Titel:
Erfolglose Klage gegen eine Beseitigungsanordnung für eine Stützmauer
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S.1
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 55 Abs. 2, Art. 76 S.1
BauGB § 31 Abs. 2
GG Art. 3
Leitsätze:
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 S. 1 BayBO ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Eine hiervon zeitlich eventuell abweichende Beurteilung aus Gründen des Bestandsschutzes ist vorliegend nicht möglich, da das Vorhaben sowohl aktuell als auch in der Vergangenheit baurechtswidrig war. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht kann vorliegend kein willkürliches Handeln der Bauaufsichtsbehörde erkennen. Das Landratsamt ist vielmehr gerichtsbekannt und umgehend gegen die ihm gemeldeten Verstöße vorgegangen, wie sich aus den weiteren gerichtsbekannten Klageverfahren gegen weitere Beseitigungsanordnungen, die ebenfalls vom Klägerbevollmächtigten vertreten werden, ergibt. Dass das Landratsamt gegen einen Bauherrn aufgrund einer gewährten Befreiung nicht vorgegangen ist, ist schon deswegen kein Ermessensfehler, weil die diesem Bauherrn erteilte Befreiung den Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufhebt und eine Beseitigungsanordnung damit rechtswidrig wäre. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baubeseitigungsanordnung und Geländemodellierungsanordnung gegen Stützmauer und Aufschüttung, Anfechtungsklage, Baurechtswidrigkeit, Baurecht, Ermessensausübung, Beseitigungsanordnung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.12.2024 – 9 ZB 24.1024
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34847
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer erlassenen Beseitigungsanordnung für eine Stützmauer sowie eine Wiederherstellungsanordnung des genehmigten Geländeverlaufs auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … (* …*) in … Die Kläger sind Eigentümer des eingangs genannten Grundstücks, welches mit einem Einfamilienhaus mit Doppelgarage bebaut ist. Das natürliche Gelände ist auf dem streitgegenständlichen Grundstück nach Norden stark abschüssig. Die Kläger haben für die Errichtung des Einfamilienhauses sowie der Doppelgarage eine bestandskräftige Baugenehmigung vom 3. August 2020.
2
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans … Nr. … „südlich der …“ der Standortgemeinde vom 7. Mai 2018, welche hinsichtlich der Art der Baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet festlegt. In Ziffer 2.6.1 und 2.6.3 der textlichen Festsetzung dieses Bebauungsplanes ist bezüglich Abgrabungen/Aufschüttungen folgendes festgelegt:
Für Abgrabungen bzw. Aufschüttungen entlang gemeinsamer seitlicher bzw. hinterer Grundstücksgrenzen gilt: Die maximal zulässige Höhe, die jeder Eigentümer auf seinem Baugrundstück mit Hilfe von Aufschüttungen bzw. Abgrabungen überwinden darf, darf ein Maß von 0,60 m (Differenz zwischen der Höhe FOK Aufschüttung bzw. Abgrabung gegenüber der Höhe des natürlich anstehenden Geländes/Urgeländes auf seinem Baugrundstück) nicht überschreiten.
Auf Grundlage der im Abschnitt III Ziffern 2.6.1 und 2.6.2 formulierten Vorgaben ergibt sich, dass jeder Eigentümer entlang gemeinsamer seitlicher bzw. hinterer Grundstücksgrenzen auf seinem Baugrundstück jeweils Stützmauern bzw. Böschungen mit einer Höhe von maximal 0,6 m errichten darf (unterer HBP: Künftige FOK Baugrundstück; oberer HBP: Höhe FOK Stützmauer bzw. künftige FOK Böschung).“
3
Mit Antrag vom 21. September 2020 wurde von den Klägern bei der Standortgemeinde die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der maximal zulässigen Aufschüttung mit Befestigung durch Errichtung einer Stützmauer beantragt. Dieser Antrag auf isolierte Befreiung wurde mit bestandskräftigem Bescheid der Standortgemeinde vom 30. November 2020 abgelehnt.
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Bei einer Baukontrolle am 4. Februar 2021 auf dem eingangs genannten Grundstück wurde festgestellt, dass an der östlichen, westlichen und nördlichen Grundstücksgrenze eine Mauer aus Beton-Winkelsteinen errichtet wurde. Die Höhe beträgt an der nordwestlichen Ecke (höchste Stelle) ca. 1,75 m. Die Stützmauer an der Nordseite ist ca. 28 m lang, an der Westseite ca. 5 m lang und an der Ostseite ca. 3,5 m lang. Das Gelände wurde aufgefüllt.
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Mit Schreiben des Landratsamtes vom 11. Februar 2021 wurden die Kläger zum beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung angehört.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31. Mai 2021 wurden die Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe vom 1.000,00 EUR verpflichtet, auf dem streitgegenständlichen Grundstück spätestens bis sechs Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides die Geländemodellierung entsprechend der baurechtlichen Genehmigung vom 3. August 2020 wiederherzustellen und die nicht genehmigte Stützmauer zu entfernen. Zur Begründung führt der Bescheid im Wesentlichen an, dass die Stützmauer und die Auffüllung bauliche Anlagen seien, die als Teil der Gesamtmaßnahme nach Artikel 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig seien. Die baulichen Anlagen seien entsprechend der baurechtlichen Genehmigung herzustellen. Die abweichende Herstellung sei nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig. Das Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde habe nach Artikel 54 Abs. 2 BayBO die Aufgabe, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu überwachen und die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine nachträgliche Genehmigung sei nicht möglich. Das Grundstück befinde sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans … Für die Errichtung der Stützmauer und der Aufschüttung bedürfe es Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB. Der Bebauungsplan setze unter Ziffer 2.6.1 der textlichen Festsetzung die maximale Aufschüttungs-/Abgrabungshöhe entlang Grundstücksgrenzen von 0,60 m fest. Die beantragte Befreiung sei von der Standortgemeinde rechtskräftig abgelehnt. Eine Klage sei nicht erhoben worden. Ohne diese Befreiung sei das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Die Herstellung der genehmigten Geländemodellierung und die Beseitigung der Stützmauer seien geeignet, den baurechtlich genehmigten Zustand und das Bauvorhaben bebauungsplankonform herzustellen. Die Anordnung sei erforderlich, da kein weniger belastendes Mittel zur Verfügung stehe und die Kläger trotz der Aufforderung vom 11. Februar 2021 ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen seien. Die Anordnung sei auch angemessen, da das Interesse der Kläger an der Belassung des nicht genehmigten und nicht genehmigungsfähigen Zustandes der Geländemodellierung und der Stützmauer gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Schaffung und Erhaltung rechtmäßiger Zustände zurückzutreten habe.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. Juni 2021 – hier eingegangen am gleichen Tag – ließen die Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2021 vorgetragen, dass die angeordnete Geländemodellierung nebst zu beseitigender Stützmauer das Baurecht nicht vorsehe. Es sei zweifelhaft, ob die genannte Rechtsgrundlage im Bescheid nach Artikel 54 Abs. 2 BayBO die Maßnahme stütze. Einen „Bauzwang“ regle die allgemeine Aufgabenzuweisung an die Bauaufsichtsbehörden aber gerade nicht. Vielmehr sei die baurechtliche Generalklausel subsidiär gegenüber den spezielleren Befugnissen. Nach allgemeinen Auslegungsregeln dürften die dort geregelten Maßnahmen nur ergriffen werden, wenn die tatbestandlichen Vorrausetzungen der in Artikel 74 ff. BayBO geregelten Befugnisse vorlägen. Ein Rückgriff auf die Generalklausel sei in solchen Fällen nicht möglich. Eigentlich habe die Generalklausel des Artikel 54 Abs. 2 BayBO damit nur lückenschließende Funktion. Demgegenüber gebe eine Baugenehmigung nur ein Baurecht und begründe keine Baupflicht. Im Übrigen leite das Landratsamt offenbar mehr oder minder spiegelbildlich und automatisch aus dem in der Tat bestandskräftigen Bescheid des Marktes … vom 30. November 2020 die Beseitigungsanordnung ab. Dabei fehle es aber schon an jeder Ermessensausübung. Dabei hätten auch die Maßnahmen durchaus Funktion. Wie aus dem Sitzungsbuchauszug der Akte hervorgehe, hätten die Grundstücke Probleme mit Oberflächenwasser. Durch die Stützmauer solle eine Verbesserung eintreten. Dies betreffe nicht nur die Kläger, sondern auch andere Nachbarn. Mit Blick auf den Gleichheitssatz möge der Beklagte daher darlegen, ob und gegebenenfalls inwiefern er gegen die weiteren Grundstückseigentümer vorgehe. Dies betreffe auch die Frage des Auswahlermessens und warum der angefochtene Bescheid eigentlich gegen die beiden Kläger ergangen sei. Auch hierzu fänden sich keine Erwägungen. Der Ablehnungsbescheid der Standortgemeinde habe sich immerhin nur auf den Kläger bezogen. Man beantrage ausdrücklich und förmlich einen gerichtlichen Augenschein. Die in der Akte befindlichen Lichtbilder seien schon aufgrund des gewählten Bildausschnitts wenig geeignet, ein zutreffendes Bild von den Örtlichkeiten zu zeigen. Dies werde auch mit Blick auf die Geländesituation nur nach einem Ortstermin möglich sein.
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Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 beantragen die Kläger:
Der Bescheid des Landratsamts … vom 31. Mai 2021 (Az. …*) wird aufgehoben.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Januar 2022 im Wesentlichen aus, dass die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem streitgegenständlichen Grundstück beantragt worden und entsprechend der Planvorlagen auch genehmigt worden sei. Die Ausführung sei jedoch nicht entsprechend der genehmigten Bauvorlagen erfolgt. Die Nordseite des Grundstücks sei massiv aufgefüllt und dafür eine Stützmauer errichtet worden. Die planabweichende Stützmauer mit der Auffüllung sei nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig. Der streitgegenständliche Bescheid vom 31. Mai 2021 mit der Aufforderung den genehmigten Zustand herzustellen richte sich an die Kläger als Antragsteller der Baugenehmigung und damit als Bauherren. Die Bauherren seien für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften verantwortlich. Beide Kläger seien zudem Eigentümer des Grundstücks. Ein anderer Adressat des Bescheides sei nicht in Betracht gekommen. Die Herstellung eines der Baugenehmigung entsprechenden Zustandes könne nach Artikel 54 Abs. 2 BayBO angeordnet werden. Die Herstellung von Bauvorhaben gemäß der baurechtlichen Genehmigung diene der öffentlich-rechtlichen Ordnung und der Schaffung rechtmäßiger Zustände. Das Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden und im Bescheid dargelegt. Die vom Klägervertreter geforderte Darlegung mit Blick auf den Gleichheitssatz könne seitens des Landratsamtes nicht nachvollzogen werden. Die aufgeführten Grundstücke im Auszug aus dem Sitzungsbuch seien zwischenzeitlich zu einer Flurnummer vereinigt worden (FlNr. … – das streitgegenständliche Grundstück) und bezeichneten das Baugrundstück. Andere Bauherrn im Bebauungsgebiet seien vom Landratsamt ebenfalls zum Rückbau der planabweichenden Auffüllung aufgefordert worden.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet, da die im Bescheid angeordnete Beseitigungs- und Geländemodeliierungsanordnung rechtmäßig ist und die Kläger insoweit nicht in ihren eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
13
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, U. v. 12.12.2013 – 4 C 15/12 – juris Rn. 8 = NVwZ 2014, 454). Eine hiervon zeitlich eventuell abweichende Beurteilung aus Gründen des Bestandsschutzes (BayVGH, U. v. 30.1.2014 – 15 B 11.750 – juris Rn. 19 f.) ist vorliegend nicht möglich, da das Vorhaben sowohl aktuell als auch in der Vergangenheit baurechtswidrig war.
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Die Beseitigungsanordnung bezüglich der errichteten Stützmauermauer ist sowohl von den tatbestandlichen Voraussetzungen (1.) als auch hinsichtlich der Ermessenausübung (2.) rechtlich nicht zu beanstanden.
15
1. Rechtsgrundlage für die baurechtliche Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Hiernach kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Notwendig ist hierbei primär die sog. formelle und materielle Illegalität der Anlage (BVerwG, U. v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 – juris Rn. 13 = NVwZ 1983, 472) also das Fehlen einer erforderlichen Baugenehmigung und der Verstoß gegen materielle Vorschriften des Baurechts. Bei Bauvorhaben, die keiner Genehmigung bedürfen, kommt es dementsprechend nur auf eine materielle Illegalität an (BayVGH, B. v. 20.1.2003 – 20 ZB 99.3616 – juris Rn. 3). Bei einer bereits genehmigten Anlage kann die reine materielle Illegalität ebenfalls eine Baubeseitigungsanordnung rechtfertigen, wenn der materielle Baurechtsverstoß außerhalb des Prüfprogramms der Baugenehmigung von Art. 68 Abs. 1 Halbsatz 1 BayBO liegt (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) und somit nicht durch die beschränkte materielle Legalisierungswirkung der Baugenehmigung behoben wird (BayVGH, B. v. 14.7.2005 – 20 CS 05.1732 – juris Rn. 9 = BayVBl 2006, 220).
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1.1 Die Errichtung der Mauer ist schon insofern formell illegal, als sie abweichend von der mit Bescheid vom 3. August 2020 erteilten Baugenehmigung ausgeführt wurde. Einwendungen hiergegen wurden nicht erhoben.
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1.2 Die Errichtung der Mauer widerspricht auch unstreitig den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, da sie mit einer Höhe von 1,75 m an der höchsten Stelle – aber letztlich durchgängig – gegen Ziffer 2.6.1 und 2.6.3 der textlichen Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans Nr. … „…“ verstößt, welche in der Sache eine maximale Gesamthöhe von 0,60 m über Geländeoberkante für Mauern bzw. Aufschüttungen erlauben.
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1.3 Nach Art. 76 Satz 1 BayBO darf eine Baubeseitigungsanordnung nur ergehen, wenn rechtmäßige Zustände nicht auf andere Weise hergestellt werden können, wovon vorliegend auszugehen ist.
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Hier sei angemerkt, dass die Anforderung eines Bauantrags aufgrund der oben dargestellten materiellen Illegalität keine Option zur Herstellung rechtmäßiger Zustände darstellt. Dies gilt auch hinsichtlich eines Antrags auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB schon deswegen, weil ein bereits von den Klägern gestellter Antrag auf Befreiung an die Standortgemeinde durch bestandskräftigen Bescheid vom 30.11.2020 abgelehnt wurde. Rechtsmittel hiergegen wurden nicht eingelegt.
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2. Die Baubeseitigungsanordnung entspricht auch den Grundsätzen pflichtgemäßen Ermessens nach Art. 40 BayVwVfG. Ermessensfehler sind weder im Sinne des Gleichheitssatzes (2.1) noch im Sinne sonstiger Ermessenfehler (2.2) ersichtlich.
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2.1 Art. 3 Abs. 1 GG verbürgt das allgemeine Willkürverbot, das bei jeder Ermessensausübung zu beachten ist. Einem behördlichen Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände kann ausnahmsweise entgegengehalten werden, dass es an jedem System oder sachlich einleuchtenden Grund für ein Einschreiten fehlt, sich das Einschreiten im konkreten Fall mithin als willkürlich darstellt (BVerwG, B. v. 24.7.2014 – 4 B 34/14 – juris Rn. 4 = BauR 2014, 1923). Das Willkürverbot stellt allerdings nur eine äußerste Grenze zur Abwehr staatlicher Eingriffe dar, da stets zu bedenken ist, dass sich ein rechtsbrüchiger Bauherr nicht unter diesem „Deckmantel“ auf eine Gleichheit im Unrecht berufen kann. Ein sachlich tragfähiger Grund für ein unterschiedliches Vorgehen kann etwa eine plausibel gewählte „Stichtagslösung“ sein, wonach nur gegen nach diesem Stichtag errichtete Anlagen vorgegangen wird, um eine Verschlechterung der Situation zu vermeiden (BVerwG, v. 24.7.2014 a.a.O.). Ebenso ist ein vorrangiges Vorgehen gegen die aktuellsten Bausünder ein tragfähiger Grund, um der bei diesen neueren Vorhaben größeren negativen Vorbildwirkung entgegenzutreten (BayVGH, B. v. 7.6.2017 – 9 ZB 15.255 – juris Rn. 5). Eine pauschale zeitliche Grenze, bis wann gegen andere vergleichbare Fälle vorgegangen werden muss, gibt es dabei allerdings nicht (BayVGH, v.7.6.2017 a.a.O. Rn. 6). Genauso zulässig ist es für die Behörde – insbesondere in rechtlich streitigen Fällen – zunächst die Entscheidung des zuständigen Gerichts abzuwarten, um eine rechtlich gesicherte Basis für ein Einschreiten in vergleichbaren Fällen zu haben und quasi „Schritt für Schritt“ vorzugehen (BayVGH, U. v. 14.5.2021 – 1 B 19.2111 – juris Rn. 34). Schließlich ist ein Sanierungskonzept im Sinne obiger Ansätze dann schon nicht von Nöten, wenn in Einzelfällen aufgrund der geringen Anzahl oder Bedeutung ein unmittelbar zeitnahes Einschreiten nicht erforderlich erscheint (BayVGH, B. v. 19.2.2014 – 15 C 13.2483 – juris Rn. 19).
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Nach den dargelegten Grundsätzen kann das Gericht vorliegend kein willkürliches Handeln der Bauaufsichtsbehörde erkennen. Das Landratsamt ist vielmehr gerichtsbekannt und umgehend gegen die ihm gemeldeten Verstöße vorgegangen, wie sich aus den weiteren gerichtsbekannten Klageverfahren gegen weitere Beseitigungsanordnungen, die ebenfalls vom Klägerbevollmächtigten vertreten werden, ergibt (AN 3 K 22.01319; AN 3 K 23.1715). Dass das Landratsamt gegen einen Bauherrn aufgrund einer gewährten Befreiung nicht vorgegangen ist, ist schon deswegen kein Ermessensfehler, weil die diesem Bauherrn erteilte Befreiung den Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufhebt und eine Beseitigungsanordnung damit rechtswidrig wäre.
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2.2 Andere am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO überprüfbare Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist bei einer Beseitigungsanordnung von einem durch die Erfüllung des Tatbestands bereits intendierten Ermessen auszugehen, dass nur in besonderen Einzelfällen weitergehend zu begründen ist (BayVGH, B.v. 17.8.2022 – 15 ZB 22.1402 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 13.4.2015 – 1 B 14.2319 – juris Rn. 31). Solche Besonderheiten sind nicht ersichtlich.
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Vorliegend ist insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, da die Stützmauer aufgrund der vorgenommenen Aufschüttung nicht einfach nur entfernt werden kann und deswegen auch keine Teilbeseitigungsanordnung in Betracht kommt. Vielmehr ist eine zusätzliche Geländemodellierung – wohl schon aus statischen Gründen – notwendig, um das Abrutschen der Aufschüttung zu verhindern (BayVGH, U.v. 29.9.2003 – 1 B 01.2425 – juris Rn. 17 = NVwZ-RR 2004, 238; B.v. 12.10.2010 – 1 ZB 08. 2923 – juris Rn. 15; U.v. 29.11.2010 – 1 B 09.1603 – juris Rn. 41 = BayVBl 2011, 538).
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Der Bescheid des Landratsamts leidet auch nicht an einem Ermessensfehler im Sinne einer Ermessensunterschreitung. Soweit die Klägerseite auf angebliche Probleme mit der Oberflächenentwässerung auf dem nördlich angrenzenden Grundstück hingewiesen hat, blieb der Vortrag unsubstantiiert. Weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren wurden jemals irgendwelche detaillierten Angaben zum Umfang und Ausmaß dieses Problems gemacht. Unsubstantiierte Behauptungen geben keinen Anlass zu weitergehenden Ermessenserwägungen. Selbst wenn man Probleme mit Oberflächenwasser annehmen wollte, bleibt die Klägerseite eine Erklärung schuldig, wieso deswegen eine 1,75 m hohe Mauer erforderlich wäre und nicht etwa eine 0,6 m hohe (baurechtlich zulässige) Mauer den gleichen Effekt haben könnte. Erklärlich wird die konkrete Höhe durchaus dadurch, dass die Kläger offensichtlich einen ebenerdigen, rückwärtigen Grundstücksbereich anstreben und deswegen wohl auch das Gelände aufgeschüttet haben. Ebenso drängt sich nicht auf, wieso der gerichtliche Vorschlag einer Drainage das Problem nicht ebenfalls lösen können soll.
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3. Obige Erwägungen tragen auch die notwendige und im Bescheid angeordnete Geländemodellierung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine solche auf Art. 76 Satz 1 BayBO oder auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO zu stützen wäre, da erst Recht eine Maßnahme nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO gerechtfertigt ist, wenn schon die schärferen Voraussetzungen der Baubeseitigungsanordnung vorliegen. Eine von der Klägerseite reklamierte Unklarheit im Hinblick auf die genannte Rechtsgrundlage wäre – wenn überhaupt – ein nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlicher Fehler, da nicht ersichtlich wäre, inwiefern die Nennung einer anderen Rechtsgrundlage in der Bescheidsbegründung Einfluss auf die Entscheidung in der Sache gehabt haben könnte (BVerwG, U.v. 17.9.1987 – 5 C 26/84 – juris Rn. 25 = BVerwGE 78, 101).
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4. Fehler im Rahmen der sonstigen Regelung des streitgegenständlichen Bescheids sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Zwangsgeldandrohung weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtlich zu beanstanden.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.