Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 18.11.2024 – W 7 K 23.1757
Titel:

rechtmäßige Ausweisung nach illegaler Erwerbstätigkeit

Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 10
SDÜ Art. 21 Abs. 1
AufenthV § 15
SGB III § 404 Abs. 2 Nr. 4
Leitsatz:
Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach § 15 AufenthV iVm Art. 21 Abs. 1 SDÜ gilt nicht im Falle der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, illegale Erwerbstätigkeit, nationaler Aufenthaltstitel, Vander-Elst-Visum, Kosovo, schwerwiegendes Ausweisungsinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35325

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
2
1. Der Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger und wurde am … … 2001 geboren.
3
Mit E-Mail an den Beklagten vom 6. März 2023 bat ein Bruder des Klägers um eine Aufenthaltserlaubnis für den Kläger. Er brauche seinen Bruder, weil er eine Firma in Deutschland habe. Er könne eine Unterkunft und eine Vollzeitbeschäftigung bieten. Mit der Nachricht übermittelt wurde eine slowenische Aufenthaltskarte des Klägers mit einer Gültigkeit bis zum 23. Juni 2023. Mit E-Mail an den Bruder des Klägers vom 7. März 2023 antwortete der Beklagte hierauf, der Kläger besitze nur eine befristete slowenische Aufenthaltserlaubnis, mit der er in Deutschland nicht arbeiten dürfe und bei Schwarzarbeit streng sanktioniert werde. Der Kläger könne womöglich bei der Deutschen Auslandsvertretung in Slowenien oder im Heimatland Kosovo ein Visum beantragen.
4
Mit E-Mail vom 29. September 2023 teilte das örtliche Bauamt der Polizeiinspektion mit, es habe Hinweise auf die Unterbringung Schwarzarbeitender in einem Anwesen gegeben. Dort würden täglich zwischen 4:30 und 5:00 Uhr wechselnde Arbeiterkolonnen das Haus verlassen.
5
Aus einem Aktenvermerk der Polizeiinspektion O. a.M. vom 16. November 2023 ergibt sich, dass im Rahmen der daraufhin erfolgten anlassbezogenen Kontrolle eines Pkw mit slowenischem Kennzeichen am selben Tag um 5:35 Uhr eine Person mit demselben Nachnamen wie der Kläger, nach eigenen Angaben ein entfernter Verwandter, gemeinsam mit dem Kläger im Fahrzeug angetroffen wurde. Der Kläger habe sich mit seinem slowenischen Aufenthaltstitel ausgewiesen, auf der Rückbank hätten zwei Personen mit deutschen Aufenthaltstiteln gesessen. Der Verwandte des Klägers und Fahrer des Pkw habe angegeben, bei einem Freund zu Besuch zu sein und am Vorabend von Slowenien aus nach O. a.M. gereist zu sein. Alle Fahrzeuginsassen hätten Jogginghosen getragen, im Kofferraum hätten sich ein Rucksack mit Vesper und Getränken des Fahrers, eine Arbeitshose und Arbeitshandschuhe befunden. Alle Personen hätten eine Tüte mit Vesper und Getränken bei sich gehabt, es habe den Anschein gemacht, als seien sie auf dem Weg zur Arbeit. Auf Nachfrage habe der Fahrer aber angegeben: „Nichts Arbeit“. Die Polizei habe ermittelt, dass der Fahrer in der Schweiz zur Fahndung ausgeschrieben sei und sich nicht im Schengenraum aufhalten dürfe. Dieser habe an eine weitere Person mit dem Nachnamen des Klägers, die sich in Deutschland aufhalte, im Sommer 2023 insgesamt ca. 1.000 EUR überwiesen. Entsprechende Belege hätten sich im Geldbeutel gefunden ebenso wie ein Tankbeleg aus dem Oktober. Die Gesamtumstände hätten den Eindruck erweckt, zumindest der Kläger und sein Verwandter gingen illegal einer Arbeit in Deutschland nach. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass die beiden Personen auf der Rückbank des Pkw gültige Aufenthaltserlaubnisse zur Beschäftigung bei einer E. hatten, die von einer Person betrieben wird, die ebenfalls den Nachnamen des Klägers trägt.
6
Mit E-Mail des Beklagten an die Polizeiinspektion vom 16. November 2023 wurde auf einen beabsichtigten Vorsprachetermin am 24. November 2023 hingewiesen mit dem Zusatz: „Bitte keinesfalls erwähnen, dass hier eine Ausweisung erfolgen wird.“
7
Bei der daraufhin anberaumten Vorsprache beim Beklagten am 24. November 2023 erklärte der Kläger ausweislich der Niederschrift, er besitze keinen deutschen Aufenthaltstitel, ein Vander-Elst-Visum oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Obwohl sein Verwandter gesagt habe, dass sie nicht zur Arbeit unterwegs seien, würden die Gesamtumstände ergeben, dass er illegal einer Arbeit nachgehe. Seines Fehlverhaltens sei er sich nun bewusst, deshalb werde er heute ausgewiesen. Er erkläre sich bereit, Deutschland bis 27. November 2023 zu verlassen. Er erhalte ein auf drei Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Diese Niederschrift ist mit „A B“ vom Kläger unterzeichnet. Sie trägt unter „Ich möchte mich noch zur Sache äußern“ den abschließenden Zusatz: „Ich war auf dem Weg zurück nach Slowenien, nachdem ich meinen Onkel J. S. im Bundesgebiet besucht habe, den Ort kann ich nicht nennen“.
8
Am 28. November 2023 verließ der Kläger das Bundesgebiet.
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2. Mit Bescheid vom 24. November 2023, dem Kläger am selben Tag persönlich übergeben, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Wirkung der Ausweisung auf drei Jahre ab Ausreise oder Abschiebung befristet (Ziffer 1). Er wurde aufgefordert, die Bundesrepublik bis zum 27. November 2023 zu verlassen (Ziffer 2). Anderenfalls wurde die Abschiebung in den Kosovo angedroht (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehbarkeit von Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 4).
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In den Gründen wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage der Ausweisung sei § 53 Abs. 1 AufenthG. Es liege ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor. Der Kläger habe mit seiner slowenischen Aufenthaltserlaubnis zwar nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ ins Bundesgebiet einreisen dürfen. Eine Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit habe er aber nicht. Die Beschäftigung sei ordnungswidrig. Zudem sei er durch die Erwerbstätigkeit ohne Arbeitserlaubnis nach § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig geworden, sodass ein illegaler Aufenthalt vorliege. Bleibeinteressen seien nicht erkennbar. Die Ausweisung sei generalpräventiv erforderlich. Es liege ein Missbrauch der visumfreien Einreise für wirtschaftliche Zwecke vor. Sie sei außerdem spezialpräventiv geboten, denn der Kläger sei nur zum Arbeiten eingereist, obwohl er gewusst habe, dass dazu ein Aufenthaltstitel erforderlich sei. Eine Wiederholung sei zu erwarten. Ein milderes Mittel gebe es nicht. Sodann wird in den Gründen des Bescheids unter „Festsetzung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots“ auf die Rechtsgrundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG hingewiesen. Über die Fristlänge sei nach Ermessen entschieden worden. Die Frist sei festgesetzt worden, um der Abschreckungswirkung Nachdruck zu verleihen. Zunächst wird auf eine Frist von drei Jahren, sodann von dreieinhalb Jahren Bezug genommen. Die Ausreisepflicht folge aus § 50 Abs. 1 und § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Eine Ausreisefrist von drei Tagen sei angemessen, da der Kläger schon am 16. November 2023 von der Polizei auf seinen illegalen Aufenthalt hingewiesen worden sei und seine Ausreise in dieser Zeit organisieren könne. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung und die Ausreisefrist seien §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Der Sofortvollzug sei angeordnet worden, um weitere Straftaten zu verhindern.
II.
11
Dagegen ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage erheben und beantragen,
den Bescheid vom 24. November 2023 aufzuheben.
12
Zur Klagebegründung wird insbesondere vorgetragen, der Kläger gehe mit einer Aufenthaltserlaubnis einer Vollzeitbeschäftigung in Slowenien nach. Er sei am 15. November 2023 per Pkw nach Deutschland gereist, um seinen Onkel zu besuchen. Am 16. November 2023 sei er als Beifahrer gemeinsam mit Freunden in einem Pkw gesessen, um zurück nach Slowenien zu reisen. Bei der Polizeikontrolle – ohne Dolmetscher – habe der Kläger angegeben, in Deutschland keiner Beschäftigung nachzugehen. Ein Ausweisungsinteresse liege nicht vor. Der Kläger sei in Deutschland keiner Beschäftigung nachgegangen. Er könne nicht zwei Beschäftigungen in zwei Ländern nachgehen. Zudem seien die festgestellten Tatsachen im Verwaltungsverfahren völlig unzureichend, um eine illegale Arbeitsaufnahme nachzuweisen. Insbesondere sei die Arbeitskleidung keinem Insassen zugeordnet worden, eine Baustelle oder sonstige Arbeitsstätte sei nicht festgestellt worden. Es sei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht nachvollziehbar, warum nach der Bescheidbegründung „zweifellos“ von einer illegalen Erwerbstätigkeit auszugehen sei. Aus der Akte ergebe sich außerdem, dass die Abwägungsentscheidung nicht korrekt erfolgt sei. Denn die E-Mail vom 16. November 2023 bringe klar zum Ausdruck, dass eine Ausweisung unbedingt verfügt werden solle, ohne dass der Kläger angehört worden sei. Der Bescheid verletze den Kläger in seinem Recht, sich ohne Visum in Deutschland aufzuhalten. Vorgelegt wurden Gehaltsabrechnungen des Klägers für eine Vollzeitstelle im Oktober und November 2023 in Übersetzung. Weiter vorgelegt wurde ein unausgefüllter Zahlungsbeleg für „Rückgriff (Regress) auf Jahresurlaub“ vom 5. Dezember 2023. Als Arbeitgeber ist auf den drei Dokumenten eine Firma vermerkt, die denselben Namen wie die Person trägt, mit der der Kläger in Deutschland im Auto angetroffen wurde.
13
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, von einer illegalen Erwerbstätigkeit werde aufgrund der Einschätzung der Polizei bei der Kontrolle am 16. November 2023 ausgegangen. Der Arbeitgeber des Klägers in Slowenien, der ausweislich der klägerseitig vorgelegten Unterlagen der Fahrer des Pkw gewesen sei, sei in Reaktion auf die Kontrolle ebenfalls ausgewiesen worden. Es liege nahe, dass der Kläger diesen im Rahmen seines slowenischen Arbeitsverhältnisses begleitet habe. Die Namensgleichheit des Klägers, des Fahrers und des Arbeitgebers der beiden Mitfahrer auf der Rückbank, die in Deutschland erlaubt berufstätig seien, deute darauf hin, dass alle für dieselbe E. tätig gewesen seien. Die Anfrage bzgl. einer Arbeitserlaubnis bereits im März 2023 deute auf eine Umgehung des Visumverfahrens hin. Die Überweisungsträger des Fahrers und ein Tankbeleg vom 6. Oktober 2023 deuteten auf regelmäßige Aufenthalte in Deutschland hin. Der Fahrer des Kfz habe seine Ausweisung nicht beklagt, sei bereits in der Schweiz wegen illegaler Beschäftigung ausgewiesen worden und der Arbeitgeber des Klägers in Slowenien. Es sei unwahrscheinlich, dass dieser die behördliche Entscheidung akzeptieren würde, wenn tatsächlich keine illegale Beschäftigung vorgelegen hätte. Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg habe ein Ermittlungsverfahren am 2. Februar 2024 nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt, nicht nach § 170 StPO, sodass man dort offenbar von einer Straftat ausgehe.
15
Hierauf ließ der Kläger erwidern, Arbeiterkolonnen seien nie angetroffen worden, das Gegenteil sei nie bewiesen worden. Der Beklagte bringe haltlose Anschuldigungen und Mutmaßungen vor. Die Gegenstände, die beim Fahrer des Pkw gefunden worden seien, hätten keine Relevanz für das Verfahren, Vortrag zu dessen Ausweisungsverfahren könne sich der Beklagte sparen. Die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO stütze die Klage. Der Rechtsverstoß, der die Tatsachengrundlage für eine Ausweisung bilde, müsse zweifelsfrei feststehen. Das sei hier nicht der Fall.
III.
16
Am 1. Oktober 2024 ließen der Kläger und der Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mitteilen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden kann, ist unbegründet.
18
In interessengerechter Auslegung des klägerischen Begehrens gemäß § 88 VwGO ist davon auszugehen, dass die Klage sich gegen die Ziffern 1 – 3 des streitgegenständlichen Bescheids richtet. In diesem Umfang ist sie auch statthaft. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit unter Ziffer 4 des Bescheids hat sich infolge der Entscheidung in der Hauptsache erledigt, ein Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde nicht gestellt. Unter Ziffer 5 findet sich ein bloßer Hinweis auf die Kostenfreiheit des Bescheids und die gesetzliche Regelung zur Kostenpflicht im Fall einer Abschiebung. Einen anfechtbaren Inhalt hat dieser Hinweis mangels Regelungswirkung nicht.
19
Der Bescheid des Beklagten vom 24. November 2023 ist in den angefochtenen Ziffern 1 – 3 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO), denen sich das Gericht aufgrund der nachfolgenden Erwägungen anschließt:
20
1. Die in Ziffer 1 des Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers (a) ist ebenso wie das im Wege der Auslegung ebenfalls Ziffer 1 zu entnehmende Einreise- und Aufenthaltsverbot (b) rechtmäßig.
21
a) Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG.
22
Zunächst wurde der Kläger beim Vorsprachetermin am 24. November 2023 ordnungsgemäß gemäß Art. 28 BayVwVfG angehört. Ein Anhörungsfehler folgt – anders als der Klägerbevollmächtigte vorbringt – nicht daraus, dass laut E-Mail vom 16. November 2023 bereits der unbedingte Entschluss des Beklagten vorhanden gewesen sein könnte, am 24. November 2023 eine Ausweisung zu verfügen. Der Kläger hatte beim Vorsprachetermin die Möglichkeit, zum Sachverhalt vorzutragen, insbesondere Bleibeinteressen vorzubringen. Es ist offen, ob der Beklagte in Reaktion auf ergänzenden Vortrag des Klägers eine andere Entscheidung gewählt hätte. Jedenfalls bedeutet die Anhörung die Möglichkeit, sich zu den entscheidungserheblichen Belangen zu äußern, nicht aber ein Recht darauf, anschließend eine Entscheidung im eigenen Sinne zu erhalten.
23
In materieller Hinsicht wird nach § 53 Abs. 1 AufenthG ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (sog. Ausweisungsinteressen) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (sog. Bleibeinteressen) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dabei steht der Behörde weder hinsichtlich der Gefahrenprognose noch hinsichtlich der Abwägung ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu. Ob sie diese Tatbestandsvoraussetzungen zu Recht angenommen hat, muss das Gericht vielmehr anhand einer eigenständigen Gefahrenprognose sowie einer Abwägung der Ausweisungs- und der Bleibeinteressen im Einzelfall, bezogen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung, überprüfen (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28/16 – juris Rn. 16; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9/12 – juris Rn. 8). Liegen danach die gesetzlichen Voraussetzungen vor, so ergibt sich die Ausweisung als gebundene Rechtsfolge. Daraus folgt auch, dass der vom Klägerbevollmächtigten vorgebrachte Abwägungsfehler der Behörde – ungeachtet der Frage, ob ein solcher tatsächlich vorliegt, – für sich genommen jedenfalls nicht zum Erfolg der Klage führen konnte.
24
Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Bei diesem Kriterienkatalog hat sich der Gesetzgeber an den Maßstäben orientiert, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 EMRK als maßgeblich ansieht. Die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände sollen sowohl zugunsten als auch zulasten des Ausländers wirken können und sind nach Auffassung des Gesetzgebers nicht als abschließend zu verstehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21/18 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 12/16 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 20 ff.).
25
Diese Voraussetzungen liegen vor.
26
Der Kläger hat ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG verwirklicht.
27
Es kann dabei dahinstehen, ob der Kläger im Bundesgebiet eine von seinem Arbeitsverhältnis in Slowenien unabhängige Tätigkeit ausübte, oder ob er von seinem slowenischen Arbeitgeber zur Ausübung einer Tätigkeit entsendet wurde, für die er ein sog. Vander-Elst-Visum hätte beantragen können und müssen. In jedem Fall ging er zur Überzeugung des Gerichts in einer Gesamtschau der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Indizien einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach, ohne über die hierfür erforderliche Aufenthaltserlaubnis zu verfügen.
28
Indem der Kläger nach seiner visumfreien Einreise in die Bundesrepublik entgegen § 4a Abs. 4 AufenthG einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, hat er den objektiven Tatbestand des § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III erfüllt (vgl. Dippe in Klaus/Wittmann, AufenthV, 1. Aufl. 2022, § 17 Rn. 4). Der Kläger war zwar als Inhaber einer slowenischen Aufenthaltserlaubnis nach § 15 AufenthV i.V.m. Art. 21 Abs. 1 SDÜ für die Einreise und den Aufenthalt von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen in Deutschland von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Diese Befreiung gilt gemäß § 17 Abs. 1 AufenthV indes nicht im Fall der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet (BR-Drs. 534/15, S. 15). Die Voraussetzungen der diesbezüglichen Ausnahmetatbestände nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthV liegen nicht vor. Die Regelung des § 17 Abs. 1 AufenthV wird auch nicht von Art. 21 Abs. 1 SDÜ verdrängt, nachdem das Schengener Durchführungsübereinkommen zwar ein Aufenthaltsrecht schafft, sich zur Frage der Ausübung einer Erwerbstätigkeit während dieses Aufenthalts aber nicht verhält (Engels/Bongard in Decker/Bader/Kothe, BeckOK MigR, Stand: 1.7.2024, § 17 AufenthV Rn. 4).
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Auch wenn der Kläger im Rahmen seines slowenischen Arbeitsverhältnisses tätig geworden sein sollte, erfüllte die Einreise und Ausübung einer Beschäftigung durch einen als Arbeitnehmer in ein anderes EU-Mitgliedsland entsandten Drittstaatsangehörigen ohne das gemäß §§ 6 Abs. 3, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4a, 7 Abs. 1, 18 und 18a AufenthG i.V.m. § 21 BeschV notwendige Visum (sog. Vander Elst-Visum, vgl. Art. 56 ff. AEUV; Ziffer 4.1.1.3 AVV-AufenthG) den objektiven Tatbestand des § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III. Ein Recht, ohne ein solches Visum in Deutschland zu arbeiten, ergibt sich auch aus dem Unionsrecht nicht (OVG SH, B.v. 6.7.2023 – 4 MB 18/23 -juris Rn. 11).
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In jedem Fall steht zur Überzeugung des Gerichts in Anbetracht des Gesamtbildes fest, dass der Kläger in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachging – sei es im Rahmen einer Beschäftigung unmittelbar bei der E. seines Bruders oder mittelbar durch Entsendung aus seinem slowenischen Arbeitsverhältnis heraus.
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Die folgenden Umstände lassen in ihrer Zusammenschau bei verständiger Würdigung keinen anderen Schluss zu:
32
Im März 2023 bat der Bruder des Klägers per E-Mail beim Beklagten um eine Aufenthaltserlaubnis für den Kläger, um diesen in seiner Firma zu beschäftigen (1.). Im November 2023 wurde der Kläger sodann in einem Pkw aufgegriffen, der von einer Person gelenkt wurde, die denselben Namen trägt wie der slowenische Arbeitgeber des Klägers und auf dessen Rückbank zwei – legale – Beschäftigte des Bruders des Klägers saßen. Im Auto lagen Arbeitshose und Arbeitshandschuhe, alle Personen hatten eine Tüte mit Vesper und Getränken bei sich und wirkten auf die Polizei vor Ort, als seien sie auf dem Weg zur Arbeit (2.). Der Pkw wurde am frühen Morgen beim Verlassen eines Anwesens gestoppt, für das Hinweise auf die Unterbringung Schwarzarbeitender bei den örtlichen Behörden eingegangen waren (3.). Gegen den Fahrer wurde bereits in der Schweiz wegen illegaler Erwerbstätigkeit eine Einreisesperre verhängt (4.). Ferner gestützt wird der Schluss, der Kläger sei im Bundesgebiet erwerbstätig gewesen, durch die Niederschrift bei der Vorsprache beim Beklagten am 24. November 2023, wobei das Gericht sich des erheblich verringerten Beweiswerts dieser vom Kläger unterschriebenen Niederschrift bewusst ist, insbesondere deshalb, weil der abschließende Zusatz „Ich möchte mich noch zur Sache äußern“ sich sowohl stilistisch als auch inhaltlich erheblich vom vorangehenden Eingeständnis einer illegalen Erwerbstätigkeit durch den Kläger absetzt.
33
Bei einer Gesamtbetrachtung aller dieser Umstände bleiben für das Gericht keine vernünftigen Zweifel mehr daran, dass der Kläger in der Tat einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen ist. Dem Klägerbevollmächtigten ist zwar zuzugestehen, dass sich bei jeweils isolierter Betrachtung der angeführten Aspekte aus keinem der Indizien der zwingende Schluss auf eine illegale Erwerbstätigkeit ableiten lässt. Gleichwohl handelt es sich um enorm gehäufte Indizien und nicht lediglich – wie vom Klägerbevollmächtigten vorgebracht – um Anschuldigungen und Mutmaßungen. Nach Durchsicht der Behördenakte im Ganzen zweifelt das Gericht nicht daran, dass der Kläger im Bundesgebiet erwerbstätig war. Auch die Einstellung des betreffenden Strafverfahrens nach § 153a StPO (unter Auflagen und Weisungen) steht diesem Schluss nicht entgegen. Einen ausgeräumten Tatverdacht indiziert eine solche Einstellung gerade nicht.
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Da sich der Vorsatz nur auf die äußeren Tatumstände, nicht jedoch auf die Kenntnis der zugrunde liegenden Rechtsnormen bezieht, kann aus den konkreten Umständen geschlossen werden, dass beim Kläger auch die subjektiven Tatbestände erfüllt sind. Schon aufgrund seiner Erfahrung als drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer in Slowenien kann gefolgert werden, dass ihm bewusst war, dass grenzüberschreitende Erwerbstätigkeit grundsätzlich mit aufenthaltsrechtlichen Anzeigepflichten und Genehmigungsvorbehalten verbunden ist. Ein Verbotsirrtum im Hinblick auf die Entbehrlichkeit der vorherigen Visumseinholung – sollte ein solcher überhaupt eingetreten sein – war jedenfalls nicht unvermeidbar i.S.v. § 11 Abs. 2 OWiG bzw. § 17 StGB. Zudem ist anzunehmen, dass der Kläger im Austausch mit seinem Bruder steht und von diesem auf den Schriftverkehr mit dem Beklagten aus dem März 2023 hingewiesen worden ist, in dem die örtliche Ausländerbehörde die Erforderlichkeit eines Visums betonte.
35
Damit liegt auch dann ein nicht nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften vor, der gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründet, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums tatsächlich vorgelegen haben sollten. Auch unter Berücksichtigung der gemäß Art. 56 Abs. 1 AEUV primärrechtlich geschützten Dienstleistungsfreiheit überschreitet dieser Rechtsverstoß die Geringfügigkeitsschwelle des § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG (so auch VG Potsdam, B.v. 7.7.2020 – 8 L 660/20 – juris; VG Dresden, B.v. 11.7.2022 – 3 K 956/21 – juris). Der Verstoß ist zwar vereinzelt, nicht aber geringfügig.
36
Mit dem vereinfachten Anmeldungsverfahren zur Erlangung eines Vander Elst-Visums trägt das deutsche Recht den Anforderungen europarechtskonform Rechnung, die das europäische Sekundärrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gewährleistung der Dienstleistungsfreiheit für die nationalstaatliche Reglementierung konstituiert (statt vieler: HessVGH, B.v. 22.4.2021 – 7 B 312/21 – juris Rn. 11 ff.). Es handelt sich um ein europarechtlich zulässiges Anmeldungsverfahren, das den aufnehmenden Mitgliedstaat befähigt, die rechtlich vorgegebenen Wettbewerbsbedingungen sowie die anwendbaren Arbeitnehmerrechte vor Ort gezielt zu überprüfen, ohne dass damit eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit des entsendenden Arbeitgebers verbunden wäre. Damit bringt es die Dienstleistungsfreiheit zu einem angemessenen Ausgleich mit weiteren öffentlich-rechtlichen und individuellen Interessen. Nicht zuletzt besteht ein öffentliches Interesse daran zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Dienstleistungsfreiheit und der Vander-Elst-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs überhaupt erfüllt sind, um auf diese Weise Missbrauch vorzubeugen (VG Potsdam, B.v. 7.7.2020 – 8 L 660/20 – juris Rn. 20). Mit dieser Schutz- und Kontrollfunktion unvereinbar wäre es, das Visumserfordernis als bloße Formalie anzusehen und dessen Fehlen lediglich als geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften einzustufen. Nicht zuletzt ist die Wertung des § 95 Abs. 1a AufenthG zu beachten, der Personen strafrechtlich sanktioniert, die zu visumfreien Kurzaufenthalten berechtigt sind und sodann einer Erwerbstätigkeit nachgehen, und den der Kläger lediglich deshalb nicht erfüllt, weil er nicht im Besitz eines Schengen-Visums, sondern einer nationalen slowenischen Aufenthaltserlaubnis war. Es verbleibt deshalb auch im Lichte von Art. 56 Abs. 1 AEUV dabei, dass ein fehlendes Vander-Elst-Visum als Ausweisungsgrund herangezogen werden kann.
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Auch geht das Gericht vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr aus. Dies gilt bereits deshalb, weil der Kläger trotz des Schriftverkehrs zwischen der Ausländerbehörde und seinem Bruder im März 2023 ohne ein Visum zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ins Bundesgebiet eingereist ist, sodass nicht davon auszugehen ist, dass ein bloßer Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens – wie er durch die Polizei und im Rahmen des Vorsprachetermins bei der Ausländerbehörde erfolgt ist – entsprechende Verstöße für die Zukunft verhindern könnte. Diese Annahme wird ferner dadurch gestützt, dass der Fahrer des Pkw – angesichts der Namensgleichheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Arbeitgeber des Klägers in Slowenien – ausweislich der aufgefundenen Überweisungsträger, des Tankbelegs und der Einreisesperre aus der Schweiz offenbar des Öfteren entsprechende Tätigkeiten ausübt und zu befürchten ist, dass auch der Kläger im fortbestehenden Arbeitsverhältnis in Zukunft entsprechend motiviert werden würde.
38
Zudem ist die Ausweisung des Klägers auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten angezeigt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger in der Nähe eines Hauses angetroffen wurde, in dem zahlreiche ausländische Arbeitnehmer leben, von denen zwei bei der Kontrolle auch mit im Pkw saßen. Ein konsequentes Einschreiten gegenüber illegal tätigen Hausbewohnern ist geeignet, die Bedeutung der Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit gegenüber den anderen Bewohnern zu betonen.
39
Die Ausweisung des Klägers ist schließlich auch unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG normierten Kriterien sowie der in § 55 AufenthG vertypten und vorgewichteten Bleibeinteressen verhältnismäßig. Anhaltspunkte für ein über die illegale Beschäftigung hinausgehendes Bleibeinteresse des Klägers sind weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Zwar leben der Bruder des Klägers und womöglich auch weitere Verwandte im Bundesgebiet. Zur Tiefe der Beziehung zu diesen Personen ist nach Aktenlage allerdings nichts ersichtlich und wurde auch nichts vorgetragen. Die Bindung an den volljährigen Bruder überwiegt als Bleibeinteresse jedenfalls deshalb nicht das vom Kläger verwirklichte schwerwiegende Ausweisungsinteresse, weil keine besondere wechselseitige Angewiesenheit belegt worden ist. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass auch der Bruder des Klägers eine gewichtige Rolle bei den Abläufen spielte.
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b) Die ebenfalls unter Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
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Zunächst folgt aus einer Interpretation des Bescheides anhand der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, dass entgegen der missverständlichen Formulierung (Befristung der Ausweisungswirkungen) ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt wurde. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist für den Kläger als Adressat des Bescheids der von Ziffer 1 verfolgte Zweck einer Einreisesperre für die Dauer von drei Jahren klar erkennbar, sodass der Bescheid trotz seiner Formulierung mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG vereinbar ist (BayVGH, B.v. 23.11.2023 – 19 CS 23.1441 – Rn. 29 ff.).
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Nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen wurde, gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise beginnt. Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist liegt gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ermessen des Beklagten, darf aber nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen des § 11 Abs. 5 bis Abs. 5b AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten.
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Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 6.3.2014 – 1 C 2.13 – BeckRS 2014, 49495, Rn. 12; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.1 – BeckRS 2012, 56736, Rn. 42).
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Gemessen daran ist die vorgenommene Befristung auf drei Jahre nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die aus § 11 AufenthG resultierenden Vorgaben beachtet, das ihm hinsichtlich der Länge der Frist eingeräumte Ermessen erkannt und bei seiner Ausübung weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte stützt die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG zu Recht auf eine besonders hohe Gefahr, dass der Kläger wieder illegal einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgehen wird und führt zudem generalpräventive Erwägungen an. Sodann setzt er – angesichts des einmaligen Verstoßes nachvollziehbar – eine Frist im mittleren Bereich des gesetzlich anwendbaren Rahmens von bis zu fünf Jahren fest.
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Ein Ermessensfehler folgt auch nicht daraus, dass in den Gründen zunächst ein dreijähriges Einreise- und Aufenthaltsverbot, sodann aber ein Verbot von dreieinhalb Jahren angeführt wird. Im Wege der Auslegung ist klar, dass das tenorierte Verbot von drei Jahren auch verfügt werden sollte. Auch daran, dass der Bescheid an dieser Stelle ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in der Schweiz erwähnt, das nicht gegen den Kläger, sondern gegen seinen Arbeitgeber in Slowenien verhängt wurde, und sodann auf eine Frist von dreieinhalb Jahren eingeht, wird deutlich, dass dem Beklagten hier ein Fehler unterlaufen ist, und das Einreise- und Aufenthaltsverbot des Klägers – anders als dasjenige seines Arbeitgebers – auf drei Jahre festgesetzt wurde, weil gegen den Kläger ein solches Einreise- und Aufenthaltsverbot in der Schweiz gerade nicht bestand. Ein Ermessensfehler folgt hieraus nicht. Trotz der fehlerhaften Formulierung sind die tatsächlichen und zutreffenden Ermessenserwägungen des Beklagten klar erkennbar. Insbesondere geht aus dem Bescheid im Übrigen sowie der Klageerwiderung vom 1. März 2024 unter Punkt 6 klar hervor, dass der Beklagte sich bewusst war, dass eine Einreisesperre in der Schweiz gegen den Arbeitgeber des Klägers in Slowenien, nicht aber gegen den Kläger verhängt worden war.
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2. Zur Rechtswidrigkeit, insbesondere Unverhältnismäßigkeit der nach §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG gesetzten Ausreisefrist von drei Tagen unter Ziffer 2 wurde weder vorgetragen, noch ist ein Rechtsfehler ersichtlich. Ohnehin entfaltet die Fristsetzung als Verwaltungsakt infolge der freiwilligen Ausreise des Klägers keine Regelungswirkung mehr, sodass es auf Fragen ihrer Begründetheit auch bei entsprechendem Vortrag nicht mehr ankommen konnte.
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3. Auch die Voraussetzungen für die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3 gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegen vor. Belange, die einer Abschiebung entgegengestanden wären, wurden weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich. Die Streitfrage, ob von einer Erledigung des Verwaltungsakts gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG infolge der freiwilligen Ausreise des Klägers auszugehen ist, oder ob eine solche ausscheidet, wenn der Kläger seiner Ausreisepflicht angesichts des Klageverfahrens nicht vorbehaltlos nachkommt, kann daher offen bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2023 – 19 CS 23.1441 – Rn. 22).
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4. Aus diesen Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.