Titel:
Keine wirksame Anordnung einer Umgangspflegschaft durch die Billigung einer Vereinbarung der Eltern
Normenketten:
BGB § 1684 Abs. 3
FamFG § 277 Abs. 2
VBVG § 3 ff.
Leitsätze:
1. Die Anordnung einer Umgangspflegschaft stellt nach herrschender Meinung einen gerichtlichen Eingriff in die elterliche Sorge (konkret: in das Recht zur Aufenthaltsbestimmung) dar. (Rn. 20)
2. Ein solcher Eingriff kann, wie bereits der Wortlaut der Vorschrift deutlich zeigt, nicht konkludent erfolgen. Notwendig ist vielmehr eine konkrete Anordnung durch das Familiengericht. (Rn. 21)
3. Der Beschluss des Familiengerichts, mit dem die Vereinbarung der Eltern zum Umgang und zur Umgangspflegschaft gerichtlich gebilligt wurde, ersetzt die nach § 1684 Abs. 3 BGB notwendige Entscheidung nicht. Dies folgt bereits daraus, dass vom Gericht nicht gebilligt werden kann, was von den Eltern nicht vereinbart werden kann. (Rn. 22)
Schlagworte:
Anordnung einer Umgangspflegschaft, elterliche Sorge, Anspruch des Umgangspflegers auf Vergütung, keine wirksame Anordnung einer Umgangspflegschaft durch die Billigung einer Vereinbarung der Eltern
Vorinstanz:
AG Hof, Beschluss vom 10.09.2024 – 002 F 242/23
Fundstellen:
FamRZ 2025, 949
RPfleger 2025, 154
LSK 2024, 34500
BeckRS 2024, 34500
NJOZ 2025, 199
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 10.09.2024 aufgehoben.
2. Die Beschwerde der Y GmbH gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 22.08.2024 wird zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
Gründe
1
Im vorliegenden Verfahren wegen Umgangs schlossen die Eltern am 31.10.2023 eine Vereinbarung, in der sie unter anderem regelten:
2
Die Beteiligten sind sich dahingehend einig, dass der Antragsgegner berechtigt ist, Umgang mit dem Kind F. X., geboren am ... 2021 wie folgt zu haben:
- ab Februar 2024 in den ungeraden Kalenderwochen 14-tägig samstags in der Zeit von 12:30 bis 17:00 Uhr in unbegleiteter Form. Umgangspflegschaft findet statt. Die Umgangspflegschaft wird für die Dauer von einem Jahr befristet. Als Umgangspfleger wird Herr Z, Mitarbeiter der Y GmbH, eingesetzt. Sollte Herr Z verhindert sein, wird die Umgangspflegschaft durch einen Mitarbeiter der Y GmbH wahrgenommen. Der 1. unbegleitete Umgang findet am 03.02.2024 statt.
3
Vom Amtsgericht wurde diese Regelung durch Beschluss vom 31.10.2023 gerichtlich gebilligt.
4
Mit Schreiben vom 10.05.2024 stellte die Y GmbH für ihre Tätigkeit Beträge von 131,60 € und 254,80 € in Rechnung, mit Schreiben vom 05.06.2024 von weiteren 254,80 € und mit Schreiben vom 05.07.2024 und 05.08.2024 von jeweils 248,80 €.
5
Mit Beschluss vom 22.08.2024 wurden diese Anträge vom zuständigen Rechtspfleger unter Hinweis auf zuvor eingeholte Stellungnahmen der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hof zurückgewiesen.
6
Der Y GmbH wurde diese Entscheidung am 31.08.2024 zugestellt. Bereits mit am 28.08.2024 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben teilte der Träger mit, man sei in gutem Glauben davon ausgegangen, dass die entstehenden Kosten vom Amtsgericht übernommen werden. Am 10.09.2024 wurde schließlich telefonisch mitgeteilt, das Schreiben möge als Beschwerde gegen die Entscheidung vom 22.08.2024 ausgelegt werden.
7
Die zuständige Familienrichterin half mit Beschluss vom 10.09.2024 der „Erinnerung / Beschwerde des Umgangspflegers“ daraufhin ab und setzte die Vergütung antragsgemäß fest. Zur Begründung wurde dabei unter anderem ausgeführt:
8
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die Umgangspflegschaft wurde durch das Gericht wirksam angeordnet. Der Vergleich wurde durch Beschluss am 31.10.2024 gerichtlich gebilligt. Die Umgangspflegschaft ist in § 1684 Abs. 3 BGB geregelt. Es handelt sich damit um ein Umgangsverfahren. Das Gericht ist gemäß § 156 FamFG verpflichtet auf ein Einvernehmen der Beteiligten Eltern hinzuwirken. Gemäß § 156 Abs. 2 FamFG ist eine erzielte Vereinbarung als Vergleich aufzunehmen und gerichtlich zu billigen, wenn die dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Durch die gerichtliche Billigung wird der Beschluss vollstreckbar. Wenn die Eltern eine Einigung erzielen, ist für eine gerichtliche Entscheidung über den Umgang kein Raum mehr. Die Umgangspflegschaft wurde durch die Billigung des Gerichts angeordnet. Eine Bestallungsurkunde für den Umgangspfleger gemäß § 168 f FamFG muss nicht ausgestellt werden, da die Vorschrift Pflegschaften i.S.d. § 151 Nr. 5 FamFG regelt. Die Anordnung erfolgte auch konkludent im Rahmen der berufsmäßigen Führung. Die ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Nennung des Mitarbeiters sowie der Vertretung durch einen anderen Mitarbeiter der Y GmbH.
9
Gegen diese der Staatskasse nicht zugestellte Entscheidung legte die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hof mit am 11.10.2024 beim Amtsgericht Hof eingegangenem Schreiben Beschwerde ein und beantragt, die Entscheidung aufzuheben und die Vergütungsanträge zurückzuweisen.
10
Zum einen fehle eine wirksame Anordnung einer Umgangspflegschaft. Dass die Vereinbarung der Eltern gerichtlich gebilligt wurde, sei insoweit nicht ausreichend. Zum anderen werde die Umgangspflegschaft nach § 277 FamFG grundsätzlich unentgeltlich geführt. Die Feststellung, dass die Pflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt werde, fehle und könne auch nicht nachgeholt werden. Schließlich sei die beantragte Vergütung auch unrichtig berechnet.
11
Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Y GmbH teilte mit, man sei in guten Glauben davon ausgegangen, dass eine Beauftragung vorliege und man deswegen die erbrachten Leistungen auch abrechnen dürfe.
12
Die Beschwerde der Staatskasse ist nach §§ 38, 58 FamFG statthaft. Denn mit dem Beschluss über die Festsetzung ist das Verfahren auf Festsetzung der Vergütung des Umgangspflegers abgeschlossen (OLG Nürnberg FamRZ 2015, 601 mit weiteren Nachweisen).
13
Die Beschwerde ist auch zulässig. Insbesondere wurde sie mangels Zustellung fristgerecht und gemäß §§ 64, 14b FamFG formgerecht eingelegt. Durch die vom Amtsgericht vorgenommene Festsetzung ist die Staatskasse beschwert (§ 59 Abs. 1 FamFG). Nicht geklärt werden muss, ob es sich bei dem Verfahren auf Festsetzung der Vergütung tatsächlich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG handelt, denn die dort genannte Wertgrenze (600 €) ist vorliegend erreicht.
14
Die Beschwerde ist schließlich auch begründet und führt zur Aufhebung des vom Amtsgericht am 10.09.2024 erlassenen Beschlusses.
15
Aufzuheben war die Entscheidung bereits deswegen, weil das Amtsgericht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht befugt war, eine Abhilfeentscheidung zu treffen (OLG Hamm Rpfleger 2024, 464; Giers in Sternal, FamFG, 21. Auflage, 2023, § 292 Rn. 19).
16
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Y GmbH gegen die Entscheidung des Rechtspflegers vom 22.08.2024 ist hingegen unbegründet und muss deswegen zurückgewiesen werden.
17
Im Ergebnis ist die am 22.08.2024 getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Weil vorliegend keine gerichtliche Entscheidung über die Anordnung einer Umgangspflegschaft getroffen wurde, steht dem Mitarbeiter der Y GmbH der Staatskasse gegenüber kein Anspruch auf Vergütung zu.
18
1) Der Anspruch des Umgangspflegers auf Vergütung gegenüber der Staatskasse bestimmt sich nach §§ 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB, 277 Abs. 2 FamFG, 3 ff VBVG. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist allerdings eine wirksame gerichtliche Anordnung der Umgangspflegschaft, die im vorliegenden Fall erkennbar fehlt.
19
a) In § 1684 Abs. 3 Satz 4 BGB ist die Pflegschaft mit dem Aufgabenkreis der Durchführung des Umgangs (die sog. „Umgangspflegschaft“) seit 2009 ausdrücklich gesetzlich geregelt. Anlass für diese Regelung war für den Gesetzgeber die bereits zuvor bestehende Praxis der Familiengerichte, bei schwerwiegenden Umgangskonflikten von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Eltern die elterliche Sorge für den Bereich des Umgangs nach § 1666 BGB zu entziehen und dafür einen Ergänzungspfleger einzusetzen (vgl. BT-Drs. 16/6308, Seite 345).
20
Hiervon ausgehend stellt die Anordnung einer Umgangspflegschaft nach herrschender Meinung einen gerichtlichen Eingriff in die elterliche Sorge (konkret: in das Recht zur Aufenthaltsbestimmung) dar (BGH FamRZ 2019, 199; BeckOK BGB / Veit, 71. Ed. 1.1.2023, BGB § 1684 Rn. 122).
21
b) Ein solcher Eingriff kann, wie bereits der Wortlaut der Vorschrift („kann das Familiengericht … anordnen“) deutlich zeigt, nicht konkludent erfolgen. Notwendig ist vielmehr eine konkrete Anordnung durch das Familiengericht (Götz in Grüneberg, BGB, 82. Auflage, 2023, § 168 Rn. 21). Die Bestellung des Umgangspflegers erfolgt demnach durch gerichtlichen Beschluss (BeckOK BGB / Veit, a.a.O., § 1684 Rn. 129).
22
c) Der Beschluss des Familiengerichts, mit dem die Vereinbarung der Eltern zum Umgang gerichtlich gebilligt wurde, ersetzt die nach § 1684 Abs. 3 BGB notwendige Entscheidung nicht. Dies folgt bereits daraus, dass vom Gericht nicht gebilligt werden kann, was von den Eltern nicht vereinbart werden kann. Denn für einen gerichtlichen Teilentzug der Sorge ist stets auch dann, wenn die Eltern einverstanden sind, eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung notwendig. Die Sorge steht grundsätzlich nicht zur Disposition der Eltern.
23
2) Darüber hinaus fehlt für den Anspruch auf Vergütung auch die gerichtliche Feststellung, dass die Umgangspflegschaft berufsmäßig geführt wird. Grundsätzlich wird eine Pflegschaft und damit auch eine Umgangspflegschaft nämlich unentgeltlich geführt (§ 277 Abs. 1 FamFG).
24
Entgeltlich ist die Umgangspflegschaft nur, wenn das Gericht bei der Bestellung des Pflegers, also im Beschluss über die Bestellung, die berufsmäßige Führung der Umgangspflegschaft feststellt (BeckOK BGB / Veit, a.a.O., § 1684 Rn. 136 mit Hinweis auf BGH FamRZ 2014, 1283).
25
3) Der Antrag auf Vergütung hinsichtlich der bereits erbrachten Leistungen kann nach Wertung des Senats schließlich auch nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte (§ 242 BGB) gestützt werden. Denn zum einen ist die gesetzliche Regelung eindeutig. Zum anderen kann von einem Umgangspfleger, der berufsmäßig tätig sein will, erwartet werden, dass er die Voraussetzungen für seinen Anspruch auf Vergütung kennt.
26
4) Nicht geprüft werden muss, ob dem Mitarbeiter der Y GmbH ein Vergütungsanspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) zusteht. Denn dieser müsste in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden.
27
Unberührt von diesen Ausführungen bleibt schließlich auch ein vertraglicher Anspruch gegenüber den Eltern des Kindes. Die von den Eltern getroffene Vereinbarung (abgeschlossen am 31.10.2023 in Gegenwart eines Mitarbeiters) stellt ein Vertragsangebot im Sinn des § 145 BGB dar. Spätestens mit Aufnahme der Tätigkeit im Februar 2024 wurde dieses Angebot nach § 147 BGB angenommen.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 FamGKG, 81 Abs. 1 FamFG. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 70 Abs. 2 FamFG).