Titel:
Nachbarantrag, Baugenehmigung, Gartenhütte, Abstandsflächen, Brandschutz
Normenkette:
BayBO Art. 6
Schlagworte:
Nachbarantrag, Baugenehmigung, Gartenhütte, Abstandsflächen, Brandschutz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34370
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer Gartenhütte auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (Baugrundstück).
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Auf dem Baugrundstück befinden sich zwei Doppelhaushälften sowie eine an der nordwestlichen Grundstücksgrenze errichtete Doppelgarage mit einer Kubatur von 6 x 6 m.
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Mit Bescheid vom 27. August 2024 erteilte das Landratsamt ... den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Gartenhütte an der südlichen Grundstücksgrenze. Beantragt und genehmigt war eine Gartenhütte mit einer Länge von 4,91 m und einer Breite von 5,79 m. Auf den Inhalt des Bescheids vom 27. August 2024 im Übrigen wird Bezug genommen.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des südlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks, FlNr. …2 der Gemarkung …
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Mit Schreiben vom 8. September 2024, bei Gericht am 9. September 2024 eingegangen, erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 27. August 2024 (Az. M 9 K 24.5463) und beantragte zudem sinngemäß,
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die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. M 9 K 24.5463) anzuordnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Brandschutz im Rahmen der Genehmigung nicht geprüft worden sei. Zudem liege ein Verstoß gegen die Abstandsflächenregelungen gemäß Art. 6 BayBO vor. Schließlich entspreche die bisherige Bauausführung nicht den genehmigten Planunterlagen. Auf den Inhalt des Schreibens im Übrigen wird Bezug genommen
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 26. September 2024, eingegangen bei Gericht am 1. Oktober 2024,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden darf, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Die Abstandsflächenvorschriften seien durch das Vorhaben eingehalten. Die Gartenhütte habe zwar nur einen Abstand von 51 cm bis 70 cm zur Grundstücksgrenze, könne jedoch gemäß Art. 6 Abs. 7 BayBO als Gebäude ohne Aufenthaltsräume mit einer Wandhöhe an der grenzzugewandten Seite von 2,57 m ohne eigene Abstandsflächen errichtet werden. Die Länge der Grenzbebauung durch die Hütte betrage 5,79 m und an der nördlichen Grundstücksgrenze befinde sich noch eine Grenzgarage mit einer Länge von ca. 6 m, so dass die die Abstandsflächen nicht einhaltende Bebauung insgesamt 15 m nicht überschreite. Die brandschutzrechtlichen Vorschriften würden im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft und die Baugenehmigung enthalte dementsprechend hierzu keine Feststellungswirkung. Bedenken gegen die Ausführung des Gebäudes seien in einem eigenständigen bauaufsichtlichen Verfahren geltend zu machen. Auf den Inhalt des Schriftsatzes im Übrigen wird Bezug genommen.
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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch in dem Verfahren M 9 K 24.5463, und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 9. September 2024 gegen die erteilte Baugenehmigung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Dritten, hier des Nachbarn, die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessungsentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
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2. Gemessen hieran überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und der Beigeladenen gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da die Klage der Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass Nachbarn wie die Antragstellerin eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden, subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer Nachbarklage keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20 m.w.N). Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (sog. Schutznormtheorie, vgl. etwa Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 42 Rn. 89 ff.). Ferner ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO sind (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
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Solche Vorschriften sind im vorliegenden Fall jedoch nach nicht verletzt.
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a. Die erteilte Baugenehmigung verletzt die drittschützenden abstandsflächenrechtlichen Vorschriften nicht.
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Bei der in einem Abstand von 51 cm bis 70 cm zur klägerischen Grundstücksgrenze errichteten Gartenhütte handelt es sich um ein nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO abstandsflächenrechtlichprivilegiertes Gebäude.
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Nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO brauchen die dort genannten baulichen Anlagen zur Grundstücksgrenze keine Abstandsflächen einzuhalten, wenn eine Wandhöhe von 3 m im Mittel nicht überschritten wird.
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Bei der Gartenhütte handelt es sich um ein Gebäude ohne Aufenthaltsraum, d.h. um eine Gebäude ohne einen Raum, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist (vgl. Art. 2 Abs. 5 BayBO). Räume zur Lagerung und Aufbewahrung von Gegenständen sind keine Aufenthaltsräume (Jäde/Schmid in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, 77. EL Oktober 2021, Art. 2 Rn. 163). In objektiver Hinsicht genügen Raumhöhe und Größe des Raums zwar durchaus den Mindestanforderungen eines Aufenthaltsraums, in Bezug auf die Belichtungssituation ist dies allerdings nicht zu bejahen. Mangels Fenstern (vgl. Art. 45 Abs. 2 BayBO) und somit keiner ausreichenden Belichtung ist eine mehr als nur vorübergehende Nutzung des Raumes nicht möglich. Dass die Gartenhütte zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt bestimmt ist, ist somit nach Aktenlage nicht gegeben.
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Da Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO auf die mittlere Wandhöhe abstellt, ist nicht die maximale Wandhöhe ausschlaggebend, sondern das über die gesamte Außenwandbreite gemittelte Maß (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2009 – 1 ZB 07.3058 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 12.10.2006 – 25 ZB 03.1471 – juris; Kühner in Busse/Kraus, BayBO, Stand Juni 2024, Art. 6 Rn. 527).
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Nach dem mit dem Bauantrag vorgelegten Schnitt A-A beträgt die grenzständige Wandhöhe der Gartenhütte, gemessen vom unveränderten Urgelände auf dem Baugrundstück maximal 2,57 m und liegt damit deutlich unter der zulässigen mittleren Wandhöhe von maximal 3 m.
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Die im Rahmen von Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO zulässige Gesamtlänge von 9 m je Grundstücksgrenze hält das Vorhaben vorliegend ein, da sich ausweislich des mit dem Bauantrag vorgelegten Auszugs aus dem Liegenschaftskataster abgesehen von dem Vorhaben keine weiteren baulichen Anlagen an der südlichen Grundstücksgrenze befinden.
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Auch die Voraussetzung des Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO hält das Vorhaben ein. Nach Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO darf die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten. Das Bauvorhaben selbst hält auf einer Länge von 5,79 m die Abstandsflächen an der südlichen Grundstücksgrenze nicht ein. Abgesehen vom Bauvorhaben befindet sich an der nordwestlichen Ecke des Baugrundstücks eine Grenzgarage, welche ausweislich des mit dem Bauantrag vorgelegten Auszugs aus dem Liegenschaftskataster sowie des vorgelegten Eingabeplans „Errichtung von zwei Doppelhaushälften und zwei Garagen“ die Abstandsflächen mit Blick auf die nördliche Grundstücksgrenze auf einer Länge von 6 m nicht einhält. Im Hinblick auf die westliche Grundstücksgrenze hält diese Garage die Abstandsflächen ein, da die Abstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO auf der Straße FlNr. …3, Gemarkung … (* …straße) als öffentliche Verkehrsfläche bis zu deren Mitte liegen dürfen. Die Straße selbst hat ausweislich des Auszugs aus dem Liegenschaftskataster eine Breite von über 6 m, so dass die durch die maximale Höhe der Garage von 2,80 m erforderliche Abstandsfläche von 3 m bis zu der Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche zum Liegen kommen kann. Die Länge der die Abstandsflächentiefe nicht einhaltenden Bebauung liegt mit insgesamt 11,79 m (6 m an der nördlichen Grundstücksgrenze und 5,79 m an der südlichen Grundstücksgrenze) deutlich unter der nach Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO maximal möglichen Länge von 15 m.
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b. Auch soweit die Antragstellerin vorträgt, dass es Mängel beim Brandschutz gebe, führt dies nicht zu einer Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilt. Brandschutzrechtliche Vorschriften sind nicht Bestandteil des Prüfprogramms des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens.
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c. Soweit sich die Antragstellerin auf eine planabweichende Ausführung beruft, führt auch dies nicht zu einer Verletzung eigener Rechte, da ist im vorliegenden Verfahren die erteilte Baugenehmigung angefochten ist und das Gericht damit nur über deren Rechtmäßigkeit entscheiden darf. Allein die erteilte Baugenehmigung mit den zugrundeliegenden Unterlagen ist somit Beurteilungsgegenstand und nicht die tatsächliche Ausführung der Baugenehmigung.
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d. Sonstige Rechtsverletzungen der Antragstellerin sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Nach alledem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dort Nrn. 9.7.1 sowie 1.5.