Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 11.12.2024 – Verg 7/24 e
Titel:

Zuschlagskriterien müssen Auftragsbezug haben – Erkennbarkeit eines Vergabeverstoßes

Normenkette:
GWB § 127 Abs. 3, § 160 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Für die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB gilt ein objektiver Maßstab. Rechtliches Spezialwissen, das ein Bieter aufgrund der Beteiligung an einem ähnlich gelagerten, anderen Vergabeverfahren erlangt hat, ist nicht zu berücksichtigen. (Rn. 29 – 31)
2. Ein qualitatives Zuschlagskriterium, wonach ein eingereichte Beispielspeiseplan bewertet werden soll, verstößt mangels Auftragsbezugs gegen § 127 Abs. 3 GWB, wenn im Vertragsvollzug wöchentlich neue Speisepläne eingereicht werden müssen und für die Auftragsdurchführung der Inhalt des Beispielspeiseplans völlig irrelevant ist. (Rn. 46 – 47)
Schlagworte:
Vergabeverstoß, Rüge, Kenntnis, Verdacht, Erkennbarkeit, Präklusion, Speiseplan, Zuschlagskriterium, Auftragsbezug, Ausschluss
Vorinstanz:
Vergabekammer München, Beschluss vom 09.08.2024 – 3194.Z3-3_01-24-22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34815

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 9. August 2024, Az. 3194.Z3_01-24-22, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Vergabeverfahren bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht in den Stand vor Veröffentlichung der Bekanntmachung zurückzuversetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut durchzuführen ist.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen ihre notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jeweils selbst.
3. Bei der Kostenentscheidung der Vergabekammer hat es sein Bewenden.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu … festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom …, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter Nr. …, einen Rahmenvertrag über Catering-Dienstleistungen für ein … im offenen Verfahren aus.
2
Zuschlagskriterien waren gemäß Ziffer 5.1.10 der Bekanntmachung der Preis und die Qualität jeweils zu 50%. Die Leistungsbeschreibung in den Vergabeunterlagen enthält unter anderem folgende Vorgaben:
„I. Leistungsbeschreibung
(…)
3. Leistung der Auftragnehmerin / des Auftragnehmers
(…)
Von der Auftragnehmerin / dem Auftragnehmer sind folgende Leistungen zu erbringen:
Bereitstellung von jeweils Frühstück, Mittagessen und Abendessen, pro Tag (…)
- Frühstück: Semmeln, Vollkorntoast, Butter, Käse, Frischkäse, 100% Geflügelwurst, Konfitüre, Nutella, Honig, Obst, Müsli, Zucker als Streuzucker, Rohkost z. B. Cherrytomaten, Salatgurke, rote und gelbe Paprika
- Mittagessen: ein vegetarisches Gericht, ein Gericht mit Fleisch (kein Schwein), Obst
- Abendessen: ein vegetarisches Gericht, ein Gericht mit Fleisch (kein Schwein), Salat (…)
Alle Verpflegungsprodukte sollen mindestens 40% bio-regionale Lebensmittel enthalten und Fleisch und Fisch müssen mindestens zu 40% bio-regional sein. (…) Es sollten grundsätzlich Erzeugnisse aus regionalen Produkten angeboten werden.
(…)
Grundsätzlich ist auf ausreichende und abwechslungsreiche Kost zu achten. Insbesondere das zur Verfügung gestellte Obst sollte mehrmals pro Woche, nicht nur saisonbedingt, wechseln.
(…)
Speisepläne sind wöchentlich im Voraus an die hauswirtschaftliche Betriebsleitung und Bereichsleitung auszuhändigen (z. B. über Mail-Verteiler).
(…)
II.
Vertragsbedingungen
(…)
11. Ergänzende Bestimmungen
(…)
Dieser Vertrag gilt mit Zuschlagserteilung geschlossen.
Vertragsinhalt ist auch das Angebot des Auftragnehmers / der Auftragnehmerin.“
3
Das Dokument „Wertungskriterien“ in den Vergabeunterlagen enthält unter anderem folgende Vorgaben:
„Die Zuschlagserteilung erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung werden der Preis (netto) sowie die eingereichten Speisepläne nach folgenden Maßgaben berücksichtigt:

Lfd.

Nr.

Kriterium

Gewichtung

(1)

Punkte (max)

(2)

Gewichtete Punkte (max)

(1) x (2)

[1]

Preis (netto)

50%

[50]

[2]

Beispielspeisepläne für zwei Wochen

50%

[100]

[50]

Gesamtsumme

100%

[100]

(…)
Zu 2 (Beispielspeisepläne):
Es ist ein Speiseplan über das beispielhafte Essensangebot für zwei Wochen einzureichen.
In dem Speiseplan ist zu vermerken, welche Speisen / Zutaten regional und / oder Bio sind. Entsprechende Bio- / Gütesiegel können ebenfalls als Beleg für die Zertifizierung vorgelegt werden (…).
Auch auf die übrigen Mindestvorgaben der Leistungsbeschreibung, welche zwingend einzuhalten sind, wird verwiesen (bspw. mind. 40% regional-bio bei Fleisch / Fisch) (…)
Der Speiseplan wird anhand der in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen und näher beschriebenen Kriterien bewertet. Es sind max. 100 Punkte zu erreichen, wobei max. 25 Punkte pro nachfolgendem Kriterium vergeben werden:
- Möglichst hohe Regionalität und möglichst hoher Bioanteil (Mindestvorgabe bei Fleisch: 40%)
- Möglichst hohe Abwechslung der Speisen
- Berücksichtigung der kulturellen und religiösen Besonderheiten der Zielgruppe
- Gut sichtbare Angabe der 14 deklarationspflichtigen Allergene“
4
Am 16. April 2024 erteilte die Vergabekammer Südbayern einen rechtlichen Hinweis in dem Nachprüfungsverfahren 3194.Z3-3_01-24-11, in dem es um die Vergabe von Catering-Dienstleistungen für eine andere, nicht von der hiesigen Antragsgegnerin betriebene Aufnahmeeinrichtung ging, und in dem die hiesige Antragstellerin ebenfalls ein Angebot eingereicht hatte. Die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand des nichtpreislichen Zuschlagskriteriums eines Muster-Speiseplans begegne vergaberechtlichen Bedenken. Gemäß § 127 Abs. 3 GWB müssten die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Nach den Vergabeunterlagen beurteile sich die Wirtschaftlichkeit der Angebote anhand des Kriteriums des angebotenen Preises sowie eines qualitativen Zuschlagskriteriums. Zur Bewertung der Qualität solle der von den Bietern einzureichende Muster-Speiseplan für vier Wochen dienen. Dieser Musterspeiseplan müsse zwar die in dem Leistungsverzeichnis genannten Vorgaben einhalten. Er werde jedoch nicht verbindlicher Bestandteil der Leistung, denn nach der Regelung im Leistungsverzeichnis werde der Speiseplan für die Leistung für eine Woche im Voraus erstellt und sei spätestens am Donnerstag der Vorwoche dem Auftraggeber zu übermitteln. Für die zukünftige Leistung des bezuschlagten Bieters sei es damit vollkommen irrelevant, welche Angaben der Bieter zuvor in seinem Muster-Speiseplan getätigt habe. Aus diesem Grund sei der nötige Auftragsbezug des Kriteriums „Muster-Speiseplan“ zu verneinen.
5
Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene und eine weitere Bieterin reichten im vorliegenden Vergabeverfahren innerhalb der am 22. April 2024 abgelaufenen Angebotsfrist Angebote ein. Die übersandten Beispielspeisepläne der Antragstellerin enthielten pro Tag nur zwei warme Mahlzeiten, die der Beigeladenen vier unterschiedliche warme Gerichte und die der weiteren Bieterin vier verschiedene warme Speisen und zusätzlich Angaben zum Frühstück.
6
Mit Beschluss vom 7. Mai 2024 stellte die Vergabekammer Südbayern das Nachprüfungsverfahren Az. 3194.Z3-3_01-24-11 ein. Die Kosten wurden dem dortigen Antragsgegner auferlegt, da er durch eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens dem Nachprüfungsverfahren die Grundlage entzogen habe und aus den im rechtlichen Hinweis vom 16. April 2024 genannten Gründen in der Hauptsache voraussichtlich unterlegen wäre. Die hiesigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, die diese auch im dortigen Nachprüfungsverfahren vertraten, erhielten den Beschluss am 8. Mai 2024.
7
Mit Schreiben nach § 134 GWB vom 13. Mai 2024 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass der Zuschlag an die Beigeladene erteilt werden solle, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Die Antragstellerin beanstandete mit Schreiben vom 14. Mai 2024 das Informationsschreiben, da es an einer ausreichenden Begründung zur Bewertung der Angebote fehle. Mit Schreiben vom 15. Mai 2024 rügte die Antragstellerin erneut die mangelnde Begründung des Informationsschreibens und stellte detaillierte Fragen zur Wertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen. Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 16. Mai 2024 Details zur Wertung des Angebots der Antragstellerin offen, nicht aber zum Angebot der Beigeladenen und erklärte, an der angekündigten Zuschlagserteilung an die Beigeladene festzuhalten.
8
In ihrem Schreiben vom 23. Mai 2024 rügte die Antragstellerin selbst die Bewertung anhand des Kriteriums Beispielspeisepläne. Das Zuschlagskriterium sei vergaberechtswidrig, da es entgegen § 127 Abs. 3 GWB nicht im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehe. Eine frühere Rüge sei nicht möglich gewesen, da die Antragstellerin von dieser vergaberechtlichen Einschätzung der Vergabekammer Südbayern „erst gerade“ in einem Einstellungsbeschluss (im Verfahren Az. 3194. Z3-3_01-24-11) erfahren habe.
9
Da die Antragsgegnerin der Rüge nicht abhalf, beantragten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Mai 2024 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
10
Mit Schreiben vom 28. Juni 2024 schloss die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin aus. In den von der Antragstellerin eingereichten Beispielspeiseplänen fehle die in den Vergabeunterlagen wirksam und transparent geforderte Angabe zweier warmer Gerichte. Für jedes Mittag- und Abendessen müssten ein vegetarisches Gericht und ein fleischhaltiges Gericht, also insgesamt vier Mahlzeiten angeboten werden. In den von der Antragstellerin eingereichten Speiseplänen seien lediglich ein vegetarisches und ein fleischhaltiges warmes Gericht pro Tag vermerkt.
11
Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren vorgetragen, sie sei mit der Rüge des fehlenden Auftragsbezugs der Beispielspeisepläne nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Allein der Hinweis der Vergabekammer vom 16. April 2024 begründe noch keine Kenntnis der Vergaberechtswidrigkeit für das vorliegende Verfahren, da es sich um eine unverbindliche Äußerung einer voraussichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer gehandelt habe. Erst am Nachmittag des 13. Mai 2024 sei den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin telefonisch der Auftrag erteilt worden, basierend auf dem Hinweis und dem Einstellungsbeschluss im Parallelverfahren die Möglichkeit einer Rüge auch im hiesigen Verfahren zu prüfen. Zuvor seien die Rechtsanwälte der Antragstellerin bezüglich des streitgegenständlichen Verfahrens nur ganz punktuell bezüglich einer Frage der Nachforderung bzw. Aufklärung beauftragt gewesen. Sie hätten sich daher auftragsgemäß auf die dafür relevanten Aktenteile beschränkt. Mangels Auftrags, die Zuschlagskriterien zu prüfen, habe auch keine Parallelität zum anderen Vergabeverfahren bekannt werden können. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB sei erst am 14. Mai 2024 vom kaufmännischen Berater der Antragstellerin abgerufen worden. Erst am 16. Mai 2024 hätten sich sodann die Rechtsanwälte auf der Grundlage der nunmehr erstmals von ihnen vollständig geprüften Unterlagen die Meinung bilden können, dass die Sachverhalte eine ausreichende Parallelität für die Übertragbarkeit der vergaberechtlichen Bewertung aufwiesen. Eine Rüge vor gesicherter rechtlicher Erkenntnis durch die Anwälte sei der Antragstellerin nicht zumutbar gewesen. Zudem habe die Antragstellerin zuvor noch eine (wenn auch geringe) Chance gesehen, dass die Antragsgegnerin das (aus Sicht der Antragstellerin potenziell vergaberechtswidrige) Zuschlagskriterium nicht anwenden würde. Eine Präklusion ergebe sich auch nicht aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB. Allein aus der Vorgabe, Beispielspeisepläne einzureichen, habe die Antragstellerin nicht auf die Vergaberechtswidrigkeit dieser Anforderung schließen müssen. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Das Zuschlagskriterium stelle einen Verstoß gegen § 127 Abs. 3 GWB dar, da die Beispielspeisepläne nicht verbindlicher Bestandteil des Vertrags würden. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sei ebenfalls vergaberechtswidrig. Aus der Leistungsbeschreibung ergebe sich nicht, dass pro Tag jeweils vier unterschiedliche warme Mahlzeiten anzubieten seien. Vielmehr liege nahe, dass beim Angebot von vier verschiedenen warmen Gerichten pro Tag dies nur beim Unterkriterium der möglichst hohen Abwechslung der Speisen positiv gewertet würde. Zudem sei das Zuschlagskriterium Beispielspeiseplan ohnehin vergaberechtswidrig und hätte daher nicht zum Ausschluss führen dürfen. Nach der im Nachprüfungsverfahren gewährten Akteneinsicht hat die Antragstellerin ferner die inhaltlich unzureichende Begründung für die Bewertung ihrer Beispielspeisepläne gerügt. Im Übrigen sei aus der Bewertung erkennbar, dass die Antragsgegnerin zunächst die vermeintlich fehlenden Angaben zu weiteren warmen (Abend-) Essen nur als Anlass für eine schlechtere Bewertung, nicht aber als Ausschlusskriterium angesehen habe.
12
Die Antragstellerin hat beantragt,
1.
der Antragsgegnerin zu untersagen, einen Zuschlag zu erteilen.
2.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtskonform fortzusetzen.
3.
hilfsweise andere geeignete Maßnahmen anzuordnen, um die Rechtsmäßigkeit des Verfahrens herzustellen.
13
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
14
Die Beigeladene hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
15
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Rüge der Vergaberechtswidrigkeit des Zuschlagskriteriums Beispielspeiseplan sei nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB präkludiert. Die Antragstellerin habe den Verstoß bereits mit dem Hinweis vom 16. April 2024 erkannt. Selbst wenn man für die Kenntnis auf den Einstellungsbeschluss vom 7. Mai 2024 abstelle, sei die Rüge vom 23. Mai 2024 verspätet. Der eigene Vortrag der Antragstellerin spreche dafür, dass sie den Vergabeverstoß vor Ablauf der Angebotsfrist bereits erkannt habe. Ein spekulatives Zuwarten mit der Rüge, bis klar werde, ob sich der erkannte Fehler zulasten des Bieters auswirke, solle gerade verhindert werden. Jedenfalls sei der im Raum stehende vergaberechtliche Verstoß offenkundig und aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Das Zuschlagskriterium sei tatsächlich zulässig. Die Beispielspeisepläne stünden in einem ausreichend engen Zusammenhang mit dem Leistungsgegenstand. Sie würden nach Ziffer 11 der Leistungsbeschreibung Vertragsgegenstand, sodass die Verpflegung gemäß Beispielspeiseplan „oder gleichwertig“ auch einklagbar gefordert werden könne. Für den durchschnittlichen Bieter sei erkennbar, dass in den Beispielspeiseplänen ein Mittag- und ein Abendessen (jeweils in einer vegetarischen Variante sowie mit Fleisch / Fisch), aber keine Angaben zum Frühstück gefordert seien.
16
Die Beigeladene hält die Rüge der Vergaberechtswidrigkeit der Beispielspeisepläne im Wesentlichen aus denselben Gründen wie die Antragsgegnerin für präkludiert. Das lange Zögern vor der Rüge sei als bewusstes Taktieren oder zumindest als mutwilliges „Sich-der-Erkenntnis-Verschließen“ zu bewerten. Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Die Beispielspeisepläne sollten der Antragsgegnerin eine Wertung dazu ermöglichen, mit welchen konzeptionellen Ansätzen die Bieter die Leistungsanforderungen umsetzen wollten. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sei nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend gewesen.
17
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 9. August 2024 die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen untersagt und die Antragsgegnerin verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor der Veröffentlichung der Bekanntmachung zurückzuversetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Antragstellerin sei mit der Rüge des Zuschlagskriteriums Beispielspeiseplan nicht präkludiert. Für die Erkennbarkeit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gelte ein objektiver Maßstab. Es sei von einem durchschnittlichen Bieter nicht zu erwarten, dass er die Feinheiten der Frage beurteilen könne, inwieweit die Voraussetzungen für einen Auftragsbezug leistungsbezogener Zuschlagskriterien im Einzelfall vorlägen. Auch der rechtliche Hinweis der Vergabekammer vom 16. April 2024 aus dem Verfahren Az. 3194.Z3-3_01-24-11 habe keine Rügepflicht ausgelöst. Abzustellen sei auf den durchschnittlich fachkundigen Bieter, nicht auf den im Einzelfall betroffenen Bieter und dessen Spezialwissen. Die Antragstellerin sei auch nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Mit dem rechtlichen Hinweis vom 16. April 2024 habe die Antragstellerin lediglich die vorläufige Rechtsauffassung der Vergabekammer zur Problematik der Musterspeisepläne als Wertungskriterien erhalten. Das Gleiche gelte für den Einstellungsbeschluss vom 7. Mai 2024. Auch in diesem sei keine abschließende Entscheidung darüber getroffen worden, ob die Musterspeisepläne als Wertungskriterien den nötigen Auftragsbezug aufwiesen oder nicht. Damit sei der Vortrag der Antragstellerin plausibel, dass sie am 8. Mai 2024 noch keine gesicherte Rechtskenntnis bezüglich der Bewertung des Zuschlagskriteriums Musterspeisepläne gehabt habe. Ebenfalls glaubhaft sei ihr Vortrag, sie habe erst am 13. Mai 2024 ihre Verfahrensbevollmächtigten beauftragt zu prüfen, ob auch für die streitgegenständliche Ausschreibung das Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne so, wie es in der streitgegenständlichen Ausschreibung bekannt gemacht worden sei, gegen geltendes Vergaberecht verstoße. Die Vergabekammer zweifle auch nicht an dem Vortrag der Antragstellerin, ihre Verfahrensbevollmächtigten hätten die Prüfung der Rechtsfrage erst am 16. Mai 2024 abgeschlossen. Es fehle ferner an aussagekräftigen Indizien dafür, dass sich die Antragstellerin der Erkenntnis eines Rechtsverstoßes mutwillig verschlossen hätte. Dagegen spreche schon die zeitnahe Beauftragung der Rechtsanwälte am 13. Mai 2024. Der Nachprüfungsantrag sei begründet. Das Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne sei vergaberechtswidrig, da es in der gegebenen Ausgestaltung der Vergabeunterlagen den nötigen Auftragsbezug vermissen lasse. Der Beispielspeiseplan müsse zwar die in dem Leistungsverzeichnis enthaltenen Vorgaben einhalten, werde aber nicht verbindlicher Bestandteil der Leistung. Es sei für die zukünftige Leistung des bezuschlagten Bieters vollkommen irrelevant, welche Angaben er zuvor in seinem Beispielspeiseplan getätigt habe. Zwar sei nach Ziffer 11 der Leistungsbeschreibung das Angebot des Auftragnehmers Vertragsinhalt. Jedoch werde aufgrund des vorgegebenen wöchentlichen Wechsels der Speisepläne weder durch die Beispielspeisepläne noch durch diese in Verbindung mit deren Bewertung konkret festgelegt, was die künftige Leistung umfassen müsse. Beim Unterkriterium „möglichst hohe Regionalität und möglichst hoher Bioanteil“ werde von der Antragsgegnerin schon der Bioanteil nur für Fisch und Fleisch, und auch dies nicht nachvollziehbar, ermittelt. Damit könne nicht verbindlich und nachvollziehbar ersehen werden, welche konkrete Qualität die Leistung der Bieter auf Grund der Angaben und Wertung zu diesem Unterkriterium künftig erfüllen müsse. Gleiches gelte für das Unterkriterium „Abwechslung der Speisen“. Insoweit lasse sich ein abstraktes Leistungsversprechen wie etwa eine messbare Quote, die auf die im Vertragsvollzug einzureichenden Speisepläne übertragbar wäre, weder den von den Bietern eingereichten Unterlagen noch der Angebotswertung entnehmen. An demselben Mangel leide auch das Unterkriterium „Berücksichtigung der kulturellen und religiösen Besonderheiten der Zielgruppe“. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin scheide nicht aufgrund des Ausschlusses ihres Angebots aus. Dieser Ausschluss sei vergaberechtswidrig, da die konkreten Anforderungen hinsichtlich der einzureichenden Beispielspeisepläne insbesondere zur Zahl der aufzunehmenden Mahlzeiten unklar gewesen seien. Einerseits würden bei Speiseplänen, die der Information der Essensteilnehmer dienten, üblicherweise nur die Menülinien und nicht das im Wesentlichen stets gleiche Frühstück aufgeführt. Andererseits sei das Interesse der Antragsgegnerin an den Beispielspeiseplänen ein anderes, da es unter anderem um den Anteil an biologischen und regionalen Lebensmitteln gehe. Die Unklarheit werde auch dadurch bestätigt, dass alle drei Bieter die Anforderungen an die einzureichenden Beispielspeisepläne bezüglich der Zahl der aufzuführenden Mahlzeiten unterschiedlich verstanden hätten. Zudem scheine sich die Antragsgegnerin selbst unsicher gewesen zu sein, wie sie mit dem (nur zwei Mahlzeiten enthaltenden) Speiseplan der Antragstellerin umgehen sollte, da sie diesen zunächst nur unter dem Gesichtspunkt der Abwechslung abgewertet, dann aber das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen habe. Es dürfe aber auch nicht unklar bleiben, ob fehlende Angaben in einem Angebot zu dessen Ausschluss führten oder nur Einfluss auf die Wertung hätten.
18
Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Antragstellerin sei mit der Rüge des fehlenden Auftragsbezugs nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Einem durchschnittlichen Bieter sei die rechtliche Bewertung eines Verstoßes gegen § 127 Abs. 3 GWB möglich. Zudem gelte ein subjektiver Maßstab. Daher liege jedenfalls mit dem rechtlichen Hinweis vom 16. April 2024 die nötige Erkennbarkeit vor. Die Präklusion folge ferner aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Bereits mit dem Hinweis vom 16. April 2024 habe die Antragstellerin die Kenntnis des Vergabeverstoßes erlangt. Nicht zuletzt orientiere sich die Rüge der Antragstellerin vom 23. Mai 2024 eng an dessen Wortlaut. Selbst bei Abstellen auf den Zugang des Einstellungsbeschlusses am 8. Mai 2024 sei die Rüge vom 23. Mai 2024 verspätet. Wenn die Antragstellerin eine Rechtsberatung gewünscht hätte, wäre ihr die Beauftragung von Rechtsanwälten nach Erhalt des Hinweises vom 16. April 2024 möglich und zumutbar gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sie damit bis zum 13. Mai 2024 zugewartet habe. Diese stelle jedenfalls ein bewusstes „Sich-der-Erkenntnis-Verschließen“ dar. Im Übrigen werde auch bestritten, dass der Auftrag an die Rechtsanwälte, die Übertragbarkeit der Rechtsauffassung aus dem Einstellungsbeschluss auf das vorliegende Verfahren zu prüfen, erst am 13. Mai 2024 erfolgt sei. Die späte Beauftragung der Rechtsanwälte sei auch nicht maßgeblich, da ansonsten ein Bieter die Präklusion allein dadurch verhindern könne. Die Parallelität der Vergabeverfahren ergebe sich aus einem bloßen Vergleich der Vergabeunterlagen. Das Wertungskriterium Beispielspeisepläne sei ferner zulässig und habe den nötigen Auftragsbezug. Die Beispielspeisepläne würden nach Ziffer 11 der Leistungsbeschreibung Vertragsbestandteil. Die Antragsgegnerin könne die Umsetzung beziehungsweise ersatzweise Verwendung dieser Speisepläne fordern. Nach Ansicht der Vergabekammer hätte die Antragsgegnerin Beispielspeisepläne über die gesamte Vertragslaufzeit von 52 Wochen fordern müssen. Dies sei weder in der Wertung handhabbar noch würden Bieter derartige Angebote überhaupt einreichen. Im Übrigen sei auch die Anforderung von Bemusterungen, Produktpräsentationen oder Teststellungen zulässig. Die jeweiligen Unterkriterien hätten ebenfalls den nötigen Auftragsbezug. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV sei rechtmäßig. Die Anforderungen an die Beispielspeisepläne, insbesondere zur Aufnahme vier warmer Mahlzeiten, seien eindeutig. Da die Bestandteile des Frühstücks bereits durch den Vertrag vorgegeben würden, sei für den durchschnittlichen Bieter erkennbar, dass das Frühstück keiner Aufnahme in den Beispielspeiseplan bedurft hätte.
19
Die Antragsgegnerin beantragt daher:
1. Der Beschluss der Vergabekammer wird aufgehoben.
2. Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 23. Mai 2024 wird zurückgewiesen.
20
Die Antragstellerin beantragt,
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.
21
Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren weder einen Antrag gestellt noch sich schriftsätzlich geäußert.
22
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Die Rüge des fehlenden Auftragsbezugs sei nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Allein aus den Vergabeunterlagen sei der Vergabeverstoß nicht erkennbar gewesen, es habe einer rechtlichen Beratung dazu, dass die Bewertung aus dem Einstellungsbeschluss im Verfahren 3194.Z3-3_01-24-11 übertragbar sei, bedurft. Vor der Äußerung der Vergabekammer sei die Vergaberechtswidrigkeit von Beispielspeiseplänen weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur diskutiert worden. Eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB liege ebenfalls nicht vor. Der Hinweis vom 16. April 2024 enthalte nur eine vorläufige, keine endgültige Bewertung. Ein bloßer Verdacht oder eine Vermutung begründe noch keine Kenntnis. Den Auftrag an die Verfahrensbevollmächtigten zu prüfen, ob der Hinweis der Vergabekammer auf das hiesige Vergabeverfahren übertragbar sei, habe die Antragstellerin tatsächlich erst am 13. Mai 2024 nachmittags erteilt. Die Antragstellerin habe sich durch eine anwaltliche Beratung rückversichern wollen, ob eine ausreichende Parallelität der Vergabeverfahren vorliege, zumal nicht die gleichen Musterdokumente verwendet worden seien. Der Prüfungsauftrag sei auch mit der gebotenen Eile erteilt worden. Das Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne verstoße gegen § 127 Abs. 3 GWB. Die Formulierungen in den Vergabeunterlagen deuteten in keiner Weise darauf hin, dass eine Verwendung der Beispielspeisepläne im Rahmen der Vertragsdurchführung geplant gewesen sei. Wie die Vergabekammer ausführe, sei auch bei keinem der Unterkriterien ein ausreichend klarer Inhalt der Beispielspeisepläne ermittelbar, der als Messlatte für die Speisepläne beim Vertragsvollzug dienen könnte. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sei schon wegen der Unzulässigkeit des Zuschlagskriteriums Beispielspeiseplan vergaberechtswidrig. Im Übrigen seien die Vorgaben an die Beispielspeisepläne insbesondere zur Zahl der aufzunehmenden (unterschiedlichen) warmen Gerichte und zur Frage, ob das Frühstück aufgenommen werden sollte, unklar gewesen.
II.
23
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere nach § 172 Abs. 1, 2 GWB form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
24
Das Vergabeverfahren ist bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut durchzuführen.
25
1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.
26
a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB. Die Antragstellerin hat ein Angebot abgegeben, das nach der Wertung unter Berücksichtigung des Kriteriums Beispielspeisepläne auf Rang zwei liegt. Die Antragstellerin trägt auch eine mögliche Verletzung ihrer Rechte nach § 97 Abs. 6 GWB vor. Das Zuschlagskriterium Beispielspeiseplan verstoße gegen § 127 Abs. 3 GWB. Daher sei auch der nachträgliche, auf die Einreichung unvollständiger Beispielspeisepläne gestützte Ausschluss ihres Angebots vergaberechtswidrig. Nicht relevant ist im Rahmen der Antragsbefugnis, ob der Ausschluss des Angebots tatsächlich rechtswidrig war; insoweit handelt es sich um eine Frage der Begründetheit (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20. Januar 2023, Verg 14/22, juris Rn. 88 m. w. N.).
27
b) Die Antragstellerin ist mit der Rüge, das qualitative Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne verstoße mangels Auftragsbezugs gegen § 127 Abs. 3 GWB, nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Die Rüge vom 23. Mai 2024 erfolgte rechtzeitig.
28
aa) Ein aufgrund der Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen erkennbarer Verstoß im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB liegt nicht vor.
29
(1) Die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen eine Vergabevorschrift setzt einerseits die Erkennbarkeit der maßgeblichen Tatsachen, andererseits die Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes voraus. Dabei muss der Verstoß so deutlich zutage treten, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss; übersteigerte tatsächliche oder rechtliche Anforderungen dürfen diesbezüglich an den Bieter nicht gestellt werden (BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023, Verg 5/22, juris Rn. 28 m. w. N.). Maßstab ist dabei ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet. Dabei gilt ein objektiver, auf den durchschnittlichen verständigen Bieter abstellender und nicht ein subjektiver, die individuellen Verhältnisse des Bieters berücksichtigender Maßstab (inzwischen ganz h. M., ausführlich BayObLG Beschluss vom 6. September 2023, Verg 5/22, juris Rn. 29 m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Dezember 2023, 11 Verg 5/23, juris Rn. 90; zweifelnd KG, Beschluss vom 1. März 2024, Verg 11/22, juris Rn. 57, wobei es letztlich auf die Frage nicht ankam). Für die Anwendung des objektiven Maßstabs spricht einerseits die Übereinstimmung mit den Grundsätzen zur Auslegung der Vergabeunterlagen, andererseits der Wortlaut des § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB. Während der Rügetatbestand in Nummer 1 explizit auf den Erkenntnisstand des konkreten Bieters abstellt, wird die individuelle Ausprägung in den Nummern 2 und 3 nicht wiederholt, also keine Erkennbarkeit „für den Antragsteller“, sondern nur die (generelle) Erkennbarkeit anhand der Bekanntmachung beziehungsweise der Vergabeunterlagen gefordert (ausführlich BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023, Verg 5/22, juris Rn. 29). Allerdings wird bisweilen in der Rechtsprechung auch bei grundsätzlicher Heranziehung eines objektiven Maßstabs betont, dass Umstände, die außerhalb der Vergabeunterlagen liegen, etwa zur Vergabeverfahrensauswahl oder zum Umfang der Beschaffung, eine Erkennbarkeit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB dann begründen könnten, wenn sie dem jeweiligen Bieter positiv bekannt seien (so OLG Schleswig, Beschluss vom 22. Januar 2019, 54 Verg 3/18, juris Rn. 74; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018, Verg 24/18, juris Rn. 40; ebenso Wiesein Röwekamp / Kus / Portz / Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 160 Rn. 137; ausdrücklich ablehnend Jaeger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB Rn. 83; ablehnend wohl auch Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 160 GWB Rn. 50).
30
(2) Ausgehend hiervon fehlt es vorliegend an der Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes allein anhand der Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen. Aus dem Dokument Wertungskriterien in den Vergabeunterlagen war zwar für jeden Bieter problemlos erkennbar, dass mit den Angeboten Beispielspeisepläne für zwei Wochen einzureichen waren, diese mit Punkten bewertet werden und die Ergebnisse zu 50% in die Gesamtwertung der Angebote einfließen sollten. Für die Bieter war darüber hinaus offensichtlich, dass im Vertragsvollzug jede Woche vorab Speisepläne eingereicht werden und die Mahlzeiten abwechslungsreich sein sollten (Leistungsbeschreibung I Ziffer 3 sowie Unterlage Wertungskriterien). Allerdings konnte allein anhand dessen ein durchschnittlich fachkundiger Bieter auch bei Anwendung der üblichen Sorgfalt noch nicht erkennen, dass das Zuschlagskriterium Beispielspeiseplan in der konkreten Ausgestaltung vergaberechtswidrig war. Es erscheint bereits fraglich, ob bei einem durchschnittlich fachkundigen Bieter vorausgesetzt werden kann, dass ihm die Notwendigkeit des Auftragsbezugs von Zuschlagskriterien, wie in § 127 Abs. 3 GWB vorausgesetzt, wenigstens in laienhafter Wertung bekannt ist. Jedenfalls aber kann nicht angenommen werden, dass ein durchschnittlich fachkundiger Bieter den Schluss zu ziehen vermag, die Anforderung von Beispielspeiseplänen sei damit nicht vereinbar. Dies liegt aus Sicht eines juristischen Laien nicht ohne Weiteres auf der Hand. Vielmehr bedarf es hierzu einer genauen rechtlichen Bewertung unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall (siehe dazu auch noch unten 2] a]). Gefestigte und allgemein bekannte Rechtsprechung oder Literatur zu diesem Problem findet sich nicht. Zudem wird die Vorgabe, mit dem Angebot für einen Catering-Auftrag auch Musterspeisepläne einzureichen, offensichtlich häufiger von unterschiedlichsten öffentlichen Auftraggebern verwendet, wie sich aus dem Nachprüfungsverfahren Az. 3194.Z3-3_01-24-11 der Vergabekammer Südbayern, dem von der Beigeladenen vorgelegten Presseartikel zur Ausschreibung von Verpflegung für Schulen in Berlin sowie aus dem von der Antragsgegnerin als Anlage eingereichten „Wegweiser“ für die Vergabe von Verpflegungsleistungen des Kompetenzzentrums für Ernährung ergibt. Dies legt aus Sicht eines durchschnittlich fachkundigen Bieters eher die Schlussfolgerung nahe, dass die Anforderung von Beispielspeiseplänen gängige, rechtlich unbedenkliche Praxis sei.
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(3) Der von der Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren Az. 3194. Z3-3_01-24-11 noch vor Ablauf der hiesigen Angebotsfrist erteilte Hinweis vom 16. April 2024 kann im Rahmen des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 GWB keine Berücksichtigung finden. Fraglich erscheint bereits, ob es sich bei dem rechtlichen Hinweis überhaupt um Umstände handelt, die im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 GWB „aufgrund“ der Bekanntmachung oder „in“ den Vergabeunterlagen erkennbar sind. Vor allem aber vermittelte der Hinweis ein rechtliches Spezialwissen, das bei einem durchschnittlich fachkundigen Bieter gerade nicht vorausgesetzt werden kann (siehe oben [2]). Würde dieses Spezialwissen der Antragstellerin berücksichtigt, fände letztlich ein subjektiver Maßstab Anwendung, da auf das durch den Hinweis vermittelte überdurchschnittliche Fachwissen gerade der Antragstellerin abgestellt würde. Ein subjektiver Maßstab ist aber aus den oben (1) dargestellten Erwägungen im Rahmen des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 GWB abzulehnen. Ob der oben angeführten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Schleswig (Beschluss vom 22. Januar 2019, 54 Verg 3/18, juris Rn. 74) und des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 11. Juli 2018, Verg 24/18, juris Rn. 40) zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Die angeführten Beschlüsse beziehen sich ausschließlich auf tatsächliche, das konkrete Vergabeverfahren betreffende Umstände (etwa zum Umfang des Beschaffungsbedarfs), die zusammen mit den Vergabeunterlagen erst die Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes ermöglichen. Darum geht es vorliegend aber nicht. Der Hinweis der Vergabekammer vom 16. April 2024 bezieht sich nicht auf Tatsachen im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren, sondern betrifft die rechtliche Bewertung eines Vergabeverstoßes in einem anderen Nachprüfungsverfahren. Der Hinweis vermittelt nur ein rechtliches Spezialwissen aufgrund der Beteiligung der Antragstellerin an einer anderen Ausschreibung. Dies ist mit der Kenntnis tatsächlicher Umstände gerade in Bezug auf das konkrete Vergabeverfahren nicht vergleichbar.
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bb) Eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB liegt ebenfalls nicht vor.
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(1) Eine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB besteht nur, wenn der Antragsteller eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergabeverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat. Zudem müssen das vertretungsberechtigte Organ oder sein Wissens- oder rechtsgeschäftlicher Vertreter aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen haben. Bloße Vermutungen oder ein Verdacht lösen hingegen keine Rügeobliegenheit aus. Gleiches gilt für grobfahrlässige Unkenntnis. Der Kenntnis ist es nur gleichzustellen, wenn ein Antragsteller in tatsächlicher oder rechtlicher Unkenntnis in einer Weise verharrt, die mit Blick auf das Erkennen eines möglichen Vergabeverstoßes als mutwilliges „Sich-der-Erkenntnis-Verschließen“ zu bewerten ist. An eine solche Annahme sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, BGHZ 169, 131 [juris Rn. 35]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Januar 2022, Verg 23/21, juris Rn. 38; Beschluss vom 19. Mai 2021, Verg 13/21, juris Rn. 49).
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(2) Nach diesen Grundsätzen bestand vorliegend eine Rügeobliegenheit der Antragstellerin jedenfalls nicht vor der Beauftragung ihrer Rechtsanwälte am 13. Mai 2024. Damit erfolgte die Rüge am 23. Mai 2024 noch innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
35
(a) Zwar kannte die Antragstellerin bereits ab dem 16. April 2024 den Hinweis der Vergabekammer Südbayern aus dem Nachprüfungsverfahren Az.
36
3194. Z3-3_01-24-11. Diesem Hinweis konnte die Antragstellerin entnehmen, dass das Zuschlagskriterium eines Musterspeiseplans, wie es in der dortigen Ausschreibung vorgesehen war, mangels Auftragsbezugs mit § 127 Abs. 3 GWB nicht in Einklang stand und daher vergaberechtswidrig war. Damit hatte die Antragstellerin bei laienhafter, vernünftiger Bewertung Kenntnis des Vergabeverstoßes in dem dortigen Vergabeverfahren. Auch wenn es sich nur um einen Hinweis handelte, wird klar und unmissverständlich die Rechtsauffassung der Vergabekammer Südbayern dargelegt. Jedenfalls der Satz „Aus diesem Grund ist vorliegend der gem. § 127 Abs. 3 GWB nötige Auftragsbezug des Kriteriums Muster-Speiseplan zu verneinen“ lässt keine Zweifel, dass es sich nicht nur um eine vorläufige oder ungewisse rechtliche Einschätzung der Vergabekammer handelt. Im Übrigen konnte die Antragstellerin dem Einstellungsbeschluss der Vergabekammer vom 7. Mai 2024 entnehmen, dass diese von ihrer rechtlichen Einschätzung nicht abgewichen war („nach den im rechtlichen Hinweis vom 16.04.2024 gegebenen Gründen in der Hauptsache voraussichtlich unterlegen wäre“). Die Ausführungen im Hinweis der Vergabekammer, weshalb der Auftragsbezug fehle, sind zudem für einen Bieter wie die Antragstellerin ohne Weiteres nachvollziehbar. Dass die Antragstellerin diese nicht verstanden hätte, behauptet sie im Übrigen selbst nicht. Die Antragstellerin kannte ferner die dem Nachprüfungsverfahren Az. 3194.Z3-3_01-24-11 zugrunde liegenden Vergabeunterlagen, da sie selbst ein Angebot abgegeben hatte. Ferner waren der Antragstellerin die Vergabeunterlagen der hier streitgegenständlichen Ausschreibung jedenfalls bei Einreichung ihres Angebots am 21. April 2024 bekannt.
37
Indessen erforderte die Kenntnis eines Vergabeverstoßes im hiesigen Verfahren zusätzlich die Prüfung und Bewertung, ob sich die jeweiligen Vergabeunterlagen in den rechtlich entscheidenden Details deckten. Insoweit können auch kleine Unterschiede zu rechtlich anderen Ergebnissen führen. Diese Prüfung konnte vorliegend von einem juristischen Laien nur schwer vorgenommen werden. Dass die Antragstellerin dazu in der Lage gewesen wäre und eine entsprechende Gewissheit erlangt hätte, hat sie bestritten und ist auch weder offensichtlich noch nachweisbar. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Vergabeunterlagen verschiedene Einrichtungen betrafen und vor allem von unterschiedlichen öffentlichen Auftraggebern erstellt wurden. Dass die Auftraggeber dennoch identische, wortgleiche Vergabeunterlagen verwendet hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. So betont die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren selbst, in den von ihr entworfenen Ausschreibungsunterlagen würden die Beispielspeisepläne aufgrund der Regelung in Ziffer 11 der Leistungsbeschreibung Vertragsbestandteil, anders als in der Ausschreibung, die dem Hinweis der Vergabekammer zugrunde gelegen habe. Die Beurteilung, wie diese Regelung zu verstehen ist und ob sie die vergaberechtliche Bewertung entscheidend zu ändern vermag, erfordert juristisches Spezialwissen, das bei der Antragstellerin und ihren Organen nach deren Vortrag nicht vorhanden war und auch nicht einfach unterstellt werden kann. Im Übrigen zeigen auch die ebenfalls von der Antragsgegnerin zitierten Ausführungen im „Wegweiser“ für die Vergabe von Verpflegungsleistungen des Kompetenzzentrums für Ernährung, wie sehr es für die Beurteilung der Vergaberechtswidrigkeit der Anforderung von Beispielspeiseplänen als Zuschlagskriterium auf die konkreten Einzelheiten der Vergabeunterlagen ankommt. Soweit der Musterspeiseplan (nur) gefordert wird als Nachweis einer verständlichen Darstellung der Menülinien und Speisekomponenten und in Bezug auf die äußere Gestaltung für die Vertragsdurchführung verbindlich sein soll (siehe „Wegweiser“ Seite 24), begegnet dies keinen vergaberechtlichen Bedenken. Hingegen ändert sich die rechtliche Bewertung, wenn der Musterspeiseplan auch herangezogen werden soll für ein Zuschlagskriterium des Abwechslungsreichtums der Speisen (siehe „Wegweiser“ Seite 25, der unzutreffend auch dies für zulässig hält, dazu ausführlich unten 2] a] dd]). Mithin können vermeintlich kleine Abweichungen in den Vergabeunterlagen eine völlig andere rechtliche Bewertung bedingen. Die rechtlich relevanten Unterschiede zu erkennen, erfordert ein gewisses Maß an vergaberechtlichem Spezialwissen.
38
Somit hatte die Antragstellerin mit der Kenntnis des Hinweises vom 16. April 2024 und des Einstellungsbeschlusses vom 7. Mai 2024 zwar möglicherweise einen Verdacht, dass auch die streitgegenständliche Anforderung vergaberechtswidrig war. Eine positive Kenntnis des Vergabeverstoßes lässt sich aber weder daraus ableiten noch sonst nachweisen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass erst nach (Abschluss) der Prüfung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 16. Mai 2024 die Kenntnis des Vergabeverstoßes vorlag. Ausgehend hiervon erfolgte die Rüge vom 23. Mai 2024 innerhalb der Frist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 GWB.
39
Auch aus dem Vortrag der Antragstellerin im hiesigen Nachprüfungsverfahren lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine frühere Kenntnis der Antragstellerin schließen. Sie hat im Schriftsatz vom 4. Juni 2024 (Seite 5) ausgeführt, sie habe „eine wenn auch geringe Chance“ gesehen, „dass die Antragsgegnerin die (potenziell) vergaberechtswidrigen Zuschlagskriterien nicht anwenden würde“. Sie sei davon ausgegangen, „dass die Nichtanwendung dann auch den potenziellen vergaberechtlichen Verstoß heilen könnte“. Nach diesem Vortrag hatte die Antragstellerin offensichtlich schon vor der Beauftragung ihrer Anwälte mit der Prüfung der Zuschlagskriterien den Verdacht, dass die Anforderung eines Beispielspeiseplans auch im vorliegenden Fall vergaberechtlich bedenklich sein könnte. Der bloße Verdacht eines Vergabeverstoßes löst aber, wie ausgeführt, noch keine Rügeobliegenheit aus, ebenso wenig wie eine grob fahrlässige Unkenntnis. Zudem hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 31. Juli 2024 (Seite 3) ausgeführt, der Gedanke sei ihr erst im Zusammenhang mit der Beauftragung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zur Prüfung der Vergaberechtswidrigkeit gekommen. Ausgehend davon lässt sich eine positive Kenntnis vor der Beauftragung der Rechtsanwälte am 13. Mai 2024 und dem Abschluss von deren Prüfung am 16. Mai 2024 erst recht nicht ableiten.
40
Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 4. Juni 2024 (Seite 4) ausgeführt hat, eine Rüge sei ihr vor gesicherter Erkenntnis durch die Rechtsberater und während der laufenden Auftragsauswertung nicht zumutbar gewesen, ändert dies ebenfalls nichts. Zwar kommt es im Rahmen des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht auf die Zumutbarkeit einer Rüge an, sondern nur auf die Kenntnis vom Verstoß gegen Vergabevorschriften. Dem Vortrag lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Antragstellerin selbst schon vor der Beauftragung ihrer Rechtsanwälte positive Kenntnis der Vergaberechtswidrigkeit des Zuschlagskriteriums gerade in der vorliegenden Ausschreibung hatte.
41
(b) Nichts anderes folgt daraus, dass das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 23. Mai 2024 von ihr selbst verfasst wurde. Dies schließt keineswegs aus, dass der Rüge eine rechtliche Beratung durch die Verfahrensbevollmächtigten vorausgegangen war und die Antragstellerin erst infolge dieser Beratung positive Kenntnis des Vergabeverstoßes erlangt hatte. Auch aus der Tatsache, dass das Schreiben sich sehr eng am Wortlaut des Hinweises der Vergabekammer vom 16. April 2024 orientiert, lässt sich keine Kenntnis der Antragstellerin schon im April 2024 ableiten. Kernpunkt war, wie ausgeführt, die Frage, ob die rechtliche Einschätzung im Hinweis auf die streitgegenständlichen Vergabeunterlagen übertragen werden konnte. Hierüber wurde die Antragstellerin nach ihrem Vortrag erst von ihren Anwälten am 16. Mai 2024 unterrichtet. Dass die Antragstellerin in Kenntnis der Übertragbarkeit des Hinweises selbst eine Rüge verfasste und dabei die, wie sie nun wusste, auch vorliegend passenden Ausführungen der Vergabekammer übernahm, erscheint ohne Weiteres nachvollziehbar.
42
(c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin liegt in dem Verhalten der Antragstellerin im April und Anfang Mai 2024 auch kein mutwilliges „Sich-der-Erkenntnis-Verschließen“. Zwar kannte die Antragstellerin den rechtlichen Hinweis sowie die jeweiligen Vergabeunterlagen. Es erscheint daher nicht fernliegend, dass die Antragstellerin schon im April 2024 einen gewissen Verdacht hatte, dass auch vorliegend ein Vergabeverstoß vorliegen könnte. Dies genügt jedoch nicht, ein mutwilliges „Sich-der-Erkenntnis-Verschließen“ anzunehmen. Da es zur Feststellung des Verstoßes noch einer genauen rechtlichen Prüfung der Unterlagen bedurfte, war die Vergaberechtswidrigkeit keineswegs so offenkundig oder auf der Hand liegend, dass sie sich der Antragstellerin aufdrängen musste. Im Übrigen führt die Vermutung oder ein gewisser Verdacht eines Vergabeverstoßes auch im Rahmen des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht dazu, dass der Bieter nunmehr gehalten wäre, einen Rechtsanwalt mit der Nachforschung oder rechtlichen Prüfung, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt, zu beauftragen (BayObLG, Beschluss vom 22. Januar 2002, Verg 18/01, NZBau 2002, 397 [juris Rn. 28]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2015, Verg 31/14, juris Rn. 18; Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 160 GWB Rn. 44 6. Spiegelstrich; Jaeger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 160 GWB Rn. 56). Die Annahme einer derartigen Pflicht würde das Risiko fehlerhafter Vergabeunterlagen letztlich in sehr weitem Umfang vom Auftraggeber zu den Bietern verschieben. Selbst im Rahmen des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB wird keine Obliegenheit des Bieters angenommen, einen Rechtsanwalt mit der Überprüfung der Vergabeunterlagen zu beauftragen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Mai 2019, Verg 61/18, NZBau 2019, 742 Rn. 25; Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 160 GWB Rn. 49; Jaeger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 160 GWB Rn. 82). Maßgeblich ist vielmehr, ob es einem durchschnittlich fachkundigen Bieter möglich gewesen wäre, den Vergabeverstoß ohne Einholung besonderen Rechtsrats durch eigenständige Prüfung zu erkennen (Gabriel/Mertens in BeckOK Vergaberecht, 33. Ed. 1. November 2023, § 160 GWB Rn. 160; Horn/Hofmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar Bd. 1, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB Rn. 50). Noch weniger kann die fehlende Beauftragung eines Rechtsanwalts bei einem bloßen Verdacht eines Vergabeverstoßes ohne Weiteres dazu führen, das dem Bieter ein mutwilliges „Sich-der-Erkenntnis-Verschließen“ vorgeworfen und eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB angenommen wird.
43
(d) Schließlich fehlt es auch am Nachweis einer positiven Kenntnis des Vergabeverstoßes durch die Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin vor dem 16. Mai 2024. Zwar wäre eine positive Kenntnis der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin dieser im Rahmen des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB zuzurechnen (Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 160 Rn. 42; Horn/Hofmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, § 160 GWB Rn. 46). Indessen ist eine derartige positive Kenntnis vor dem 16. Mai 2024 weder nachweisbar noch offenkundig. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin waren zwar auch im Nachprüfungsverfahren Az. 3194.Z3-3_01-24-11 der Vergabekammer Südbayern von der Antragstellerin bevollmächtigt, kannten daher die dortigen Vergabeunterlagen sowie den Hinweis der Vergabekammer vom 16. April 2024 und den Einstellungsbeschluss vom 7. Mai 2024. Jedoch haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin schriftsätzlich und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2024 vorgetragen, dass sie bezüglich der streitgegenständlichen Ausschreibung vor dem 13. Mai 2024 nur sehr punktuell beauftragt gewesen seien. Ihnen habe nur eine Prüfung im Zusammenhang mit der Frage einer möglichen Eignungsleihe der Antragstellerin oblegen. Dementsprechend hätten sie die hiesigen Vergabeunterlagen nur in beschränktem Umfang im Hinblick auf die insoweit maßgeblichen Aspekte überprüft. Erst nach der telefonischen Beauftragung am 13. Mai 2024 hätten sie die gesamten Vergabeunterlagen in den Blick genommen und auf die vergaberechtliche Zulässigkeit der Zuschlagskriterien überprüft. Diese Prüfung sei am 16. Mai 2024 abgeschlossen gewesen. Dieser Vortrag lässt sich jedenfalls nicht mit der nötigen Sicherheit widerlegen. Dass die Antragstellerin ihren Verfahrensbevollmächtigten für das streitgegenständliche Verfahren zunächst nur ein begrenztes Mandat erteilt hat, diese sich daher für die rechtliche Überprüfung auf einen Teil der Vergabeunterlagen beschränkt und die Zuschlagskriterien nicht in den Blick genommen haben, erscheint jedenfalls nachvollziehbar. Damit lässt sich aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Parallelität der Vergabeunterlagen in den rechtlich entscheidenden Details und damit die Übertragbarkeit des Hinweises der Vergabekammer auf das streitgegenständliche Verfahren bereits vor dem 13. Mai 2024 erkannt hätten. Dass sie die Übertragbarkeit bei einer über das Mandat hinausgehenden Prüfung der Zuschlagskriterien hätten erkennen können, genügt für eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht.
44
c) Die Rüge der Antragstellerin, der Ausschluss ihres Angebots sei unzulässig, unterliegt keiner Präklusion. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin erst mit Schreiben vom 28. Juni 2024, also während des laufenden Nachprüfungsverfahrens, ausgeschlossen. Insoweit konnte die Antragstellerin die Unzulässigkeit des Ausschlusses mit Schriftsatz vom 8. Juli 2024 im laufenden Nachprüfungsverfahren noch geltend machen.
45
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Das Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne verstößt gegen § 127 Abs. 3 GWB. Die Antragstellerin ist auch in eigenen Rechten verletzt.
46
a) Das Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne weist vorliegend nicht den nach § 127 Abs. 3 GWB zwingend erforderlichen Auftragsbezug aus.
47
Zuschlagskriterien stehen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung im Sinne des § 127 Abs. 3 GWB, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferleistungen oder Dienstleistungen beziehen (OLG München, Beschluss vom 24. März 2021, Verg 12/20, juris Rn. 96). Bei der Bewertung von geforderten Konzepten für die Auftragsausführung oder von Planungen dürfen nicht lediglich die „Fähigkeiten“ der Bieter bewertet werden. Daher fehlt der nötige Auftragsbezug, wenn von den Bietern verlangt wird, mit ihrem Angebot abstrakte Übungsaufgaben („Hausaufgaben“) zu lösen, die dann bewertet werden (Optiz in BeckOK Vergaberecht, § 127 GWB Rn. 98). Daher fehlte der nötige Auftragsbezug auch in einem Fall, in dem im Rahmen der Angebotsabgabe für einen „Warenkorb“ Preise und Konditionen aufzulisten waren, diese aber für die beabsichtigte Zusammenarbeit unverbindlich blieben und nicht einmal in einem groben Rahmen garantiert werden konnten (OLG München, a. a. O., Rn. 104). Mit der Abfrage eines solchen „Warenkorbs“ sollte letztlich der Bewerber herausgefiltert werden, der am besten geeignet erschien, in Zukunft für den Auftraggeber günstige Konditionen auszuhandeln. Eine derartige Anforderung ist als ein Eignungs- und nicht als ein Zuschlagskriterium anzusehen und am ehesten mit einer (Selbst-)Referenz zu vergleichen. Die notwendige Verbindung mit dem Auftragsgegenstand fehlt aber, wenn bei der Zuschlagserteilung Kriterien herangezogen werden, die ausschließlich die in § 122 Abs. 1 und 2 GWB genannten Aspekte der Eignung betreffen, ohne dass ihnen eine Bedeutung für die Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags zukommt (OLG München, a. a. O., Rn. 108 ff.).
48
Ausgehend hiervon weist das in den Vergabeunterlagen aufgestellte qualitative Zuschlagskriterium der Beispielspeisepläne nicht den nach § 127 Abs. 3 GWB nötigen Auftragsbezug auf.
49
aa) Nach den Vergabeunterlagen sind dem Angebot Beispielspeisepläne für zwei Wochen beizufügen, die die Vorgaben der Leistungsbeschreibung einzuhalten haben. Im Rahmen der Auftragsdurchführung müssen dann aber Speisepläne jeweils wöchentlich im Voraus erstellt und vorab eingereicht werden. Dabei soll die Kost abwechslungsreich sein. Dass im Rahmen der Auftragsdurchführung nur die mit dem Angebot eingereichten Beispielspeisepläne umgesetzt werden sollen, lässt sich den Vergabeunterlagen nicht entnehmen und ist ersichtlich nicht gewollt. Insbesondere wäre das Angebot desselben Essens im Zwei-Wochen-Rhythmus mit der Forderung nach einer abwechslungsreichen Kost nicht vereinbar. Im Übrigen behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht, dass sie dies gewollt hätte. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin lässt sich den Vergabeunterlagen auch nicht entnehmen, dass die Beispielspeisepläne jedenfalls für die ersten zwei Wochen der Auftragsdurchführung umzusetzen wären. Eine ausdrückliche Regelung hierzu enthalten die Vergabeunterlagen nicht. Zudem findet sich auch für die ersten beiden Wochen keine Ausnahme von der Pflicht, jeweils wöchentlich im Voraus Speisepläne zu erstellen und diese vorab einzureichen. Daher ist es nach Zuschlagserteilung für die Durchführung des Auftrags ohne rechtliche Relevanz, welche Speisen in welcher Zusammensetzung und mit welchem Anteil an regionalen und Bioprodukten der jeweilige Bieter in seine Beispielspeisepläne aufgenommen hat. Die bewerteten Beispielspeisepläne sind für die konkrete Vertragsdurchführung ohne Bedeutung.
50
Es ist an keiner Stelle der Vergabeunterlagen vorgesehen, dass bestimmte Bestandteile der Beispielspeisepläne eine verbindliche (Mindest-)Vorgabe oder Messlatte für die bei Auftragsdurchführung verwendeten Speisepläne werden sollen. Damit bleiben die Beispielspeisepläne letztlich nur eine Art „Übungsaufgabe“ oder „Selbstreferenz“. Diese gibt zwar Aufschluss über die Leistungsfähigkeit des Bieters und dessen theoretische Fähigkeit, die Vorgaben der Leistungsbeschreibung zu erfüllen, beeinflusst aber die konkret zu erbringende Leistung nicht. Im Ergebnis betrifft die Anforderung von Beispielspeiseplänen daher nur die Eignung und stellt gerade kein zulässiges (qualitatives) Wertungs- und Zuschlagskriterium dar.
51
bb) Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus den einzureichenden Beispielspeiseplänen ein Grobkonzept, Muster oder Quoten ableiten ließen, die sodann einen verbindlichen Rahmen für die Leistungserbringung während der Vertragsdurchführung bildeten.
52
Derartiges ist weder ausdrücklich in den Vergabeunterlagen vorgesehen noch lässt sich dies aus der Leistungsbeschreibung oder dem Dokument „Wertungskriterien“ ableiten. Konkret bezeichnet sind lediglich einige Mindestvoraussetzungen (bei Fisch/Fleisch mindestens 40% „bio-regional“), die aber ohnehin unabhängig von den Beispielspeiseplänen einzuhalten sind.
53
Auch bezogen auf die angeführten Unterkriterien der Bewertung ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht ersichtlich, welche konkreten Vorgaben für die Auftragsdurchführung aus den Beispielspeiseplänen abgeleitet werden könnten.
54
Bezüglich des Gesamtanteils an Bioprodukten oder regionalen Erzeugnissen ist schon nicht ersichtlich, dass konkrete, für den Vertragsvollzug verbindliche Quoten in Bezug auf sämtliche Speisekomponenten, also auch Beilagen wie Gemüse, Salat, Obst etc. von der Antragsgegnerin überhaupt aus den Beispielspeiseplänen errechnet würden. Zudem müsste für eine derartige Quote auch auf das Frühstück abgestellt werden (Anteil der Bioprodukte und regionalen Erzeugnisse bei Brot, Obst etc.), während die Antragsgegnerin im Gegenteil meint, das Frühstück sei mangels Aussagekraft nicht in die Beispielspeisepläne aufzunehmen. Völlig unklar bleibt ferner, welche Anforderungen an die „Regionalität“ eines Produkts gestellt werden. Nur bei präzisen Vorgaben dazu ließe sich aber überhaupt eine aus den Beispielspeiseplänen ersichtliche, für den Vertragsvollzug möglicherweise verbindliche Quote an Bioprodukten und regionalen Erzeugnissen ableiten.
55
Jeder Quantifizierung entzieht sich das Unterkriterium „möglichst hohe Abwechslung der Speisen“. Wie der Abwechslungsreichtum in den Beispielspeiseplänen so gemessen werden könnte, dass sich daraus eine Mindestvorgabe auch für die Speisepläne bei Auftragsdurchführung ableiten ließe, erschließt sich nicht und wird auch von der Antragsgegnerin nicht erläutert. Dasselbe gilt für die geforderte Berücksichtigung der kulturellen und religiösen
56
Besonderheiten. Auch insoweit bleibt völlig unklar, wie diese anhand der Beispielspeisepläne so quantifiziert werden könnte, dass sich daraus ein Muster oder Rahmen für die bei Vertragsdurchführung einzureichenden Speisepläne ergeben könnte.
57
Damit ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gerade nicht erkennbar, dass sich aus den Beispielspeiseplänen einklagbare Anforderungen für die Auftragsdurchführung ableiten ließen. Eine Klage der Auftraggeberin im Rahmen des Vertragsvollzugs, die Auftragnehmerin zur Leistung anhand von Speiseplänen „wie die Beispielspeisepläne oder gleichwertig“ zu verurteilen, wäre mangels konkreter, aus den Beispielspeiseplänen ableitbarer Vorgaben viel zu unbestimmt und daher unzulässig, weil nicht vollstreckbar. Somit bleibt auch der Verweis auf Ziffer 11 der Leistungsbeschreibung, wonach das Angebot des Auftragnehmers Vertragsbestandteil werde, in Bezug auf die Beispielspeisepläne unbehelflich.
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cc) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Anforderung von Beispielspeiseplänen auch nicht mit einer Bemusterung oder Produktpräsentation vergleichbar. In derartigen Fällen wird ein Muster des konkret zu liefernden Produkts präsentiert. Vertragsgegenstand wird im Folgenden ein Produkt, das dem Muster entspricht. Im Unterschied dazu sollen die Beispielspeisepläne gerade nicht so wie entworfen während der gesamten Auftragsdurchführung eingesetzt werden. Welchen Inhalt die jede Woche im Voraus neu einzureichenden Speisepläne haben müssen, ergibt sich nicht aus den Beispielspeiseplänen.
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Unbehelflich ist ferner der Verweis der Antragsgegnerin auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 16. Oktober 2019, Verg 13/19, NZBau 2020, 670 [juris Rn. 81]) zur Zulässigkeit einer wertenden Teststellung. Im zugrunde liegenden Sachverhalt war ein Qualitätstest (nach Ansicht des Oberlandesgerichts zulässigerweise) Bestandteil der Wertungsentscheidung. Dabei sollte zwar „nicht das angebotene Produkt in seiner vertraglich geschuldeten Form einer Überprüfung unterzogen werden“. Allerdings sollte „der Qualitätstest zeigen“, „welches Entwicklungsstadium die vom Bieter letztverbindlich angebotene Leistung bereits erreicht“ hatte und „ob der gewählte Ansatz erwarten lässt, dass die vertraglichen Anforderungen bis zum Vertragsbeginn erfüllt werden“. Auch in diesem Fall wurde nicht ein Produkt bewertet, das nur ein unverbindliches Beispiel für die später zu liefernde Leistung darstellte. Vielmehr wurde eine Vorstufe des konkret zu liefernden, aber noch in der Entwicklung befindlichen Produkts getestet und bewertet. Mit dem vorliegenden Fall ist dies nicht vergleichbar. Auch aus der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 31. Januar 2014, 15 Verg 10/13, juris) ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon, dass es dort nach Ansicht des Oberlandesgerichts nur um eine verifizierende Teststellung ging (a. a. O., Rn. 81), wurde auch in diesem Fall nicht irgendein Beispielprodukt getestet, sondern das von den Bietern angebotene, auch wenn dieses im weiteren Verlauf des Verhandlungsverfahrens noch weiter zu konkretisieren war (a. a. O., Rn. 2).
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dd) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ergibt sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 18. Oktober 2001 (C-19/00, NZBau 2001, 693 [juris Rn. 37 f.]) ebenfalls nichts anderes. Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein Zuschlagskriterium unzulässig ist, das einem öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe des Auftrags an einen Bieter eine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräume. Wenn sich das Zuschlagskriterium aber auf eine Angabe beziehe, die genau erst zu einem Zeitpunkt nach der Vergabe eines Auftrags bekannt sein werde, räume dies dem öffentlichen Auftraggeber per se noch keine derartige uneingeschränkte Freiheit ein. In dem zugrundeliegenden Fall wurde für die Zuschlagserteilung letztlich auf die im Rahmen der Auftragsdurchführung zu erwartenden, wahrscheinlich niedrigsten Kosten für den Auftraggeber abgestellt (a. a. O., Rn. 27). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Es geht nicht darum, dass der genaue Inhalt der künftigen Speisepläne im Verhältnis zu den bewerteten Beispielspeiseplänen noch nicht genau bekannt und daher eine Prognose nötig wäre, ob sich wahrscheinlich die künftigen Speisepläne mit den Beispielspeiseplänen decken. Gerade umgekehrt steht bereits fest, dass sich die späteren Speisepläne im Hinblick auf die geforderte abwechslungsreiche Kost von den Beispielspeiseplänen deutlich unterscheiden können und müssen.
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Auch aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2018, Verg 23/18 (juris Rn. 64 ff.) lässt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nichts ableiten. Anders als im dortigen Fall geht es vorliegend nicht darum, ob nicht überprüfbare Angaben des Bieters zu den einzelnen qualitativen Zuschlagskriterien zur Grundlage der Vergabeentscheidung gemacht werden sollen. Vielmehr ist vorliegend bereits klar, dass der Bieter nach Zuschlagserteilung die bewerteten Beispielspeisepläne gerade nicht über die ganze Laufzeit identisch verwenden soll und dass sich aus den Beispielspeiseplänen auch keinerlei klare Rahmen oder Vorgaben ableiten lassen, an denen sich die späteren Speisepläne zu orientieren hätten (siehe schon oben bb]). Letztlich ist vorliegend nicht die Überprüfbarkeit der Angaben des Bieters das Problem, sondern die fehlende Relevanz des qualitativen Zuschlagskriteriums Beispielspeisepläne für die spätere Vertragserfüllung.
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ee) Nicht maßgeblich sind die Ausführungen in dem von der Antragsgegnerin vorgelegten „Wegweiser“ für die Vergabe von Verpflegungsleistungen des Kompetenzzentrums für Ernährung. Der Senat entscheidet über die Rechtmäßigkeit von Vergabebedingungen insbesondere anhand europarechtlicher Vorgaben, der §§ 97 ff. GWB und der Vergabeverordnung unter Berücksichtigung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Auf Rechtsansichten des Kompetenzzentrums für Ernährung kommt es nicht an. Im Übrigen betreffen jedenfalls die Ausführungen im „Wegweiser“ auf Seite 24 nur die Einreichung eines Musterspeiseplans für das Unterkriterium „verständliche Darstellung der Menülinien“. Der Musterspeiseplan müsse „ein Muster für die vom Bieter im Auftragsfalle verwendeten Speisepläne“ sein. Da es insoweit nur um die äußere, verständliche Gestaltung der Speisepläne geht, erscheint dies unproblematisch. Bei einer derartigen Vorgabe könnte der öffentliche Auftraggeber ohne Weiteres fordern, dass der erfolgreiche Bieter seine Speisepläne auch künftig äußerlich in gleicher Weise gestaltet wie im Musterspeiseplan. Soweit der „Wegweiser“ auf Seite 25 ein Zuschlagskriterium „Abwechslungsreichtum in der Menügestaltung“ anhand zweier Musterspeisepläne für vier Wochen bewerten möchte, gelten hingegen die oben unter aa) und bb) bereits dargestellten Bedenken. Auf welche Weise der aus den Musterspeiseplänen ersichtliche Abwechslungsreichtum der Speisen quantifiziert werden und als Muster oder Vorgabe für die künftigen Speisepläne dienen könnte, erschließt sich nicht und wird auch in dem Wegweiser nicht konkretisiert.
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ff) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kommt es nicht darauf an, ob bzw. dass eine Vorgabe in den Vergabeunterlagen, Beispielspeisepläne für die gesamte Vertragsdauer von 52 Wochen einzureichen, unpraktikabel wäre. Dies ändert nichts an der vergaberechtlichen Unzulässigkeit der konkret gewählten Gestaltung. Der Senat hat nur über die Rechtmäßigkeit ihm zur Entscheidung vorgelegter Sachverhalte zu befinden. Dass es andere, vergaberechtlich unbedenkliche Gestaltungen geben könnte, erscheint durchaus denkbar. Derartiges zu entwickeln obliegt aber den Vergabestellen in Zusammenarbeit mit ihren fachkundigen (rechtlichen) Beratern.
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b) Die Antragstellerin ist in ihren Rechten verletzt. § 127 Abs. 3 GWB stellt eine bieterschützende Norm dar (Hövelberndt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 127 GWB Rn. 190). Auch der Ausschluss ihres Angebots ändert nichts an der Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin, da dieser unwirksam war. Die Antragsgegnerin führte zur Begründung an, die Antragstellerin habe die Vorgaben zu den Beispielspeiseplänen nicht eingehalten, da sie statt vier verschiedener warmer Gerichte pro Tag nur zwei unterschiedliche Mahlzeiten aufgenommen habe. Damit stützte die Antragsgegnerin den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gerade auf das qualitative Zuschlagskriterium Beispielspeiseplan. Da dieses Zuschlagskriterium gegen § 127 Abs. 3 GWB verstößt, konnte die Nichteinhaltung diesbezüglicher Vorgaben nicht den Ausschluss eines Angebots rechtfertigen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die insgesamt zweitplatzierte Antragstellerin ohne den Ausschluss und ohne das unzulässige qualitative Zuschlagskriterium keine Chance auf den Zuschlag (gehabt) hätte. Somit bedarf es bei fortbestehender Beschaffungsabsicht der Antragsgegnerin einer Rückversetzung in den Stand vor der Bekanntmachung.
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Damit kann die Antragsgegnerin nach Überarbeitung der Unterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neue Angebote einholen.
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Nur ergänzend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Die Vergabekammer geht zu Recht davon aus, dass die von der Antragsgegnerin aufgestellten Anforderungen an den Inhalt der einzureichenden Beispielspeisepläne so unklar waren, dass auch aus diesem Grund das Angebot der Antragstellerin nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen. So lässt sich aus der Sicht eines vernünftigen durchschnittlichen Bieters bei Anwendung der üblichen Sorgfalt nicht hinreichend sicher erkennen, ob tatsächlich pro Tag zwei oder vier verschiedene warme Speisen zwingend aufzunehmen waren oder ob die Zahl der unterschiedlichen Mahlzeiten nur für die Bewertung des Abwechslungsreichtums der Kost von Bedeutung sein sollte. Damit bleibt unklar, ob eine Mindestzahl aufzunehmender unterschiedlicher warmer Speisen ein Ausschlusskriterium darstellen oder gegebenenfalls nur zu einer schlechteren Bewertung des Angebots führen sollte (zur Unzulässigkeit derartig unklarer Regelungen OLG München, Beschluss vom 8. Juli 2019, Verg 2/19, juris Rn. 73 ff.). Offensichtlich war sich noch nicht einmal die Antragsgegnerin selbst über die von ihr gestellten Vorgaben im Klaren, da sie das Angebot der Antragstellerin zunächst wertete (unter negativer Berücksichtigung der geringeren Zahl unterschiedlicher warmer Gerichte), später das Angebot aber aus genau diesem Grund ausschloss. Ebenso wenig lässt sich eindeutig feststellen, ob es der Aufnahme des Frühstücks bedurfte. Einerseits könnte hierfür sprechen, dass nicht sämtliche Komponenten des Frühstücks bereits in der Leistungsbeschreibung vorgegeben waren. Insbesondere bezüglich des Obsts findet sich nur die Anforderung, es solle mehrmals wöchentlich und nicht nur saisonbedingt wechseln. Zudem können auch die meisten Bestandteile des Frühstücks (Brot, Obst, Rohkost, Käse, Geflügelwurst) anhand der Unterkriterien „möglichst hohe Regionalität“ und „möglichst hoher Bioanteil“ sinnvoll bewertet werden. Andererseits ließe sich erwägen, dass typischerweise die letztlich ausgehängten Speisepläne zwar die Menülinien, nicht aber das Frühstück umfassen, und nach den Vergabeunterlagen gerade „Beispielspeisepläne“ einzureichen waren. Im Übrigen haben alle drei Bieter die Vorgaben bezüglich der Zahl der insgesamt aufzunehmenden Mahlzeiten (zwei oder vier warme Gerichte, mit oder ohne Frühstück) unterschiedlich verstanden. Auch dies ist jedenfalls ein Indiz dafür, dass es den Vorgaben an hinreichender Klarheit fehlte.
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3. Die Entscheidung über die Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 175 Abs. 2, § 71 GWB. Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen. Die Beigeladene, die in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt hat, hat ihre Aufwendungen selbst zu tragen.
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Die Kostenentscheidung der Vergabekammer lässt (Ermessens-) Fehler nicht erkennen, § 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 GWB.
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4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ist nach § 50 Abs. 2 GKG festzusetzen. Auszugehen ist dabei vom Bruttowert des Angebots, das die Antragstellerin eingereicht hat, weil sie mit dem Nachprüfungsantrag ihre Chance auf den Auftrag wahren will (BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13 – Bioabfallvergärungsanlage, NZBau 2014, 452 Rn. 7). Der Senat berücksichtigt dabei die feste Laufzeit von einem Jahr in vollem Umfang. Bezüglich der Verlängerungsmöglichkeit um maximal drei Monate nimmt der Senat einen Abschlag von 50% vor (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 10 ff; BayObLG, Beschluss vom 5. August 2022, Verg 7/22, juris Rn. 11; OLG München, Beschluss vom 21. Oktober 2019, Verg 13/19, NZBau 2020, 263 Rn. 69 ff.).