Titel:
Antragsbefugnis im Rahmen eines Normenkontrollantrags
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
ZPO § 266 Abs. 1 S. 1
BauGB § 1 Abs. 5, Abs. 6, Abs. 7, § 13a
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
Leitsätze:
1. Einen Antrag auf Normenkontrolle kann jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden; soweit dabei private Belange geltend gemacht werden, setzt die Antragsbefugnis voraus, dass diese in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lärmschutzbelange betroffener Plannachbarn sind grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung – zB aufgrund der zu prognostizierenden zusätzlichen Verkehrsbelastung – infolge des Bebauungsplans ansteigt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich haben Nachbarn die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen hinzunehmen, es sei denn, es bestehen besondere örtliche Verhältnisse, so dass diese zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung führen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Soweit Belange der Gestaltung des Ortsbilds geltend gemacht werden, geht es dabei nicht um die mögliche Verletzung subjektiver Rechte; eine Antragsbefugnis kann damit nicht begründet werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antragsbefugnis (verneint), Verkehrsbelastung, Überschwemmungsgefahr, private Belange, Normenkontrolle, schutzwürdige Belange, Lärmschutz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34767
Tenor
I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragsteller wenden sich als Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks (…), das außerhalb des betroffenen Plangebiets liegt, gegen den am 26. Februar 2022 vom Antragsgegner bekannt gemachten Bebauungsplan … Das Grundstück der Antragsteller liegt im Bebauungsplan …, der in diesem Bereich ein Allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) ausweist.
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Das Plangrundstück ist etwa 0,5 Hektar groß. Ein Teil der Fläche war ursprünglich mit einem eingeschossigen Kindergarten mit zugehörigem Außenspielbereich bebaut. Die versiegelte Fläche betrug ungefähr 0,18 ha. Das anfallende Schmutzwasser wurde in das Kanalsystem – Mischwassersystem – eingeleitet. Der Kindergarten wurde (Stand 1. August 2019) von 169 Kindern (davon 23 Krippenkinder und 27 Hortkinder) besucht. Im Flächennutzungsplan war dieser Bereich als Fläche für Gemeinbedarf mit Zweckbestimmung Kindergarten und Spielanlagen ausgewiesen.
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Das Plankonzept sieht die Errichtung von Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 39 Wohnungen vor. Der im Laufe des Planaufstellungsverfahrens eingeholten „Stellungnahme Abwassertechnische Erschließung“ vom 16. August 2020 in der Fassung der Tektur vom 2. August 2021 liegt zugrunde, dass das Schmutzwasser sowie das Regenwasser aus dem geplanten Neubau an den öffentlichen Kanal angeschlossen werden soll und die geplante Neubebauung etwa 0,3 ha versiegelte Fläche umfasst.
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Die ursprünglichen Antragsteller, die bereits im Verfahren der Bauleitplanung diverse Einwendungen erhoben haben, machen mit ihrem am 27. Mai 2022 erhobenen Normenkontrollantrag die Unwirksamkeit des Bebauungsplans geltend. Sie tragen unter anderem vor, die geplante Bebauung beachte nicht den bestehenden Charakter des Wohngebiets und füge sich nicht in die vorhandene Eigenart der umliegenden Bebauung ein, die Verkehrssituation sei nicht ausreichend berücksichtigt. Der Verkehr würde um ein Vielfaches steigen, die aktuellen Straßen vollständig überlasten, was zu zugeparkten Straßen im gesamten Umgebungsgebiet führen werde. Die Belange des Umwelt- und Naturschutzes seien ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es käme unter anderem zu mehr Lärm und erhöhter Abgasbelastung. Durch eine nahezu komplette Versiegelung des Grundstücks werde die Versickerungsfähigkeit maßgebend beeinflusst, das Hochwasserrisiko im Umfeld werde erheblich steigen. Auch sei zu befürchten, dass die vorhandene Kanalisation eine Versorgung mit weiteren 126 Personen nicht gewährleisten könne, da sie schon jetzt kaum in der Lage sei, den „Normalbetrieb“ zu meistern. So sei es in den vergangenen Jahren zu Rohrbrüchen unter anderem im … … …-weg gekommen. Der Bebauungsplan verletze zudem das Rücksichtnahmegebot gegenüber den Antragstellern. Aufgrund der Nähe und Höhe der Wohnblöcke werde das Grundstück der Antragsteller ab etwa 16 Uhr massiv verschattet, eine geplante PV-Anlage wäre hinfällig, durch die viel zu hohe „Mauer“ würden die Antragsteller quasi „erschlagen“. Darüber hinaus säßen die Antragsteller auf einem „Präsentierteller“ mit voller Einsicht auf ihr Grundstück ohne Möglichkeit eines Sichtschutzes. Die Luftqualität werde durch die zu erwartenden Emissionen leiden.
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Der Bebauungsplan verstoße in materieller Hinsicht gegen § 1 Abs. 3 BauGB, da er nicht erforderlich sei, auch liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 5 BauGB vor. Das geplante Vorhaben würde dazu führen, dass das Zentrum der Siedlung, also das Plangebiet, nicht dem Ortsbild entspreche. Die relevanten privaten Belange der Antragsteller seien nicht, oder jedenfalls nicht ausreichend bei der Planung berücksichtigt worden. Damit läge ein Abwägungsdefizit oder jedenfalls eine Abwägungsdisproportionalität vor.
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Die Antragsteller stellen den Antrag:
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Der Bebauungsplan … des Antragsgegners vom 10. Februar 2022, bekanntgemacht am 26. Februar 2022, ist unwirksam.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Er ist der Auffassung, der Antrag sei mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig. Die Antragsteller könnten sich als Grundstückseigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks nicht auf einen abwägungsrelevanten Belang berufen, da ihren Ausführungen nicht zu entnehmen sei, dass sie durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung mehr als nur geringfügigen belastenden Einwirkungen ausgesetzt seien. Die befürchtete Lärmzunahme könne eine Antragsbefugnis nicht begründen. Das Interesse von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, sei nur dann ein abwägungserheblicher Belang, wenn das entsprechende Grundstück über die Bagatellgrenze hinaus betroffen werde, was nicht der Fall sei. Das von Antragstellerseite genannte Hochwasserrisiko könne eine Antragsbefugnis ebenfalls nicht begründen, weil ein solches nicht substantiiert dargelegt worden sei. Gleiches gelte für die genannte Verschattung des Grundstücks.
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Am 11. August 2023 beantragte die Antragstellerseite die Vornahme eines Parteiwechsels, da die ursprünglichen Antragsteller ihr Haus an die nunmehrige Antragstellerseite verkauft hätten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Normaufstellungsakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
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I. Er ist bereits unzulässig, da die Antragsteller nicht antragsbefugt sind.
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Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Antrag auf Normenkontrolle jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Als Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks sind die Antragsteller antragsbefugt, wenn sie eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) geltend machen können, das hinsichtlich abwägungserheblicher privater Belange dem Nachbarschutz dient. Abwägungsbeachtlich sind dabei nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, U.v. 19.5.2021 – 9 N 17.2284 – juris Rn. 16 m.w.N.). In diesem Zusammenhang muss auch eine gewisse Beeinträchtigungsintensität vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 19.2.1992 – 4 NB 11.91 – juris Rn. 13). Die Prüfung, ob das der Fall ist, erfolgt auf Grundlage des Vorbringens der Beteiligten ohne eigene Sachverhaltsaufklärung durch das Normenkontrollgericht (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – juris Rn. 32 ff. m.w.N.).
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1. Die Antragsbefugnis scheitert nicht daran, dass die Antragsteller das Verfahren nicht selbst eingeleitet, sondern von den früheren Grundstückseigentümern übernommen haben. Sie haben als Rechtsnachfolger der früheren Grundstückseigentümer den Rechtsstreit gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Lage als Hauptpartei übernommen, in der er sich befunden hat. Nach § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet ist, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen, wenn über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist. Die Bestimmung findet bei Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne entsprechende Anwendung. Solche Verfahren sind den in § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Rechtsstreitigkeiten über Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts an einem Grundstück aufgrund der grundstückbezogenen Komponente der Antragsbefugnis gleichzustellen; das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Anspruch auf gerichtliche Prüfung aus dem Grundeigentum oder aus einer sonstigen dinglichen Berechtigung an einem im Geltungsbereich des angefochtenen Bebauungsplans gelegenen Grundstück ergibt (BayVGH, U.v. 20.5.2014 – 15 N 12.1517 – juris Rn. Rn. 24; OVG Berlin, U.v. 26.1.1996 – 2 A 9.92 – NVwZ 1997, 506/507). Gleiches gilt für außerhalb des Bebauungsplans gelegene Grundstücke, sofern die Antragsteller ihren Anspruch aus dem Grundeigentum herleiten (allgemein zur Anwendbarkeit des § 266 im Verwaltungsprozess vgl. BayVGH, U.v. 23.1.1998 – 8 B 93.4007 – juris Rn. 24; OVG SA, U.v. 25.4.2012 – 2 L 192.09 – juris Rn. 38).
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2. Gemessen an oben dargelegten Grundsätzen ist die Antragsbefugnis der Antragsteller allerdings nicht gegeben, weil die von ihnen angeführten Belange in der Abwägung nicht zu berücksichtigen waren. Aus ihren Ausführungen ergibt sich nicht, dass ihr außerhalb des Plangebiets gelegenes Wohneigentum durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung mehr als nur geringfügigen belastenden Einwirkungen ausgesetzt sein wird.
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a) Die von den Antragstellern erwartete Lärmzunahme durch den durch die Planung ausgelösten motorisierten Verkehr und dessen anderweitige Verteilung über die Wochentage vermag die Antragsbefugnis ebenso wenig zu begründen wie die vorgesehene Stellplatzanordnung.
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aa) Lärmschutzbelange betroffener Plannachbarn sind grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung – z.B. aufgrund der zu prognostizierenden zusätzlichen Verkehrsbelastung – infolge des Bebauungsplans ansteigt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158, juris Rn. 24 m.w.N.). Das Interesse, von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, ist allerdings nur dann ein abwägungserheblicher Belang, wenn das entsprechende Grundstück über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird. Die Abwägungsrelevanz ist also dann zu verneinen, wenn das Interesse, vor einer Verkehrslärmzunahme bewahrt zu bleiben, mit so geringem Gewicht zu Buche schlägt, dass es als planungsrechtlich vernachlässigbare Größe außer Betracht bleiben kann (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19.04 – juris Rn. 6; B.v. 11.8.2015 – 4 BN 12.15 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 -juris Rn. 23 m.w.N.). Wann das der Fall ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen; die Frage ist jeweils unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere anhand der Zahl der jeweils zu erwartenden zusätzlichen Verkehrsbewegungen, aber auch der Vorbelastungen und Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – juris Rn. 17; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 31, 48; U.v. 9.3.2020 – 9.3.2020 – Rn. 18 m.w.N.; HessVGH, U.v. 29.06.2016 – 4 C 1440/14.N – juris 38).
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Ein Unterschreiten der abwägungsrelevanten Bagatellgrenze hat die Rechtsprechung vor allem in Fällen einer durch das Hinzukommen von nur wenigen Wohnhäusern verursachten Verkehrslärmbelastung angenommen. So hat das Bundesverwaltungsgericht den durch einen Bebauungsplan ermöglichten zusätzlichen Verkehr von 20 bis 30 Einzel- oder Doppelwohnhäusern, der teilweise am Grundstück des dortigen Antragstellers vorbeigeführt wurde, für so geringfügig gehalten, dass es die Antragsbefugnis verneint hat (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – juris Rn. 17). Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Baugebieten, in denen durch Bebauungsplan nur wenige Einzelhäuser bzw. Wohneinheiten zugelassen wurden, durch den anliegerbedingten zusätzlichen Kraftfahrzeugverkehr keine abwägungsrelevanten Beeinträchtigungen hervorgerufen werden (vgl. HessVGH, U.v. 28.3.2011 – 4 C 2708/09.N – juris Rn. 20 zu 18 Wohneinheiten mit weiteren Beispielen für 16, 17 bzw. 20 Wohneinheiten; U. v. 7.4.2014 – 3 C 914/13.N – DVBl 2014, 1013 = juris LS 2 und Rn. 19 zu 30 Wohneinheiten in einem reinen Wohngebiet). Dabei stellt er vor allem auf die Anzahl der zu erwartenden Fahrbewegungen ab und geht unter Zugrundelegung eines Erfahrungswerts von je 1,5 Fahrzeugen mit 2,5 Fahrzeugbewegungen täglich, mithin also von 3,75 Fahrzeugbewegungen täglich pro Wohneinheit aus (so bereits Hess VGH, B.v. 17.1.1995 – 4 N 3707.88 – n.v.; U.v. 28.5.2001 – 9 N 1626.96 – Rn. 65; B.v. 26.3.2004 – 3 N 2180.99 – juris Rn. 18 m.w.N.). Weiterhin geht er in der Regel davon aus, dass die Betroffenheit der Anlieger bei einer voraussichtlichen Zunahme des Verkehrs von bis zu 200 Fahrzeugbewegungen täglich nur geringfügig und daher nicht mehr abwägungsrelevant ist (vgl. B.v. 5.2.2015 – 4 B 1756/14.N – BauR 2015, 1101 = juris LS und Rn. 15; U.v. 29.06.2016 – 4 C 1440/14.N – ZfBR 2016, 803 = juris 38). Der Bayerische Verwaltungsgerichthof und andere Oberverwaltungsgerichte sind dieser Rechtsprechung grundsätzlich gefolgt (vgl. BayVGH. B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 15 zu vier Einfamilienhäusern mit je einer Wohneinheit; VGH BW, U.v. 21.4.2015 – 3 S 748.13 – NuR 2015, 647 = juris Rn. 28 zu 12 Wohneinheiten unter Annahme einer Anzahl von 45 Verkehrsbewegungen; OVG SA, B.v. 8.1.2015 – 2 R 94.14 – UPR 2015, 232 = juris Rn. 27 zu 26 Wohneinheiten und 19 Einfamilienhäusern bei teilweise am Grundstück des Antragstellers vorbeigeführtem Verkehr).
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Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist das Interesse der Antragsteller, von der Zunahme des Verkehrslärms verschont zu bleiben, nicht abwägungsrelevant, da nicht einmal der allein durch das Bauvorhaben ausgelöste Verkehr, also ohne Berücksichtigung der Vorbelastung, die abwägungsrelevante Bagatellgrenze erreicht. Auf oben dargelegter Basis der als Erfahrungswert anzusetzenden 3,75 Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheit ergäben sich unter Zugrundelegung der erwarteten 39 Wohneinheiten insgesamt 146 Fahrzeugbewegungen pro Tag. Wenn man diesen Wert im Hinblick auf die allgemeine Zunahme des motorisierten Fahrverkehrs auf fünf Fahrzeugbewegungen pro Tag für eine Wohneinheit – trotz der in den letzten Jahren ebenfalls allgemein zugenommenen Homeoffice-Arbeit großzügig – anhebt, ergäben sich maximal 195 Fahrzeugbewegungen pro Tag (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.5.2017 a.a.O.). Eine abwägungsrelevante Verkehrszunahme gegenüber der bisherigen Kindergartennutzung ist auch dann nicht gegeben, wenn man eine andere Verkehrsverteilung über die Wochentage für maßgeblich halten würde, was jedoch nicht angezeigt erscheint, da in den Nachmittags- und Abendstunden nur ein Teil des Verkehrs stattfindet, womit eine Entzerrung des Verkehrslärms verbunden ist und zudem ein solches Verkehrsaufkommen der Normalfall in allen Wohngebieten ist. Daher kann nur unter – hier nicht ersichtlichen – besonderen Umständen erwartet werden, von den Auswirkungen solchen Berufsverkehrs mehr oder weniger verschont zu bleiben (vgl. OVG Lüneburg U.v. 29.9.2009 – 1 KN 314.07 – juris Rn. 66). Gleiches gilt für die Zunahme des Verkehrslärms an Wochenenden, an denen die überwiegende Anzahl der Bewohner nicht zur Arbeit fährt, die Kinder nicht in die Schule oder den Kindergarten gebracht werden und – jedenfalls an Sonntagen – kein Lieferverkehr stattfindet. Hinzu kommt, dass das Baugebiet durch mehrere Straßen erschlossen ist, sodass ohnehin allenfalls ein Teil des Verkehrs die Straße am Grundstück der Antragsteller benutzen wird.
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bb) Die von den Antragstellern befürchtete Lärmzunahme durch die Flächen, die für die Stellplätze vorgesehen sind, führt ebenfalls nicht zur Antragsbefugnis. Grundsätzlich haben Nachbarn die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen hinzunehmen, es sei denn, es bestehen besondere örtliche Verhältnisse, so dass diese zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung führen (vgl. BVerwG, B. v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – Rn. 6 und 7). Für eine derartige unzumutbare Beeinträchtigung durch die vorgesehene Stellplatzanordnung ist nichts ersichtlich. So sind die Duplexparker, durch die die Antragsteller eine erhebliche Lärmbelastung befürchten, nur in der im Bebauungsplan vorgesehenen Fläche zulässig. Diese Fläche befindet sich mindestens 35 Meter vom Grundstück der Antragsteller entfernt und ist zu diesem weitgehend durch ein geplantes Mehrfamilienhaus abgeschirmt. Sollten sich durch die Genehmigung von Duplexparkern für die Antragsteller unzumutbare Lärmbelästigungen ergeben, so stellt die in § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BauNVO enthaltene Regelung ein geeignetes Instrumentarium dar, um den auftretenden Konflikt zu lösen. Die Lösung möglicher entstehender Probleme dürfen in einem solchen Fall auf das Genehmigungsverfahren verlagert werden und beispielsweise deren Zulassung mit weiteren Einschränkungen, wie beispielsweise einer Einhausung, vorgeschrieben werden (vgl. zur Konfliktbewältigung BVerwG, B.v. 6.3.1989 – 4 NB 8.89 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.; OVG Saarl, U.v. 20.8.2020 – 2 C 264.19 – juris Rn. 14).
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b) Dass auf dem Grundstück der Antragsteller durch die Bebauung voraussichtlich unzumutbare Beeinträchtigungen durch eine Straßenüberlastung oder zugeparkte Straßen entsteht, ist nach deren Vortrag nicht zu erwarten. Der Bebauungsplan sieht eine Straßenverkehrsfläche vor, der zur Entspannung der verkehrlichen Situation im Umfeld des Plangebiets beitragen wird. Im Übrigen wird der Verkehr, wie oben dargelegt, durch die geplante Bebauung nicht zunehmen.
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c) Auch nach ihrem sonstigen Vorbringen sind die Antragsteller nicht antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 VwGO.
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aa) Dass die geplante Bebauung die Gefahr der Überschwemmung durch unkontrolliert abfließendes Niederschlagswasser auf dem Grundstück der Antragsteller begründet, haben diese schon nicht ausreichend dargelegt. Der Vortrag, dass „eine nahezu komplette Versiegelung des Grundstücks durch die geplante Bebauung die Versickerungsfähigkeit erheblich beeinflusst“ und so „auch das Hochwasserrisiko im Umfeld erheblich steigt“ reicht dafür nicht aus. Ebenso wenig genügt die Aussage, die Wassereinbrüche in den Häusern hätten zugenommen und es habe die letzten Kellerüberschwemmungen am 1. August 2024 im …weg gegeben. Es fehlt die Darlegung eines Zusammenhangs der behaupteten Überschwemmungen, die zudem nicht das Grundstück der Antragsteller betrafen, mit dem Wasserabfluss, zumal laut Aussage der Antragstellerseite in der mündlichen Verhandlung der westliche Teil ihres Grundstücks nicht tiefer als die Straße und das Plangebiet liegt. Die Antragsteller konnten die Gefahr einer Überschwemmung ihres Grundstücks auch durch ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht erhärten. Nach unwidersprochenem Vortrag der Antragsgegnerseite fällt das gesamte Gebiet eher nach Norden hin leicht ab und damit gerade nicht zum Grundstück der Antragsteller hin. Im Übrigen war das Plangebiet bereits bebaut. Durch die im Bebauungsplan vorgesehene Dachbegrünung sowie die Verpflichtung, Stellplätze und Zufahrten nur mit wasserdurchlässigen Materialien zu befestigen, soweit dem keine wasserrechtlichen Belange entgegenstehen (§ 5 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen), wird sich der bisherige unkontrollierte Abfluss des Niederschlagswassers voraussichtlich kaum ändern, zumal der Boden bereits in der Vergangenheit wenig versickerungsfähig war, so dass eine diesbezügliche Betroffenheit der Antragsteller durch die vorgesehene Bebauung auch nicht offensichtlich ist. Gleiches gilt für die auf die von 126 Bewohnern verursachte Abwassermenge (gemeint ist wohl das Schmutzwasser) gestützte Befürchtung der Überlastung der Kanalisation und damit einhergehende Zunahme von Rohrbrüchen. Auch hier fehlt die Darlegung eines Zusammenhangs mit der geplanten Bebauung. So lässt der Vortrag bereits außer Acht, dass bisher schon das von 169 Kindern erzeugte Schmutzwasser in den Mischwasserkanal eingeleitet wurde. Im Übrigen bestätigt die im Planaufstellungsverfahren eingeholte „Stellungnahme Abwassertechnische Erschließung“ in der Fassung vom 2. August 2021, dass eine Anbindung des anfallenden Schmutzwassers aus der geplanten Neubebauung an den Mischwasserkanal hydraulisch unproblematisch und die Schmutzwassermenge für die hydraulische Berechnung vernachlässigbar sei.
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Was das Niederschlagswasser betrifft, so schreibt der Bebauungsplan in Umsetzung der Stellungnahme vor, dass es, sofern es nicht versickert werden kann, zu sammeln und gedrosselt der Kanalisation zuzuführen ist. Die Umsetzung dieser Festsetzung kann auf das nachgelagerte (Genehmigungs-)Verfahren verlagert werden. Dass dies auch tatsächlich geschieht, bestätigte die Erklärung des Geschäftsführers des Bauträgers in der mündlichen Verhandlung.
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bb) Soweit die Antragsteller vortragen, die vorgesehene Bebauung passe nicht zum Charakter des Wohngebiets und stelle einen Fremdkörper dar, machen sie lediglich Belange der Gestaltung des Ortsbilds, § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB, geltend. Eine die Antragbefugnis begründende mögliche Verletzung subjektiver Rechte kann darauf nicht folgen, da es sich hierbei um rein objektiv-rechtliche Belange der Allgemeinheit handelt, die das Eigentumsrecht der Antragsteller nicht berühren (BayVGH, U.v. 29.10.2009 – 1 N 08.1050 – juris Rn. 33; BayVGH U.v. 9.3.2020 – 15 N 19.210 – Rn. 28).
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cc) Die von den Antragstellern befürchtete massive Verschattung ihres Grundstücks, die behauptete Unrentabilität der geplanten Photovoltaikanlage sowie das Gefühl, auf einem „Präsentierteller“ zu sitzen und von der „massiven Mauer erschlagen zu werden“ begründen keine Antragsbefugnis. In den textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan wird in § 3 die Gültigkeit des Art. 6 BayBO angeordnet. Es ist daher nicht ersichtlich, dass es bei Umsetzung des Bebauungsplans zu einem relevanten Entzug von Belichtung, Belüftung und Besonnung oder zu einer unzumutbaren erdrückenden, abriegelnden oder einmauernden Wirkung zu Lasten der Wohngebäude der Antragsteller kommen könnte (BayVGH, U. v. 9.3.2020 – 15 N 19.210 – juris Rn. 29 m.w.N.). Was die Nutzung der Photovoltaikanlage angeht, so muss selbst bei der Nutzung einer solchen Anlage stets mit dem Eintritt von Verschattungen, die durch nachträglich errichtete Gebäude, die die gesetzlichen Abstandsflächen einhalten, gerechnet werden (BayVGH, B.v. 28.11.2023 – 2 NE 23.1881 – juris Rn. 11). Bei einer erst geplanten Photovoltaikanlage gilt dies umso mehr.
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dd) Die Antragsbefugnis der Antragsteller als Plannachbarn kann gleichfalls nicht auf die behauptete Wahl der falschen Verfahrensart des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB gestützt werden, da die Durchführung des korrekten Verfahrens kein Recht des Einzelnen ist. Dies gilt ebenso für die vorgetragene unzureichende Berücksichtigung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes, da deren Abwägung der Bewältigung von Allgemeinwohlbelangen dient, darüber hinaus jedoch keine subjektiven Rechte begründet. Auch können die Antragsteller aus der vorgetragenen fehlenden Erforderlichkeit des Bebauungsplans noch aus § 1 Abs. 5 BauGB ihre Antragsbefugnis herleiten, bei denen es sich um allgemeine Aufgabenbeschreibungen und Zielbestimmungen handelt, die keine subjektiven Rechte begründen.
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II. Da der Normenkontrollantrag unzulässig ist, ist dem Senat eine Prüfung der Begründetheit verwehrt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 Abs. 2 VwGO.