Inhalt

OLG München, Beschluss v. 26.11.2024 – 11 WF 1069/24 e
Titel:

Vergütung des Verfahrensbeistands

Normenkette:
RVG § 19
Leitsätze:
Für – von dem zuständigen Familiensenat nicht veranlasste – Aktivitäten auf eine noch gar nicht gegründete Beschwerde, deren Ziel unklar ist, entsteht keine Vergütung des Verfahrensbeistandes (siehe dazu OLG München, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 11 WF 892/23, FamRZ 2024, 136; Beschluss vom 8. August 2022 – 11 WF 780/22). (Rn. 8 – 13)
Die Regelung des § 19 RVG betreffend unbedeutende Tätigkeiten ist auf die Vergütung des Verfahrensbeistandes nicht analog anwendbar, weil die Systematik der Rechtsanwaltsvergütung einer anderen Ausgestaltung unterliegt (so auch BGH BeckRS 2017, 131126). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahrensbeistand, Vergütung, voreilige Tätigkeit, verfrüht, nicht veranlasst, nicht notwendige Tätigkeit, nicht begründete Beschwerde, Rechtsanwaltsvergütung, nicht analog
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 03.07.2024 – 11 WF 1069/24
AG München, Beschluss vom 17.07.2023 – 555 F 12390/21
Fundstellen:
RPfleger 2025, 153
MDR 2025, 200
LSK 2024, 35375
BeckRS 2024, 35375

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Das Rechtsmittel betrifft die Frage, ob die Verfahrensbeiständin eine Vergütung für Aktivitäten in der Beschwerdeinstanz beanspruchen kann.
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Mit Beschluss vom 17.07.2023 hat das Amtsgericht eine umgangsrechtliche Regelung getroffen, wobei der Umgang des Antragsgegners mit den Kindern bis zum 16.10.2023 ausgeschlossen wurde. In Ziffer 2. ist näher bestimmt, welche Maßnahmen im Falle einer zu vertretenden Zuwiderhandlung ergriffen werden, in Ziffer 3. werden die Gerichtskosten der Antragstellerin und dem Antragsgegner je zur Hälfte auferlegt. Der Antragsgegner hat dagegen mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 08.08.2023 Beschwerde eingelegt und eine Begründung mit separatem Schriftsatz angekündigt. Mit Verfügung vom 10.08.2023 legte das Amtsgericht die Akten dem OLG München vor, wobei es diese Verfügung und die Beschwerdeschrift auch der Verfahrensbeiständin der Kinder mitteilte.
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Beim OLG wurde hierauf von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Eröffnungsverfügung erstellt; die Vorsitzende des 16. Zivilsenats (Familiensenat) nahm Kenntnis und setzte dem Antragsgegnervertreter eine Frist zur Beschwerdebegründung. Dieser nahm das Rechtsmittel mit Schreiben vom 12.09.2023 zurück. Mit Beschluss vom 13.09.2023 legte ihm das OLG die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf.
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Am 15.09.2023 beantragte die Verfahrensbeiständin eine Vergütung für das Beschwerdeverfahren in Höhe von € 1.650,- (drei Kinder). Zur Begründung gab sie an: „Kontaktaufnahme mit Jugendamt am 24.08.2023“. Die angehörte Bezirksrevisorin begründete am 17.10.2023 ihre Auffassung, wonach ein Vergütungsanspruch hier nicht entstanden sei. Auf diese, der Verfahrensbeiständin bekannte Stellungnahme wird Bezug genommen, ebenso auf die weitere Äußerung der Bezirksrevisorin vom 07.02.2024, mit der sie insbesondere darauf hinweist, die vom Antragsgegner erhobene Beschwerde sei noch nicht begründet worden.
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Die Rechtspflegerin wies den Vergütungsantrag mit Beschluss vom 03.07.2024 zurück. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, die Bestellung zum Verfahrensbeistand wirke zwar grundsätzlich in die zweite Instanz fort und ein Vergütungsanspruch entstehe auch für jeden Rechtszug gesondert. Ein solcher sei hier jedoch nicht angefallen, da eine Beschwerdebegründung nie erfolgt sei. Ein Gespräch mit dem Jugendamt genüge in diesem Fall nicht, um den Vergütungsanspruch entstehen zu lassen, insbesondere, da noch nicht bekannt gewesen sei, was im Interesse der Kinder gelegen hätte. Dagegen wendet sich die Verfahrensbeiständin mit ihrer „Erinnerung“, mit der sie geltend macht, nach dem Einreichen der Beschwerde mit dem Jugendamt inhaltlich darüber gesprochen zu haben, ob bzw. in welcher Form der Kontakt zwischen Vater und Kindern wieder angebahnt werden könne. Sie habe sich „inhaltliche Gedanken“ gemacht und geprüft, wer als (neue) Umgangsbegleiterin in Frage kommen könne; auf die Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde – als solche ist die „Erinnerung“ anzusehen – ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere wird auch der Beschwerdewert erreicht (§ 61 Abs. 1 FamFG). In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, weil hier ein Vergütungsanspruch nicht entstanden ist.
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1. Dabei wird nicht verkannt, dass die Vergütung der Verfahrensbeistände nach den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung des BGH auf einer „Mischkalkulation“ beruht, die insbesondere dem Verfahrensbeistand eine „auskömmliche Vergütung“ sichern soll (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 09.10.2013 – XII ZB 667/12 Tz. 14 ff.). Grund hierfür ist weiter, wie auch der Senat mehrfach betont hat, der Gesichtspunkt einer unaufwändigen, unbürokratischen und damit praxisfreundlichen Handhabung der Berechnung (etwa BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZB 420/16 Tz. 13). Es genügt daher für die Entstehung der Vergütung, wenn der Verfahrensbeistand „in irgendeiner Weise“ im Kindesinteresse tätig wird (BGH, Beschluss vom 27.02.2019 – XII ZB 496/18 Tz. 14; Beschluss vom 27.11.2013 – XII ZB 682/12 Tz. 17).
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2. Auch wenn die „Hürden“ für die Entstehung der Vergütung demgemäß eher niedrig sein mögen, ist doch anerkannt, dass untergeordnete oder nicht notwendige Tätigkeiten eines Verfahrensbeistandes nicht genügen, um die Vergütung zur Entstehung zu bringen: Ruft etwa ein Verfahrensbeistand zweimal beim Jugendamt an, ohne jemanden zu erreichen, so ist dies nicht ausreichend (vgl. Senat, Beschluss vom 08.08.2022 – 11 WF 780/22). Ferner gilt, dass für das Lesen einer noch nicht begründeten Beschwerdeschrift eine Vergütung ebenso wenig anfällt, wie für die Äußerung eines Verfahrensbeistandes zu einem – seine Rolle gar nicht betreffenden – Befangenheitsgesuch (Senatsbeschlüsse vom 10.02.2014 – 11 WF 371/14 bzw. vom 28.05.2019 – 11 WF 548/19; überzeugend auch OLG Celle, Beschluss vom 07.08.2012 – 10 UF 158/12 Tz. 13: Lesen einer noch nicht begründeten Beschwerdeschrift und „Anlegen einer Akte“).
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3. In diese Fälle ist auch vorliegender Sachverhalt einzureihen:
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a) Zu Recht weist die Rechtspflegerin darauf hin, die Beschwerde sei nie begründet worden. Es ist nicht ersichtlich, was deren genaues Ziel war: Es konnte sein, dass das Rechtsmittel sich gegen den Umgangsausschluss richtet; ebenso gut war denkbar, dass der Antragsgegner lediglich Ziffer 2. des Beschlusses oder die Kostenentscheidung angreift. Sofern er sich gegen die Umgangsregelung hätte wenden wollen, ist unklar, welches Ziel die Beschwerde genau verfolgt haben sollte.
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Unter diesen Umständen Gespräche mit dem Jugendamt zu führen, war voreilig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein entsprechendes Telefonat den Bereich der Geringfügigkeit verlassen hat, ist angesichts des unbekannten Beschwerdeziels nicht ersichtlich, welchem Ziel genau es gedient haben soll. Dasselbe gilt für die Überlegungen im Hinblick auf eine künftige Umgangspflegerin. Der Familiensenat hat die Verfahrensbeiständin auch nicht etwa zu einer Stellungnahme aufgefordert, vielmehr lediglich dem Antragsgegner eine Frist zur Beschwerdebegründung gesetzt, sonst jedoch keinerlei weitere Schritte unternommen.
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Dabei wird auch nicht verkannt, dass die Regelung des § 19 RVG betreffend unbedeutende Tätigkeiten auf die Vergütung des Verfahrensbeistandes nicht analog anwendbar ist, weil die Systematik der Rechtsanwaltsvergütung einer anderen Ausgestaltung unterliegt (BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZB 420/16 Tz. 13). Zumindest vom Rechtsgedanken her kann dieser Gesichtspunkt jedoch nicht gänzlich unbeachtet bleiben (siehe hierzu die oben zitierten Beschlüsse).
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b) Vorliegend jedenfalls war die behauptete Tätigkeit nicht nötig und damit verfrüht: So etwa ist anerkannt, dass dem von einem noch nicht begründeten Rechtsmittel betroffene Gegner bei Stellung eines Sachantrages durch seinen Anwalt kein Anspruch auf Erstattung einer 1,6-Gebühr im Sinne von Ziffer 3200 VV-RVG zusteht, weil die Auseinandersetzung mit einer noch gar nicht existierenden Begründung sinnlos ist (siehe hierzu Senatsbeschluss vom 28.11.2018 – 11 W 1795/18; BGH, Beschluss vom 30.09.2014 – XI ZB 21/13 Tz.10 m.w.N.; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., VV Nr. 3201 Rn. 57). Zu einer späteren Begründung kam es hier nicht. Auch insoweit gilt, dass die unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltung von Rechtsanwalts- und Beistandsvergütung einer Heranziehung dieses Gedankens nicht entgegensteht.
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4. Insgesamt war es daher zumutbar, vor Auslösung von Kosten in Höhe von € 1.650,- (drei Kinder) – zu Lasten der Parteien – abzuwarten, welches Ziel die Beschwerde überhaupt genau verfolgt. Kostenrechtlich müssten die Aufwendungen für die Verfahrensbeiständin über Ziffer 2013 KV-FamGKG den Eltern als Auslagen in Rechnung gestellt – und ihnen, wie nicht selten, auf Erinnerung gemäß § 57 Abs. 1 FamFG erklärt werden, dass in dem Verfahren über eine nicht begründete und nach kurzer Zeit zurückgenommene Beschwerde für den Verfahrensbeistand ein relativ hoher Betrag angefallen ist.
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Davon abgesehen hätte der Familiensenat auch keine Möglichkeit mehr gehabt, die (in die zweite Instanz fortwirkende) Bestellung gegebenenfalls zu beenden, wenn die Prüfung der Erforderlichkeit ergeben hätte, dass eine solche hier wegen der Art des Beschwerdezieles nicht gegeben ist (vgl. § 158 FamFG).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.