Titel:
Erfolgloser Berufungszulassungsantrag im baurechtlichen Verfahren gegen einen Bescheid, mit dem die Beseitigung einer Stützmauer sowie die Wiederherstellung des genehmigten Geländeverlaufs auf einem Wohngrundstück angeordnet wurde
Normenkette:
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5, § 124a Abs. 4
Leitsatz:
Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung der Beseitigung einer Stützmauer und Wiederherstellung des Geländeverlaufs nach Aufschüttung, Darlegungsgebot, Gehörs- und Aufklärungsrüge
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 06.02.2024 – AN 3 K 21.01201
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34839
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2021, mit dem die Beseitigung einer Stützmauer sowie die Wiederherstellung des genehmigten Geländeverlaufs auf ihrem Wohngrundstück (...) angeordnet wurde.
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Das Grundstück in Hanglage liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 17 „...“ in der Bekanntmachung vom 3. Dezember 2018, nach dessen Festsetzungen Aufschüttungen bzw. Abgrabungen ein Maß von 0,6 m nicht überschreiten und Stützmauern bzw. Böschungen mit einer Höhe von maximal 0,6 m errichtet werden dürfen. Ein klägerischer Antrag auf isolierte Befreiung hiervon wurde mit bestandskräftigem Bescheid der Standortgemeinde vom 30. November 2020 abgelehnt. Nachdem anlässlich einer Baukontrolle vom 4. Februar 2021 festgestellt wurde, dass an der östlichen, westlichen und nördlichen Grundstücksgrenze eine Mauer aus Beton-Winkelsteinen mit einer Höhe von bis zu 1,75 m, einer Länge an der Nordseite von 28 m, an der Westseite von ca. 5 m und an der Ostseite von ca. 3,5 m errichtet und das Gelände aufgefüllt wurde, wurden die Kläger mit Bescheid vom 31. Mai 2021 unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro verpflichtet, auf dem streitgegenständlichen Grundstück spätestens bis sechs Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides die Geländemodellierung entsprechend der baurechtlichen Genehmigung vom 3. August 2020 wiederherzustellen und die nicht genehmigte Stützmauer zu entfernen.
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Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig; die formelle Illegalität ergebe sich bereits aus der von der Baugenehmigung abweichenden Ausführung und widerspreche materiell den Festsetzungen des Bebauungsplans. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Angeführte Gründe der Oberflächenentwässerung für die Errichtung der Stützmauer seien unsubstantiiert geblieben. Unerklärlich bleibe, wieso deswegen eine 1,75 m hohe Mauer erforderlich wäre und nicht etwa eine 0,6 m hohe (baurechtlich zulässige) Mauer den gleichen Effekt hätte haben können. Offensichtlich hätten die Kläger mit der Aufschüttung und Stützmauer einen ebenerdigen, rückwärtigen Grundstücksbereich verwirklichen wollen. Die angeordnete Geländemodellierung sei aus denselben Erwägungen heraus rechtmäßig.
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Hiergegen richtet sich der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt und liegt auch nicht vor.
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Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Nur mit einer Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung wird dem Darlegungsgebot nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 9 ZB 21.2366 – juris Rn. 11 ff.).
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Mit dem Zulassungsvorbringen, die Errichtung von Mauern sei verfahrensfrei und wegen der Unwirksamkeit des Bebauungsplans auch nicht materiell illegal, und dem erneuten Verweis auf die Problematik des Oberflächenwasserabflusses wiederholen die Kläger ihr erstinstanzliches Vorbringen und ihre von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichende Rechtsauffassung. Dies genügt nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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Darüber hinaus liegen ernstliche Zweifel am angefochtenen Urteil auch nicht vor. Hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO wurde im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Genehmigungspflicht der Einfriedung als unselbständiger Teil des mit Baugenehmigung vom 3. August 2020 genehmigten Bauvorhabens „Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage“ darstellt. Die Aufspaltung eines Gesamtvorhabens in einen genehmigungspflichtigen und einen genehmigungsfreien Teil ist nicht möglich (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2022 – 9 CS 21.3274 – juris Rn. 11). Die Unwirksamkeit des maßgeblichen Bebauungsplans wegen abwägungsdefizitärer Behandlung des Oberflächenwasserabflusses wird im Zulassungsverfahren erstmals behauptet. Anhaltspunkte für die behauptete Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 17 „...“ in der Bekanntmachung vom 3. Dezember 2018 finden sich indes nicht. Der Bebauungsplan enthält die Festsetzung eines Regenrückhaltebeckens; in der Begründung des Bebauungsplans werden unter Nr. 11.6.2 Erwägungen zur Niederschlagswasserbeseitigung angestellt, in denen u.a. ergänzend empfohlen wird, Niederschlagswasser auf dem jeweiligen Grundstück zur Versickerung zu bringen. Die Kläger legen nicht dar, warum eine solche im Bebauungsplan vorgesehene Lösung mittels Zisterne oder Drainage nicht erfolgsversprechend sein sollte. Der klägerische Hinweis auf eine von ihnen initiierte, mögliche Planänderung ist für das vorliegende Verfahren nicht erheblich.
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Soweit die Kläger der Auffassung sind, das Verwaltungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung erörterten Fall gleichheitswidrig als unmaßgeblich erachtet, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellung, dass ein willkürliches Handeln nicht zu erkennen ist, da die im angeführten Vergleichsfall erteilte Befreiung gerade den Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften beseitigt hat und dieser Fall mithin nicht mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar ist.
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2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerseite legt nicht dar, dass die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, d.h. sich wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2022 – 8 ZB 22.1193 – AUR 2022, 472 = juris Rn. 32). Das ist unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Nr. 1 nicht der Fall.
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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Mit ihrem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt und den Sachverhalt entgegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht hinreichend ermittelt, indem es über die Probleme mit der Oberflächenentwässerung, den Effekt der Mauer und die Möglichkeit, das Problem mit einer Drainage zu lösen, „spekuliere“, ist hierin weder ein Gehörs- noch ein Aufklärungsverstoß zu erkennen.
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Die Anforderungen an eine erfolgreiche Aufklärungsrüge werden mit diesem Vortrag schon nicht erfüllt. Diese erfordert bei anwaltlich vertretenen Beteiligten insbesondere auch die Darlegung, dass ein Beweisantrag erstinstanzlich gestellt wurde oder dass sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.2016 – 2 B 57.15 – ZBR 2017, 41 = juris Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 75). Die Kläger haben ausweislich der Sitzungsniederschrift keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Bei der formlosen Anregung der Durchführung eines Ortsaugenscheins handelt es sich lediglich um eine Beweisanregung, die allerdings einem förmlichen Beweisantrag nicht gleichgestellt ist und die Folgen des § 86 Abs. 2 VwGO nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auszulösen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – juris Rn. 4; B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – a.a.O. Rn. 6 f.). Dass sich eine entsprechende Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, legen die Kläger nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.
15
Das klägerische Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe den Vortrag der Klägerseite hinsichtlich der Problematik mit der Oberflächenentwässerung nicht hinreichend gewürdigt, zeigt keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auf. Der Gehörsanspruch verlangt nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen ausführlich wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich daher auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2024 – 9 ZB 24.307 – juris Rn. 19).
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Die von Klägerseite angeführte Problematik der Oberflächenentwässerung als Grund für die Ausbildung von Stützmauer und Auffüllung hat das Verwaltungsgericht ersichtlich gewürdigt, jedoch für nicht überzeugend erachtet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt jedoch nicht vor, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt oder zu einem anderen Ergebnis gelangt, als der Beteiligte es für richtig hält (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2019 – 15 ZB 20.293 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).