Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 22.02.2024 – 18 StL 6/23
Titel:

Unterscheidung zwischen Mitwirkungspflicht bei einer Vermittlung (§ 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG) und Auskunftspflicht in Aufsichts- und Beschwerdesachen (§ 80 Abs. 1 StBerG); Nichterfüllung von Pflichten nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG als Verstoß gegen die gewissenhafte Berufsausübung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG).

Normenketten:
StBerG § 57 Abs. 1 S. 1, § 76 Abs. 2 Nr. 3, § 77a, 80 Abs. 1 S. 1, § 90, § 91 Abs. 1, § 109
GwG § 2 Abs. 1 Nr. 12, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 51 Abs. 5, § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, NR. 2, § 56 Abs. 1 Nr. 73
OWiG § 36 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei nicht beantworteten Auskunftsersuchen der Steuerberaterkammer an einen Steuerberater ist zwischen der berufsrechtswidrigen Nichtmitwirkung bei einer Vermittlung nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG und der berufsrechtswidrigen Nichtbeantwortung eines entsprechenden Ersuchens des Vorstandes oder des durch die Satzung bestimmten Organs oder eines Beauftragten des Vorstandes oder des Organs nach § 80 Abs. 1 StBerG zu unterscheiden. (Rn. 40)
2. Erfüllt ein Steuerberater seine ihm aus den §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG resultierenden Pflichten nicht, stellt dieses einen Verstoß gegen die gewissenhafte Berufsausübung nach den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG; 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 BOStB dar. (Rn. 57)
1. Ein Mitglied einer Steuerberaterkammer ist verpflichtet, die in einem Auskunftsersuchen gestellten Fragen – vorbehaltlich einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (wobei bei einer Mandantenbeschwerde von einer Entbindung auszugehen ist) oder der Gefahr der Selbstbezichtigung (auf die sich der Berater berufen muss – § 80 Abs. 1 S. 2 StBerG) – wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Ein Recht zur Lüge besteht nicht. Der Umfang der zu erteilenden Auskunft wird durch das Auskunftsbegehren bestimmt, das die Auskunft in schriftlicher oder mündlicher Form verlangen kann. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nichtbeantwortung eines Auskunftsersuchens der Steuerberaterkammer stellt aber nur dann einen unter § 80 Abs. 1 S. 1 StBerG fallenden Verstoß dar, wenn das Auskunftsersuchen von einem der in dieser Vorschrift genannten Auskunftsberechtigten ausgeht (Vorstand, durch die Satzung bestimmtes Organ der zuständigen Steuerberaterkammer oder Beauftragter des Vorstandes oder des Organs). Auskunftsberechtigt kann somit der gesamte Vorstand der Berufskammer, aber auch ein einzelnes vom Vorstand beauftragtes Mitglied sein. Insofern kann eine generelle Beauftragung – auch eine solche im Einzelfall – erfolgen. Ansonsten allerdings wäre er zum Tätigwerden nach § 80 StBerG nicht berechtigt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die von § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG erfassten Auskünfte beziehen sich auf solche, die mit der Überprüfung der Einhaltung der geldwäscherechtlichen Vorschriften in Zusammenhang stehen. Bei Auskünften in diesem Sinne handelt es sich um die Mitteilung von Tatsachen sowie Beurteilungen und sonstigen subjektiven Einschätzungen, wie zB die Zuverlässigkeit von Mitarbeitern. Diese können sich auf allgemeine Vorgänge oder auf konkrete Angelegenheiten beziehen. Einem Auskunftsverlangen der Steuerberaterkammer steht es daher nicht entgegen, wenn sie allgemeine Auskünfte über die grundsätzliche Einhaltung der Verpflichtungen beim jeweiligen Steuerberater einholt. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufspflichtverletzung, Steuerberater, Auskunftspflicht, Geldwäsche, Mitwirkungspflicht, Steuerberaterkammer, Prüfung
Fundstellen:
Stbg 2024, 435
NWB 2024, 905
BeckRS 2024, 3526
LSK 2024, 3526
DStRE 2025, 180

Tenor

I. Die Betroffene ist schuldig der schuldhaften Verletzung allgemeiner Berufspflichten.
II. Ihr wird deshalb ein
Verweis
erteilt und eine Geldbuße in Höhe von
€ 5.000
auferlegt.
III. Die Betroffene ist berechtigt, die Geldbuße in Monatsraten von € 1.000 zu bezahlen, beginnend ab dem Ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats. Kommt die Betroffene mit der Zahlung einer Rate in Rückstand, wird der dann noch offene Restbetrag auf einmal zu Zahlung fällig.
IV. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre eigenen notwendigen Auslagen.
Angewandte Bestimmungen:
§§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG n. F.; 76 Abs. 2 Nr. 3, 80 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 n. F., 90 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 n. F., 92 Sätze 1 und 2 n. F. StBerG; 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 BOStB.

Entscheidungsgründe

A.
Persönliche Verhältnisse
...
1
IV. Die Betroffene ist berufsrechtlich nicht vorgeahndet und nicht vorbestraft.
2
Mit Verfügung vom ... stellte die Generalstaatsanwaltschaft München ein gegen die Betroffene geführtes berufsrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Hinterziehung von Umsatzsteuer betreffend ... mit einer Verkürzung von € 5.604 nach den §§ 153 StBerG; 153a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StPO nach Zahlung einer Auflage in Höhe von € 800 endgültig ein. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren war angesichts einer wirksamen Selbstanzeige gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden (...).
B.
Pflichtverletzung
3
I. Mit E-Mail vom 30.04.2020 hatte sich eine ehemalige Mandantin der Betroffenen an die Steuerberaterkammer N. gewandt und dieser mitgeteilt, die Betroffene entziehe sich zum einen der von ihr erbetenen Mitwirkung bei einer Betriebsprüfung durch die DRV und sende ihr zum anderen ihren „Steuerbescheid ...“, der im November ... vom Finanzamt ... an die Betroffene geschickt worden sei, trotz mehrfacher Bitte per E-Mail nicht zu.
4
1. Mit Schreiben vom 04.05.2020 bat die Steuerberaterkammer N. durch das Referat „Berufs-/Vergütungs-/Wettbewerbsrecht Vermittlung/Geldwäscheprävention“ die Betroffene unter Hinweis auf die vorgenannte E-Mail der ehemaligen Mandantin vom 30.04.2020, „sich im Rahmen der Berufsaufsicht zu dem Vorgang zu äußern“. Ausgeführt wurde:
„Wir bitten um Verständnis, dass trotz der momentanen Lage weiterhin die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung durch die Steuerberaterkammer N. im Bereich der Zuständigkeit nach § 76 StBerG gewährleistet sein muss.
(…)
Auf eine aktive Fristsetzung wird unsererseits derzeit verzichtet. Wir gehen aber davon aus, dass Sie sich zeitnah äußern und haben uns den Vorgang zur Wiedervorlage am 01.06.2020 gelegt.“
5
Da die Betroffene hierauf nicht reagiert hatte, wandte sich die Steuerberaterkammer N. durch das vorbezeichnete Referat mit Schreiben vom 25.06.2020 erneut an sie und führte aus:
„Sowohl in Beschwerde-/Aufsichtssachen nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als auch bei Vermittlungsangelegenheiten nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StBerG sind die Mitglieder der Steuerberaterkammer zur Auskunft bzw. zur Mitwirkung verpflichtet. In Aufsichts- und Beschwerdeangelegenheiten ergibt sich die Auskunftspflicht aus § 80 Abs. 1 StBerG, wobei eine solche nicht besteht, wenn und soweit Sie durch die Auskunftserteilung die Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen oder sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung oder Vorlage der Handakten der Gefahr zuziehen würden, wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung verfolgt zu werden. Sollten Sie der Auffassung sein, dass Sie zu einer Äußerung nicht verpflichtet sind, weil Sie sich dadurch eventuell selbst belasten würden, müssen Sie sich der Steuerberaterkammer N. gegenüber ausdrücklich schriftlich auf Ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Sofern es sich um ein Vermittlungsanliegen handelt, besteht ebenso eine Mitwirkungspflicht. Insofern bedarf es auch einer Mitteilung, falls eine Vermittlung nicht gewünscht wird. Das Nichtbeantworten von Anfragen oder Aufforderungen der Steuerberaterkammer stellt daher regelmäßig eine Berufspflichtverletzung dar, die mit einer Rüge geahndet werden kann.
(…)
Auf eine aktive Fristsetzung wird unsererseits derzeit verzichtet. Wir gehen aber davon aus, dass Sie sich zeitnah äußern und haben uns den Vorgang zur Wiedervorlage in 23.07.2020 gelegt.“
6
2. Nachdem die Betroffene auch hierauf nicht reagiert hatte, forderte der Präsident der Steuerberaterkammer N. die Betroffene mit Schreiben vom 06.08.2020, der Betroffenen unter ihrer Kanzleiadresse zugestellt am 07.08.2020, unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von € 1.000 und unter Hinweis auf § 80 Abs. 1 StBerG auf, sich bis spätestens 20.08.2020 „zu dem Vorgang sowie zu den Hintergründen der Nichtbeantwortung der Anfragen der Steuerberaterkammer schriftlich zu äußern“.
7
Eine Antwort der Betroffenen ging nicht ein.
8
Mit Bescheid vom 11.01.2021, der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift zugestellt am 12.01.2021, setzte die Steuerberaterkammer N. gegen die Betroffene ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000 fest und forderte dazu auf, sich innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat zu dem Vorgang zu äußern.
9
Mit Bescheid vom 15.02.2023 hob die Steuerberaterkammer die Zwangsgeldfestsetzung auf, nachdem sich die Betroffene geäußert hatte.
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II. Mit Schreiben vom 26.04.2021 hatte sich der (neue) Steuerberater eines ehemaligen Mandanten der Betroffenen an diese gewandt und unter Hinweis auf die trotz Anzeige der Übernahme der steuerlichen Vertretung und zahlreiche Telefonate nicht erfolgte Reaktion der Betroffenen mit Fristsetzung bis zum 05.05.2021 letztmalig um entsprechende Mitteilung und Rückgabe der in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen des Mandanten gebeten. Nachdem dieses erfolglos geblieben war, hatte sich der (neue) Steuerberater jenes ehemaligen Mandanten der Betroffenen an die Steuerberaterkammer N. gewandt.
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1. Mit Schreiben vom 19.05.2021 bat die Steuerberaterkammer N. durch das Referat „Berufs-/Vergütungs-/Wettbewerbsrecht Vermittlung/Geldwäscheprävention“ die Betroffene unter Hinweis darauf, der Nachfolgeberater habe sich an sie gewandt, um Äußerung bis zum 09.06.2021.
12
Die Betroffene reagierte nicht fristgerecht. Daraufhin wandte sich die Steuerberaterkammer N. durch das vorbezeichnete Referat mit Schreiben vom 18.06.2021 erneut an sie und führte aus:
„Sowohl in Beschwerde-/Aufsichtssachen nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als auch bei Vermittlungsangelegenheiten nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StBerG sind die Mitglieder der Steuerberaterkammer zur Auskunft bzw. zur Mitwirkung verpflichtet. In Aufsichts- und Beschwerdeangelegenheiten ergibt sich die Auskunftspflicht aus § 80 Abs. 1 StBerG, wobei eine solche nicht besteht, wenn und soweit Sie durch die Auskunftserteilung die Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen oder sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung oder Vorlage der Handakten der Gefahr zuziehen würden, wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung verfolgt zu werden. Sollten Sie der Auffassung sein, dass Sie zu einer Äußerung nicht verpflichtet sind, weil Sie sich dadurch eventuell selbst belasten würden, müssen Sie sich der Steuerberaterkammer N. gegenüber ausdrücklich schriftlich auf Ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Sofern es sich um ein Vermittlungsanliegen handelt, besteht ebenso eine Mitwirkungspflicht. Insofern bedarf es auch einer Mitteilung, falls eine Vermittlung nicht gewünscht wird. Das Nichtbeantworten von Anfragen oder Aufforderungen der Steuerberaterkammer stellt daher regelmäßig eine Berufspflichtverletzung dar, die mit einer Rüge geahndet werden kann.
(…)
Unter Verweis auf §§ 80, 80 a StBerG werden Sie daher nochmals aufgefordert, sich bis zum 02.07.2021 in der oben genannten Angelegenheit zu äußern, die wir ihnen nochmals in der Anlage zur Kenntnis geben.“
13
2. Nachdem die Betroffene auch hierauf nicht reagiert hatte, forderte der Präsident der Steuerberaterkammer N. die Betroffene mit Schreiben vom 30.07.2021, der Betroffenen unter ihrer Kanzleiadresse zugestellt am 31.07.2021, unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von € 1.000 und unter Hinweis auf § 80 StBerG auf, sich bis spätestens 13.08.2021 „zu dem Vorgang sowie zu den Hintergründen der Nichtbeantwortung der Anfragen der Steuerberaterkammer schriftlich zu äußern“.
14
Die Betroffene antwortete nicht.
15
Mit Bescheid vom 18.11.2021, der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift zugestellt am 20.11.2021, setzte die Steuerberaterkammer N. gegen die Betroffene ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000 fest und forderte dazu auf, sich innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat zu dem Vorgang zu äußern.
16
III. Mit Schreiben vom 07.04.2022 hatte sich ein Mandant der Betroffenen an die Steuerberaterkammer N. gewandt und dieser mitgeteilt, die Betroffene sei durch ihn mandatiert worden, er habe die Betroffene aber persönlich nie erreichen können. Immer sei nur der Neffe der Betroffenen am Telefon, der mitteile, die Betroffene telefoniere, habe gerade einen Mandanten, sei außer Haus oder auf einem Lehrgang. Auch werde nicht zurückgerufen. Auf 4 bis 5 Einschreiben habe die Betroffene nicht reagiert. Er erhalte auch keinen Termin zum Zwecke der Beantragung dringend benötigter Überbrückungshilfe. Im Dezember 2021 seien sämtliche Rechnungen in Höhe von ca. ... bezahlt worden.
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1. Mit Schreiben vom 12.04.2022, der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift zugestellt am 13.04.2022, bat die Steuerberaterkammer N. durch das Referat „Berufs-/Vergütungs-/Wettbewerbsrecht Vermittlung/Geldwäscheprävention“ die Betroffene unter Beschreibung des vorgenannten Sachverhaltes um Äußerung bis zum 03.05.2022.
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Die Betroffene reagierte nicht fristgerecht. Daraufhin wandte sich die Steuerberaterkammer N. durch das vorbezeichnete Referat mit Schreiben vom 05.05.2022, der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift zugestellt am 07.05.2022, erneut an die Betroffene und führte aus:
„Sowohl in Beschwerde-/Aufsichtssachen nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als auch bei Vermittlungsangelegenheiten nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StBerG sind die Mitglieder der Steuerberaterkammer zur Auskunft bzw. zur Mitwirkung verpflichtet. In Aufsichts- und Beschwerdeangelegenheiten ergibt sich die Auskunftspflicht aus § 80 Abs. 1 StBerG, wobei eine solche nicht besteht, wenn und soweit Sie durch die Auskunftserteilung die Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen oder sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung oder Vorlage der Handakten der Gefahr zuziehen würden, wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung verfolgt zu werden. Sollten Sie der Auffassung sein, dass Sie zu einer Äußerung nicht verpflichtet sind, weil Sie sich dadurch eventuell selbst belasten würden, müssen Sie sich der Steuerberaterkammer N. gegenüber ausdrücklich schriftlich auf Ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Sofern es sich um ein Vermittlungsanliegen handelt, besteht ebenso eine Mitwirkungspflicht. Insofern bedarf es auch einer Mitteilung, falls eine Vermittlung nicht gewünscht wird. Das Nichtbeantworten von Anfragen oder Aufforderungen der Steuerberaterkammer stellt daher regelmäßig eine Berufspflichtverletzung dar, die mit einer Rüge geahndet werden kann.
(…)
Unter Verweis auf §§ 80, 80 a StBerG werden Sie daher nochmals aufgefordert, sich bis zum 19.05.2022 in der oben genannten Angelegenheit zu unserem Schreiben [zu] äußern, welches wir ihnen nochmals in der Anlage zur Kenntnis geben.“
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Die Frist verstrich erfolglos. Daraufhin wandte sich die Steuerberaterkammer N. durch das vorbezeichnete Referat mit Schreiben vom 24.05.2022, der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift zugestellt am 25.05.2022, erneut an die Betroffene und führte aus:
„Sowohl in Beschwerde-/Aufsichtssachen nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als auch bei Vermittlungsangelegenheiten nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StBerG sind die Mitglieder der Steuerberaterkammer zur Auskunft bzw. zur Mitwirkung verpflichtet, sofern kein Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Unter Verweis auf §§ 80, 80 a StBerG werden Sie daher letztmalig aufgefordert, sich bis zum 14.06.2022 in der oben genannten Angelegenheit zu unseren Schreiben zu äußern, welche wir Ihnen nochmals in der Anlage zur Kenntnis beifügen. Sollte keine Rückmeldung erfolgen, ist beabsichtigt, den Vorgang im Rahmen der nächsten Sitzung der Vorstandsabteilung Berufsrecht am 14.09.2022 bzgl. möglicher berufsaufsichtlicher Maßnahmen sowie der Einleitung eines Zwangsgeldverfahren zu erörtern.“
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2. Nachdem die Betroffene auch hierauf nicht reagiert hatte, forderte der Vorsitzende der Abteilung Berufsaufsicht der Steuerberaterkammer N. die Betroffene mit Schreiben vom 26.09.2022 unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von € 1.000 und unter Hinweis auf § 80 StBerG auf, sich innerhalb eines Monates „zu dem Vorgang sowie zu den Hintergründen der Nichtbeantwortung der Anfragen der Steuerberaterkammer schriftlich zu äußern“.
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Die Frist verstrich, ohne dass eine Äußerung der Betroffenen einging.
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Mit Bescheid vom 18.11.2022 setzte die Steuerberaterkammer N. gegen die Betroffene ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000 fest und forderte erneut dazu auf, sich innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat zu dem Vorgang zu äußern.
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Die Betroffene reagierte hierauf nicht.
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IV. Mit Schreiben vom 24.03.2022 und unter dem Betreff „Überprüfung der Einhaltung der Pflichten nach dem Geldwäschegesetz (GwG)“ übersandte die Steuerberaterkammer N. (Referat „Berufs-/Vergütungs-/Wettbewerbsrecht Vermittlung/Geldwäscheprävention“) der Betroffenen einen Fragebogen und führte insbesondere aus:
„Der Steuerberaterkammer als Aufsichtsbehörde nach § 50 Nr. 7 GwG obliegt es dabei gem. § 51 Abs. 2 und 3 StBerG die Einhaltung der Pflichten nach dem GwG zu überwachen sowie anlassunabhängige bzw. anlassabhängige risikoorientierte/-basierte Prüfungen durchzuführen. Wir erlauben uns diesbezüglich auf die in dem beigefügten Fragebogen enthaltenen Informationen zu verweisen und bitten Sie, uns den ausgefüllten Fragebogen bis zum 21.04.2022 zu übersenden.“
25
Ferner erteilte die Steuerberaterkammer N. folgende Hinweise:
- „Die individuelle Risikozuordnung des einzelnen Mandats und eine listenbasierte Zusammenstellung aller Mandate aus einem EDV-System ersetzt nicht die grundlegende Risikoanalyse. Die kanzlei-/tätigkeits- und mandantenbezogene Risikoanalyse bildet gerade die Ausgangslage, um anhand der dort aufgestellten Kriterien eine Zuordnung des Einzelmandats zu einer Risikogruppe vornehmen zu können. Insofern bedarf es als Grundlage der „abstrakten“ Risikoanalyse, auf deren Basis dann die „konkrete“ Eingruppierung jedes einzelnen Mandats erfolgt.
- Es ist nicht ausreichend, dass das auf der Internetseite der Kammer bereitgestellte Muster unreflektiert ausgefüllt wird. Hierbei handelt es sich nur um ein allgemeines Beispiel, welches mögliche Fallgestaltungen umfasst. Vielmehr bedarf es einer auf die Kanzlei- /Tätigkeits- und Mandantenstruktur individuell zugeschnittenen Risikoanalyse.
- Auch ist es nicht ausreichend, wenn Mandanten(-gruppen) ohne Begründung einem geringen Geldwäscherisiko zugeordnet werden. Diese Zuordnung muss anhand von Kriterien begründet und nachvollziehbar dokumentiert werden. Dabei kann als alleiniges Kriterium für ein geringes Risiko bspw. nicht herangezogen werden, dass der Mandant persönlich bekannt sei.
- Eine Identifizierung anhand eines gültigen Ausweisdokumentes kann nur dann unterbleiben, wenn es sich um ein Mandat mit geringem Risiko handelt und somit nur die vereinfachten Sorgfaltspflichten Anwendung finden. Es muss aber auch in diesen Fällen anhand geeigneter Quellen eine Identifizierung erfolgen. Ein „persönlich bekannt“ reicht nicht aus. Ein vollständiges Absehen von der Identifizierung ist daher nicht möglich.
- Es bedarf zwingend der Überprüfung bei jedem Mandanten, ob wirtschaftlich Berechtigte vorhanden sind und ob eine sog. „PEP-Eigenschaft“ vorliegt. Diese Abfrage muss immer erfolgen. Diese kann nicht mit der pauschalen Begründung unterbleiben, dass solche Fälle nicht gegeben sind.
Als Anlage übersenden wir Ihnen ein Beispiel für eine Risikoanalyse für eine Einzelkanzlei mit Erläuterungen, welche Sie ggf. als Anregung für Ergänzungen/Anpassungen bzgl. ihrer bereits vorhandenen Risikoanalyse nutzen können.“
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Nachdem die Betroffene die bis zum 21.04.2022 für die Beantwortung gesetzte Frist hatte verstreichen lassen, erinnerte die Steuerberaterkammer N. mit Schreiben vom 27.04.2022 unter Hinweis auf die §§ 52 Abs. 1, 56 Abs. 1 Nr. 73 GwG und mit Fristsetzung bis 25.05.2022 an die Übersendung des ausgefüllten Fragebogens samt notwendiger Unterlagen. Dieses Schreiben wurde der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift am 29.04.2022 zugestellt und enthielt folgenden Hinweis:
„Sollte keine Rückmeldung Ihrerseits erfolgen, müssen Sie mit aufsichtlichen Maßnahmen rechnen. Zudem müsste in diesem Fall die Durchführung einer Vor-Ort-Prüfung in Erwägung gezogen werden, um die Einhaltung der Pflichten nach dem GwG konkret zu überprüfen. Nachdem Sie die Frist ohne Begründung/Rückäußerung haben verstreichen lassen, behalten wir es uns ferner vor, den Vorgang intern zur Prüfung der Einleitung eines Bußgeldverfahrens abzugeben.“
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Ein Eingang war auch neuerlich nicht zu verzeichnen. Mit der Betroffenen unter ihrer Kanzleianschrift am 03.06.2022 zugestellten Schreiben des Präsidenten der Steuerberaterkammer N. vom 01.06.2022 wurde sie um Übersendung bis zum 30.06.2022 gebeten. Nachdem auch diese Frist verstrichen war, forderte der Präsident der Steuerberaterkammer N. die Betroffene mit ihr unter ihrer Kanzleianschrift am 09.07.2022 zugestelltem Schreiben vom 08.07.2022 dazu auf, den nochmals übersandten Fragebogen nebst Risikoanalyse bis zum 05.08.2022 zu übersenden.
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Auch hierauf reagierte die Betroffene nicht. Mit Schreiben vom 14.10.2022 gab die Steuerberaterkammer N. der Betroffenen durch den Vorsitzenden der Abteilung Geldwäscheaufsicht nach Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens auf der Basis der §§ 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 73 a) 1. Variante GwG die Gelegenheit, sich im Bußgeldverfahren zu äußern. Am 18.11.2022 erließ die Steuerberaterkammer N. gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid und setzte ein Bußgeld in Höhe von € 500 wegen vorsätzlich nicht erfolgter Auskunft gemäß den §§ 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 73 a) 1. Variante GwG fest, welches die Betroffene am 01.03.2023 bezahlte.
C.
Beweiswürdigung
I. ...
29
II. 1. Die Betroffene hat sich durch Erklärung ihres Verteidigers, der sie im Anschluss zustimmte, wie folgt eingelassen: Sie räume die Vorwürfe vollumfänglich ein. ...
2. Hinsichtlich der Sachverhalte unter B I. bis IV. ergeben sich die Feststellungen im Übrigen aus den im Selbstleseverfahren nach den §§ 153 StBerG; 249 Abs. 2 StPO eingeführten Urkunden.
D.
Rechtliche Würdigung
30
Die Betroffene ist schuldig der schuldhaften Verletzung von Berufspflichten gemäß den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 n. F., 76 Abs. 2 Nr. 3, 80 Abs. 1 Satz 1 StBerG.
31
I. Die unter B. I. 1., II. 1. und III. 1. beschriebenen Verhaltensweisen der Betroffenen stellen jeweils eine Berufspflichtverletzung der Nichtmitwirkung bei einer Vermittlung gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG dar, das unter B. I. 2., II. 2. und III. 2. dargelegte Verhalten der Betroffenen ist jeweils eine solche der Nichtbeantwortung eines Auskunftsersuchens des Vorstandes oder des durch Satzung bestimmten Organs gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 StBerG.
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1. a) Der Steuerberaterkammer obliegt insbesondere, auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln (§ 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG). In solchen Fällen wird die Steuerberaterkammer nicht von Amts wegen tätig, sondern ist an den Antrag gebunden, der grundsätzlich von dem Mandanten gestellt wird (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 76 Rn. 66). Das Kammermitglied ist im Rahmen der allg. Vorgaben zur Mitwirkung verpflichtet und eine fehlende Mitwirkung kann berufsrechtlich geahndet werden (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 76 Rn. 67; Koslowski, 8. Aufl. 2022, StBerG § 76 Rn. 21 und § 80 Rn. 4). Die Mitwirkungspflicht kann sich auch darin erschöpfen, sachliche Gründe für eine nicht bestehende Vermittlungsbereitschaft darzulegen (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 76 Rn. 62).
33
b) Unter Würdigung dieser Vorgaben stellt das unter B. I. 1., II. 1. und III. 1. dargelegte Verhalten der Betroffenen jeweils eine solche der Nichtmitwirkung bei einer Vermittlung gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG dar.
34
In den Fällen B. I. 1. und III. 1. beinhalten die Mitteilungen der (ehemaligen) Mandanten zwar nicht ausdrücklich den Antrag, die Steuerberaterkammer möge vermittelnd tätig werden. Im Gesamtzusammenhang kann diesen Mitteilungen aber nur eine dahingehende Bedeutung beigemessen werden, weil den (ehemaligen) Mandanten anders nicht gedient wäre. Der Nachfolgesteuerberater hatte sich im Fall B. II. 1. ausdrücklich mit einer Vermittlungsbitte an die Steuerberaterkammer gewandt.
35
Anders als im Rahmen des § 80 StBerG musste hier nicht ein bestimmter Auskunftsberechtigter tätig werden, wie der Wortlaut des § 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG ergibt.
36
Die Betroffene antwortete überhaupt nicht auf die Anschreiben der Steuerberaterkammer und trug nicht einmal sachliche Gründe für eine nicht bestehende Vermittlungsbereitschaft vor.
37
2. a) In Aufsichts- und Beschwerdesachen haben Mitglieder der Steuerberaterkammer dem Vorstand oder dem durch die Satzung bestimmten Organ der zuständigen Steuerberaterkammer oder einem Beauftragten des Vorstandes oder des Organs insbesondere Auskunft zu geben (§ 80 Abs. 1 Satz 1 StBerG).
38
Bei „Beschwerdesachen“ als Unterfall der Aufsichtssachen wird die Kammer von Dritten über einen Sachverhalt unterrichtet, der zu Aufsichtsmaßnahmen führen kann, insbesondere in Fällen, in denen Mandanten oder Institutionen sich beschwerdeführend wegen angeblicher Schlecht- oder Nichterfüllung von Berufspflichten an die Kammer wenden. Die Kammer hat hier von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist oder nicht (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 80 Rn. 6; Koslowski, 8. Aufl. 2022, StBerG § 80 Rn. 4). Weil die Steuerberaterkammer gegenüber Dritten keine Zwangsmittel hat, insbesondere das Erscheinen und die Aussage von Zeugen nicht erzwingen kann, ist sie weitgehend auf die Mitwirkung ihrer Mitglieder angewiesen, die oft im Interesse des beschuldigten Kammermitglieds liegt, weil bei einer Weigerung oft nur die Möglichkeit besteht, bei der Staatsanwaltschaft ein berufsgerichtliches Ermittlungsverfahren anzuregen (vgl. Koslowski, 8. Aufl. 2022, StBerG § 80 Rn. 1).
39
Das Kammermitglied ist verpflichtet, die in einem Auskunftsersuchen gestellten Fragen – vorbehaltlich einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (wobei bei einer Mandantenbeschwerde von einer Entbindung auszugehen ist) oder der Gefahr der Selbstbezichtigung (auf die sich der Berater berufen muss – § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG) – wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten (vgl. Koslowski, 8. Aufl. 2022, StBerG § 80 Rn. 12). Ein Recht zur Lüge besteht nicht. Der Umfang der zu erteilenden Auskunft wird durch das Auskunftsbegehren bestimmt, das die Auskunft in schriftlicher oder mündlicher Form verlangen kann (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 80 Rn. 21).
40
Die Nichtbeantwortung eines Auskunftsersuchens der Steuerberaterkammer stellt aber nur dann einen unter § 80 Abs. 1 Satz 1 StBerG fallenden Verstoß dar, wenn das Auskunftsersuchen von einem der in dieser Vorschrift genannten Auskunftsberechtigten ausgeht (Vorstand, durch die Satzung bestimmtes Organ der zuständigen Steuerberaterkammer oder Beauftragter des Vorstandes oder des Organs). Auskunftsberechtigt kann somit der gesamte Vorstand der Berufskammer, aber auch ein einzelnes vom Vorstand beauftragtes Mitglied sein. Darüber hinaus kann der Vorstand gemäß § 77a StBerG Abteilungen bilden. Diese Abteilungen können im Rahmen der übertragenen Geschäfte selbständig tätig werden und (in vollständiger Besetzung oder auch hier durch ein beauftragtes Mitglied) die Rechte aus § 80 StBerG geltend machen (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 80 Rn. 9). Der Präsident der Steuerberaterkammer kann das Recht nach § 80 StBerG ausüben, wenn er „beauftragtes Mitglied des Vorstands“ ist. Insofern kann eine generelle Beauftragung – auch eine solche im Einzelfall – erfolgen. Ansonsten allerdings wäre er zum Tätigwerden nach § 80 StBerG nicht berechtigt (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 80 Rn. 10).
41
Der Berufsträger verletzt seine Berufspflichten, wenn er seiner Pflicht zur Auskunft nicht vollständig nachkommt und kein Auskunftsverweigerungsgrund besteht (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 4. Mai 2018 – 5/35 StL 13/17; LG Hannover, Urteil vom 18. April 2016 – 44 StL 2 StV 28/15 (14/15); LG Frankfurt, Urteil vom 22. Mai 2015 – 5/35 StL 4/15; Urteil vom 25. April 2014 – 5/35 StL 1/14; Urteil vom 25. Oktober 2013 – 5/35 StL 7/13; LG Hannover, Urteil vom 29. September 1980 – 44 StL 27/79). Der Vorstand ist daher berechtigt, das Berufsvergehen mittels einer Rüge zu ahnden oder (etwa bei mehrfachen Verfehlungen) einen Antrag auf Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens zu stellen (vgl. Kluth, Handbuch des Kammerrechts, Bearbeiter Stephan, 3. Auflage 2020, § 10 Berufsaufsicht und Berufsgerichtsbarkeit Rn. 41).
42
b) Unter Würdigung dieser Vorgaben stellt das unter B. I. 2., II. 2. und III. 2. dargelegte Verhalten der Betroffenen jeweils eine solche der Nichtbeantwortung eines Auskunftsersuchens des Vorstandes oder des durch Satzung bestimmten Organs gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 StBerG dar.
43
In allen drei Fällen handelte es sich um Beschwerdesachen, denn in den Fällen B. I und III. hatten sich (ehemalige) Mandanten, im Fall B. II. ein Nachfolgeberater an die Kammer gewandt und jeweils einen Sachverhalt mitgeteilt, der zu Aufsichtsmaßnahmen führen konnte: Im Fall B. I. eine Untätigkeit und nicht erfolgende Unterlagenherausgabe (§§ 57 Abs. 1 StBerG a. F., 4 Abs. 2, 13 Abs. 1 BOStB; 66 Abs. 2 StBerG a. F., 13 Abs. 4 BOStB), im Fall B. II. eine nicht erfolgende Unterlagenherausgabe (§§ 66 Abs. 2 StBerG a. F., 13 Abs. 4 BOStB) und im Fall B. III eine Untätigkeit und Nichterreichbarkeit (§§ 57 Abs. 1 StBerG a. F., 4 Abs. 1 und 2, 10 Abs. 2, 13 Abs. 1 BOStB).
44
Die entsprechenden Auskunftsersuchen mit Hinweis auf das Recht der Auskunftsverweigerung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 3 StBerG gingen von einem der in § 80 Abs. 1 Satz 1 StBerG genannten Auskunftsberechtigten aus: Die im Sachverhalt unter den Ziffern B. I. 2 und B. II. 2. genannten Schreiben vom 06.08.2020 und 30.07.2021 wurden unterzeichnet mit „STEUERBERATERKAMMER N. Präsident <folgt Name>“. Es ist davon auszugehen, dass der Präsident für den Vorstand handelte (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 der Satzung der Steuerberaterkammer N.) und in seinem Namen die genannten Schreiben unterzeichnete. Das im Sachverhalt unter Ziffer B. III. 2. genannte Schreiben vom 26.09.2022 war unterzeichnet mit „STEUERBERATERKAMMER N. Abteilung Berufsaufsicht <folgt Name> Steuerberater/RA Vorsitzender der Abteilung“. Hier wurde – auskunftsberechtigt – die Vorstandabteilung „Berufsrecht“ (§ 77a StBerG) tätig, deren Zusammensetzung und Tätigwerden durch eine entsprechende Geschäftsordnung geregelt ist.
45
Die Betroffene kam den Auskunftsersuchen überhaupt nicht nach. II.
46
Das unter B. IV. beschrieben Verhalten stellt eine Berufspflichtverletzung gemäß den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG n. F., 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 BOStB dar. Die Betroffene hat ihren Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt, weil sie die ihr durch die §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG auferlegten Pflichten gegenüber der Steuerberaterkammer N. als zuständiger Aufsichtsbehörde nicht nachkam.
47
1. a) aa) Verpflichtete im Sinne des GwG sind, soweit sie in Ausübung ihres Gewerbes oder Berufs handeln, u.a. Steuerberater (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 GwG). Zuständige Aufsichtsbehörde für die Durchführung des GwG ist bei Steuerberatern die jeweils örtlich zuständige Steuerberaterkammer (§ 50 Nr. 7 GwG).
48
Die Steuerberaterkammern als Aufsichtsbehörden können im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen und Anordnungen treffen, um die Einhaltung der im GwG und der in aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegten Anforderungen sicherzustellen. Insbesondere können die Aufsichtsbehörden in diesem Rahmen durch erforderliche Maßnahmen und Anordnungen sicherstellen, dass die Verpflichteten diese Anforderungen auch im Einzelfall einhalten und nicht entgegen diesen Anforderungen Geschäftsbeziehungen begründen oder fortsetzen und Transaktionen durchführen. Sie können hierzu auch die ihnen für sonstige Aufsichtsaufgaben eingeräumten Befugnisse ausüben (§ 51 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 GwG).
49
Die Steuerberaterkammer als Aufsichtsbehörde kann bei dem Steuerberater Prüfungen zur Einhaltung der in diesem Gesetz festgelegten Anforderungen durchführen. Die Prüfungen können ohne besonderen Anlass vor Ort und anderswo erfolgen (§ 51 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GwG).
50
Der Steuerberater als demgemäß Verpflichteter hat der Steuerberaterkammer als demgemäß zuständiger Aufsichtsbehörde auf Verlangen unentgeltlich Auskunft über alle Geschäftsangelegenheiten und Transaktionen zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die für die Einhaltung der in diesem Gesetz festgelegten Anforderungen von Bedeutung sind (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG). Er hat der Steuerberaterkammer insbesondere auf Verlangen die jeweils aktuelle Fassung der Risikoanalyse zur Verfügung zu stellen (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 GwG).
51
bb) Prüfungen können nach Ermessen der Steuerberaterkammer auch im Rahmen einer sog. Schreibtischprüfung bei ihr selbst stattfinden. Für die Durchführung einer Prüfung bedarf es keines konkreten Anfangsverdachts. Eine anlasslose Prüfung von Steuerberatern ist daher auch zulässig, wenn der Steuerberaterkammer keine Anhaltspunkte für mögliche Verstöße gegen die Einhaltung geldwäscherechtlicher Verpflichtungen des von der Prüfung Betroffenen vorliegen. Insoweit beschränkt sich die Prüfung dann auf eine reine dahingehende Organisationsprüfung (vgl. Scaraggi-Kreitmayer, Geldwäschebekämpfung, 1. Aufl. 2023, GwG § 51 Rn. 7; Herzog/Achtelik, 5. Aufl. 2023, GwG § 51 Rn. 5). Für die Durchführung einer Prüfung im Sinne des § 51 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GwG bedürfte es – auch wenn diese als „Schreibtischprüfung“ stattfindet – wohl einer entsprechenden durch Bescheid ergehenden und anfechtbaren Prüfungsanordnung (vgl. Beispiele Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11. Juli 2023 – 22 ZB 21.121; VG Augsburg, Urteil vom 24. September 2020 – Au 2 K 19.254).
52
Die von § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG erfassten Auskünfte beziehen sich auf solche, die mit der Überprüfung der Einhaltung der geldwäscherechtlichen Vorschriften in Zusammenhang stehen. Bei Auskünften in diesem Sinne handelt es sich um die Mitteilung von Tatsachen sowie Beurteilungen und sonstigen subjektiven Einschätzungen, wie z. B. die Zuverlässigkeit von Mitarbeitern. Diese können sich auf allgemeine Vorgänge oder auf konkrete Angelegenheiten beziehen. Einem Auskunftsverlangen der Steuerberaterkammer steht es daher nicht entgegen, wenn sie allgemeine Auskünfte über die grundsätzliche Einhaltung der Verpflichtungen beim jeweiligen Steuerberater einholt (vgl. Scaraggi-Kreitmayer, Geldwäschebekämpfung für Steuerberater, 1. Aufl. 2023, 52 GwG Rn. 8; Jacob Wende in: Zentes/Glaab, Frankfurter Kommentar zum Geldwäschegesetz, Stand 30.08.2022, § 52 Mitwirkungspflichten, Rn. 10). Unterlagen i. S. d. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sind sämtliche Unterlagen mit einer Relevanz zu den Anforderungen des GwG. Hierzu zählt auch die Dokumentation der Risikoanalyse, wobei § 5 Abs. 2 Nr. 3 GwG eine eigene Vorlagepflicht statuiert. Es handelt sich bei den vorzulegenden Unterlagen um die gemäß § 8 GwG angefertigten Dokumentationen sowie um interne Unterlagen, die sich zur Prüfung der Einhaltung geldwäscherechtlicher Pflichten eignen (vgl. Scaraggi-Kreitmayer, a. a. O., Rn. 9). Darunter werden sowohl die Grundsätze und Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verstehen sein, als auch die Unterlagen, die für die Dokumentation im KYC-Prozess erhoben worden sind, wie etwa die Risikoanalyse, die Risikobewertung im Einzelfall, der Kundenannahmebogen, aber auch Transaktionsdaten und die Informationen, die im Rahmen einer Verdachtsfallbearbeitung erhoben worden sind bzw. die Verdachtsfallbearbeitung selbst (vgl. BeckOK GwG/Bayer, 16. Ed. 1.12.2023, GwG § 52 Rn. 16b). Der Begriff der Unterlagen ist weit auszulegen und bezieht sich auf alle Unterlagen mit einer Relevanz zu den Anforderungen des GwG (vgl. Jacob Wende in: Zentes/Glaab, a. a. O. Rn. 11; Weyland/Koch, 11. Aufl. 2024, GwG § 52 Rn. 5). Die Pflicht zur Auskunft und Unterlagenübersendung aus § 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG flankiert das Prüfungsrecht in § 51 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GwG (vgl. BeckOGK/Ames, 15.10.2023, GwG § 51 Rn. 24 und 45 ff.).
53
b) aa) Bei den sich aus dem GwG ergebenden Verpflichtungen handelt es sich um berufliche Pflichten des Steuerberaters.
54
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf u. a. gewissenhaft auszuüben (§§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG n. F., 1 Abs. 2 BOStB). Sie sind nach § 4 Abs. 1 der auf der Basis von § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG erlassenen BOStB insbesondere verpflichtet, die für eine gewissenhafte Berufsausübung erforderlichen fachlichen, personellen und sonstigen organisatorischen Voraussetzungen zu gewährleisten.
55
Zur gewissenhaften Ausübung des Berufs gehört nicht nur die sorgfältige Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers, sondern es sind auch die steuerlichen und berufsgesetzlichen Vorschriften zu beachten, wenn ein Antrag angenommen und durchgeführt wird. Die Pflichten, die der Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten dem Auftraggeber, dem Berufsstand und der Allgemeinheit gegenüber mit sich bringt, lassen sich nicht erschöpfend aufzählen, sondern es können nur allgemeine Grundsätze aufgestellt werden (BT-Drs., 3/128 vom 10.01.1958, Seite 32; Koslowski, 8. Aufl. 2022, StBerG § 57 Rn. 39). Im Verstoß gegen eine gegen eine bestimmte Berufspflicht kann zugleich auch ein solcher gegen die gewissenhafte Berufsausübung gesehen werden (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 57 StBerG Rn. 153). Die gewissenhafte Berufsausübung umfasst auch die Einhaltung anderer gesetzlicher Vorgaben (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 57 Rn. 153; LG Bremen, Urteil vom 27.05.2014 – StL 1/12 für § 35a GmbHG).
56
Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfolgt vorrangig mit dem Ziel der Verhinderung und Aufdeckung schwerer Straftaten. Das gesetzgeberische Konzept des GwG besteht darin, dass sich Verpflichtete deshalb ein Profil über ihre Tätigkeit verschaffen, mit dem sie zum einen „Schlupflöcher“ ihrer Dienstleistungen für kriminelles Handeln definieren und zum anderen mögliche Indizien kriminellen Handelns durch genauere Untersuchungen entweder entkräften oder bestätigen (vgl. Scaraggi-Kreitmayer, Geldwäschebekämpfung, 1. Auflage 2023, Einleitung Rn. 1). Die Normen des GwG beinhalten Pflichten, die der Normadressat des § 2 GwG schon im eigenen Interesse erfüllen muss (vgl. Joachim Kaetzler in: Zentes/Glaab, Frankfurter Kommentar zum Geldwäschegesetz, Stand 30.08.2022, § 1 Begriffsbestimmungen, Rn. 5).
57
Unter Würdigung des Vorgenannten und des Umstandes, dass die Wahrnehmung der sich für den Steuerberater ergebenden Verpflichtungen aus dem GwG unmittelbar mit seiner Berufstätigkeit verknüpft ist, wäre es nicht nachvollziehbar, die Nichterfüllung insbesondere der sich aus den §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG ergebenden Verpflichtungen durch einen Steuerberater nicht auch gleichzeitig als Verstoß gegen die gewissenhafte Berufsausübung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG n. F. bzw. insoweit hierin nicht auch die Nichtgewährleistung „der sonstigen organisatorischen Voraussetzungen“ (§ 4 Abs. 1 BOStB) zu sehen. Ein Steuerberater, der an der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht entsprechend seinen Verpflichtungen mitwirkt, handelt nicht „gewissenhaft“ und gewährleistet auch nicht die organisatorischen Voraussetzungen für eine gewissenhafte Berufsausübung.
58
bb) Weil die Nichterfüllung der dem Steuerberater durch die §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG auferlegten Verpflichtungen eine Berufspflichtverletzung darstellt, kann dieses Verhalten grundsätzlich Gegenstand einer Rüge (§ 81 StBerG) und/oder eines berufsgerichtlichen Verfahrens sein (§ 89 StBerG). Die Steuerberaterkammern können im Übrigen im Rahmen der Aufsicht auch die ihnen für sonstige Aufsichtsaufgaben eingeräumten Befugnisse ausüben (§ 51 Abs. 2 Satz 3 GwG). Demgemäß kommen nicht nur die vorerwähnte Rüge, sondern auch Maßnahmen nach den §§ 80, 80a StBerG in Betracht (vgl. Kuhls, 4. Auflage 2020, § 76 Rn. 138).
59
c) aa) Erfüllt der Steuerberater bspw. seine ihm durch die §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG auferlegten Verpflichtungen nicht, kann die Steuerberaterkammer als Aufsichtsbehörde (§ 50 Nr. 7 GwG) dem Steuerberater aber auch die Ausübung des Geschäfts oder Berufs vorübergehend untersagen oder ihm gegenüber die Zulassung widerrufen, wenn der Verpflichtete vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Bestimmungen des GwG, gegen die zur Durchführung des GwG erlassenen Verordnungen oder gegen Anordnungen der zuständigen Aufsichtsbehörde verstoßen hat, trotz Verwarnung durch die zuständige Aufsichtsbehörde dieses Verhalten fortsetzt und der Verstoß nachhaltig ist (vgl. § 51 Abs. 5 Satz 1 GwG). Außerdem ist die Steuerberaterkammer nach § 76 Abs. 8 StBerG im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG Verwaltungsbehörde für Ordnungswidrigkeiten nach § 56 des Geldwäschegesetzes, die durch ihre Mitglieder begangen werden. Wenn der Steuerberater entgegen § 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG vorsätzlich oder fahrlässig Auskünfte nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder sich in gleicher Weise seiner Unterlagenvorlagepflicht entzieht, kann die Steuerberaterkammer gegen ihn durch Ahndung mit einem Bußgeld vorgehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 73 GwG).
60
bb) Es kann dahinstehen, ob die Steuerberaterkammer angesichts des vorstehend beschriebenen Nebeneinanders der Möglichkeit von Maßnahmen nach dem GwG und nach dem StBerG primär auf jene des GwG zurückzugreifen hat (so zutreffend Kuhls, 4. Auflage 2020, § 76 Rn. 138). Aus dem Wortlaut des § 51 Abs. 2 Satz 3 GwG jedenfalls geht ein derartiges Vorrangverhältnis nicht hervor. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sollen zur Durchsetzung ihrer Ziele nicht allein auf die im GwG genannten Maßnahmen beschränkt sein, sondern sollen sich auch der Befugnisse bedienen können, die ihnen ansonsten, also außerhalb des GwG, zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflichten zur Verfügung stehen. Die Maßnahmen des GwG sind insofern „lediglich“ als lex specialis anzusehen (vgl. BeckOK GwG/Gabriel, 16. Ed. 1.12.2023, GwG § 51 Rn. 7).
61
Der Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens würde es jedenfalls nicht entgegenstehen, wenn der Vorstand der Steuerberaterkammer bereits wegen desselben Vorschriften des GwG widersprechenden Verhaltens eine Rüge erteilt hätte (§ 91 Abs. 1 Satz 1 StBerG). Das Verhältnis des berufsgerichtlichen Verfahrens zu einem Bußgeldverfahren der Steuerberaterkammer auf der Basis der §§ 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 73 GwG richtete sich jedenfalls nach § 109 StBerG. Das berufsgerichtliche Verfahren könnte im Übrigen nach § 111 StBerG ausgesetzt werden, wenn in einem dem GwG unterliegenden Verfahren über eine Frage zu entscheiden wäre, deren Beurteilung für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren von wesentlicher Bedeutung wäre. Dieses wäre der Fall, wenn es in einem Verwaltungs(streit) verfahren um Pflichten des Steuerberaters nach dem GwG ginge.
62
2. Unter Würdigung dieser Vorgaben hat die Betroffene eine Berufspflichtverletzung gemäß den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG n. F., 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 BOStB begangen. Sie hat ihren Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt, weil sie die ihr durch die §§ 2 Abs. 1 Nr. 12, 5 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG auferlegten Pflichten gegenüber der Steuerberaterkammer N. als zuständiger Aufsichtsbehörde nicht nachkam.
63
Die Steuerberaterkammer N. forderte die Betroffene mit Schreiben vom 24.03., 27.04., 01.06. und 08.07.2022 rechtmäßig auf der Basis des § 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG auf, durch Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens Auskünfte zu erteilen und in den Schreiben genannte Unterlagen zu übersenden. Die erbetenen Auskünfte und Unterlagen waren solche, die von der oben beschriebenen Zielrichtung des § 52 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG umfasst sind. Dieser Verpflichtung kam die Betroffene jedenfalls bis zum 18.11.2022 nicht nach, ohne dass Rechtfertigungsgründe hierfür ersichtlich wären.
E.
Rechtsfolge
64
§ 90 Abs. 1 StBerG sieht als mögliche Ahndung die Warnung, den Verweis, die Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, das Berufsverbot für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren oder die Ausschließung aus dem Beruf vor. Die berufsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße können nebeneinander verhängt werden (§ 90 Abs. 3 StBerG n. F.).
65
I. Zugunsten der Betroffenen spricht ihr Geständnis. Sie ist berufsrechtlich und strafrechtlich nicht vorgeahndet. In allen vier ihr zur last liegenden Sachverhaltsgestaltungen sind die ihnen zugrunde liegenden Fragestellungen mittlerweile gelöst. Zu würdigen war ihre schwierige private, auch gesundheitliche Situation, in gewissem Sinne auch eine berufsbedingte Überlastung. Allerdings entlasten sie diese Umstände nur in geringem Umfang, weil sie sich bei wahrgenommenen negativen Auswirkungen auf ihre Berufsarbeit um anderweitige Abhilfe, bis hin zur Niederlegung von Mandaten, hätte bemühen müssen und krankheitsbedingte Störungen der Erfüllung ihrer Berufspflichten nicht einfach hätte hinnehmen dürfen (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 26. Januar 2018 – 5/35 StL 12/17). Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die in ihrem Beruf in Anspruch genommen werden und den Auftrag nicht annehmen wollen, haben die Ablehnung unverzüglich zu erklären (§ 63 Satz 1 StBerG) und sie dürfen einen Auftrag nur annehmen und ausführen, wenn sie über die dafür erforderliche Sachkunde und die zur Bearbeitung erforderliche Zeit verfügen (§ 4 Abs. 2 BOStB). Sie haben einen allgemeinen Vertreter bestellen, wenn sie länger als einen Monat daran gehindert sind, ihren Beruf auszuüben (§ 69 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. StBerG). Die Gesamtschau dieser Berufspflichten zeigt bereits, dass Überlastung und Krankheit – von Ausnahmen abgesehen – nur eingeschränkt einen Milderungsgrund bei der Ahnung derartiger berufsrechtlicher Verstöße darstellen können.
66
Gegen die Betroffen waren folgende Punkte zu würdigen: Innerhalb eines verhältnismäßig langen Zeitraumes beging sie eine Vielzahl von Berufspflichtverletzungen. Sie reagierte auf eine Vielzahl von Anschreiben der Steuerberaterkammer nicht. Die im Vorgang ... auferlegte Zahlung von € 800 erfüllte keine Warnfunktion.
67
II. Unter Würdigung unter E. I. genannten Aspekte sind weder Berufsverbot noch Ausschließung aus dem Beruf veranlasst. Die Betroffene hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass und wie sie ihr Fehlverhalten nicht nur als solches erkennt und einsieht, sondern dass sie die Erfüllung berufsrechtlicher Verpflichtungen ernstnimmt und ihnen nicht gleichgültig gegenübersteht. In der Hauptverhandlung vor der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen sind keine Umstände zutage getreten, aus denen auf eine Gleichgültigkeit der Betroffenen gegenüber den (berufs-) rechtlichen Anforderungen zu schließen wäre und auf die Annahme, von der Betroffenen gingen auch zukünftig schwerwiegende Gefahren für die Steuerrechtspflege aus.
68
III. Unter Würdigung dieser Vorgaben und der genannten Zumessungsgesichtspunkte sind eine Verwarnung und eine Geldbuße (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 StBerG) in der ausgesprochenen Höhe angemessen. Dabei war von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Verweis und Geldbuße zu kumulieren, weil die Geldbuße zur berufsgerichtlichen Ahndung des angeschuldigten Fehlverhaltens allein nicht ausreicht (§ 90 Abs. 3 StBerG n. F.).
F.
Disziplinarüberhang hinsichtlich B. IV.
69
Eine berufsgerichtliche Maßnahme ist hinsichtlich des unter B. IV. beschriebenen Vorwurfes neben der bereits durch Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße zusätzlich erforderlich, um das Ansehen des Berufs zu wahren (§ 92 Satz 2 2. Alt. StBerG).
70
I. § 92 StBerG wurde durch Artikel 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (BRAORefG) umfassend geändert. Diese Änderungen sind am 01.08.2022 in Kraft getreten. § 92 Sätze 1 und 2 StBerG lauten nunmehr wie folgt (Hervorhebung durch das Gericht):
„1Von einer berufsgerichtlichen Ahndung ist abzusehen, wenn
1. durch ein Gericht oder eine Behörde wegen desselben Verhaltens bereits eine Strafe, eine Geldbuße nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder eine berufsaufsichtliche Maßnahme verhängt worden ist oder
2. das Verhalten nach § 153a Absatz 1 Satz 5, auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 2, der Strafprozessordnung nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann.
2Satz 1 gilt nicht, wenn eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder die Berufsausübungsgesellschaft zur Erfüllung seiner oder ihrer Pflichten anzuhalten oder um das Ansehen des Berufs zu wahren.“
71
Wie der Wortlaut des § 92 Satz 2 StBerG neuer Fassung zeigt, ist es nun nicht mehr als Voraussetzung erforderlich, die kumulative Notwendigkeit zu sehen, eine erforderliche erzieherische Wirkung auf den Berufsangehörigen auszuüben und zusätzlich das durch sein Verhalten beeinträchtigte Ansehen des Berufs zu wahren. Es ist bereits ausreichend, wenn eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um das Ansehen des Berufs zu wahren (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 07.02.2024 – 18 StL 4/23).
72
II. Unter Würdigung dieser Vorgaben ist die berufsrechtliche Maßnahme geboten, um das Ansehen des Berufsstandes zu wahren (§ 92 Satz 2 2. Alt. StBerG). Im Falle der Begehung eines Verstoßes gegen die einem Steuerberater durch das GwG auferlegten Verpflichtungen wird – auch nach einem Bußgeldbescheid auf der Basis des (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 73 GwG – vorbehaltlich Besonderheiten des Einzelfalles regelmäßig eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich sein, um das Ansehen des Berufes zu wahren. Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfolgt vorrangig mit dem Ziel der Verhinderung und Aufdeckung schwerer Straftaten und liegt im Interesse der Allgemeinheit. Gegen einen Steuerberater, der gegen Verpflichtungen verstößt, die dem Schutz der Allgemeinheit vor schweren Straftaten dienen, nicht auch mit berufsrechtlichen Maßnahmen vorzugehen, stieße in der Öffentlichkeit auf Unverständnis und würde das Ansehen des Berufes schädigen.
G.
Kosten
73
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 148 StBerG.