sich für eine Verkürzung der Bewährung und Führungsaufsicht aus.
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Mit Beschluss vom 26.09.2024 hat das Landgericht Ansbach – Strafvollstreckungskammer – den Antrag des Verurteilten auf Verkürzung der Führungsaufsicht und Bewährungszeit zurückgewiesen.
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Mit Schreiben vom 06.10.2024 hat der Verurteilte hiergegen Beschwerde eingelegt und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass es ihm bei dem Sachverhalt, der dem Strafbefehl vom 21.07.2021 zugrunde lag, nicht um Verherrlichung des Dritten Reichs, sondern Kritik daran gegangen sei. Die Verurteilung habe auch nichts mit der Sucht zu tun, so dass man vielleicht die Vorstellungen in der forensischen Ambulanz um sechs Monate verkürzen könne.
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Die Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde am 21.10.2024 nicht abgeholfen.
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Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Beschwerde des Verurteilten kostenfällig als unbegründet zu verwerfen.
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Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
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1. Die nach § 453 Abs. 2 S. 1, § 463 Abs. 2 StPO statthafte und zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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a) Auch gegen die Ablehnung des Antrags auf Verkürzung der Bewährungsfrist und der Dauer der Führungsaufsicht ist die Beschwerde zulässig.
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Der Senat folgt der herrschenden Auffassung, dass eine Entscheidung, durch die ein Antrag auf eine Anordnung abgelehnt wird, mit dem gleichen Rechtsmittel anfechtbar ist, das gegen eine antragsgemäß ergangene Entscheidung gegeben ist (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.02.2005, 3 Ws 151/05 m.w.Nw., beck-online; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. § 453 Rn. 11). Dies ist die auf die Überprüfung des Vorliegens von Gesetzeswidrigkeit beschränkte (§ 453 Abs. 2 S. 2 StPO) Beschwerde. An der Auffassung, dass die Beschwerde deswegen nicht statthaft ist, weil bei einer ablehnenden Entscheidung, mit der der bisherige Zustand aufrechterhalten wird, keine Anordnung im Sinne des § 453 Abs. 1 StPO getroffen wurde, die einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung darstellen könnte (OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.05.1961, Ws 57/61, MDR 1961, 707; offengelassen u.a. im Beschluss des Senats vom 14.09.1998, Ws 1115-9815, NStZ 1999, 158, beck-online), wird nicht festgehalten.
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Zum einen unterscheidet sich bereits der Wortlaut der heute gültigen Fassung des § 453 Abs. 2 S. 2 StPO von der bis 31.03.1970 gültigen Fassung des § 453 Abs. 3 S. 2 StPO: Während der frühere § 453 Abs. 3 S. 2 StPO vorgab, dass die Beschwerde nur darauf gestützt werden kann, „daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder einen einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerdeführers darstellt oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist“, lautet die aktuelle Fassung des § 453 Abs. 2 S. 2 StPO: „Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist.“ Von einem „einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerdeführers“ ist im Gesetzestext nicht mehr die Rede. § 453 Abs. 2 S. 1 StPO, auf den § 463 Abs. 2 StPO auch für die nach den §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden Entscheidungen und damit auch für die Abkürzung der Führungsaufsicht nach § 68d Abs. 1, § 68c Abs. 1 S. 2 StGB verweist, lässt im Übrigen die Beschwerde gegen „Entscheidungen“ nach Absatz 1, also „Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung (…) beziehen“, zu. Der Begriff „Entscheidungen“ umfasst schon nach seinem Wortsinn sowohl den eine bestimmte Anordnung treffenden als auch den eine solche ablehnenden Ausspruch.
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Darüber hinaus kann auch die Ablehnung der Verkürzung der Bewährungszeit im Einzelfall einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten beinhalten (OLG Frankfurt a.a.O.).
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b) Die Beschwerde ist allerdings unbegründet, da die von der Strafvollstreckungskammer getroffene Entscheidung nicht gesetzwidrig oder ermessensfehlerhaft ist.
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aa) Die Beschwerde gegen die Ablehnung der beantragten Verkürzung der Führungsaufsicht nach § 68d Abs. 1, § 68c Abs. 1 S. 2 StGB und der Bewährungszeit nach § 56a Abs. 2 S. 2 StGB kann nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 S. 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass die Nichtanordnung der beantragten Verkürzung durch die Strafvollstreckungskammer gesetzwidrig ist. Die Entscheidung über die Verkürzung von Bewährungszeit und Führungsaufsicht steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Grundsätzlich sollen mit der Bewährung und Führungsaufsicht verbundene Ermessensentscheidungen der ersten Instanz zu überlassen bleiben. Daher gilt insoweit auch für die ablehnende Entscheidung der eingeschränkte Prüfungsmaßstab des § 453 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechend (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 453 Rn. 11 m.w.N.). Die Beschlussgründe müssen es dem Beschwerdegericht im Rahmen der nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 S. 2 StPO vorzunehmenden Würdigung ermöglichen, die Ausübung und Einhaltung des Ermessens zu prüfen.
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bb) Die von der Strafvollstreckungskammer getroffene Entscheidung ist nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Anordnungen zu der mit Aussetzung der Unterbringung nach § 64 StGB kraft Gesetzes (§ 67d Abs. 2 S. 3 StGB) eintretenden Führungsaufsicht mit Beschluss vom 21.11.2019 hat die Strafvollstreckungskammer keinen Anlass für die Abkürzung der Höchstdauer der Führungsaufsicht gesehen. Die Verlängerung der Bewährungszeit nach § 56f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB wegen der neuerlichen Straftat in der Bewährungszeit führte zu einer gleichzeitigen Verlängerung der Führungsaufsicht, da die Führungsaufsicht nach § 68g Abs. 1 S. 2 StGB nicht vor Ablauf der Bewährungszeit endet. Bei der mit sechs Monaten moderaten Verlängerung der Bewährungszeit mit Beschluss vom 03.11.2021 hatte die Strafvollstreckungskammer berücksichtigt, dass angesichts der Straftat der Verwendung rechtsextremer Kennzeichen einerseits mit Konsequenz zu reagieren ist, dass aber andererseits lediglich eine Verurteilung zu einer Geldstrafe erfolgt war und sich der Verurteilte laut der Bewährungshilfe glaubhaft von seiner früheren Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene distanziert hatte. Soweit der Verurteilte in seiner Beschwerde vorbringt, dass es ihm nicht um Verherrlichung, sondern um Kritik gegangen sei, wird darauf hingewiesen, dass es zur Erfüllung des Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erforderlich ist, dass eine Verherrlichung von oder Identifikation mit den Zielen der rechtsextremen Organisation stattfindet, sondern das bloße öffentliche Verwenden des Kennzeichens ausreichend ist, soweit nicht offenkundig ist, dass das Kennzeichen zum Zwecke der Kritik der verbotenen Organisation eingesetzt wird (wie beispielsweise bei einem durchgestrichenen Hakenkreuz, vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 86a Rn. 18). An der rechtskräftigen Verurteilung, die zur Verlängerung der Bewährungszeit führte, hat sich nichts geändert, so dass die Strafvollstreckungskammer auch unter Berücksichtigung des im Übrigen positiven Bewährungsverlaufs in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die beantragte Verkürzung von Führungsaufsicht und Bewährungszeit nicht in Betracht kommt.
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2. Der Senat weist aber darauf hin, dass unabhängig davon die Möglichkeit unbenommen bleibt, angesichts des von der Bewährungshelferin bestätigten günstigen Bewährungsverlaufs (insbesondere im Hinblick auf die Suchtproblematik und die stabile familiäre und berufliche Einbindung des Verurteilten) bestehende Weisungen zu lockern oder gar aufzuheben (§ 68d Abs. 1 StGB), wie dies bereits mit Beschluss vom 15.11.2022 geschehen ist.
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Soweit der Verurteilte dahingehend schon mit seiner Beschwerde angeregt hat, zumindest „vielleicht“ die Dauer der Vorstellungsweisung bei der Forensischen Ambulanz abzukürzen, stellt dies einen neuen Antrag mit anderem Gegenstand dar, über den die Strafvollstreckungskammer noch nicht entschieden hat. Sie hat sich dazu auch in ihrer Nichtabhilfeentscheidung, mit der lediglich festgehalten wurde, dass der Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.09.2024 und damit die Ablehnung der Verkürzung der Dauer der Führungsaufsicht und Bewährung nicht abgeholfen werde, noch nicht geäußert. Sie wird daher über diesen Antrag noch gesondert zu befinden haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.