Titel:
Frage, ob einer Vereinigung von Grundpfandrecht und Eigentum iSv § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB in der Person des Staatserben die Dürftigkeitseinrede entgegenstehen kann
Normenketten:
BGB § 1179a Abs. 1, § 1936, § 1990
ZVG § 91
AO § 47
Leitsätze:
1. Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB hat keine - der Vereinigung gem. § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB entgegenstehende - förmliche Trennung der Vermögensmassen von Nachlass und Eigenvermögen des Erben zur Folge. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Dürftigkeitseinrede ist auch im Falle der staatlichen Zwangserbschaft nicht geeignet, eine Vereinigung von Grundpfandrecht und Eigentum iSv § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB zu verhindern. (Rn. 57 – 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Eintritt der Fiskalerbschaft ist der Steueranspruch des Landes nach § 47 AO aufgrund Konfusion erloschen. (Rn. 39 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Löschungsanspruch, Hypothek, Dürftigkeit des Nachlasses, Zwangsversteigerung, staatliche Zwangserbschaft, Konfusion, Steuerschulden, Nachlassinsolvenz
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 23.02.2024 – 6 O 7979/23
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – IX ZR 2/25
Fundstellen:
ZfIR 2025, 105
ErbR 2025, 254
MDR 2025, 321
ZErb 2025, 66
BeckRS 2024, 34427
LSK 2024, 34427
NZI 2025, 244
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23.02.2024, Az. 6 O 7979/23, wird zurückgewiesen.
II. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieser Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten – zunächst im Wege der Widerspruchsklage gegen einen Verteilungsplan – um die Frage, ob die Klägerin dem Beklagten den Löschungsanspruch gemäß § 1179a Abs. 1 BGB entgegenhalten kann, so dass sie bei der Verteilung des Zwangsversteigerungserlöses für eine Immobilie zu Lasten des Beklagten eine höhere Zuteilung erhält.
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Die Klägerin ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in M.. Sie ist die Rechtsnachfolgerin der B...AG (im Folgenden: Rechtsvorgängerin der Klägerin).
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Der Beklagte ist ein Bundesland.
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Der Beklagte wurde im Wege der gesetzlichen Staatserbschaft nach § 1936 S. 1 BGB der alleinige Erbe der am ... 2020 verstorbenen C... (im Folgenden: Erblasserin).
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Die Erblasserin hinterließ nur zwei Vermögensgegenstände:
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Zum einen fiel in den Nachlass das Sondereigentum an der Wohnung samt zugehörigem Keller ..., verbunden mit dem Miteigentumsanteil von 10,167/1000 am Grundstück ..., Gebäude und Freifläche, sowie ..., Wohngebäude, Tiefgarage, Hofraum und Grünfläche, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts München von T..., Band ..., Blatt ... (s. Anlage K 1; im Folgenden: streitgegenständliche Wohnung).
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Zum anderen gehörte zum Nachlass ein Bankkonto mit einen Bestand von 1.503,91 € (s. Anlage B4).
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Der Nachlass war überschuldet und die streitgegenständliche Wohnung vielfach und mehr als wertausschöpfend belastet.
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Soweit hier von Interesse waren – unter anderem – zum Zeitpunkt des Erbfalls noch folgende dingliche Belastungen in Abteilung III des Grundbuchs eingetragen (s. Anlage K1):
10
Der Beklagte erhob (erstmals) mit Schrelben vom 03.06.2022 (Anlage B 2) gegenüber der für die Klägerin agierenden P...GmbH die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nach § 1990 BGB.
11
Beide Parteien waren Beteiligte des Zwangsversteigerungsverfahrens vor dem Amtsgericht München, Az. ..., welches die Versteigerung der streitgegenständlichen Wohnung zum Gegenstand hatte. Der Zuschlag an den Ersteigerer erfolgte am 07.02.2023; der Verteilungstermin fand am 31.05.2023 statt (Anlage K 2).
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Die Klägerin hatte neben anderem im Verteilungsverfahren zu berücksichtigende Forderungen aus der an 11. Rangstelle eingetragenen Sicherungshypothek über insgesamt 115.960,99 € angemeldet (Anlage K 3).
13
Gemäß Buchstabe B Ziffer 4.3 i.V.m. Buchstabe E Ziffer 6 des Verteilungsplans des Amtsgerichts München vom 31.05.2023 (ebenso Anlage K 2), sollte auf die Eintragung Abt. III Nr. 8 ein Betrag von 7.582,05 € entfallen, die Belastung damit zugunsten des Beklagten vollständig beglichen werden. Auch die Eintragungen unter Abt. III Nr. 8.1 bis 10 sollten aus dem Versteigerungserlös vollumfänglich beglichen werden, vgl. Buchstabe B Ziffern 4.4 bis 4.6 i.V.m. Buchstabe E Ziffern 7 bis 9 des Verteilungsplans. Auf die Zwangssicherungshypothek unter Abt. III Nr. 11 zugunsten der Klägerin sollte nach Buchstabe B Ziffer 4.7 i.v.m. Buchstabe E Ziffer 10 des Verteilungsplans jedoch nur ein Betrag von 110.481,39 € entfallen – mithin 5.479,60 € weniger als von der Klägerin angemeldet.
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Gegen die beabsichtigte Verteilung erhob die Klägerin unter Verweis auf § 1179a BGB noch vor dem Verteilungstermin Widerspruch, weshalb das Amtsgericht München im Verteilungsplan unter Buchstabe F eine Hilfsverteilung konzipierte (Anlage K 2, S. 9), wonach bei Ausfall des Beklagten mit der Zwangssicherungshypothek Abt. III Nr. 8 ein Betrag von 5.479,60 € hilfsweise an die Klägerin als Hilfsberechtigte als weiteres Teilliquidat auf Buchstabe B Ziffer 4.7. des Teilungsplans zuzuteilen ist. Aufgrund des vom Amtsgericht München als zulässig beurteilen Widerspruchs, der im Verteilungstermin nicht erledigt wurde, wurde ein Betrag von 5.479,60 € gemäß § 120 ZVG hinterlegt bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München, Az. ... (s. Anlagen K 6, K 8).
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Das Landgericht München I hat mit dem angefochtenen Urteil vom 23.02.2024 (Bl. 65 ff. d. LG-eAkte) auf dessen tatsächliche Feststellungen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) und Entscheidungsgründe ergänzend und wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Beklagten wie folgt verurteilt:
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I. Der Beklagte wird dazu verpflichtet, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München, zur Hinterlegung unter ..., sein Einverständnis mit der Auszahlung des hinterlegten Betrags von 5.479,60 € an die Klägerin zu erklären.
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II. Ergänzend wird auf den Widerspruch der Klägerin gegen den Verteilungsplan des Amtsgerichts München – Abteilung für Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen – vom 31.05.2023, Az. ..., dieser dahingehend geändert, dass die Hilfszuteilung gemäß Buchstabe F zu erfolgen hat, d.h. dass aus der Zuteilung gemäß Ziffer 4.3 des Hauptverteilungsplans (Zuteilung an den Beklagten zu Ziffer III/8 des Grundbuchs) ein Betrag von 5.479,60 € entnommen wird und auf die Zuteilung gemäß Ziffer 4.7 des Hauptverteilungsplans (Zuteilung an die Klägerin zu Ziffer III/11 des Grundbuchs) entfällt.
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Daraufhin ersuchte das Vollstreckungsgericht die Hinterlegungsstelle am 18.03.2024 aufgrund des nicht rechtskräftigen Urteils des Landgerichts München I den Betrag von 5.479,60 € an die Klägerin auszuzahlen. Mit Bescheid vom 21.03.2024 ordnete die Hinterlegungsstelle aufgrund dieses Ersuchens die Herausgabe des streitigen Betrages an die Klägerin an, welche auch erfolgte. Mittlerweile forderte das Amtsgericht München die Klägerin auf, den Betrag von 5.479,60 € wieder zu hinterlegen, was noch nicht geschah.
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Gegen das Ersturteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 15.03.2024 (Bl. 1 f. d. OLG-eAkte) eingelegte und mit Schriftsatz vom 15.05.2024 (Bl. 8 ff. d. OLG-eAkte) begründete Berufung des Beklagten.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I abzuändern und zu erkennen wie folgt:
- 1.
-
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.2.
-
Im Wege der Widerklage:
Die Klägerin wird verurteilt, den Betrag von 5.479,60 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2024, unter dem Az. ... beim Amtsgericht München wieder zu hinterlegen.
Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 5.479,60 € nebst Zinsen, die 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegen, seit 01.04.2024 zu bezahlen.
21
Die Klägerin beantragt:
- 1.
-
Die Berufung zurückzuweisen.
- 2.
-
Die Widerklage abzuweisen.
22
Die Klägerin ist der Ansicht, sie könne dem Beklagten den Löschungsanspruch aus § 1179a Abs. 1 BGB entgegen halten, da in der Person des Beklagten aufgrund der Erbschaft Konfusion eingetreten sei. Damit will sie zu ihren Gunsten die Auffüllung der Auszahlung des vollen Betrages auf die Zwangssicherungshypothek unter Abt. III Nr. 11 erreichen. Die ebenfalls davon partizipierenden Berechtigten der Belastungen Abt. III Nr. 8.1 bis 10 würden nach Klageansicht einfach – wertneutral – aufrücken und der bei Abt. III Nr. 8 freiwerdende Teilbetrag damit im Ergebnis ihr zugute kommen.
23
Der Beklagte trägt vor, er habe Nachlassinsolvenz sinnvollerweise nicht beantragen können, da keine Masse vorhanden gewesen sei, welche die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens getragen hätte. Er verweist auf die von ihm erhobene Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nach § 1990 BGB. Diese müsse bei wertender Betrachtung jedenfalls hier zur Folge haben, dass es zu einer Vermögenstrennung von Nachlass und Eigenvermögen des Erben komme – wie bei Anordnung von Nachlassinsolvenz oder -verwaltung. Daher sei keine Konfusion beim Beklagten eingetreten und zudem greife der Löschungsanspruch nach § 1179a Abs. 1 BGB in der vorliegenden Konstellation nicht. Es sei zu berücksichtigen, dass dem Beklagten im Falle des § 1936 S. 1 BGB das Recht fehle, die Erbschaft auszuschlagen, § 1942 Abs. 2 BGB. Jeder andere Erbe könne dies und dann aufgrund seines vorrangig gesicherten Rechts gegen den festzustellenden Erben aus dem gesicherten Rang heraus vorgehen. Die Position des Beklagten als Zwangserben sei daher deutlich schlechter gegenüber jedem anderen Erben. Das Ergebnis sei, dass gegebenenfalls schlechter gesicherten Gläubiger dann ungerechtfertigt bessergestellt würden. Nicht nur, dass dem Beklagten als Fiskalerbe die Abwicklung der Erbschaft gesetzlich aufgebürdet sei, werde ihm darüber hinaus auch Vermögen entzogen, nämlich ein Anspruch, den er vorher gehabt habe und den er sich auch nicht durch Ausschlagung der Erbschaft erhalten könne.
24
Vor dem Senat fand am 25.11.2024 eine mündliche Verhandlung statt, wegen deren Inhalts und Verlaufs auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 30 ff. d. OLG-eAkte) verwiesen wird.
25
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
26
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist richtig.
27
Dessen Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsinstanz vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil, auf das Bezug genommen wird, nicht erschüttern.
28
Ergänzend ist Folgendes anzumerken:
29
1. Die Klage ist begründet.
30
a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 1179a Abs. 1 BGB i.V.m. § 91 Abs. 4 ZVG, so gestellt zu werden, als sei das Eigentümerrecht des Beklagten bereits vor dem Zuschlag gelöscht worden, da ihr in Höhe von 5.479,60 € ein besseres Recht an dem nach Buchstabe B Ziffer 4.3 i.V.m. Buchstabe E Ziffer 6 des Verteilungsplans des Amtsgerichts München vom 31.05.2023 zu verteilenden Erlös in Höhe von 7.582,05 € zusteht. Sie hat also in diesem Umfang einen Anspruch auf den Erlösanteil, der auf das Eigentümerrecht entfällt. Es greift insoweit – wie das Landgericht zutreffend annahm – die Hilfszuteilung nach Buchstabe F des Verteilungsplans.
31
Nach § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger einer Hypothek von dem Eigentümer verlangen, dass dieser eine vorrangige oder gleichrangige Hypothek löschen lässt, wenn sie im Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek des Gläubigers mit dem Eigentum in einer Person vereinigt ist oder eine solche Vereinigung später eintritt. Gemäß § 1179a Abs. 1 S. 3 BGB ist der Löschungsanspruch so gesichert, als wäre zu seiner Sicherung gleichzeitig mit der begünstigten Hypothek eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen worden.
32
Im Verteilungsverfahren wird der gesetzliche Löschungsanspruch des § 1179a BGB nur berücksichtigt, wenn er spätestens im Verteilungstermin geltend gemacht ist (Achenbach in: Stöber, ZVG-Handbuch, 10. Aufl., 1. Teil, Kap. 4 M. XV. 2., Rz. 1096)-was die Klägerin unstreitig tat.
33
Nach § 91 Abs. 1 ZVG erlöschen unter der nach § 90 Abs. 1 ZVG bestimmten Voraussetzung die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen. Nach § 91 Abs. 4 ZVG hat aber das Erlöschen eines Rechts, dessen Inhaber zur Zeit des Erlöschens nach § 1179a BGB die Löschung einer bestehen bleibenden Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld verlangen kann, nicht das Erlöschen dieses Anspruchs zur Folge.
34
Daraus folgt im Rahmen der Zwangsversteigerung, dass im Falle des § 1179a Abs. 1 BGB der begünstigte nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger vom vorrangigen Grundpfandrechtsgläubiger und Eigentümer den Anteil am Erlös beanspruchen kann, der auf dessen Recht entfällt, wenn – wie hier – beide Rechte durch Zuschlag erlöschen. Im Verteilungsverfahren wirkt sich dieses Recht dergestalt aus, dass der nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger, soweit er seine Rechte geltend macht, so gestellt werden muss, als sei das Eigentümerrecht schon vor dem Zuschlag gelöscht worden (BGH, Urteil v. 09.03.2006, Az. IX ZR 11/05, Rz. 8; Urteil v. 22.01.1987, Az. IX ZR 100/86, juris Rz. 8; OLG Hamburg, Urteil v. 02.04.2009, Az. 11 U 200/06, juris Rz. 11; Wenzel in: Erman, BGB, 17. Aufl., § 1179a Rz. 14), so dass er bei der Erlösverteilung „aufrückt“ (Kiderlen/Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 13. Aufl., Kap. C. 4.2).
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Mithin kann vorliegend die Klägerin in Höhe von 5.479,60 € den Anteil am Versteigerungserlös beanspruchen, der bei der Verteilung auf das im Grundbuch in Abt. III Ziff. 8 eingetragene Sicherungsrecht des Beklagten entfallen würde.
36
b) Entgegen der Berufung liegen die Voraussetzungen des § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB hier vor.
37
aa) Auf die von den Parteien erstinstanzlich vor allem problematisierte Frage, ob vorliegend die Fiskalerbschaft des Beklagten nach § 1936 S. 1 BGB aufgrund § 1967 Abs. 1 BGB eine Konfusion nach sich zog mit der Folge, dass dessen Anspruch gegen die Erblasserin bzw. deren Nachlass erlosch, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an, weshalb der Senat sie offen lassen kann.
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aaa) Sollte – wie dies der Beklagte vertritt – keine Konfusion eingetreten sein, so hätte seine vorrangige (Zwangssicherungs-)Hypothek wegen Weiterbestands seiner Forderung über den Erbfall hinaus fortbestanden, weswegen § 1179a Abs. 1 BGB grundsätzlich direkt anwendbar wäre.
39
bbb) Näher liegt hingegen – wie die Klägerin meint und wofür die finanzgerichtliche Rechtsprechung spricht (BFH, Urteil v. 07.03.2006, Az. VII R 12/05, juris Rz. 20 ff.; FG Münster, Beschluss v. 24.01.2023, Az. 7 V 2136/22, juris Rz. 36; FG Saarland, Beschluss v. 16.10.2002, Az. 2 K 213/02, juris Rz. 3; ebenso Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 183. Lfg., 10/2024, § 47 AO Rz. 10) –, dass Konfusion eingetreten und somit der Anspruch des Beklagten nach § 47 AO ohne weiteres erloschen ist.
40
Die Konfusion scheitert dabei nicht daran, dass nach Eintritt einer Fiskalerbschaft Gläubiger und Schuldner nur scheinbar identische Personen seien, weil Gläubiger des Steueranspruchs das Bundesland als Organ des öffentlichen Rechts ist, während gesetzlicher Erbe das Land in seiner Eigenschaft als Person des Privatrechts ist. Steuergläubiger und gesetzlicher Erbe ist der Beklagte als Gebietskörperschaft und juristische Person des öffentlichen Rechts. Daneben existiert keine weitere juristische Person als Inhaber des privatrechtlichen Staatserbrechts. Insbesondere hat der hiesige Beklagte von der den Bundesländern in Art. 138 EGBGB eingeräumten Möglichkeit, im Falle des § 1936 BGB anstelle des Fiskus eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts zum gesetzlichen Erben zu bestimmen, keinen Gebrauch gemacht (s. insg. hierzu FG München, Urteil v. 20.01.2005, Az. 11 K 3979/03, juris Rz. 37).
41
Bei Annahme einer Konfusion hätte sich die Hypothek des Beklagten infolge Wegfalls der besicherten Forderung nach § 1163 Abs. 1 S. 2, § 1177 Abs. 1 S. 1 BGB in eine Eigentümergrundschuld umgewandelt, für welche § 1179a Abs. 1 BGB gleichwohl ebenfalls gelten würde, § 1192 Abs. 1 BGB (Rebhan in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.09.2023, § 1192 BGB Rz. 3; Rohe in: BeckOK BGB, 71. Ed., Stand: 01.08.2024, § 1192 Rz. 39; Staudinger in: Schulze, BGB, 12. Aufl., § 1192 Rz. 2; Berger in: Jauernig, BGB, 19. Aufl., § 1192 Rz. 2).
42
bb) Entscheidend ist dagegen die Frage, ob es hier zu einer Vereinigung von Grundpfandrecht und Eigentum i.S.v. § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB in der Person des Beklagten kam oder ob die vom Beklagten erhobene Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses gemäß § 1990 BGB dem entgegen steht.
43
Gemeint ist in § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB nur die endgültige bzw. endgültig gewordene Vereinigung (OLGHamburg, Urteil v. 16.12.1965, Az. 3 U 312/65 [OLGZ 1966, 288]; Rohe in: BeckOK BGB, 71. Ed., Stand: 01.08.2024, § 1179a Rz. 4 i.V.m. § 1179 Rz. 3; Reischl in: jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 15.03.2023, § 1179a Rz. 16) – hier aufgrund § 1922 Abs. 1 BGB.
44
Unter Vereinigung kann nur die Herbeiführung eines Zustands verstanden werden, bei dem sich Eigentum und Grundpfandrecht in derselben Vermögensmasse befinden (Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 1179a Rz. 41; Neie in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.06.2024, § 1179a BGB Rz. 27).
45
aaa) Die unbestritten erstmals mit Schreiben vom 03.06.2022 gegenüber der für die Klägerin agierenden P...GmbH erfolgte Erhebung der Einrede nach § 1990 BGB war wirksam.
46
α) Die Erhebung ist auch dem Fiskus als Erbe gestattet (BGH, Urteil v. 14.12.2018, Az. V ZR 309/17, Rz. 11; Horn in: Erman, BGB, 17. Aufl., § 1990 Rz. 1)
47
ß) αα) Der Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Dürftigkeit des Nachlasses i.S.d. § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB und damit die wirksame Erhebung der Einrede (Herzog in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2024, § 1990 BGB Rz. 142; Lohmann in: BeckOK BGB, 71. Ed., Stand: 01.08.2024, § 1990 Rz. 4; Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 1990 Rz. 3; Gottwald in: Damrau/Tanck, Praxiskommentar Erbrecht, 4. Aufl., § 1990 Rz. 8).
48
ßß) Der Beklagte hat nach entsprechendem Hinweis des Senats vom 16.09.2024 (Bl. 23 d. OLG-eAkte) mit Schriftsatz vom 06.11.2024 (Bl. 25 ff. d. OLG-eAkte sowie Anlagen B 3 bis B 5) die Dürftigkeit des Nachlasses der Erblasserin substantiiert dargelegt.
49
Wenn die Klägerin bemängelt, dass ein detailliertes Nachlassverzeichnis unter Ausweis sämtlicher Aktiva und Passiva nicht vorgelegt worden sei, so ist darauf zu verweisen, dass nach § 2011 S. 2 BGB der Fiskus zwar den Nachlassgläubigern gegenüber verpflichtet ist, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Gemäß § 2011 S. 1 BGB besteht für ihn als gesetzlichem Erben nach § 1936 S. 1 BGB indes keine Inventarpflicht (Leiß in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.09.2024, § 2011 BGB Rz. 6; Lohmann in: BeckOK BGB, 71. Ed., Stand: 01.08.2024, § 2011 Rz. 2; Odersky in: Kroiß/Horn, BGB: Erbrecht, 6. Aufl., § 2011 Rz. 4).
50
bbb) Die wirksame Einrede gemäß § 1990 BGB ist aber nicht geeignet, eine Vereinigung von Grundpfandrecht und Eigentum i.S.v. § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB in der Person des Beklagten zu verhindern.
51
Ob die Beklagtenansicht zutrifft, dass die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB eine – der Vereinigung gemäß § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB dann entgegen stehende – förmliche Trennung der Vermögensmassen von Nachlass und Eigenvermögen des Erben – wie im Falle der Nachlassverwaltung und -insolvenz (BGH, Urteil v. 11.05.2006, Az. IX ZR 42/05, Rz. 11; Preuß in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.11.2024, § 1922 BGB Rz. 128; Ahrens in: BeckOK ZVG, 15. Ed., Stand: 01.11.2024, § 178 Rz. 1; Riewe/Kaubisch in: BeckOK Insolvenz-recht, 37. Ed., Stand: 01.11.2024, § 83 InsO Rz. 14a) – zur Folge hat oder nicht, ist umstritten.
52
α) Eine Literaturansicht geht davon aus, dass durch die Einrede eine solche Vermögenstrennung ebenfalls herbeigeführt werde (Gottwald in: Damrau/Tanck, Praxiskommentar Erbrecht, 4. Aufl., § 1990 Rz. 6; Lohmann in: BeckOK BGB, 71. Ed., Stand: 01.08.2024, § 1990 Rz. 2; wohl auch Stümer in: Jauemig, BGB, 19. Aufl., §§ 1990, 1991 Rz. 8).
53
Diese Auffassung vermag nach Ansicht des Senats allerdings schon deswegen nicht zu überzeugen, da deren Vertreter dieses Ergebnis begründungslos postulieren.
54
ß) αα) Jedenfalls die finanzgerichtliche Rechtsprechung (ausdrücklich BFH, Urteil v. 17.01.2008, Az. VI R 45/04, juris Rz. 11) und die h.M. in der Literatur (s. z.B. Herzog in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2024, § 1990 BGB Rz. 39; Lange, Erbrecht, 3. Aufl., Kap. 17, § 73 Rz. 199 und die nachfolgenden Nachweise) lehnen dies ab.
55
Die Einrede diene lediglich der Abwehr des Zugriffs von Nachlassgläubigern auf das Eigenvermögen des Erben und habe nicht dessen Absonderung vom Nachlass zur Folge (Weidlich in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1990 Rz. 6, § 1991 Rz. 1; Lenz-Brendel in: Bonefeld/Kroiß/Tanck, Der Erbprozess, 6. Aufl., § 7 Rz. 285). Die Einrede bewirke nur, dass eine Vollstreckung des Nachlassgläubigers in das Eigenvermögen des Erben unmöglich werde (Hartman, ZEV 2009, 324 [325]). Die infolge des Erbfalls eingetretene Vermögenszuordnung als solche bleibe durch die Erhebung der Dürftigkeitseinrede unberührt (BGH, Urteil v. 10.12.1990, Az. II ZR 256/89, juris Rz. 13). Allenfalls sei von einer fiktiven bilanziellen Trennung von Nachlass und Eigenvermögen zu sprechen (Herzog in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2024, § 1990 BGB Rz. 3; Horn in: Erman, BGB, 17. Aufl., § 1990 Rz. 1; Herzog, ErbR 2013, 70 [74]).
56
ßß) Für diese Ansicht spricht nach Auffassung des Senats, dass die Beschränkung der Haftung infolge der Dürftigkeitseinrede - im Unterschied zu Nachlassverwaltung und -insolvenz – nur relativ (Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 1991 Rz. 5) erfolgt, d.h. lediglich gegenüber dem Gläubiger wirkt, gegenüber dem sie geltend gemacht wurde (Weidlich in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1975 Rz. 1). Eine Trennung der Vermögensmassen würde und müsste demgegenüber aber gegen jedermann gelten (Dusch, DStR 2013, 844).
57
γ) Der Beklagte wendet ein, dass letztere Auffassung jedenfalls im vorliegenden Fall unbillig sei. § 1179a Abs. 1 BGB dürfe in diesem Sinne nicht „schematisch“ angewandt werden.
58
Er habe zumindest zweckmäßigerweise einen Antrag auf eine die Vermögenstrennung herbeiführende Nachlassinsolvenz nicht stellen können, da keine Masse vorhanden gewesen sei, welche die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens gedeckt hätte.
59
Die eine Vermögenstrennung i.R.d. § 1990 BGB ablehnende Ansicht berücksichtige nicht den Sonderfall, dass einem Erben das Recht fehle, die Erbschaft auszuschlagen – wie dem Beklagten nach § 1942 Abs. 2 BGB im Rahmen einer Noterbschaft nach § 1936 S. 1 BGB. In jedem anderen Fall könne der Erbe sein Vermögen bei einem mittellosen Nachlass jedenfalls durch Ausschlagung schützen und so einem Löschungsanspruch aus § 1179a BGB vorbeugen und sein vorrangiges Grundpfandrecht erhalten.
60
δ) Das ist nach Meinung des Senats ein gewichtiges Argument, das eine objektiv wenig nachvollziehbare „Schieflage“ des hier miteinander verzahnten erb- und sachenrechtlichen Regelungssystems aufzeigt.
61
Dies kann aus Senatssicht gleichwohl nicht dazu führen, dass die Rechtsfolge des § 1990 BGB nur für bestimmte Erben – die Länder und gegebenenfalls den Bund – und nur in bestimmten Fällen – bei gesetzlichem Staatserbe gemäß § 1936 BGB (und nicht bei gewillkürter Erbschaft) – eine andere sein soll als sonst und nur in diesen Konstellationen nun doch eine Trennung der Vermögensmassen angenommen oder gar eine Vereinigung i.S.v. § 1179a BGB verneint werden könnte. Würde der Senat im Sinne des Beklagten entscheiden und eine teleologische Reduktion von § 1990 BGB und/oder § 1179a BGB in diesem Sinne vornehmen, würde er die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seiner Auffassung nach deutlich überschreiten (BVerfG, Beschluss v. 25.01.2011, Az. 1 BvR 918/10, Rz. 53; BGH, Urteil v. 11.06.2024, Az. VI ZR 133/23, Rz. 21).
62
Richterliche Rechtsauslegung darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird (BGH, Urteil v. 09.07.2024, Az. XI ZR 44/23, Rz. 46; Urteil v. 24.06.2020, Az. IV ZR 275/19, Rz. 22; Urteil v. 28.06.2017, Az. IV ZR 440/14, Rz. 24). Der Senat darf nicht im Wege der Rechtsfortbildung seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (BVerfG, Beschluss v. 09.08.2023, Az. 2 BvR 1373/20, Rz. 29; BGH, Urteil v. 27.02.2024, Az. XI ZR 258/22, Rz. 23; BAG, Urteil v. 28.05.2024, Az. 9 AZR 76/22, juris Rz. 18); anderenfalls liegt unzulässige Rechtsschöpfung vor.
63
Eine entsprechende ausdrückliche Anpassung des Erb- und/oder Sachenrechts insoweit wäre infolgedessen alleine Aufgabe des Gesetzgebers. Zunächst findet die vom Beklagten begehrte Differenzierung bei der Anwendung von § 1990 BGB und in der Folge § 1179a BGB nirgendwo Widerhall im Gesetz. Darüber hinaus ist insoweit keine erkennbar planwidrige Gesetzeslücke ersichtlich, um eine dahingehende gesetzgeberische Intention feststellen zu können. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass der Gesetzgeber mit Art. 138 EGBGB dem Beklagten grundsätzlich eine rechtliche Möglichkeit zur Trennung der Vermögensmassen und Vermeidung einer Vereinigung i.S.v. § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB eröffnet hat. Art. 138 EGBGB behält es der Landesgesetzgebung vor, im Falle des § 1936 S. 1 BGB „an Stelle des Fiskus“ eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts treten zu lassen. Die Vorschrift gestattet eine völlige Substitution des Fiskus als Erben durch eine an dessen Stelle tretende, erbberechtigte Körperschaft (Mittelstädt in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, Updatestand: 31.05.2021, Art. 138 EGBGB Rz. 7), die dann dieselbe erbrechtliche Stellung hat, wie sie jenem zukommt (Schlichting in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., Art. 138 EGBGB Rz. 4). Diese Option hat der Beklagte nicht genutzt (zur Situation in den anderen Bundesländern: s. Mittelstädt in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, Updatestand: 31.05.2021, Art. 138 EGBGB Rz. 9 ff.). Ein Regelungslücke verbleibt daher allenfalls für den Bund als gesetzlicher Erbe nach § 1936 S. 2 BGB.
64
2. Die Widerklage ist unbegründet, da der Klägerin – wie vorstehend geschildert – ein Anspruch in Höhe von 5.479,60 € an dem nach Buchstabe B Ziffer 4.3 i.V.m. Buchstabe E Ziffer 6 des Verteilungsplans des Amtsgerichts München vom 31.05.2023 zu verteilenden Erlös in Höhe von 7.582,05 € zusteht.
65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 1, 2, § 711 S. 1, 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
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1. Die Revision gegen dieses Urteil nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO.
67
a) Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn der Fall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, wofür allerdings nur dann Anlass besteht, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschluss v. 28.09.2023, Az. III ZB 93/22, juris Rz. 4; Beschluss v. 04.06.2019, Az. II ZR 264/18, Rz. 16; Beschluss v. 04.07.2002, Az. V ZB 16/02, juris Rz. 6).
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Die Gesichtspunkte, die Gegenstand der geltend gemachten Rechtsfortbildung sind, müssen entscheidungserheblich sein, weil gerade der Einzelfall Veranlassung zur Rechtsfortbildung geben muss (BGH, Beschluss v. 20.12.2023, Az. EnVZ 93/20, Rz. 8; Beschluss v. 27.06.2023, Az. KVZ 33/22, juris Rz. 11).
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b) Davon ist hier auszugehen.
70
aa) Zu der für den Ausgang des hiesigen Rechtsstreits entscheidenden Frage, ob es im Falle der staatlichen Zwangserbschaft von Immobilien nach § 1936 BGB bei Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB zu keiner Trennung der Vermögensmassen des Nachlasses und des staatlichen Eigenvermögens und damit zur Vereinigung eines Grundpfandrechtes zu Gunsten des Fiskus und dessen Eigentum i.S.v. § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB kommt, liegt – soweit ersichtlich – überhaupt keine, jedenfalls noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
71
bb) Die Beantwortung dieser Rechtsfrage hat weit über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen.
72
Alleine dem Beklagten sind in den Jahren 2006 bis 2015 insgesamt 5.607 Nachlassimmobilien im Rahmen des gesetzlichen Staatserbrechts zugefallen, wovon 948 zwangsversteigert wurden (vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 17/14904 v. 27.02.2017, S. 2 und Anlage 4). Dabei bleiben die Fallzahlen für die übrigen Bundesländer noch außer Betracht. Bereits hierdurch zeigt sich das tatsächliche und wirtschaftliche Gewicht der Sache für den beteiligten Rechtsverkehr.
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Durch die hier entscheidungserhebliche Frage werden die Allgemeinheit und deren Interessen folglich in besonderem Maße berührt, was ein Tätigwerden des Revisionsgerichts erforderlich macht.
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cc) Wollte man im Sinne des Beklagten entscheiden, läge zudem wohl eine Divergenz zur oben darstellten Rechtsprechung des BFH vor, für deren Klärung gemäß § 2 Abs. 1 RsprEinhG nur der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zuständig wäre, dem nur der BGH berufen wäre, diese Frage nach § 11 RsprEinhG vorzulegen.
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2. Die Revision ist zum BGH zuzulassen.
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In Verfahren, in denen ein bayerisches Berufungsgericht die Revision zulässt, hat dieses nach § 7 Abs. 1 S. 1 EGZPO gleichzeitig über die Zuständigkeit entweder des BayObLG oder des BGH für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zu befinden; die Entscheidung ist für das gesamte weitere Verfahren gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 EGZPO bindend (BGH, Beschluss v. 18.02.2021, Az. III ZR 79/20, Rz. 5).
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Vorliegend ist der BGH und nicht das BayObLG für die Verhandlung und Entscheidung über die Revision des Klägers zuständig, § 7 Abs. 1 EGZPO i.V.m § 8 Abs. 2 EGGVG und Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG.