Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 29.11.2024 – 18 Qs 30/24
Titel:

Keine Einziehung bei einer natürlichen Person wegen Zahlung von Schwarzlöhnen für eine Gesellschaft

Leitsätze:
1. Im Falle des Erlangens „durch eine rechtswidrige Tat“ im Sinne des § 73 Abs. 1 1. Alt. StGB muss abzuschöpfende Vermögensvorteil der Tathandlung – in zeitlicher Hinsicht – nachfolgen. (Rn. 9 und 17)
2. Die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes unterliegt § 73b Abs. 2 StGB. Weil Ersparnisse dort allerdings nicht erfasst werden, könnten sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden. (Rn. 9 und 20 – 21)
3. Für eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Satz 1 StGB ist erforderlich, dass das durch eine nicht konkretisierbare andere rechtswidrige Tat Erlangte bei Begehung der Anlasstat im Vermögen desjenigen, gegen den sich die Einziehungsanordnung richtet, gegenständlich oder in Gestalt eines Surrogats vorhanden war. Das zuvor Verbrauchte oder erst später Erworbene unterfällt den §§ 73a, 73c StGB nicht. (Rn. 35)
4. Auf eine Beschwerde gegen einen Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung nach § 111e StPO hin kann das Beschwerdegericht nach Verneinung der Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz und demgemäßer Aufhebung des Arrests die Beschlagnahme nach § 111b StPO unter der Annahme anordnen, die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes lägen vor. (Rn. 39 – 40)
Den bei einer  Gesellschaft "abgeholten" Betrag für die Entrichtung von Schwarzlöhnen erlangt der Abholer nicht durch die rechtswidrige Tat des § 266a StGB (Ergänzung zu BGH BeckRS 2024, 10206).  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einziehung, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Gesellschaft, Schwarzlohn, Auszahlung, Tathandlung
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 04.05.2022 – 57 Gs 5023/22
Fundstellen:
BeckRS 2024, 34362
FDStrafR 2025, 934362

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten I. K. hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 04.05.2022 (57 Gs 5023/22) aufgehoben.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer und Beschuldigte wendet sich gegen die Anordnung eines Vermögensarrestes.
2
1. Die Staatsanwaltschaft N.-F. führt ein Ermittlungsverfahren gegen eine Vielzahl von Beschuldigten, u.a. gegen den (Mit-) Beschuldigten A. K. wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und gegen den Beschwerdeführer wegen Beihilfe hierzu. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde ursprünglich am 04.03.2020 durch das Hauptzollamt ... eingeleitet (Bl. 370) und nach Eingang bei der Staatsanwaltschaft N.-F. am 08.05.2020 dort mit Verfügung vom 12.05.2020 (Bl. 591) erfasst. Die Staatsanwaltschaft N.-F. beantragte auf Anregung des Hauptzollamtes ... vom 29.04.2020 (Bl. 529-590) mit Verfügung vom 18.06.2020 mehrere Durchsuchungsbeschlüsse (Bl. 600-601), u.a. hinsichtlich der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers. Der beantragte Durchsuchungsbeschluss wurde vom Amtsgericht Nürnberg – Ermittlungsrichter – am 24.06.2020 erlassen (Bl. 654-660) und am 18.05.2021 vollzogen (TEA XIV, EA 5, Bl. 8-10; pdf Bl. 80-82). Bei der Durchsuchung wurde eine Geldkassette unter Küchenhandtüchern versteckt in der Küche gefunden und als Zufallsfund sichergestellt (TEA XIV, EA 5, Bl. 27-28; pdf Bl. 100-101). Sowohl die Ehefrau als auch die Tochter des Beschuldigten hatten keinen Schlüssel für die Geldkassette (TEA XIV, EA 5, Bl. 27-28; pdf Bl. 100-101). In dieser befand sich Bargeld in Höhe von 91.980 Euro (aufgeteilt in 13 beschrifteten Umschlägen). Die hiervon gefertigten Lichtbilder (TEA XIV, EA 5, Bl. 14-21; pdf Bl. 87-94) zeigen jeweils auf Stapeln gleicher Stückelung liegende neu erscheinende Geldscheine und jeweils einen Umschlag, auf dem Zahlen stehen, welche möglicherweise die jeweilige Anzahl der auf eine bestimmte Summe lautenden Geldscheine widerspiegeln. Laut Vermerk des Hauptzollamts Nürnberg vom 20.04.2022 (Bl. 2247) wurden die Geldkassette und das Bargeld daraufhin „zur Durchsicht gem. § 110 StPO sichergestellt“.
3
2. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 11.04.2022 widersprach der Beschwerdeführer der Sicherstellung der Geldkassette samt Inhalt und forderte deren Herausgabe nebst einiger weiterer Dokumente (Bl. 2233-2234). Ausgeführt wurde, es sei nicht einmal ansatzweise erkennbar, „als welches Beweismittel die Geldkassette mit Bargeldinhalt ein Beweismittel nach § 110 StPO sein“ solle. Dies gelte umso mehr, als vorgeworfen werde, Beihilfe zum Sozialversicherungsbetrug geleistet zu haben, indem Kontakte zu vermeintlichen Servicegesellschaften hergestellt worden seien. Allein hieraus ergebe sich, dass es zwischen dem Tatvorwurf gegen ihn und dem Auffinden eines Bargeldbestandes, den die Familie … über Jahre hinweg angespart habe, keinen wie auch immer gearteten Zusammenhang gebe und die Kassette mit Inhalt mithin kein dem § 110 StPO unterfallendes Beweismittel sein könne.
4
3. Unter dem 20.04.2022 regte das Hauptzollamt ... an, die Staatsanwaltschaft möge bei dem Amtsgericht Nürnberg hinsichtlich des Beschwerdeführers einen Beschluss über die Anordnung eines Vermögensarrests über eine Summe von € 225.533,75 gemäß den „§§ 111e Abs. 1, 111 j Abs. 1 StPO i.V.m. 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB“ erwirken. Hilfsweise wurde angeregt, hinsichtlich des in der Geldkassette aufgefundenen Betrages in Höhe von € 91.980,00 einen Vermögensarrest gemäß den „§§ 111e Abs. 1, 111 j Abs. 1 StPO i.V.m. 73 a, 73d, 73c StGB (…) zur Sicherung der Vollstreckung des Anspruchs auf erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen“ zu beantragen (Bl. 2244-2250). Mit Verfügung vom 29.04.2022 beantragte die Staatsanwaltschaft N.-F. den hier angefochtenen Beschluss (Bl. 2251), den das Amtsgericht Nürnberg – Ermittlungsrichter – am 04.05.2022 hinsichtlich des Beschwerdeführers unter der rechtlichen Würdigung als Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und zum Computerbetrug in einer noch zu ermittelnden Vielzahl von Fällen und mit einer Arrestsumme in Höhe von 225.533,75 € erließ. Hinsichtlich der verdachtsweisen Tathandlungen des Beschuldigten heißt es im angefochtenen Beschluss wie folgt:
„Der Beschuldigte A. K. war Mitgesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der G. K. GmbH … (…).
Der Beschuldigte I. K. war ein Arbeitnehmer der G. K. GmbH ….
(…)
Bei Servicegesellschaften handelt es sich um formell wirksam gegründete Kapitalgesellschaften, üblicherweise Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die über keinen opertaiven Geschäftsbetrieb verfügen, sondern einen solchen nur vortäuschen und tatsächlich gegen Entgelt verschiedene Dienstleistungen zur Verschleierung von Schwarzarbeit in den Betrieben anderer Unternehmen anbieten, insbesondere die Ausstellung von Scheinrechnungen (sogenannte Abdeckrechnungen). Zur weitergehenden Verdeckung von Schwarzarbeit melden Servicegesellschaften mitunter die von ihren Auftraggebern schwarz beschäftigten Arbeitskräfte als Geringverdiener zur Sozialversicherung an.
(…)
Die G. K. GmbH … beschäftigte mehrere Arbeitskräfte, die ihr zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet waren. Es handelte sich daher, wie der Beschuldigte A. K. wusste, um Arbeitnehmer.
(…)
Um dem Unternehmen die Abführung von Lohnnebenkosten für seine Arbeitnehmer zu ersparen, beschäftigte der Beschuldigte A. K. dort mehrere Arbeiter, die er nicht in der Lohnbuchhaltung der Gesellschaft erfasste, nicht zur Sozialversicherung anmeldete und denen er aufgrund von Nettolohnabreden den Lohn schwarz in bar bezahlte.
Weitere Arbeitnehmer führte der Beschuldigte A. K. in der gleichen Absicht als selbständige Nachunternehmer, obwohl, wie er wusste, Arbeitsverhältnisse vorlagen, und meldete auch diese nicht zur Sozialversicherung an.
(…)
Um den Einsatz von Schwarzarbeitern zu verschleiern, erwarb A. K. Abdeckrechnungen der … GmbH, der … GmbH und der … GmbH an die G. K. GmbH … über angebliche Nachunternehmerleistungen, welche in Wirklichkeit die schwarz beschäftigten Arbeitnehmer der Firma K. ausgeführt hatten. Zudem ließ er zur weitergehenden Verschleierung schwarzbeschäftigte Arbeitnehmer der G. K. GmbH … durch diese drei Servicegesellschaften mit geringen angeblichen Arbeitsentgelten zur Sozialversicherung anmelden.
Der Beschuldigte I. K. unterstützte A. K. bei dessen Taten, indem er den Kontakt zu den Verantwortlichen der Servicegesellschaften herstellte und hielt, sich im Auftrag des A. K. um die Beschaffung von Abdeckrechnungen der Servicegesellschaften kümmerte und die Anmeldung der Schwarzarbeiter bei den Servicegesellschaften besorgte. I. K, (sic) war zudem dafür zuständig, die den Servicegesellschaften überwiesenen Beträge abzüglich deren Provision sich in Berlin in bar auszahlen zu lassen und die Schwarzlöhne an die schwarz beschäftigten Arbeitnehmer auszubezahlen.
(…)
Laut der Zeugin P. war I. K. (sic) in die Bezahlung der Rechnungen der Serviceunternehmen durch die G. K. GmbH … eng eingebunden. Mehrere vernommene Arbeitnehmer gaben an, I. K. (sic) sei regelmäßig nach B. gefahren und anschließend die Barlohnzahlungen für die Arbeitnehmer mitgebraucht (sic) und unmittelbar an diese ausbezahlt. Bei der Durchsuchung der Wohnung der I. K. (sic) wurde seine versteckte Geldkassette mit Bargeld im Wert von 91.800 € in verschiedener Euro-Stückelung gefunden, was als Indiz für die Richtigkeit dieser Zeugenaussagen zu werten ist.“
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Unter Punkt „IV. Durch die Tat Erlangtes“ enthält der Beschluss folgende Ausführungen:
„Aufgrund dieser Tätigkeit erlangte I. K. (sic) die tatsächliche Sachherrschaft über mindestens 225.533,75 €. Dessen Schätzung hat das Hauptzollamt in seinem Vermerk vom 07.02.2022 dargestellt (EA VI Bl. 2088 ff.). Die schwarz geleisteten Arbeitsstunden wurden durch Differenz der von den Servicegesellschaften abgerechneten Stunden, soweit diese gemäß der Finanzbuchhaltung der G. K. GmbH … tatsächlich bezahlt worden waren, abzüglich den bei der S. Bau gemeldeten Stunden bestimmt. Diese wurde mit einem Stundenlohn von 11 € multipliziert, der von den vernommenen Arbeitnehmern als höchster von I. K. (sic) ausbezahlter Stundenlohn genannt wurde. In Abzug gebracht wurden die von den Servicegesellschaften verauslagten Sozialversicherungsbeiträge und eine Provision für die Servicegesellschaften in Höhe von 10 %. Zudem hat das Hauptzollamt noch einen Sicherheitsabschlag von 20 % zugunsten des I. K. (sic) vorgenommen.“
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4. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18.06.2024 legte Beschuldigte I. K. Beschwerde gegen die „Anordnung des Vermögensarrestes“ ein. Der Beschwerde half das Amtsgericht Nürnberg am 27.06.2024 nicht ab und legte die Akten am 28.06.2024 über die Staatsanwaltschaft N.-F., welche die Verwerfung der Beschwerde gegen den Beschluss „kostenpflichtig als unbegründet aus dessen zutreffenden Gründen“ beantragt, dem Landgericht Nürnberg-Fürth vor.
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5. Der Verteidiger des Beschwerdeführers beantragte mit Schriftsatz vom 06.09.2024 bei der Staatsanwaltschaft N.-F. Akteneinsicht, um die Beschwerde gegen den Vermögensarrest begründen zu können (Bl. 4973). Mit Verfügung vom 18.09.2024 wurde diese durch die Staatsanwaltschaft N.-F. gewährt und im Ermittlungsverfahren selbst eine Stellungnahmefrist bis zum 04.11.2024 gewährt (Blatt 5015-5016). Eine Beschwerdebegründung ging bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth nicht ein.
II.
8
Die statthafte Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) ist zulässig und begründet.
9
Die Anwendung der §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB ist nach der durch den angefochtenen Beschluss vertretenen Grundkonzeption, nach der jene € 225.533,75 als erlangter und zu sichernder Betrag die Geldsumme sein sollen, die an den Beschwerdeführer nach Abzug der Provision für die jeweilige Servicegesellschaft zur Bezahlung von Schwarzlöhnen verdachtsweise geflossen ist, aus mehreren Gründen nicht möglich: Das Merkmal „durch eine rechtswidrige Tat“ erfordert, dass der abzuschöpfende Vermögensvorteil der Tathandlung – in zeitlicher Hinsicht – nachfolgt. Zunächst aber wurden hier verdachtsweise die Schwarzlöhne bezahlt, wofür der Beschwerdeführer jene € 225.533,75 erhalten haben soll, und die Taten nach den §§ 263a, 266a StGB wurden hernach begangen. Außerdem besteht das durch diese Taten erlangte „Etwas“ in der Ersparnis von Aufwendungen, welche sich (nur) im Vermögen der G. K. GmbH … niederschlugen und als solche auch nicht im Sinne des – hier allein maßgeblichen – § 73b Abs. 2 StGB weitergereicht werden konnten, wobei diese Vorschrift bezogen auf den Beschwerdeführer (auch) bereits deshalb ausscheidet, weil er verdachtsweise Teilnehmer ist. Jene € 225.533,75 wurden auch nicht „für sie“ erlangt, weil es sich nicht um eine Gegenleistung für seine verdachtsweise Teilnahme handelte, sondern vielmehr – der Grundkonzeption des angefochtenen Beschlusses zufolge – um Mittel, die er für die Bezahlung von Schwarzlöhnen verwenden sollte.
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Erwogen wurde abweichend von der Grundkonzeption des angefochtenen Beschlusses, es könne sich bei jenen € 225.533,75 um ein aus einem zum Nachteil der G. K. GmbH … durch A. K. begangenen Delikt der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erlangtes „Etwas“ handeln. Das „Etwas“ muss aber unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs – also ab dem unmittelbaren Ansetzen zur Tat bis zur Beendigung – zugeflossen sein, woran es bei dem Beschwerdeführer fehlt, weil die Tat des § 266 Abs. 1 StGB mit Eingang der auf die Scheinrechnungen bezahlten Beträge beendet wäre.
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Die Prüfung, ob gemäß der Anregung des Hauptzollamtes ... vom 20.04.2022 (Bl. 2251) und dem hilfsweise durch die Staatsanwaltschaft unter dem 29.04.2022 gestellten Antrag ein Vermögensarrest auf der Basis der §§ 111e StPO, 73a Abs. 1, 73c Satz 1 StGB bezogen auf jene sichergestellten € 91.980 möglich ist, verlief negativ. Abgeschöpft werden kann im Wege der erweiterten Einziehung von Wertersatz nur dasjenige illegal Erlangte, das die Zielperson der Maßnahme zur Tatzeit der Delikte in ihrer Verfügungsgewalt hatte. Das zuvor Verbrauchte oder erst später Erworbene unterfällt den §§ 73a, 73c StGB nicht. Es bestehen aber keine dahingehenden Erkenntnisse, ob und inwieweit der Beschwerdeführer (selbst) über eine entsprechende Summe von € 91.980 als Bar- oder Buchgeld zum Zeitpunkt der Anlasstaten im Sinne der §§ 263a, 266a StGB, bzw. der Beihilfe hierzu im Zeitraum September 2016 bis November 2018 bereits verfügte.
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Grundsätzlich wäre es dem Beschwerdegericht möglich, nach Aufhebung des Arrests gemäß § 111e StPO an dessen Stelle die Beschlagnahme nach § 111b StPO – hier bezogen auf das Bargeld in Höhe von € 91.980 – anzuordnen. Die Annahme, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, ist hier aber nicht gerechtfertigt: Weder eröffnen die §§ 261 Abs. 10 StGB n.F. bzw. 261 Abs. 7 StGB a.F. in Ermangelung einer feststellbaren Vortat diese Möglichkeit, noch ist der Anwendungsbereich des § 74 Abs. 1 StGB gegeben, weil völlig offen ist, ob jene € 91.980 dem Beschwerdeführer als verdachtsweise Tatbeteiligtem gehören.
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1. Gemäß § 111 e Abs. 1 Satz 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen für die Einziehung von Wertersatz vorliegen. Liegen dringende Gründe für die Annahme vor, soll der Vermögensarrest angeordnet werden, § 111 e Abs. 1 Satz 2 StPO.
14
Die Anordnung eines Arrestes setzt gemäß § 111e Abs. 1 Satz 1 StPO lediglich den Anfangsverdacht im Sinn des § 152 Abs. 2 StPO einer rechtswidrigen Straftat voraus, mit der Folge, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz bejaht werden können (OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – 2 Ws 627/18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 1 Ws 163/17; OLG Hamburg, Beschluss vom 26. Oktober 2018 – 2 Ws 183/18 m.w.N.; Bittmann, NStZ 2021, 149, 150). Es müssen also konkrete Tatsachen vorliegen, die in Verbindung mit kriminalistischer Erfahrung den Schluss zulassen, dass später eine Einziehung erfolgen kann (Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 111e Rn. 4 und Schmitt, ebenda, § 152 Rn. 4).
15
a) aa) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an, § 73 Abs. 1 StGB. Beim Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Durch die Tat erlangt wird ein Vermögenswert, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zufließt, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021 – 3 StR 381/21 m.w.N.). Einem Kontoinhaber kommt Verfügungsmacht über das Buchgeld auf seinem Konto zu. Zwar handelt es sich bei der Kontoinhaberschaft zunächst im eine formal-rechtliche Position, die Ansprüche gegenüber dem Bankinstitut auf Auszahlung des Guthabensaldos begründet. Indes hat der Kontoinhaber die Möglichkeit über die Beträge auf seinem Konto jederzeit und ungehindert durch Überweisungen oder Barabhebungen zu verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2022 – 2 StR 175/22). Beim Delikt der Steuerhinterziehung oder dem des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt können die verkürzten Steuern oder Gesamtsozialversicherungsbeiträge „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese erspart. Maßgeblich bleibt dann aber immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.03.2021 – 1 StR 28/21 m.w.N; BGH, Beschuss vom 23.12.2020 – 1 StR 310/20). Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht, § 73c Satz 1 StGB. Weil sich ersparte Aufwendungen als nichtgegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme verbrauchen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17), kommt allein die Einziehung von Wertersatz (§ 73c Satz 1 StGB) in Betracht.
16
bb) Das Tatbestandsmerkmal „durch die Tat“ (§ 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB) ist nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 05.09.2016 (BT-Drucksache 18/9525 Seite 62) erfüllt, „wenn der Gegenstand in irgendeiner Phase des Tatablaufs in die Verfügungsgewalt des Täters übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar etwas messbar zugutekommt. […] Nach dem § 73 StGB-E zugrundeliegendem Bruttoprinzip sind alle Vermögenswerte, die einem Tatbeteiligten (oder Drittbeteiligten) aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen“. Dabei sind – wie bei der Tatbestandsalternative des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB – Täter und Gehilfen gleichermaßen erfasst.
17
Der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB setzt demnach Kausalität voraus: Der abzuschöpfende Vermögensvorteil, regelmäßig die Kehrseite des Taterfolgs, muss der Tathandlung – in zeitlicher Hinsicht – nachfolgen (BGH, Beschluss vom 8. März 2023 – 1 StR 22/23; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 1 StR 376/22). „Aus der Verwirklichung des Tatbestands“ meint die Tatbegehung, nicht aber das Vorbereitungsstadium (vgl. auch § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB); jedenfalls das Versuchsstadium muss erreicht sein (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2024 – 5 StR 93/23). In diesem Sinne kann die Tatbeute nicht verteilt werden, bevor sie „eingefahren“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2024 – 1 StR 204/23). Lässt sich demnach bspw. ein Geschäftsführer einer juristischen Person zur Abdeckung von Schwarzeinkäufen Scheinrechnungen über Ankauf und Lieferung ausstellen, verbucht diese als „bar bezahlt“, hebt dann die Beträge von den Konten der juristischen Person ab, bezahlt davon die Provisionen für die Scheinrechnungssteller und die Schwarzeinkäufe, und macht zuletzt den Vorsteuerabzug auch aus den Scheinrechnungen geltend, sind die erlangten Geldbeträge nicht durch diese Steuerhinterziehung erlangt, weil sich der geldwerte Vorteil bei ihm in Gestalt der durch Nichtentrichtung der geschuldeten Steuern ersparten Aufwendungen noch nicht realisiert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 1 StR 376/22).
18
cc) Ersparte Sozialversicherungsabgaben- und Steuerersparnisse kommen bei juristischen Personen schon begrifflich alleine diesen zugute und schlagen sich – grundsätzlich – allein im Vermögen der Gesellschaften nieder (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2021 – 1 StR 133/21; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 1 StR 529/19).
19
dd) Vorteile sind „für“ die Tat (§ 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB) erlangt, wenn sie einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 1 StR 376/22; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 1 StR 474/21; BGH, Beschluss vom 1. Juni 2021 – 1 StR 133/21; BGH, Beschluss vom 27. März 2019 – 2 StR 561/18). Es handelt sich hierbei um die Gegenleistung für das rechtswidrige Handeln – den Lohn (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 – 4 StR 648/17).
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ee) Gemäß § 73 b Abs. 1 Satz 1 StGB richtet sich die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a StGB gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat (Nr. 1), ihm das Erlangte unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt (Nr. 2 lit. a) und b)) oder das Erlangte auf ihn als Erbe übergegangen ist oder als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist (Nr. 3 lit. a) und b)). Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 des § 73b Abs. 1 StGB einen Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht, oder gezogene Nutzungen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an (§ 73b Abs. 2 StGB).
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(A) Weil sich ersparte Aufwendungen als nichtgegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme verbrauchen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17), kommt bei solchen allein die Einziehung von Wertersatz (§ 73c Satz 1 StGB) in Betracht. Die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes unterliegt § 73b Abs. 2 StGB. Weil Ersparnisse dort allerdings nicht erfasst werden, könnten sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 01. Juli 2021 – 3 StR 518/19; BGH, Beschluss vom 22. August 2022 – 1 StR 187/22; BGH, Beschluss vom 17. November 2022 – 1 StR 323/22; BGH, Urteil vom 16. April 2024 – 1 StR 204/23; Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 01. Februar 2024 – 18 Qs 19/23; Beukelmann/Heim, NJW-Spezial 2024, 186; Bittmann, NZWiSt 2021, 464 (470)).
22
(B) Die Anwendung des § 73b StGB scheidet bereits nach dem Wortlaut aus, wenn die betreffende Person „Täter oder Teilnehmer“ ist. Der Gesetzeswortlaut unterscheidet indes zwischen den „Tätern und Teilnehmern“ an der Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB und den „anderen“; die Tatbeteiligten können damit nach dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik nicht zu den „anderen“ gehören, auch wenn ihnen in einer Bereicherungskette Vermögenswerte zugewendet werden, die aus der von ihnen begangenen Straftat stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 1 StR 529/19; BGH, Beschluss vom 25. April 2019 – 1 StR 54/19).
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b) aa) Ausweislich der Ausführungen des Hauptzollamtes ... vom 20.04.2022 (Bl. 2244 ff.) in Verbindung mit dem Bericht vom 07.02.2022 (Bl. 2088 ff.) soll jener durch den Beschwerdeführer behauptet erlangte und zu sichernde Betrag in Höhe von € 225.533,75 folgende Herkunft haben und sich wie folgt zusammensetzen (Bl. 2088-2090):
„Daher wurde jeweils anhand der Eingangsrechnungen die Summe der abgerechneten Quadratmeter jeder einzelnen Servicefirma gebildet und von dieser die an die S. Bau gemeldeten Stunden derer Arbeitnehmer, die lt. Projektdatenbank auf Baustellen der G. K. GmbH … bzw. … UG tätig waren, subtrahiert. Daraus ergaben sich dann jeweils die Arbeitsstunden, welche nicht gemeldet wurden und somit schwarz geleistet wurden.
Im nächsten Schritt wurden die „schwarz“ geleisteten Stunden mit einem Stundelohn (sic) von 11,00 EUR/Std. multipliziert, woraus sich jeweils der Aufwand für die Schwarzlohnzahlungen ergab. Hierbei wurde zugunsten des I. K. ein Stundelohn (sic) von 11,00 EUR/Std. zu Grunde gelegt, da dieser im Rahmen der Zeugenvernehmungen als höchster gezahlter Stundenlohn genannt wurde. Daraufhin wurde aus der jeweiligen Bruttolohnsumme, welche durch die Servicefirmen an die S. Bau für die jeweils betroffenen Arbeitnehmer gemeldet wurde, der Arbeitgeberanteil der Sozialversicherung anhand der zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen Beitragssätze der AOK ... berechnet, da der Großteil der Arbeitnehmer dort versichert waren. Aus der Summe der gemeldeten Bruttolohnsumme sowie des Arbeitgeberanteils ergibt sich der Lohnaufwand der Servicegesellschaft. Die Summe aus dem Lohnaufwand der Servicegesellschaft und der Aufwand Schwarzlohn ergibt den Lohnaufwand gesamt für die jeweilige Servicegesellschaft.
Im weiteren Verlauf wurde die Provision berechnet, die der jeweilige Betreiber der Servicegesellschaft erhalten haben könnte. Genaue Erkenntnisse zur Höhe der Provision liegen nicht vor. Es wurde eine Provision von 10 % angesetzt. Diese wurde mit dem jeweiligen Gesamtumsatz der Eingangsrechnungen der Servicegesellschaften bei den Firmen … UG, K GmbH sowie G. K. GmbH … multipliziert.
Als nächstes wurde der Gesamtaufwand errechnet, welcher sich aus dem Lohnaufwand gesamt und der Provision für die Abdeckrechnungen zusammensetzt. Zu Gunsten des Beschuldigten I. K. wurde noch ein Sicherheitsabschlag von 20 % berücksichtigt. Dieser wurde wiederum zu Gunsten des I. K. anhand des Gesamtumsatzes lt. den Eingangsrechnungen berechnet und nicht anhand der It. Finanzbuchführung der Firmen … UG, … GmbH und G. K. GmbH … geleisteten Zahlungen.
Zuletzt wurde das mögliche Erlangte des I. K. anhand des Gesamtumsatzes lt. gestellten Rechnungen sowie anhand des Gesamtumsatzes It. getätigten Zahlungen gem. der Finanzbuchführung berechnet. Hierzu wurden jeweils vom Umsatz der Gesamtaufwand sowie die Summe der Sicherheitsabschläge subtrahiert.
Nach dieser Berechnung ergibt sich ein Betrag von 322.542,10 EUR, den I. K. erlangt haben könnte, wenn man den Gesamtumsatz der Servicegesellschaften anhand der Eingangsrechnungen zugrunde legt. Ein Betrag von 225.533, 75 EUR ergibt sich, wenn man den Gesamtumsatz anhand der It. Finanzbuchführung tatsächlich geleisteten Zahlungen zugrunde legt.“
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Auch wenn diese Ausführungen nur eingeschränkt nachvollziehbar erscheinen könnten, ist ihnen in Verbindung mit den Erklärungen vom 20.04.2022 (Bl. 2244 ff.) in einer Gesamtschau zu entnehmen, dass im Ergebnis jene € 225.533,75 als erlangter und zu sichernder Betrag nach der Grundkonzeption des Hauptzollamtes und diesem folgend der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts der Geldbetrag sein sollen, der an den Beschwerdeführer nach Abzug der Provision für die jeweilige Servicegesellschaft zur Bezahlung von Schwarzlöhnen geflossen sein soll.
25
bb) Bei dieser Grundkonzeption kommt die – nach den obigen Vorgaben allein maßgebliche – Einziehung von Wertersatz (§§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB) aus mehreren Gründen nicht in Betracht:
26
(A) Der Beschwerdeführer hat jene € 225.533,75 nicht „durch eine rechtswidrige Tat“ erlangt (§ 73 Abs. 1 1. Alt. StGB). Die rechtswidrigen Taten, durch die oder für die der Beschwerdeführer etwas erlangt haben soll, sind jene nach § 266a Absätze 1 und 2, 27 StGB. „Erlangtes Etwas“ aus derartigen Taten sind nach den obigen Vorgaben die verkürzten und ersparten Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Der bei den Servicegesellschaften „abgeholte“ Betrag für die Entrichtung der Schwarzlöhne ist nicht in diesem Sinne „durch eine rechtswidrige Tat“ erlangt (§ 73 Abs. 1 1. Alt. StGB). Dieses ergibt sich nach den obigen Vorgaben bereits daraus, dass „Abholung“ und Bezahlung der Schwarzlöhne der eigentlichen (jeweiligen auf Arbeitnehmer, Kasse und Monat bezogenen) – durch unterlassene oder unrichtige Meldung begangenen – Tat vorgelagert sind. Der Vermögensvorteil, welcher nach der Konzeption von Hauptzollamt, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht bei dem Beschwerdeführer „abgeschöpft“ werden soll, ging den Taten voran, folgte ihnen aber nicht nach. Die „Tatbeute“ in Form ersparter Aufwendungen für Gesamtsozialversicherungsbeiträge war zu diesem Zeitpunkt noch nicht „eingefahren“ und konnte deshalb auch nicht „verteilt“ werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2024 – 1 StR 204/23).
27
(B) Der Beschwerdeführer hat jene € 225.533,75 nicht „für“ die „rechtswidrige Tat“ erlangt (§ 73 Abs. 1 2. Alt. StGB), weil es sich nicht um eine Gegenleistung für seine verdachtsweise Teilnahme handelte. Selbst wenn der Beschwerdeführer gedanklich für Schwarzlöhne nicht benötigte Teilbeträge aus jenen € 225.533,75 als Gegenleistung für seine Mitwirkung hätte behalten dürfen, wäre völlig unklar, in welcher Höhe dieses der Fall war. Im Übrigen wäre hier der Teil der Vergütung zu ermitteln, der dem Beschwerdeführer ausschließlich für seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Hinterziehung gewährt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2024 – 1 StR 422/23) und eine genaue Abgrenzung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2023 – 1 StR 57/23).
28
(C) (I) Überdies kamen die ersparten Gesamtsozialversicherungsbeiträge der G. K. GmbH … als juristischer Person zugute und schlugen sich allein in deren Vermögen nieder. Zwar kann u.U. auch eine Einziehungsanordnung gegen den für eine Gesellschaft handelnden Täter begründet werden, etwa wenn der Täter die Gesellschaft lediglich als formalen Mantel seiner Tat nutzte, insbesondere eine Trennung zwischen dem eigenen Vermögen und demjenigen der Gesellschaft nicht vornahm, oder dass der aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2022 – 1 StR 14/22; BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 6 StR 426/21; BGH, Urteil vom 28. November 2019 – 3 StR 294/19; BGH, Beschluss vom 14. November 2018 – 3 StR 447/18; BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3 StR 620/17). Eine derartige Fallkonstellation ist hier jedoch nach den gesamten Umständen nicht gegeben.
29
(II) Die Anwendung des § 73 b StGB scheidet aus, weil der Beschwerdeführer verdachtsweise selbst Teilnehmer und damit nicht „anderer“ im Sinne dieser Vorschrift ist. Zudem können nach den obigen Vorgaben die hier allein relevanten ersparten Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden. Unter der gleichen Erwägung hätten diese indes auch nicht an die Servicegesellschaften gemäß § 73b Abs. 1 StGB weitergereicht werden können.
30
c) aa) Hätte der (Mit-) Beschuldigte G. K. die Begleichung von Scheinrechnungen der Servicegesellschaften aus Mitteln der G. K. GmbH … an die Servicegesellschaften bewirkt, um hierdurch und durch den anschließenden Rückfluss der transferierten Geldbeträge Mittel zu erlangen, die ihm die Bezahlung von Schwarzlöhnen ermöglichen würden, und hätte der Beschwerdeführer die geschilderten verdachtsweisen Handlungen in diesem Zusammenhang vorgenommen, wären hinsichtlich G. K. (auch) der Tatbestand der Untreue zum Nachteil der G. K. GmbH … und hinsichtlich des Beschwerdeführers eine Beihilfe hierzu zumindest zu erwägen (§§ 266 Abs. 1, 27 StGB). Als Geschäftsführer verfügte G. K. zum einen über die durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieser Gesellschaft zu verfügen oder diese zu verpflichten, und zum anderen über die erforderliche Vermögensbetreuungspflicht. Diese Pflichtenstellung hätte er durch seine Verhaltensweise missbraucht. Nach § 43 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Sie haben das handelsrechtliche Gebot der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchführung (§ 239 Abs. 2 HGB) einzuhalten. Daraus ergibt sich die Pflicht, für die Legalität des Handelns der Gesellschaft, insbesondere auch für die Erfüllung der ihnen aufgetragenen buchführungs- und steuerrechtlichen Pflichten Sorge zu tragen. Verstöße hiergegen können auch im Verhältnis zur Gesellschaft selbst nicht mit dem Vorbringen gerechtfertigt werden, sie lägen in deren Interesse. Ein erklärtes Einverständnis der Gesellschafter wäre unwirksam, weil es auf eine gesetzwidrige Handlungsweise (nämlich die Verkürzung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen) ausgerichtet wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 2 StR 291/19; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 234/17; BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09; BGH, Urteil vom 29. August 2008 – 2 StR 587/07).
31
Der Vermögensnachteil könnte – sofern ein Zugriff durch die G. K. GmbH … nicht mehr möglich und ein dauerhafter Entzug anzunehmen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 2 StR 291/19) – durch den Abfluss der auf die Scheinrechnungen an die Servicegesellschaften überwiesen Geldbeträge eingetreten sein, wobei dieser durch die Ersparnis von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nicht saldiert würde, weil der Abfluss aus dem betreuten Vermögen nicht durch einen gleichzeitig eintretenden Vermögenszuwachs ausgeglichen worden wäre und die Untreuehandlung selbst nicht Vor- und Nachteil hervorgebracht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 234/17; BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 3 StR 490/16).
32
bb) Bei den Servicegesellschaften wären sodann diese Geldbeträge unter Anwendung des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a), Satz 2 StGB einzuziehen. Soweit – gedanklich – aus diesen Mitteln Beträge an den Beschwerdeführer geflossen wären, käme eine Einziehung von Wertersatz (§§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB) unter dieser Erwägung bei ihm gleichwohl nicht in Betracht. Das ‚Etwas‘ muss unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs – also ab dem unmittelbaren Ansetzen zur Tat bis zur Beendigung zugeflossen sein (vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 1. Februar 2024 – 5 StR 93/23; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2023 – 4 StR 188/23). Ob und wann (noch) eine Unmittelbarkeit in diesem Sinne anzunehmen ist, und ob der Zu- und Weiterfluss an den Beschwerdeführer noch unmittelbar wäre, kann an dieser Stelle dahinstehen. Die Tat des § 266 StGB ist mit Eintritt des Vermögensnachteils vollendet und zugleich beendet (vgl. MüKoStGB/Dierlamm/Becker, 4. Aufl. 2022, StGB § 266 Rn. 319; Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 266 Rn. 58; BeckOK StGB/Wittig, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 266 Rn. 75). Dieser wäre hier mit dem Abfluss der Geldbeträge aus dem Vermögen der G. K. GmbH … und dem Eingang bei den Servicegesellschaften eingetreten, und die Tat des § 266 Abs. 1 StGB wäre beendet. Die Weiterleitung der Geldbeträge von Seiten der Servicegesellschaften an den Beschwerdeführer wäre nach Beendigung erfolgt.
33
d) Ein Vermögensarrest auf der Basis der §§ 111e StPO, 73a Abs. 1, 73c Satz 1 StGB gemäß der Anregung des Hauptzollamtes ... vom 20.04.2022 (Bl. 2248 ff.) und dem hilfsweise durch die Staatsanwaltschaft unter dem 29.04.2022 gestellten Antrag in Höhe des bei dem Beschwerdeführer aufgefundenen Geldbetrages von € 91.980 hat auszuscheiden, weil auch insoweit nicht die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz (hier der erweiterten Einziehung von Wertersatz gemäß den §§ 73a Abs. 1, 73c Satz 1 StGB) vorliegen.
34
aa) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind (§ 73a Abs. 1 StGB – „Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern“).
35
Für eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Satz 1 StGB ist erforderlich, dass das durch eine nicht konkretisierbare andere rechtswidrige Tat Erlangte bei Begehung der Anlasstat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich oder in Gestalt eines Surrogats vorhanden war. Derjenige, gegen den sich die Einziehungsentscheidung richtet, muss über den erlangten Gegenstand (noch beziehungsweise bereits) zum Zeitpunkt der Anlasstat, also der Tat, wegen der er nunmehr verurteilt wird, verfügt haben. Abgeschöpft werden kann im Wege der erweiterten Einziehung von Wertersatz nur dasjenige illegal Erlangte, das der Angeklagte zur Tatzeit der abgeurteilten Delikte in seiner Verfügungsgewalt hatte. Das zuvor Verbrauchte oder erst später Erworbene unterfällt den §§ 73a, 73c StGB nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2024 – 3 StR 354/23; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2024 – 1 StR 422/23; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 – 2 StR 3/23; BGH, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22; BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 – 3 StR 132/23; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2022 – 4 StR 221/22; BGH, Urteil vom 22. September 2022 – 3 StR 238/21; BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21; BGH, Beschluss vom 25. Mai 2022 – 4 StR 114/22; BGH, Beschluss vom 23. März 2022 – 6 StR 61/22; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 1 StR 312/21; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 5 StR 327/21; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2021 – 3 StR 294/21; BGH, Beschluss vom 19. August 2021 – 5 StR 238/21; BGH, Urteil vom 1. Juni 2021 – 1 StR 675/18; BGH, Beschluss vom 4. März 2021 – 5 StR 447/20; BGH, Beschluss vom 3. November 2020 – 6 StR 258/20; BeckOK StGB/Heuchemer, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 73a Rn. 5; Graf/Jäger/Wittig/Scheier, 3. Aufl. 2024, StGB § 73a Rn. 4; Lohse in: Leipziger Kommentar zum StGB, 14. Auflage 2024, § 73a StGB, Rn. 45; Fischer, 71. Auflage 2024, § 73a StGB Rn. 9). Begründet wird dieses wie folgt: Für eine Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB müssten die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Einziehung des Taterlangten nach § 73 Abs. 1 oder § 73a Abs. 1 StGB vorliegen. Die hier inmitten stehende erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB setze zunächst voraus, dass eine konkret feststellbare rechtswidrige Tat begangen worden sei (Anknüpfungstat). Sei dies der Fall, ordne das Gericht (auch) die gegenständliche Einziehung von „Gegenständen des Täters oder Teilnehmers“ der Anknüpfungstat an, wenn es sich davon überzeugen könne, dass der Tatbeteiligte diese durch andere – indes nicht konkret feststellbare – rechtswidrige Taten erlangt habe. Das Gesetz gehe mithin davon aus, dass die Gegenstände aus anderen rechtswidrigen Taten der erweiterten Einziehung nur unterlägen, wenn sie bei der Begehung der Anknüpfungstat gegenständlich bei dem deswegen Angeklagten vorhanden gewesen seien; denn andernfalls würde es sich nicht um Gegenstände „des Täters oder des Teilnehmers“ dieser Tat handeln. Nur solche Gegenstände könnten – falls sie im Anordnungszeitpunkt nicht (mehr) gegenständlich eingezogen werden könnten – wiederum die Grundlage für die Anordnung der subsidiären (erweiterten) Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB bilden. Der von § 73a Abs. 1 StGB bestimmte Zusammenhang der Anknüpfungstat mit dem eigentlichen Einziehungsgegenstand, also mit dem ursprünglich Taterlangten, werde mithin durch die Unmöglichkeit der gegenständlichen Einziehung der Taterträge nicht aufgelöst. Dieses Verständnis der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen entspreche auch dem Willen des historischen Gesetzgebers bei der Einführung des § 73d StGB aF (vgl. BT-Drucks. 11/6623 S. 6, 8). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Verknüpfung mit dem Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 872) habe auflösen wollen, enthielten die Gesetzesmaterialien nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2021 – 5 StR 447/20). Ohne einen solchen Bezug zur Tat würde es sich nicht, wie nach dem Tatbestand erforderlich, um Gegenstände „des Täters oder des Teilnehmers“ dieser Tat handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2021 – 3 StR 294/21).
36
bb) Ob die übrigen Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 StGB, auch in Verbindung mit § 73c S. 1 StGB, erfüllt wären, kann dahinstehen, weil keine dahingehenden Erkenntnisse bestehen, ob und inwieweit der Beschwerdeführer (selbst) über eine entsprechende Summe von € 91.980 als Bar- oder Buchgeld zum Zeitpunkt der Anlasstaten im Sinne der §§ 263a, 266a StGB, bzw. der Beihilfe hierzu im Zeitraum September 2016 bis November 2018 bereits verfügte. Aufgefunden wurde der Geldbetrag über 2 Jahre nach der letzten Anlasstat in diesem Sinne.
37
2. Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Beschlagnahme angeordnet werden (§ 111 b Abs. 1 StPO).
38
Erforderlich zur Anwendung des § 111b Abs. 1 StPO ist die Erwartung zukünftigen Eintritts der Voraussetzungen zur Korrektur unrechtmäßiger Zuordnung von Vermögen, ggf. mittels einer die Einziehung anordnen Entscheidung. Es ist demnach eine Prognose anzustellen, die sich darauf beziehen muss, ob erforderlichenfalls das erkennende Gericht zur vollen Überzeugung vom Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen eines der in Betracht kommenden Einziehungstatbestände gelangen wird. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Beschlagnahme ist die Einziehungserwartung schon begründet, wenn Gründe lediglich im Grade einfachen Verdachts für die spätere Einziehung sprechen, wobei sich dieses auf dafür sprechende konkrete Tatsachen stützen muss (vgl. MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl. 2023, StPO § 111b Rn. 14-15 m.w.N.). Bloße, vage Vermutungen reichen nicht aus (vgl. LR, 27. Auflage 2019, Johann, § 111b StPO Rn. 72).
39
a) Ob auf eine Beschwerde gegen einen Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung nach § 111e StPO hin das Beschwerdegericht nach Verneinung der Annahme, die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz lägen vor, und demgemäßer Aufhebung des Arrests die Beschlagnahme nach § 111b StPO unter der Annahme anordnen kann, die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes lägen vor, wird – soweit diese Rechtsfrage überhaupt diskutiert wird – uneinheitlich beurteilt.
40
Einerseits wird diese Frage mit der Begründung verneint, dem Betroffenen werde sonst eine Instanz genommen (vgl. MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl. 2023, StPO § 111 j Rn. 51). Andererseits wird die Auffassung vertreten, dieses sei zulässig. Der Sache nach aber handele es sich um eine erstinstanzliche Entscheidung, für die das Beschwerdegericht nicht zuständig sei. Entscheide es gleichwohl, was aus praktischen Gründen vertretbar erscheine, müsse aber gegen seine Entscheidung trotz § 310 Abs. 2 StPO die Beschwerde zulässig sein (vgl. Johann in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 111j StPO Rn. 52). Letztgenante Auffassung erscheint zutreffend, allerdings mit der Maßgabe, dass es bei der Regelung des § 310 Abs. 2 StPO zu verbleiben hat. Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erlässt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung (§ 309 Abs. 2 StPO). In diesem Fall muss das Beschwerdegericht grundsätzlich eine eigene Sachentscheidung anstelle des Erstgerichts treffen. Erforderlichenfalls erlässt dieses auch Anschlussentscheidungen. Der damit einhergehende Verlust einer Entscheidungsinstanz steht dem nicht entgegen (vgl. MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl. 2024, StPO § 309 Rn. 29). Das Beschwerdegericht muss auch alle weiteren, sich nach richtiger Beantwortung dieser Vorfrage ergebenden Fragen selbst entscheiden; der Gesichtspunkt des Instanzverlustes kann auch hier keine Rolle spielen (KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl. 2023, StPO § 309 Rn. 11). Will das Beschwerdegericht demnach einerseits einen Vermögensarrest nach § 111e StPO aufheben, weil es der Ansicht ist, die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz lägen nicht vor, andererseits aber die Beschlagnahme nach § 111 b StPO anordnen, weil es die Auffassung vertritt, die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes seien gegeben, ist es hieran nicht nur nicht gehindert, sondern gemäß § 309 Abs. 2 StPO auch dazu verpflichtet. Erlässt ein Beschwerdegericht auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts hin bspw. einen Durchsuchungsbeschluss, kann der Betroffene wegen § 310 Abs. 2 StPO gegen diesen ebenfalls keine Beschwerde nach § 304 StPO einlegen. Es sind keine Umstände ersichtlich, warum dieses bezogen auf die hiesige Fragestellung anders beurteilt werden sollte. Letztlich kann diese Frage im konkreten Fall dahinstehen.
41
b) Jedenfalls ist im Sinne der obigen Vorgaben nicht die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung jener € 91.980 vorliegen.
42
Die Frage, ob und inwieweit über § 261 Abs. 10 StGB in der seit 18.03.2021 geltenden Fassung („Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.“) bzw. über § 261 Abs. 7 StGB in der bis zum 17.03.2021 geltenden Fassung („Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.“) eine Einziehung nach den §§ 74 Abs. 2 oder 74a StGB veranlasst und der Anwendungsbereich des § 111b Abs. 1 StPO eröffnet sein könnte, wurde erwogen, allerdings verneint.
43
Auch unabhängig hiervon ist der Anwendungsbereich des § 74 Abs. 1 StGB nicht eröffnet.
44
aa) (A) Zur bis zum 17.03.2021 geltenden Fassung des § 261 Abs. 1 StGB wurde die Auffassung vertreten, es müssten Umstände festgestellt werden, aus denen sich in groben Zügen bei rechtlich richtiger Bewertung eine Katalogtat des Geldwäschetatbestandes als Vortat ergebe. Zwar müsse die Tat keinem bestimmten Katalogtatbestand zugeordnet werden. Es müsse aber nicht nur ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden können, dass das Geld legal erlangt worden sei, sondern auch, dass es aus einer Nichtkatalogtat stamme, die keine taugliche Vortat der Geldwäsche darstelle (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22; BGH, Urteil vom 15. August 2018 – 5 StR 100/18; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 StR 384/15; BGH, Beschluss vom 10. November 1999 – 5 StR 476/99). Zur aktuellen Fassung ohne Vortatenkatalog wird ausgeführt, es genüge der Nachweis, dass Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergebe, dass eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Vortat begangen worden sei und es müsse feststehen, dass der Tatgegenstand aus einer (von ggf. mehreren) Vortat(en) herrühre (vgl. BeckOK StGB/Ruhmannseder, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 261 Rn. 11), es genüge, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelange, dass der Gegenstand aus (irgend)einer rechtswidrigen Tat herrühre, indem es die Möglichkeit eines legalen Erwerbs zweifelsfrei ausschließe (vgl. Herzog/El-Ghazi, 5. Aufl. 2023, StGB § 261 Rn. 58). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 19/24180 vom 09.11.2020) führt aus, es sei die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer Vortat erforderlich. Das Gericht müsse von der strafrechtlichen Herkunft des Geldwäschegegenstands überzeugt sein, also zu seiner sicheren Überzeugung feststellen, dass der zu waschende Gegenstand Tatertrag, Tatprodukt oder ein an dessen Stelle getretener anderer Vermögensgegenstand sei. Insbesondere Feststellungen nur zu einem Fehlen von ausreichendem, legalen Einkommen des Betroffenen reichten nicht aus und eine Orientierung an zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislastregeln sei unzulässig (Seiten 2, 13, 29, 30 der BT-Drucksache 19/24180 vom 09.11.2020).
45
(B) (I) Die Akten enthalten keinerlei Anhaltspunkte, aus denen im Sinne dieser Vorgaben auf ein „Herrühren aus einer rechtswidrigen Tat“ oder aus einer in § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. genannten Tat geschlossen werden könnte. Die im Bericht des Hauptzollamtes vom 20.04.2022 genannten dahingehenden Aspekte (Bl. 2246 ff.) lassen keinen Schluss in diesem Sinne auf irgendeine (konkretisierbare) rechtswidrige Tat zu, der jene € 91.980 zugeordnet werden könnten. Gegen den durch das Hauptzollamt zutreffenderweise lediglich als Vermutung bezeichneten Umstand, dass es sich bei jenen € 91.980 um einen Teil des Bargeldes handele, welches der Beschwerdeführer „von den Verantwortlichen der Servicegesellschaften in Berlin abgeholt“ habe, spricht bereits der zeitliche Aspekt: Die laut Verdachtslage im angefochtenen Beschluss letzte Tatbegehung fand für November 2018 statt, der Geldbetrag wurde am 18. Mai 2021 aufgefunden. Dass der Beschwerdeführer mit seinem Herausgabeverlangen zuwartete, rechtfertigt entgegen den Ausführungen des Hauptzollamtes nicht die Annahme, der Geldbetrag stamme aus Straftaten. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer „bei lebensnaher Betrachtung“ in diesem Fall eher überhaupt nicht nachgefragt. Feststellungen nur zu einem Fehlen von ausreichendem, legalen Einkommen des Beschwerdeführers und dessen Familie reichen nach den zitierten Ausführungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 19/24180 vom 09.11.2020) nicht aus.
46
(II) Insofern verbietet sich auch die Anwendung des § 74a StGB über § 261 Abs. 7 Satz 2 StGB a.F. bzw. § 261 Abs. 10 Satz 2 StGB n.F..
47
bb) (A) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden (§ 74 Abs. 1 StGB). Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen (§ 74 Abs. 3 Satz 1 StGB). Unter gehören oder zustehen sind nur dingliche Herrschaftsrechte am Gegenstand zu verstehen. Dabei bezieht sich das „gehören“ auf das Eigentum an körperlichen Sachen, während mit „zustehen“ die quasi-dingliche Inhaberschaft von Rechten gemeint ist (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 74 Rn. 20; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 74 Rn. 28; BeckOK StGB/Heuchemer, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 74 Rn. 5). Soweit der Gegenstand nicht im Alleineigentum, sondern im Gesamthands- oder Miteigentum mehrerer Personen steht, kommt eine Einziehung des Gegenstandes nach § 74 StGB naturgemäß nur dort in Betracht, wo alle Berechtigten an der Tat beteiligt waren (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 74 Rn. 21; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 74 Rn. 34).
48
(B) Im Sinne der obigen Vorgaben zur prognostischen Einschätzung zukünftiger Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB wird diese bereits daran scheitern, dass völlig offen ist, ob jene € 91.980 dem Beschwerdeführer als verdachtsweise Tatbeteiligtem gehören.
49
(I) Die Geldkassette wurde in einer – wohl durch mehrere Personen (auch durch den Beschwerdeführer) genutzten – Wohnung in … in einem allgemein zugänglichen und genutzten Raum – nämlich der Küche unter Küchenhandtüchern – aufgefunden. Wie sich aus dem Vermerk vom 18. Mai 2021 (TEA XIV, EA 5, Bl. 27-28; pdf Bl. 100-101) ergibt, hatten zwar die in der Wohnung anwesende S. K. und ihre Töchter keinen Schlüssel für die Geldkassette. Niemand von beiden hat aber angegeben, die Geldkassette sei dem Beschwerdeführer zuzuordnen. Die Lichtbilder (TEA XIV, EA 5, Bl. 14-21; pdf Bl. 87-94) zeigen ebenso wenig einen Bezug zu dem Beschwerdeführer (etwa seinen Namen oder seine Unterschrift oder auch nur sein Schriftbild auf den Zetteln) wie ein Fundort gegeben wäre (bspw. Kleiderschrank/Schreibtisch/Büro des Beschwerdeführers), der einen entsprechenden Schluss zuließe. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 11.04.2022 (Bl. 2234) hat der Beschwerdeführer im Übrigen lediglich erklärt, es handele sich um einen Bargeldbestand, „den die Familie K. über Jahre hinweg angespart“ habe.
50
(II) Die Ausführungen des Hauptzollamtes vom 20.04.2022 (Bl. 2246 ff.) rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Dass die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers keinen Schlüssel für die Geldkassette hatten, rechtfertigt nicht die Annahme, der Beschwerdeführer sei ihr und ihres Inhaltes Eigentümer. Sofern man der Nichtauffindbarkeit eines Schlüssels überhaupt – zweifelhafterweise – Beweisbedeutung zumessen möchte, ließe sich aus dem Fehlen des Schlüssels nur der Schluss ziehen, jedenfalls Ehefrau und Kinder seien keine Eigentümer. Für den Beschwerdeführer ist damit nichts festgestellt. Der bis zum Herausgabeverlangen verstrichene Zeitraum ist kein Indiz für eine Eigentümerstellung des Beschwerdeführers.
III.
51
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.