Inhalt

OLG München, Endurteil v. 11.10.2024 – 39 U 2482/23 e
Titel:

Unwirksamkeit der AGB eines Sport-Streamingdienstes

Normenkette:
BGB § 307, § 308, § 309, § 327r
Leitsätze:
1. Die Formulierung "Wir bieten einen Online-Videodienst, der ... die Übertragung von Sportereignissen (live und on-demand), Zusammenfassungen von Sportereignissen und andere ähnliche Inhalte bietet" ist lediglich eine allgemein gehaltene Wiederholung der vereinbarten Leistung. Durch den Nebensatz, dass deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann und die Inhalte gewissen Beschränkungen unterliegen (zB bestimmten Gebietsbeschränkungen), wird das Leistungsversprechen der Übertragung von Sportereignissen eingeschränkt und ausgestaltet und unterliegt daher der AGB-Kontrolle. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Klausel, die es dem Wortlaut nach ermöglicht, auch grundlos die Zusammensetzung, Beschaffenheit und Quantität eines Abonnementpaketes zu ändern, soweit sich das Angebot im Sportbereich bewegt, ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. (Rn. 27 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelungen § 327r BGB und die AGB-Vorschriften sind parallel anzuwenden. Das AGB- Recht wird nicht durch die spezielleren Vorgaben des § 327r verdrängt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
AGB-Kontrolle, Online-Videodienst
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 25.05.2023 – 12 O 6740/22
Fundstellen:
MMR 2025, 288
BeckRS 2024, 35252
LSK 2024, 35252

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.05.2023, Az. 12 O 6740/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das Urteil erster Instanz sind gegen Sicherheitsleistung iHv 30.000,- € vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten im Verbandsklageverfahren um einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich mehrerer Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.
2
Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 27 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland und ist in der vom Bundesamt für Justiz in B... geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
3
Die Beklagte bietet in Deutschland über die Plattform https://www.d. DE/welcome den Sport- Streamingdienst D. an. Laut unbestrittenem Klägervortrag beschreibt die Beklagte unter der Domain (https://www.d. -DE/help/ …) ihr Angebot wie folgt: „D. ist der weltweit führende Sport- Streaming-Dienst. Er wurde von Fans für Fans geschaffen und ermöglicht den Fans ihren Lieblingssport jederzeit und überall zu erleben. Egal ob zu Hause im Wohnzimmer, unterwegs, zeitversetzt, oder im Rückblick, D. läuft auf nahezu allen webfähigen Geräten, unter anderem auf Smart TVs im heimischen Wohnzimmer, auf allen Android und iOS Smartphones sowie Tablets, Apple TV, Amazon Fire TV, Google Chromecast und Spielekonsolen wie der PlayStation und der Xbox.“
4
In der mit Berufungsbegründung vorgelegten Anlage BB1 beschreibt die Beklagte ihr Angebot wie folgt:
Streitgegenständlich sind Klauseln, welche von der Beklagten in ihren „Nutzungsbedingungen“ in den Verkehr gebracht wurden (Anlage K2 der Landgerichtsakte).“
5
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, zu unterlassen, in Bezug auf Verträge über Streamingdienste nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbstständig beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer), zu verwenden sowie sich auf die Klausel bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:
a) [2. Wichtigste Nutzungsregeln]:
2.1. Wir bieten einen Online-Videodienst, der (unter anderem) die Übertragung von Sportereignissen (live und on-demand), Zusammenfassungen von Sportereignissen und andere ähnliche Inhalte bietet, deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann (insgesamt „Inhalte“). Die Inhalte unterliegen gewöhnlich gewissen Beschränkungen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen).
[Du kannst den D. Service in jedem Land abrufen, in dem er verfügbar ist, wenngleich Inhalte (und die jeweils verfügbare Sprache) von Land zu Land variieren. Solltest Du erfolgreich für die grenzüberschreitende Portabilität (bitte siehe dazu auch unsere FAQs) des D. Services verifiziert werden können, erhältst Du Zugang zum D. Service, wenn du Dich vorrübergehend in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes („EWR“) aufhältst, unabhängig davon, ob der D. Service grundsätzlich in dem Mitgliedstaat des EWR verfügbar ist.]
b) 2.3. Wir sind berechtigt, diese Bedingungen zu ändern, etwa aufgrund einer Gesetzesänderung oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen, wobei die Abonnement-Struktur des D. Services vorbehaltlich der Ziffer 4.8 in ihrer Gesamtheit nicht zu Deinen Lasten eingeschränkt wird. Änderungen dieser Bedingungen werden Dir von uns per Email an die zuletzt eingetragene Emailadresse mitgeteilt. Änderungen unserer Zahlungsbedingungen werden Dir ebenfalls unmittelbar mitgeteilt. Die Änderungen gelten als angenommen, wenn Du nicht innerhalb von vierzehn (14) Tagen ab Mitteilung widersprichst, sofern wir Dich in der Mitteilung auf diese Folge eines fehlenden Widerspruchs hinweisen.
c) [4. Das Finanzielle]
4.7. Vorbehaltlich der Mitteilungspflichten gemäß Ziffer 2.3 können wir unseren Serviceplan von Zeit zu Zeit ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.
4.8. Wir behalten uns das Recht vor, den Preis für den D. Service an sich verändernde Marktbedingungen, bei erheblichen Veränderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder bei Änderungen der Umsatzsteuer oder vergleichbaren Steuern anzupassen. Zusätzlich behalten wir uns vor, den Preis bei erheblichen Veränderungen im Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts entsprechend anzupassen; als erhebliche Veränderung gilt eine Anhebung von 0,5 Prozentpunkten oder mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Preisänderungen finden frühestens nach dreißig (30) Tagen ab dem Tag unserer Email-Benachrichtigung an Deine zuletzt eingetragene Emailadresse Anwendung.
e) [7. Technische Anforderungen]
7.2. Wir unternehmen angemessene Anstrengungen, um sicherzustellen, dass Dir der D. Service zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Der D. Service wird jedoch ohne Garantie („as is“) angeboten. Außer in den Grenzen gemäß den Ziffern 7.4 und 12 haften wir nicht [für die Absage oder den Abbruch eines Ereignisses oder] dafür, ein Ereignis nicht wie geplant oder beworben zeigen zu können, noch wenn es Dir unmöglich ist, ein Ereignis auf einem bestimmten Gerät anzusehen.
f) 7.4. Wir stellen den D. Service mit angemessener Sorgfalt und Sachkenntnis zur Verfügung. Darüber hinaus geben wir keine Gewährleistung (und schließen, soweit gesetzlich zulässig und vorbehaltlich der Ziffer 12, etwaige gesetzliche Gewährleistungen aus). Etwaige gesetzliche Rechte, die Dir als Verbraucher zustehen, bleiben hiervon unberührt.
[Wir allein (und nicht ein Drittanbieter) sind für Ansprüche zuständig, die Dir oder einem Dritten möglicherweise im Zusammenhang mit dem D. Service und/oder seiner Nutzung zustehen.]
g) [8. Nutzung des D. Services]
8.4. Wir behalten uns vor, sämtliche über den D. Service bereitgestellten Inhalte zu entfernen oder zu ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.
h) [13. Kontaktiere uns]
13.3. Sämtliche Mitteilungen unsererseits erfolgen per Email an deine zuletzt eingetragene Emailadresse. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn Du von uns gesendete Nachrichten nicht erhältst.
i) [19. Salvatorische Klausel]
[Sofern eine Vorschrift dieser Bedingungen unzulässig oder undurchsetzbar ist, bleibt die Wirksamkeit der übrigen Bedingungen unberührt.]
Sofern eine unzulässige oder undurchsetzbare Vorschrift durch Streichung eines Teils zulässig oder durchsetzbar würde, wird angenommen, dass dieser Teil gestrichen wird und die Vorschrift im Übrigen in Kraft bleibt.
6
Der Kläger erläutert zum Antrag (Klageschrift, S. 6):
„Soweit Textpassagen in eckige Klammern gesetzt sind, erfolgt die Wiedergabe ausschließlich zum besseren Verständnis des Inhalts der Regelung. Die Passagen sind hingegen nicht Gegenstand des Unterlassungsbegehrens.“
7
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Soweit sich der Klageantrag ursprünglich auch auf Unterlassung der Klauseln 2.5, 4.4 und 18 bezog sowie hinsichtlich des Kageantrages zu 2. (Abmahnkosten), wurde der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
9
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 25.05.2023, den Parteivertretern zugestellt am gleichen Tag, stattgegeben und tenoriert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, zu unterlassen, in Bezug auf Verträge über Streamingdienstenachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbstständig beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer), zu verwenden sowie sich auf die Klausel bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:
a) 2.1. Wir bieten einen Online-Videodienst, der (unter anderem) die Übertragung von Sportereignissen (live und on-demand), Zusammenfassungen von Sportereignissen und andere ähnliche Inhalte bietet, deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann (insgesamt „Inhalte“). Die Inhalte unterliegen gewöhnlich gewissen Beschränkungen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen). (…)
b) 2.3. Wir sind berechtigt, diese Bedingungen zu ändern, etwa aufgrund einer Gesetzesänderung oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen, wobei die Abonnement- Struktur des D. Services vorbehaltlich der Ziffer 4.8 in ihrer Gesamtheit nicht zu Deinen Lasten eingeschränkt wird. Änderungen dieser Bedingungen werden Dir von uns per Email an die zuletzt eingetragene Emailadresse mitgeteilt. Änderungen unserer Zahlungsbedingungen werden Dir ebenfalls unmittelbar mitgeteilt. Die Änderungen gelten als angenommen, wenn Du nicht innerhalb von vierzehn (14) Tagen ab Mitteilung widersprichst, sofern wir Dich in der Mitteilung auf diese Folge eines fehlenden Widerspruchs hinweisen.
c) 4.7. Vorbehaltlich der Mitteilungspflichten gemäß Ziffer 2.3 können wir unseren Serviceplan von Zeit zu Zeit ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.
d) 4.8. Wir behalten uns das Recht vor, den Preis für den D. Service an sich verändernde Marktbedingungen, bei erheblichen Veränderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder bei Änderungen der Umsatzsteuer oder vergleichbaren Steuern anzupassen. Zusätzlich behalten wir uns vor, den Preis bei erheblichen Veränderungen im Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts entsprechend anzupassen; als erhebliche Veränderung gilt eine Anhebung von 0,5 Prozentpunkten oder mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Preisänderungen finden frühestens nach dreißig (30) Tagen ab dem Tag unserer Email-Benachrichtigung an Deine zuletzt eingetragene Emailadresse Anwendung.
e) 7.2. Wir unternehmen angemessene Anstrengungen, um sicherzustellen, dass Dir der D. Service zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Der D. Service wird jedoch ohne Garantie („as is“) angeboten. Außer in den Grenzen gemäß den Ziffern 7.4 und 12 haften wir nicht (…) dafür, ein Ereignis nicht wie geplant oder beworben zeigen zu können, noch wenn es Dir unmöglich ist, ein Ereignis auf einem bestimmten Gerät anzusehen.
f) 7.4. Wir stellen den D. Service mit angemessener Sorgfalt und Sachkenntnis zur Verfügung. Darüber hinaus geben wir keine Gewährleistung (und schließen, soweit gesetzlich zulässig und vorbehaltlich der Ziffer 12, etwaige gesetzliche Gewährleistungen aus). Etwaige gesetzliche Rechte, die Dir als Verbraucher zustehen, bleiben hiervon unberührt.(…)
g) 8.4. Wir behalten uns vor, sämtliche über den D. Service bereitgestellten Inhalte zu entfernen oder zu ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.
h) 13.3. Sämtliche Mitteilungen unsererseits erfolgen per Email an deine zuletzt eingetragene Emailadresse. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn Du von uns gesendete Nachrichten nicht erhältst.
i) (…) Sofern eine unzulässige oder undurchsetzbare Vorschrift durch Streichung eines Teils zulässig oder durchsetzbar würde, wird angenommen, dass dieser Teil gestrichen wird und die Vorschrift im Übrigen in Kraft bleibt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtungen pro Klausel gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 € vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
10
Gegen das Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 02.06.2023 Berufung eingelegt.
11
Die Beklagte beantragt mit der am 02.06.2024 eingelegten Berufung,
das Urteil des Landgerichts München I vom 25. Mai 2023 (Az. 12 O 6740/22) abzuändern und die Klage abzuweisen.
12
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
13
Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf das erstinstanzliche Urteil, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2024.
II.
14
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
15
Das Landgericht hat die Beklagte zutreffend verurteilt, es zu unterlassen, die streitgegenständlichen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden.
16
Die Berufung ist nicht deswegen teilweise begründet, weil das erstinstanzliche Urteil Klauseln nicht in ihrer Gänze überprüft hat, sondern mit „(…)“ gekennzeichnete Teile ungeprüft ließ. Zwar hat bereits die Klageschrift durch das Setzen von eckigen Klammern Teile der AGB-Vorschriften nicht zur Überprüfung gestellt (s. Klageschriftsatz, S.6). Das Erstgericht hätte dennoch jeweils die gesamte Klausel überprüfen müssen, um feststellen zu können, ob die zu überprüfenden Passagen von den nicht zur Überprüfung gestellten Passagen abtrennbare Teile der Klausel sind (s. hierzu u. II. 8a).
17
Das Berufungsgericht ist jedoch an den Antrag des Berufungsführers auf Aufhebung des Ersturteils und Klageabweisung gebunden, § 528 ZPO. Insoweit ist nur der vom Erstgericht tenorierte Unterlassungsanspruch Gegenstand der Überprüfung. Über im 1. Rechtszug versehentlich übergangene Ansprüche oder Anspruchsteile – hier die in eckige Klammern gesetzten Passagen – ist vom Berufungsgericht nicht zu entscheiden, weil vorinstanzlich nicht beschiedene Anspruchsteile in der Berufungsinstanz nicht anfallen können (siehe Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 528 ZPO, Rn. 12). Die Klagepartei hat keine Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat daher nicht zu überprüfen, ob die im Klageantrag in eckige Klammern gesetzten, im Berufungsurteil mit „(…)“ gekennzeichneten, Passagen selbständig bestehen bleiben können oder als untrennbare Bestandteile der Klausel ebenfalls unwirksam sind.
18
Die streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind daher in der durch den Tenor des erstinstanzlichen Urteils zugrunde gelegten Form – sofern die Anwendbarkeit nicht nach § 307 Abs. 3 S.1 BGB ausgeschlossen ist – nach Auslegung ihres Inhaltes anhand der Vorschriften §§ 307 – 309 BGB „krebsartig“ rückwärts zu prüfen (vgl. z.B. Grüneberg, 82. Auflage, § 307 BGB Rnr. 2; BeckOK BGB/H. Schmidt, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 307 Rn. 19, 20).
1. Ziffer 2.1 ist unwirksam.
19
Die Klausel lautet:
Wir bieten einen Online-Videodienst, der (unter anderem) die Übertragung von Sportereignissen (live und on-demand), Zusammenfassungen von Sportereignissen und andere ähnliche Inhalte bietet, deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann (insgesamt „Inhalte“). Die Inhalte unterliegen gewöhnlich gewissen Beschränkungen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen) (…)
20
a) Die Klausel ist der AGB-Kontrolle unterworfen. Eine Inhaltskontrolle ist nicht nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen.
21
Soweit die Beklagte/Berufungsklägerin vorträgt, die Klausel sei als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten (sog. Leistungsbeschreibungen) mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB entzogen, kann dem nicht gefolgt werden.
22
Zwar sind bloße Leistungsbeschreibungen, in denen Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflichten unmittelbar geregelt werden, einer Inhaltskontrolle entzogen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (MüKoBGB/ Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307 Rn. 13). Dies ist die Konsequenz aus dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit (BGH III ZR 93/09 in NJW 2010, 150 Rn. 22).
23
Hingegen sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen der vertraglich geschuldeten Leistung einschränken, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren (BGH III ZR 247/06, in NJW 2008, 360, Rnr.: 18). Ob bereits eine Leistung vertraglich vereinbart wurde und die Klausel deren spätere Änderung zulässt, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BeckOGK/Weiler, 1.6.2024, BGB § 308 Nr. 4 Rn. 86, 87).
24
Insoweit ist der erste Teilsatz der Klausel 2.1: „Wir bieten einen Online-Videodienst, der (unter anderem) die Übertragung von Sportereignissen (live und on-demand), Zusammenfassungen von Sportereignissen und andere ähnliche Inhalte bietet“ lediglich eine ganz allgemein gehaltene Wiederholung der vereinbarten Leistung. Durch den Nebensatz, dass deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann und die Inhalte gewissen Beschränkungen unterliegen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen), wird das Leistungsversprechen der Übertragung von Sportereignissen eingeschränkt und ausgestaltet und unterliegt daher der AGB-Kontrolle.
25
Die streitgegenständliche Klausel legt nicht den Leistungsinhalt fest. Vielmehr ist sie für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts entbehrlich. Das Leistungsangebot ist bei Abschluss des jeweiligen Abonnements konkret geregelt. Dies ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung der Beklagten, Anlage BB1, vorgelegt mit der Berufungsbegründung. Demnach wählt der Kunde ein Paket, in dem die Sportereignisse einzeln aufgeführt sind, die ihm nach dem Vertragsabschluss zur Verfügung stehen, so z.B. D. Unlimited: Uefa Cup, Bundesliga Fußball, supercoppa Italiana und viele einzeln aufgeführte Angebote mehr.
26
Der Zusatz dass deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann und die Inhalte gewissen Beschränkungen unterliegen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen) gibt dem Verwender die Befugnis, das jeweils abonnierte Programmangebot nachträglich verändern zu können. Die Beklagte behält sich vor, die ursprünglich von ihr geschuldete Leistung nachträglich einzuschränken, auszugestalten oder zu modifizieren. Daher unterliegt die Klausel der AGB- Kontrolle.
27
b) Die Zulässigkeit der Klausel bestimmt sich mithin nach § 308 Nr. 4 BGB.
28
Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist unwirksam, „die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist“.
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aa) Der Inhalt der streitgegenständlichen Klausel ist vor Prüfung an § 308 Nr. 4 BGB zunächst auszulegen. Ausgangspunkt der Auslegung von AGB ist, wie bei der Individualvereinbarung, der Wortlaut einer Bestimmung (stRspr. statt aller BGH NJW 2018, 1957 Rn. 33). Wenn eine Klausel nach Ausschöpfung der Auslegung zwei oder mehr mögliche Bedeutungen hat, greift die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 (vgl. BGH BeckRS 2020, 21836 Rn. 30), wonach eine Klausel im Zweifel gegen den Verwender auszulegen ist (Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung).
30
Klausel 2.1 behält sich für das Angebot der Beklagten vor, dass die „Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann. Die Inhalte unterliegen gewöhnlich gewissen Beschränkungen (z.B.bestimmten Gebietsbeschränkungen)“
31
Anders als das Landgericht (LGU s. 21) sieht der Senat zwar nicht die Möglichkeit, dass auf Grund der Klausel auch überhaupt keine Sportereignisse mehr gezeigt werden könnten, sondern z.B. auch Rosamunde Pilcher Filme (Berufungsbegründung, S. 15). Dies ist nach dem Vertragsinhalt der D. Abonnements (Anlage BB1) nicht möglich.
32
Die Klausel ermöglicht es der Beklagten dem Wortlaut nach jedoch, auch grundlos die Zusammensetzung, Beschaffenheit und Quantität des erworbenen Abonnementpaketes zu ändern. Bei kundenfeindlicher Auslegung kann die Beklagte den gesamten vertraglich vereinbarten Inhalt abändern, soweit sich ihr Angebot im Sportbereich bewegt.
33
bb) Die Vereinbarung dieses umfassenden Leistungsänderungsvorbehalts ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten für die Abonnenten nicht zumutbar ist.
34
Die Zumutbarkeit eines Leistungsänderungsvorbehalts wäre zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann. Erforderlich ist im Allgemeinen, dass die Klausel in ihren Voraussetzungen und Folgen für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen gewährleistet (BGH III ZR 247/06 in NJW 2008, 360, Rnr. 21 und 23).
35
Die Beklagte legt die Interessen als Verwender wie folgt dar (s. Berufungsbegründung, S. 8/9):
Es sei modernen Streaming-Plattformen immanent, dass die angebotenen Leistungen von vornherein in gewissen Grenzen flexibel sein müssen. „Die Möglichkeit der Beklagten, bestimmte Sportereignisse zu übertragen, hängt davon an, welche Übertragungsrechte sie erwerben kann und welche Sportereignisse überhaupt angeboten werden. Die entsprechenden Lizenzen haben in aller Regel eine begrenzte Laufzeit. Ob die Beklagte Lizenzen erlangen kann, wie lange diese laufen und ob die Lizenz nach Ablauf erneut gewährt wird, liegt nicht allein im Einflussbereich der Beklagten. Ebenso kann die Beklagte selbstredend nicht beeinflussen, welche konkreten Sportereignisse im Verlaufe einer Saison überhaupt stattfinden. So hängen z.B. die Paarungen der UEFA-Champions-League davon ab, welche Teams sich hierfür qualifizieren und im Laufe der Saison vorankommen“
36
Dem steht das Interesse der Kunden an der Kalkulierbarkeit möglicher Änderungen gegenüber.
37
Die Änderungsbefugnis in Klausel 2.1 beschränkt sich nicht auf hinreichend konkretisierte und triftige Änderungsgründe, die dem Interesse der Beklagten an einer derart weitreichenden Änderungsbefugnis den Vorrang vor dem Interesse der Abonnenten an der Beibehaltung des abonnierten Pakets geben könnten. Da die Klausel keinerlei Voraussetzungen für Änderungen formuliert, ist sie bereits aus diesem Grunde unwirksam (s. BGH III ZR 247/06, in NJW 2008, 360, Rnr. 23).
38
Soweit die Beklagte einwendet, eine Konkretisierung der Änderungsgründe sei ihr nicht möglich und damit auch nicht zumutbar, ist dies durch ihren eigenen Vortrag widerlegt (Berufungsbegründung, S.8). Die Beklagte führt selbst aus, welche konkreten Gründe es aus ihrer Sicht für eine notwendige Änderung des Programmpaketes geben kann (II.2.a.bb.(1)). Klausel 2.1 lässt die Änderung bei kundenfeindlicher Auslegung auch zu, wenn keiner dieser Gründe vorliegt.
39
2. Die Klausel Ziffer 2.3 ist ebenfalls unwirksam. Sie enthält Bestimmungen zu zwei Gesichtspunkten, zum einen zur Änderungsbefugnis und zum anderen zur Zustimmungsfiktion.
40
Ziffer 2.3 lautet:
Wir sind berechtigt, diese Bedingungen zu ändern, etwa aufgrund einer Gesetzesänderung oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen, wobei die Abonnement-Struktur des D. Services vorbehaltlich der Ziffer 4.8 in ihrer Gesamtheit nicht zu Deinen Lasten eingeschränkt wird. Änderungen dieser Bedingungen werden Dir von uns per E-Mail an die zuletzt eingetragene Emailadresse mitgeteilt. Änderungen unserer Zahlungsbedingungen werden Dir ebenfalls unmittelbar mitgeteilt.
Die Änderungen gelten als angenommen, wenn Du nicht innerhalb von vierzehn (14) Tagen ab Mitteilung widersprichst, sofern wir Dich in der Mitteilung auf diese Folge eines fehlenden Widerspruchs hinweisen.
41
a) Zur Änderungsklausel 2.3 Satz1:
Die Klausel ist gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam und auch nicht, wie der Beklagtenvertreter meint, nach § 327 r BGB wirksam.
42
aa) Die Regelungen § 327 r BGB und die AGB-Vorschriften sind parallel anzuwenden. Das AGB- Recht wird nicht durch die spezielleren Vorgaben des § 327r verdrängt. § 327 Abs. 1 erklärt die folgenden Vorschriften für anwendbar auf „Verbraucherverträge“. Diese sind nicht spezifisch definiert, so dass die allgemeinen Bestimmungen des BGB zu Verbraucherverträgen anwendbar bleiben (MüKoBGB/Metzger, 9. Aufl. 2022, BGB § 327 Rn. 3). Die Bestimmungen betreffend Allgemeine Geschäftsbedingungen bleiben daher grundsätzlich unberührt (BT-Drucksache 19/27653, S. 77).
43
bb) Auch die Klausel 2.3 ist daher zunächst der AGB-Kontrolle zu unterziehen.
44
Der erste Teil der Klausel (Änderungsbefugnis) ist an § 308 Nr. 4 BGB zu messen.
45
§ 308 Nr.4 BGB erfasst zwar nur einseitige Änderungen. Dass die Zustimmungsfiktion in S.3 der Klausel von einem fingierten Konsens ausgeht, ändert nichts daran, dass die Änderungen von der Beklagten einseitig vorgenommen werden. Erfahrungsgemäß setzt sich der größte Teil von Verbrauchern nicht mit Vertragsanpassungen auseinander, sondern schweigt hierzu, sei es aus Desinteresse, intellektueller Überforderung, Lethargie etc. (vgl. BGH XI ZR 26/20 in NJW 2021, 2273 Rnr. 26 und BGH III ZR 67/07 in NJW-RR 2008, 134 Rnr. 32). Faktisch wird die Änderung nicht mit den Vertragspartnern ausgehandelt, sondern einseitig von der Beklagten vorgegeben. Daher ist die Klausel an § 308 Nr.4 BGB zu messen.
46
Erst wenn hiernach kein Verstoß festzustellen wäre, käme man zur Prüfung des § 307 BGB (s.o. zur Prüfungsreihenfolge) und zur Prüfung des § 327 r BGB. Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Änderung oder Abweichung i.S. d. § 308 Nr. 4 BGB erfordert eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, die an dem Grundsatz auszurichten ist, dass Vereinbarungen grundsätzlich zu halten, also nicht zu ändern sind. Dabei ist ein vierfacher Prüfungsmaßstab anzulegen. (BeckOK BGB/Becker, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 308 Nr. 4 Rn. 18):
47
(1.) Transparenz: Sowohl der Anlass, aus dem das Änderungsrecht entsteht, als auch die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung müssen so konkret angegeben werden, dass die Verwendergegenseite bereits bei Vertragsschluss und aus der Formulierung der Klausel erkennen kann, wann und in welchem Umfang Änderungen auf sie zukommen können. Der durchschnittliche, rechtlich nicht vorgebildete Vertragspartner muss anhand der Klauselfassung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGHZ 89, 206 (214) = NJW 1984, 1182) ohne Schwierigkeiten erkennen können, wann genau die Änderung oder Abweichung zumutbar sein soll, welche Änderungen der versprochenen Leistung zulässig sein sollen und die Gesichtspunkte, nach denen die Zumutbarkeit zu beurteilen ist (BGH NJW-RR 2008, 134; BGHZ 86, 284 (295) = NJW 1983, 1322 (BeckOK BGB/Becker, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 308 Nr. 4 Rn. 19). Die konkrete Angabe muss für den Verwender hierbei möglich sein (BGH, NJW 1998, 3114).
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(2.) Schutzwürdiges Interesse der Gegenseite: Die Verwendergegenseite darf kein schutzwürdiges Interesse gerade an der Erbringung der vereinbarten Leistung haben.
49
(3.) Schwerwiegender Grund: Dem Verwender muss zur Rechtfertigung der Änderung ein schwerwiegender Grund zur Seite stehen.
50
(4.) Äquivalenzprinzip: Die Änderung muss dem Äquivalenzprinzip entsprechen, dh der Vorstellung der Parteien von der Gleichwertigkeit ihrer Leistungen. Vermindert sich durch die Änderung der Verwenderleistung deren Wert, muss die Klausel einen Ausgleich der Wertminderung vorsehen.
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Nach diesen Grundsätzen ist die Änderungsklausel unwirksam:
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(1) Zunächst ist nicht klar, worauf die Klausel: „Wir sind berechtigt, diese Bedingungen zu ändern“, sich überhaupt bezieht. Nachdem Klausel 2.2 nicht mehr gilt (diesbezüglich wurde eine Unterlassungserklärung abgegeben), folgt die Klausel 2.3 direkt auf 2.1., der die Hauptleistungspflicht modifiziert. Somit ist unklar ob mit „diese Bedingungen“ die Bedingungen der Hauptleistungspflicht oder die AGB gemeint sind. Nach der kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel (s.o.II.1.b.aa) muss davon ausgegangen werden, dass Klausel 2.3 sich unter Bezug auf 2.1 unmittelbar auf die Hauptleistungspflichten bezieht.
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Die Formulierung „etwa aufgrund einer Gesetzesänderung oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen“ ist nicht transparent. Die Änderungsmöglichkeiten sind nur als Beispiel aufgeführt (“etwa“). Es ist unklar, welche weiteren Änderungsgründe in Betracht kommen. Auch die Formulierung „oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen“ ist unbestimmt. Es ist nicht definiert, was mit einer besseren Funktionalität gemeint ist. Auch sind die Richtlinien und Grenzen der Ausübung des Änderungsrechts, also auch Art und Ausmaß einer Änderung, nicht erkennbar. Es wird nicht dargelegt, wann genau die Änderung oder Abweichung zumutbar sein soll, welche Änderungen der versprochenen Leistung zulässig sein sollen und nach welchen Gesichtspunkten die Zumutbarkeit zu beurteilen sein soll.
54
Die Formulierung „wobei die Abonnement-Struktur des D. Services vorbehaltlich der Ziffer 4.8 in ihrer Gesamtheit nicht zu Deinen Lasten eingeschränkt wird“ ist intransparent. Es ist bereits nirgends definiert, was die Abonnement-Struktur ist. Soweit dies in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erläutert wurde, entstand zwar Klarheit, was hiermit ursprünglich gemeint war (die Streaming-Struktur mit der dauerhaften Nutzungsmöglichkeit im Abozeitraum im Vergleich zu einem Abo, bei dem z.B. 2 x pro Monat etwas geliefert wird), aus der Klausel kann dies jedoch nicht herausgelesen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, was „nicht zu deinen Lasten“ sein soll. Indem der Kunde persönlich angesprochen wird, ist eine Objektivierbarkeit der Klausel nicht gegeben (s. hierzu unten II.2.a.bb.4))
55
Soweit die Beklagte einwendet, die Bestimmbarkeit sei nur im Rahmen des Zumutbaren gefordert und eine genauere Bezeichnung sei ihr nicht möglich (Berufungsbegründung S. 17), es bestehe das grundsätzliche Bedürfnis auf Seiten von Unternehmen – insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie sie vorliegend in Rede stehen –, Vertragsanpassungen vorzunehmen (Berufungsbegründung S. 19), greift der Einwand nicht. Die Beklagte führt selbst aus, welche Gründe für eine Änderung ihres Angebotes verantwortlich wären. So müsse sie sich an Bieterverfahren beteiligen und wisse nicht, welche Sportereignisse sie werde einkaufen können. Demnach könnte die Beklagte Änderungsgründe durchaus in ihren AGB konkretisieren. Sofern sie in Paketen Sportereignisse anbietet, deren Rechte sie für den vollen angebotenen Abonnementzeitraum noch gar nicht erworben hat, müsste sie von vornherein darauf hinweisen.
56
Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass ihr eine Konkretisierung nicht zumutbar wäre.
57
(2) Die Gegenseite hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die in dem von ihr gebuchten Abonnementpaket enthaltenen Leistungen auch gezeigt werden. Der Kunde sucht sich das Abonnement erfahrungsgemäß danach aus, welche Sportereignisse in diesem enthalten sind.
58
(3) Es ist nicht gesichert, dass Änderungen nur erfolgen, wenn dem Verwender ein schwerwiegender Grund zur Seite steht. Zwar können die aufgeführten „Gesetzesänderungen“ als schwerwiegender Grund angesehen werden, nicht jedoch Änderungen zu einer „besseren Funktionalität der D. Services“. Hier ist bereits unklar, was unter Funktionalität zu verstehen ist. Nachdem die Aufzählung nur beispielhaft ist, ist eine Prüfung weiterer möglicher Gründe dahingehend, ob diese schwerwiegend sind, nicht möglich.
59
(4) Auch ist die Gleichwertigkeit einer Leistung nach der Änderung nicht gewährleistet. Zwar soll die Leistung vorbehaltlich der Ziffer 4.8 in ihrer Gesamtheit nicht zu Deinen Lasten eingeschränkt“ werden. Der Begriff „nicht zu Deinen Lasten“ ist jedoch seinerseits nicht hinreichend bestimmt. Nachdem die Klausel den einzelnen Kunden direkt anspricht, ist die Frage, was zu seinen Lasten wäre, individuell verschieden. Je nach den Interessen des Einzelnen wäre z.B. einem Fußballfan möglicherweise egal, ob ein Handballereignis geändert würde. Es ist daher nicht generell feststellbar, was „nicht zu Deinen Lasten“ bedeuten soll. Der Kunde vermag nicht einzuschätzen, welche Änderungen er demnach hinzunehmen hätte. Es lässt sich nicht objektivieren, was nicht zu seinen Lasten wäre, da unterschiedliche Kunden unterschiedliche Bedürfnisse haben (vgl. BGH III ZR 247/06, Rnr. 13).
60
cc) Selbst wenn man § 308 Nr. 4 BGB nicht für unmittelbar anwendbar halten würde, wäre die Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB wegen der dargestellten unangemessenen Benachteiligung unwirksam. Die Klausel wäre auch dann unwirksam, wenn man sie dahingehend auslegen könnte, dass sie sich (auch) auf die AGB bezieht. Eine Änderung der AGB wäre aus den gleichen Gründen unwirksam.
61
dd) Zudem wäre eine Rechtmäßigkeit der Klausel aus den gleichen Gründen auch nach § 327 r BGB, anders als die Beklagte meint, nicht gegeben.
62
Denn der Vertrag muss auch nach § 327 r Abs. 1 Nr. 1 BGB einen triftigen Grund als Voraussetzung für die Änderungsbefugnis des Unternehmers benennen und klar umschreiben (BeckOGK/Fries, 1.5.2024, BGB § 327r Rn. 5). Dies tut die Klausel 2.3 nicht. Die Formulierung „Wir sind berechtigt, diese Bedingungen zu ändern, etwa aufgrund einer Gesetzesänderung oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen“ lässt offen, welche Gründe, die Änderung rechtfertigen, indem sie mit „etwa“ nur 2 Beispiele benennt und das 2. Beispiel -„oder um eine bessere Funktionalität des D. Services sicherzustellen“- zudem unbestimmt ist. Dass eine Konkretisierung unmöglich ist, hat die Beklagte nicht dargetan.
63
b) Der weitere Zusatz „Die Änderungen gelten als angenommen, wenn Du nicht innerhalb von vierzehn (14) Tagen ab Mitteilung widersprichst, sofern wir Dich in der Mitteilung auf diese Folge eines fehlenden Widerspruchs hinweisen.“, ist ebenfalls unwirksam.
64
aa) Die Zustimmungsfiktion ist bereits auf Grund der unmittelbaren Verknüpfung mit dem ersten unwirksamen Teil der Klausel unwirksam.
65
Die Aufspaltung einer Klausel in unwirksame und wirksame Bestandteile ist nur dann zulässig, wenn es sich um äußerlich zusammengefasste Regelungen handelt, die sinnvoll voneinander trennbar und jeweils aus sich heraus verständlich sind (BGHZ 125, 343 [348] = NJW 1994, 1532). Eine solche Aufteilung ist im vorliegenden Fall nicht möglich, weil die Regelung zur Zustimmungsfiktion untrennbar mit dem vorausgehenden Satz zur Änderung verknüpft sind, auf den die Zustimmungsfiktion Bezug nimmt.
66
bb) Die Bedingungen für den Eintritt der Zustimmungsfiktion genügen zwar den formalen Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB.
67
cc) Die Zustimmungsfiktion in Klausel 2.3 ist jedoch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht vereinbar ist.
68
Ist eine Fiktionsklausel nach § 308 Nr. 5 BGB aus formalen Gründen nicht zu beanstanden, so bedeutet das nicht, dass die Klausel nicht mehr inhaltlich nach § 307 BGB auf ihre Wirksamkeit überprüft werden dürfte. Vielmehr kann eine Klausel, selbst wenn die in § 308 Nr. 5 a und 5 b BGB genannten formalen Voraussetzungen erfüllt sind, immer noch materiell eine unangemessene Benachteiligung des Kunden enthalten. Die Einhaltung von § 308 Nr. 5 BGB sperrt somit die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 5 Rn. 11, beck-online; BGH III ZR 63/07 in NJW-RR 2008, 134).
69
Die Zustimmungsfiktion weicht von den wesentlichen Grundgedanken der §§ 311 Abs.1, 145 ff. BGB ab, wonach ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande kommt. Auf Grund der Zustimmungsfiktion muss der Verbraucher nicht für, sondern gegen die von der Beklagten gewünschte Vertragsänderung aktiv werden. Nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel sind Anpassungen nicht nur von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels der fingierten Zustimmung zulässig. Vielmehr sollen die gesamten Bedingungen angepasst werden können. Hieraus ergibt sich, dass im Wege der Zustimmungsfiktion auch Änderungen von Essentialia des Vertrags, insbesondere aller von der Beklagten geschuldeten Leistungen, unter Einschluss der Hauptleistungen, möglich sind, ohne dass eine Einschränkung besteht. Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten, insbesondere das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden, Änderungen ist ein den Erfordernissen der §§ 145ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Eine Zustimmungsfiktion wie die in Klausel Nr. 2.3 AGB reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Kunden nicht aus. Die Klausel läuft auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis der Beklagten hinaus. Eine solche Rechtsmacht wird für weniger gewichtige Anpassungen hinzunehmen sein, nicht jedoch für die nach dem Wortlaut der Klausel mögliche weitgehende Veränderung des Vertragsgefüges (vgl. auch BGH III ZR 63/07 in NJW-RR 2008, 134).
3. Ziffer 4.7:
70
Die Klausel 4.7 ist ebenfalls gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
71
Ziffer 4.7 lautet:
Vorbehaltlich der Mitteilungspflichten gemäß Ziffer 2.3 können wir unseren Serviceplan von Zeit zu Zeit ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.
72
a) Die Auslegung des Wortlautes der Formulierung „können wir von Zeit zu Zeit ändern“ ergibt, dass eine Leistungsänderung nach Vertragsschluss möglich sein soll. Es handelt sich somit nicht um eine ursprüngliche Leistungsbeschreibung, die der AGB-Kontrolle entzogen wäre, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Klausel ist anhand von § 308 Nr. 4 BGB zu prüfen (ausführlich oben II.1.a).
73
b) Die Klausel verstößt gegen das bei Prüfung des § 308 Nr. 4 BGB zu berücksichtigende Transparenzgebot.
74
Die Änderungsbefugnis beschränkt sich nicht auf hinreichend konkretisierte und triftige Änderungsgründe, die dem Interesse der Beklagten an einer derart weitreichenden Änderungsbefugnis den Vorrang vor dem Interesse der Abonnenten an der Beibehaltung des abonnierten Pakets geben könnten. Da die Klausel keinerlei Voraussetzungen für Änderungen formuliert, ist sie bereits aus diesem Grunde unwirksam (s. BGH III ZR 247/06, Rnr. 23).
75
Es ist auch nicht hinreichend bestimmt, was der „Serviceplan“ ist, der geändert werden darf und wieweit das möglich sein soll. Zwar definieren die Nutzungsbedingungen in Klausel 1.1 den „D. Service“ als „Zugang zu einer großen Auswahl von Sportereignissen aus der ganzen Welt […], die auf verschiedenen Geräten empfangen werden können“. Der „Serviceplan“ wird in Klausel 1.1. jedoch nicht definiert. Soweit die Beklagte im Termin versucht hat zu erläutern, was sie unter einem Serviceplan versteht, ist dies unbehelflich. Es kommt auf die objektive Auslegung des Wortlautes der Klausel an, nicht auf die subjektive Vorstellung der Beklagten. Objektiv findet sich in den AGB der Beklagten keine Definition des Begriffs „Serviceplan“.
76
c) Es ist nicht gesichert, dass Änderungen nur erfolgen, wenn dem Verwender ein schwerwiegender Grund zur Seite steht. Auch ist die Gleichwertigkeit einer Leistung nach der Änderung nicht gewährleistet (s.o.II.1.a.bb).
77
Daran ändert auch der Zusatz „sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind“ nichts.
78
Es ist nicht definiert, welche Änderungen zumutbar, welche unzumutbar sein sollen. Die Frage, welche Änderungen zumutbar sein können, hängt von den Interessen des Nutzers ab, ist somit individualisiert, und kann nicht verallgemeinert werden (s.o. II.2.bb (4)).
79
d) Auch der Verweis auf Klausel 2.3 führt nicht zu einer Bestimmbarkeit, zumal Klausel 2.3 ihrerseits unwirksam ist (s.o.II.2).
4. Ziffer 4.8.
80
Die Klausel 4.8 ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Klausel lautet:
Wir behalten uns das Recht vor, den Preis für den D. Service an sich verändernde Marktbedingungen, bei erheblichen Veränderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder bei Änderungen der Umsatzsteuer oder vergleichbaren Steuern anzupassen. Zusätzlich behalten wir uns vor, den Preis bei erheblichen Veränderungen im Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts entsprechend anzupassen; als erhebliche Veränderung gilt eine Anhebung von 0,5 Prozentpunkten oder mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Preisänderungen finden frühestens nach dreißig (30) Tagen ab dem Tag unserer E-Mail-Benachrichtigung an Deine zuletzt eingetragene Emailadresse Anwendung.
81
Die Preisanpassungsklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB.
82
Die Klausel ist nicht hinreichend klar bestimmt und unangemessen benachteiligend.
83
In AGB enthaltene Bestimmungen, die eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (BGH III ZR 247/06 in NJW 2008, 360, Rnr. 10 m.w. Nachw.). Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte demnach grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an Preisänderungsklauseln hat.
84
Die Schranke des § 307 Abs.1 S.1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senat, NJW-RR 2008, 134 Rdnr. 19; BGH, NJW-RR 2005, 1717 [unter II 2]; NJW 2007, 1054 Rdnr. 21; jew. m.w. Nachw.). Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offengelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB folgendes Transparenzgebot).
85
Eine Klausel ist daher zu unbestimmt, wenn sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht näher umschriebenen Bereitstellungskosten anknüpft und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regelt.
86
Der Abonnent hat nach Klausel 4.8 keine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Es ist nicht aufgeführt, Veränderungen in welcher Höhe zu welcher Preissteigerung führen werden. Eine Kalkulierbarkeit und Nachprüfbarkeit eventueller Preissteigerungen ist nicht möglich. Es ist völlig unklar, was „erhebliche Veränderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder Änderungen der Umsatzsteuer oder vergleichbaren Steuern“ sind. Die Erheblichkeit ist genauso wenig definiert, wie der Prozentsatz der Erhöhung zu dem die Veränderung führen würde. Die Definition der Erheblichkeit in Klausel 4.8 Satz 2, 2.Hbs. bezieht sich durch den Strichpunkt nur auf S.2, 1. Hs. nicht auch auf Klausel 4.8 Satz 1.
87
Etwaige Preiserhöhungen sind nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung (s. II.1.b.aa) nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und wären sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird. Somit ermöglicht die Bestimmung der Beklagten bei der vorzunehmenden kundenfeindlichsten Auslegung, nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum will § 307 BGB verhindern (BGH, Urteil vom 15. 11. 2007 – III ZR 247/06). Preisanpassungsklauseln sind nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1717; NJW 2007, 1054 Rdnrn. 23f.; NJW-RR 2008, 134, beck-online). Dies ist hier nicht geschehen.
88
Die Tatsache, dass Topspiele laut Sachvortrag der Beklagten rund 1 Mio. Zuschauer hätten und selbst im digitalen Zeitalter Änderungskündigungen angesichts der hohen Nutzerzahlen mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wären, rechtfertigt nicht eine derart offene Preisanpassungsklausel, die an nicht nachvollziehbare Voraussetzungen anknüpft und deren Kalkulation nicht überprüfbar ist. Die Beklagte kann sich von dem Risiko, sich nach einer Kündigung mit einem neuen Angebot dem Wettbewerb stellen zu müssen, nicht auf Kosten ihrer Vertragspartner befreien (BGH III ZR 247/06 in NJW 2008, 360 Rnr. 13 und BGH III ZR 63/07 in NJW RR 2008,134 Rnr. 24).
89
Soweit die Beklagte meint, die Klausel sei wirksam, da sie durch das Wort „anpassen“ klarstelle, dass dies sowohl eine Absenkung als auch eine Anhebung ermögliche, und durch das Wort „Veränderungen“, dass nicht nur Verteuerungen gemeint seien (Berufungsbegründung Rnr. 60 und Replik s. 2/3), greift der Einwand nicht. Die Formulierung der Klausel „Wir behalten uns das Recht vor” lässt nach kundenfeindlicher Sichtweise eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Kosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus der Formulierung „anzupassen“. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte zudem die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Kosten umgehend, niedrigeren Kosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 176, 244 = NJW 2008, 2171 Rdnrn. 20f.; Senat, NJW 2009, 2662 = NZM 2009, 630 = WM 2009, 1717 Rdnr. 29).
90
Soweit die Beklagte meint (Replik vom 13.09.2024, S. 4), die Interessen der Nutzer seien durch die ihnen zustehende Kündigungsmöglichkeit ausreichend berücksichtigt, kann dem nicht gefolgt werden. Die AGB gelten ab Vertragsschluss auch für 1- und 2-Jahres Abonnements, bei denen in den ersten 1 oder 2 Jahren eine Kündigung nicht möglich ist (s.Anlage BB1).
5. Ziffer 7.2 und 7.4:
91
Die Klauseln 7.2 und 7.4 sind unwirksam, Ziffer 7.2 wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, Ziffer 7.4 wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Klauseln lauten:
7.2: Wir unternehmen angemessene Anstrengungen, um sicherzustellen, dass Dir der D. Service zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Der D. Service wird jedoch ohne Garantie („as is“) angeboten. Außer in den Grenzen gemäß den Ziffern 7.4 und 12 haften wir nicht für die Absage oder den Abbruch eines Ereignisses oder dafür, ein Ereignis nicht wie geplant oder beworben zeigen zu können, noch wenn es Dir unmöglich ist, ein Ereignis auf einem bestimmten Gerät anzusehen.
7.4: Wir stellen den D. Service mit angemessener Sorgfalt und Sachkenntnis zur Verfügung. Darüber hinaus geben wir keine Gewährleistung (und schließen, soweit gesetzlich zulässig und vorbehaltlich der Ziffer 12, etwaige gesetzliche Gewährleistungen aus). Etwaige gesetzliche Rechte, die Dir als Verbraucher zustehen, bleiben hiervon unberührt.
92
Die in Bezug genommene Klausel 12, die als solche nicht zur Überprüfung gestellt ist, lautet:
12.1: Vorbehaltlich der Ziffer 12.2 ist unsere Haftung sowie die Haftung dritter Rechtsinhaber Dir gegenüber aufgrund von oder in Zusammenhang mit der Bereitstellung des D. Services an Dich bei einer leicht fahrlässigen Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht gemäß diesen Bedingungen auf solche Schäden begrenzt, die typischerweise vorhersehbar sind. Eine wesentliche Vertragspflicht gemäß diesen Bedingungen ist eine Pflicht, deren Erfüllung wesentlich ist für die ordnungsgemäße Durchführung dieser Bedingungen, deren Verletzung die Zwecke dieser Bedingungen gefährdet und auf deren Erfüllung du als Nutzer regelmäßig vertraust. Ein Schaden ist vorhersehbar, wenn er zum Zeitpunkt, an dem du diese Bedingungen angenommen hast, typischerweise vorhersehbar war. Wir schließen unsere Haftung sowie die Haftung dritter Rechtsinhaber für die leicht fahrlässige Verletzung einer nicht wesentlichen Vertragspflicht aus.
12.2. Unsere Haftung sowie die Haftung dritter Rechtsinhaber für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz oder für die Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder aufgrund von Betrug wird durch diese Bedingungen weder ausgeschlossen noch beschränkt. Ebenso bleiben etwaige weitere zwingende Verbraucherrechte unberührt.
93
a) Zwar liegt kein Verstoß gegen § 309 Nr.7 BGB vor.
94
Sieht eine Klausel den Ausschluss der Haftung ohne den Vorbehalt der Haftung für Körperschäden oder ohne hinreichende Differenzierung nach dem Grad des Verschuldens vor, so ist die Klausel allein deshalb nach § 309 Nr.7 BGB insgesamt unwirksam (NK-BGB/Andreas Kollmann, 4. Aufl. 2021, BGB § 309 Rn. 106, beck-online). Die Klauseln 7.2 / 7.4 enthalten zwar unmittelbar keinen entsprechenden Vorbehalt. Durch den Verweis auf Klausel Nr. 12, die diesen Vorbehalt enthält, ist dem jedoch Genüge getan.
95
b) Die Klausel 7.2 verstößt jedoch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
96
§ 307 Abs. 2 Nr. 2 verbietet, wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einzuschränken, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Bei Dienstleistungsverträgen ist es daher regelmäßig unzulässig, eine Hauptleistungspflicht in einer AGB-Klausel wieder einzuschränken (um der Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen zu entgehen), wenn der primäre Vertragszweck gerade in der Erbringung dieser Dienstleistung besteht (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307 Rn. 78, beck-online).
97
Soweit die Klausel 7.2 ausspricht, nicht dafür zu haften, ein Ereignis nicht „wie beworben“ zeigen zu können, schränkt dies die Hauptleistungspflicht ein. Wenn D. beispielsweise im Abonnement die Spiele der Fußballbundesliga einer Saison anbietet, kann sie sich nicht generell von dieser Verpflichtung durch eine AGB-Vorschrift frei zeichnen. Ein Vertragspartner, dem es in erster Linie auf die Spiele der Fußballbundesliga ankommt, müsste die Abogebühr entrichten, ohne diese sehen zu können. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung iSd § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar.
98
c) Beide Klauseln verstoßen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S.2 BGB, da sie nicht klar und verständlich sind.
99
Die Rechtsprechung konkretisiert das Transparenzgebot auf Grundlage normativer Wertungen. Für die Bewertung der Transparenz einer Klausel kommt es auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (BGH NJW-RR 2011, 1144 (1145) und MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307, beck-online).
100
aa) Soweit Klausel 7.2. ausführt, D. unternehme „angemessene Anstrengungen“, um sicherzustellen, dass das bezahlte Abonnement zu jeder Zeit zur Verfügung stehe, ist nicht klar, was damit gemeint ist. Grundsätzlich bezahlt der Kunde ein Abonnement, in dem konkrete Sportereignisse angeboten sind. Er darf auf Grund seines Vertrages davon ausgehen, dass diese dann auch gezeigt werden. Auch der Satz: „der D. Service wird jedoch ohne Garantie (“as is“) angeboten“, ist unklar. Bei körperlichen Gegenständen oder Immobilien bedeutet „as is“ nach allgemeiner Auffassung „wie besehen“. Auf ein digitales Produkt lässt sich der Ausdruck jedoch nicht anwenden. Auch ist unklar, was konkret damit gemeint ist „wenn es dir unmöglich ist, ein Ereignis auf einem bestimmten Gerät anzusehen.“
101
bb) Klausel 7.4. ist insoweit intransparent, als für den durchschnittlichen Verbraucher nicht klar ist, was unter „angemessener Sorgfalt und Sachkenntnis“ zu verstehen ist. Die Begriffe werden nicht definiert. Der Satz „Darüber hinaus geben wir keine Gewährleistung (und schließen, soweit gesetzlich zulässig und vorbehaltlich der Ziffer 12, etwaige gesetzliche Gewährleistungen aus)“ ist in sich nicht verständlich. Was gesetzlich zulässig ist, wird nicht erläutert. Es kann nicht erwartet werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher ohne spezielle juristische Vorkenntnisse, dies weiß. Die Grenzen des noch rechtlich Zulässigen auszuloten, ist nicht seine Sache (vgl. BGH VIII ZR 137/12; BGH XI ZR 214/14).
102
Durch die Verweisung auf Ziffer 12 wird die Klausel zudem unübersichtlich und ist nicht mehr aus sich heraus verständlich.
103
Der Satz „Etwaige gesetzliche Rechte, die Dir als Verbraucher zustehen, bleiben hiervon unberührt“ ist ebenfalls für einen durchschnittlichen Verbraucher ohne spezielle juristische Vorkenntnisse nicht verständlich. Es kann nicht erwartet werden, dass sämtliche Rechte, die einem Verbraucher zustehen, allgemein bekannt sind.
6. Ziffer 8.4:
104
Die Klausel verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB. Sie lautet:
Wir behalten uns vor, sämtliche über den D. Service bereitgestellten Inhalte zu entfernen oder zu ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.
105
Auf die Klausel ist AGB-Recht anwendbar. Sie modifiziert die ursprünglich mit Abonnementabschluss vereinbarte Hauptleistung, § 307 Abs. 3 S.1 BGB (s.auch oben II.1.a).
106
Die Klausel ist bereits nicht transparent; die Voraussetzung für eine Änderung oder Entfernung von Inhalten ist in keiner Weise konkretisiert. Was für den Nutzer zumutbar ist, lässt sich nicht objektivieren (s.o.II.2.bb (4)). Die Beklagte erhält gewissermaßen einen Freibrief. Es ist weder ein schwerwiegendes Interesse der Beklagten für die Änderung oder Entfernung von Inhalten erforderlich, noch ist dem Äquivalenzinteresse Genüge getan.
7. Ziffer 13.3:
107
Die Klausel ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie lautet:
Sämtliche Mitteilungen unsererseits erfolgen per E-Mail an deine zuletzt eingetragene Emailadresse. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn Du von uns gesendete Nachrichten nicht erhältst.
108
Die Klausel ist unwirksam, da sie von wesentlichen gesetzlichen Grundzügen abweicht. Nach § 130 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung mit Zugang beim Empfänger wirksam. Diesen hat der Absender zu beweisen. Indem die Klausel ausspricht: „Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn Du von uns gesendete Nachrichten nicht erhältst.“ führt sie nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung (II.1.b.aa) zu einem Wirksamwerden der Mitteilung bereits mit Absenden der Nachricht. Dies widerspricht der gesetzlichen Regelung, wonach für die Wirksamkeit der Zugang erforderlich ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte – wie vorgetragen – hiermit etwas anderes gemeint hat. Maßgeblich ist nicht, was die Beklagte subjektiv gemeint hat, sondern die objektiv kundenfeindlichste Auslegung.
8. Ziffer 19:
109
Ziffer 19 ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Klausel lautet:
(…) Sofern eine unzulässige oder undurchsetzbare Vorschrift durch Streichung eines Teils zulässig oder durchsetzbar würde, wird angenommen, dass dieser Teil gestrichen wird und die Vorschrift im Übrigen in Kraft bleibt.
110
a) Die Klausel verstößt zwar nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 306 Abs. 2 BGB.
111
Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist bei Prüfung von AGB – Vorschriften zunächst die Teilbarkeit der Vorschrift zu klären. Lässt sich eine AGB-Klausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich wirksamen und in einen unwirksamen Regelungsteil trennen, so ist die Aufrechterhaltung des wirksamen Teils rechtlich unbedenklich. Der verbleibende „Rest“ muss allerdings aus sich heraus noch sprachlich verständlich sein (BGH, NJW 2014, 141 Rn. 14; BGHZ 179, 374 = NJW 2009, 1664 Rn. 15 mwN; NJW 2015, 928 Rn. 23, beck-online). Diese Möglichkeit der partiellen Aufrechterhaltung einer unwirksamen Klausel wird in der Rechtsprechung des BGH als Blue-pencil-Test bezeichnet. Der Begriff ist an die „blue pencil rule“ im englischen common law angelehnt, nach den unzulässigen, sprachlich abtrennbaren Teilen einer einheitlichen vertraglichen Bestimmung mit einem Blaustift weggestrichen werden können, ohne die Bestimmung im Übrigen ihrer Wirksamkeit zu berauben (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 306 Rn. 22, beck-online).
112
b) Die Wirksamkeit einer salvatorischen Klausel in AGB ist jedoch daran zu messen, ob das in § 307 Abs. 1 Satz 2 verankerte Transparenzgebot hinreichend berücksichtigt ist.
113
Dies ist nicht der Fall. Die Bestimmung ist nicht klar und verständlich iSd § 307 Abs. 1 S.2 BGB. Es ist unklar, was „undurchsetzbare“ Vorschriften im Unterschied zu „Unzulässigen“ sein sollen. Die Klausel lässt zudem nicht erkennen, welche Teile wirksam bleiben sollen (vgl. BGH X ZR 14/93 in NJW-RR 1996, 783, beck-online). Bei teilweiser Aufrechterhaltung unzulässiger Klauseln im gerade noch erlaubten Umfang wäre für den Verwendungsgegner nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit die fragliche Klausel für ihn Pflichten begründet oder Rechte beschneidet (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 306 Rn. 19, beck-online). Die Unklarheit ginge zu Lasten des Vertragspartners, dem es überlassen wäre, zu ermitteln, welcher Teil der AGB noch zulässig, welcher bereits unzulässig wäre.
114
c) Die salvatorische Klausel verstößt auch gegen § 307 Abs. 1 S.1 BGB, weil sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt.
115
Ziel der salvatorischen Klausel ist, für eine unwirksame Klausel eine Fassung zu finden, die einerseits dem Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig ist. Eine solche Klausel gibt der Beklagten die Möglichkeit, mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unbedenklich über die Grenze des Zulässigen hinauszugehen, ohne mehr befürchten zu müssen, als dass die Benachteiligung ihrer Kunden unter deren Mitwirkung auf ein gerade noch zulässiges Maß zurückgeführt wird. In AGB führt die salvatorische Klausel daher zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BeckRS 2015, 13211 Rn. 20; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 306 Rn. 18/19, beck-online; BGH NJW 2000, 1110 (1113)).
C.
116
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
117
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S.1 ZPO.
118
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die von der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen sind aus dem Gesetz und unter Anwendung anerkannter Grundsätze eindeutig zu beantworten. Die Sache hat auch im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts.