Titel:
Klage eines anerkannten Umweltverbandes gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Masthähnchenanlage, Landwirtschaftliche Privilegierung (verneint), Anforderungen an die im Rahmen von § 201 BauGB anzustellende Prognose bezüglich des Futter- und Flächenbedarfs sowie künftigem Flächenbestand, ausreichende Dauerhaftigkeit von Pachtverträgen
Normenketten:
UmwRG § 2, § 3, § 6, § 7
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201
Schlagworte:
Klage eines anerkannten Umweltverbandes gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Masthähnchenanlage, Landwirtschaftliche Privilegierung (verneint), Anforderungen an die im Rahmen von § 201 BauGB anzustellende Prognose bezüglich des Futter- und Flächenbedarfs sowie künftigem Flächenbestand, ausreichende Dauerhaftigkeit von Pachtverträgen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34358
Tenor
I. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 30. Dezember 2020 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/2, die Beigeladenen tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/6. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Kläger gegen eine vom Beklagten den Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und dem Betrieb einer Hähnchenmast (Tierplatzzahl: 124.600; jährliches Mastvolumen: 934.500 Masthähnchen) im planungsrechtlichen Außenbereich.
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Der Kläger ist ein eingetragener Verein, welchem die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz gemäß § 3 UmwRG vom Umweltbundesamt erteilt worden ist.
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Der landwirtschaftliche Betrieb der Beigeladenen besteht bereits seit mehreren Jahrzehnten (in geringerem als dem derzeitigen Umfang), er wurde zunächst von den Beigeladenen zu 1. und 2., den Eltern des Beigeladenen zu 3., geführt. Seit den 1990er Jahren haben diese zwei Masthähnchenställe (MSH 2 und 3) mit einer Tierplatzzahl von insgesamt 40.000 betrieben. Ein weiterer alter Maststall (MSH 1) wurde zwischenzeitlich außer Betrieb genommen.
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Mit Bescheid vom 31. Mai 2007 erteilte das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) dem Beigeladenen zu 1. eine Baugenehmigung für den Neubau und den Betrieb einer Biogasanlage südlich der Masthähnchenställe 2 und 3. Die Biogasanlage befindet sich im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Biogasanlage … …“ des Marktes … Mit Bescheid des Landratsamtes vom 3. März 2009 wurde die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Erweiterung der vorgenannten Biogasanlage erteilt. Das Landratsamt erteilte weiter mit Bescheid vom 31. Januar 2018 eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG für eine erneute Erweiterung der Biogasanlage.
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Im Jahr 2015 beantragten die Beigeladenen zu 1. und 2. eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung zur Erweiterung der bestehenden Masthähnchenställe. Die geplante Erweiterung umfasste im Wesentlichen die Errichtung und den Betrieb von zwei weiteren Masthähnchenställen (MSH 4 und 5) mit einer Stallnutzfläche von jeweils 2.310 qm sowie die Modernisierung und Erweiterung der beiden bereits bestehenden Masthähnchenställe – MSH 2 und 3 (Stallnutzfläche von 1.076 qm und 917 qm). Nach der geplanten Änderung sollten alle vier Ställe zusammen eine Tierplatzzahl von 144.600 umfassen. Die betroffenen Grundstücke befinden sich im planungsrechtlichen Außenbereich.
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Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 erteilte das Landratsamt den Beigeladenen zu 1. und 2. die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung und erklärte diese für sofort vollziehbar.
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Hiergegen erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht München Klage und beantragte, die Genehmigung aufzuheben (M 19 K 17.3738). Zugleich beantragte er im Wege des Eilrechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage herzustellen.
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Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. März 2018 abgelehnt (M 19 SN 17.4631). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts lagen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vor. Es stünden ausreichend betriebseigene Flächen zur Verfügung, um die überwiegend eigene Futtergrundlage im Sinne des § 201 BauGB zu gewährleisten. Somit handele es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 201 BauGB und damit um ein privilegiertes Vorhaben. Im Rahmen der Bewertung dieser Frage hatte das Verwaltungsgericht bei der Berechnung des Futterbedarfs für die in der streitgegenständlichen Anlage gemästeten Hähnchen (aus welchem sich der im Rahmen des § 201 BauGB erforderliche Flächenbedarf errechnet) den Sojaanteil im Futter nicht berücksichtigt. Denn der Sojaanbau in Bayern sei vor allem aufgrund des geringen Ernteertrags wegen der nicht geeigneten klimatischen Bedingungen nicht wirtschaftlich und daher äußerst selten. Stelle man bei der Berechnung des Futterbedarfs auch den in der Futtermischung enthaltenen Sojaanteil ein, erhöhe sich der Futter- und somit der Flächenbedarf erheblich. In Bezug auf die Frage, welche Pachtverträge als ausreichend dauerhaft angesehen werden könnten, damit die entsprechenden Flächen für den von § 201 BauGB geforderten überwiegenden Futteranbau prognostisch während des gesamten Genehmigungszeitraums dem Betrieb der Beigeladenen zur Verfügung stünden, stellte das Verwaltungsgericht eine Reihe von Kriterien auf, wie Restlaufzeit, Anzahl der Vertragsverlängerungen, Vertragsgesamtlaufzeit (Stufenkriterien). Lege man diese Kriterien zu Grunde, ergebe sich, dass ausreichend betriebseigene Flächen zur Verfügung stünden, um den überwiegenden Futteranteil für die Masthähnchen zu erzeugen.
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Auf Beschwerde des Klägers hin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. August 2018 den Beschluss des Verwaltungsgerichts München geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt (22 CS 18.1097). Der Verwaltungsgerichtshof äußerte Zweifel am Vorliegen der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Ob Pachtverträge mit einer Restlaufzeit von 9 oder 10 Jahren wie vom Verwaltungsgericht angenommen als ausreichend dauerhaft angesehen werden könnten, damit sie im Rahmen von § 201 BauGB Berücksichtigung finden könnten, könne dahinstehen. Jedenfalls bestünden bei den Verträgen mit kürzeren Restlaufzeiten diesbezüglich Zweifel. Unabhängig davon sei in Frage zu stellen, ob Teile der gepachteten Flächen überhaupt zum Futteranbau im Sinne des § 201 BauGB zur Verfügung stünden, da diese zur Erwirtschaftung der nachwachsenden Rohstoffe (NawaRos) für die durch eine GbR bestehend aus den Beigeladenen betriebene Biogasanlage benötigt würden. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens würden sich demgemäß als offen darstellen. Die daher zu erfolgende Interessenabwägung falle zu Gunsten des Klägers aus.
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Mit Urteil vom 22. März 2019 hat das Verwaltungsgericht München die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10. Juli 2017 aufgehoben (M 19 K 17.3738). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – 22 BV 19.929 – wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet). In den Gründen des Urteils wird unter anderem ausgeführt, die Voraussetzungen der vom Beklagten bei Genehmigung angenommenen landwirtschaftlichen Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 201 BauGB lägen nicht vor, das Vorhaben sei daher im Außenbereich unzulässig. Es sei nicht davon auszugehen, dass dem Hähnchenmastbetrieb der Beigeladenen dauerhaft eine überwiegend eigene Futtergrundlage im Sinne des § 201 BauGB zur Verfügung stände. Es liege daher keine Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB vor. Anders als noch im Eilverfahren wurde bei der Beurteilung dieser Frage der zur Fütterung der Hähnchen notwendige Sojaanteil in die Berechnung eingestellt; hieraus ergab sich ein relevant erhöhter Flächenbedarf und eine von der Einschätzung im Eilverfahren abweichende Entscheidung. Weiter hat das Verwaltungsgericht die Kriterien für die Bewertung der vorliegenden Pachtverträge als ausreichend dauerhaft im Rahmen der Prüfung von § 201 BauGB im Verhältnis zu seiner vorherigen Entscheidung teilweise abgeändert, blieb bei der Prüfung im Rahmen eines sog. 3-Stufen-Modells, variierte aber die Anforderungen im Rahmen der einzelnen Stufen. Im Ergebnis waren somit die berücksichtigungsfähigen Eigentums- und Pachtvertragsflächen des Betriebs der Beigeladenen nicht ausreichend, um den überwiegenden Teil des Futterbedarfs für die in der Mastanlage gezüchteten Hähnchen auf betriebseigenen Flächen zu erwirtschaften.
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Die Beigeladenen reduzierten in der Folge die Anzahl der Tierplätze in der – inzwischen auf Grund der angeordneten sofortigen Vollziehung der Genehmigung errichteten und tatsächlich betriebenen – Anlage auf 124.600 und stellten am 20. Mai 2020 einen neuen Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung beim Beklagten.
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Nach Durchführung eines erneuten Genehmigungsverfahrens erteilte das Landratsamt den Beigeladenen mit Bescheid vom 30. Dezember 2020 die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 16 BImSchG zur Änderung der bestehenden Stallungen MSH 2 und 3 (beide FlNr. 550 Gemarkung …*) und zur Errichtung und dem Betrieb von zwei neuen Masthähnchenställen (MSH 4 und 5, FlNrn. 608 und 617/3 Gemarkung …*) mit einem Gesamttierbestand von 124.600. Weiter wurde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung angeordnet. Genehmigungsgegenstand sind in Bezug auf die Ställe MSH 2 und MSH 3 eine Änderung des Tierbestands von bisher insgesamt 40.000 auf künftig 20.274 Tierplätze und lüftungstechnische Sanierungsmaßnahmen. In den neu errichteten MSH 4 und 5 sind jeweils 43.524 Tierplätze vorgesehen. Hinzu kommt die Errichtung bestimmter Nebeneinrichtungen (z.B. vier Futtersilos). Ausgeführt wird im Bescheid unter anderem, dass die geplante Hähnchenmast in der Regel im sogenannten „Splitting-Verfahren“ durchgeführt werden solle (Ausstallung von 30% der Tiere nach 30 Tagen mit einem Gewicht von 1.600 g pro Tier, Ausstallung der verbliebenen Tiere nach weiteren acht Tagen mit einem Gewicht von 2.400 g pro Tier). Jährlich würden ca. 7 bis 8 Mastzyklen pro Stall durchgeführt, das bedeute, dass in jedem Zeitraum von einem Jahr höchstens 8 und in jedem zusammenhängenden Zeitraum von zwei Jahren höchstens 15 Mastdurchgänge durchgeführt werden dürften und jeweils kein weiterer Durchgang begonnen wird.
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In den Gründen des Bescheids wird hinsichtlich der materiellen Genehmigungsfähigkeit unter anderem ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB seien gegeben. Der Betrieb verfüge über ausreichend Fläche, um i.S.v. § 201 BauGB das Futter für den Mastbetrieb überwiegend selbst erzeugen zu können. Die vorhandenen Flächen würden den Futterbedarf für die in der genehmigten Anlage gemästeten Hähnchen überwiegend decken. Die Berechnung des Futter- und Flächenbedarfs sei vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (im Folgenden: AELF) alternativ anhand der vom Verwaltungsgericht München im Urteil vom 22. März 2019 aufgestellten Kriterien erfolgt. Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stünden dem Betrieb der Beigeladenen ausreichend Flächen zur Verfügung. Auch bei der Frage, welche Pachtflächen als dem Betrieb dauerhaft zugehörig angesehen werden könnten und damit bei der Beurteilung, ob sie für die überwiegend eigene Futtermittelproduktion dauerhaft zur Verfügung stünden (§ 201 BauGB), habe die Genehmigungsbehörde sich an den Vorgaben aus dem vorgenannten Urteil orientiert. Es wurde Bezug genommen auf eine entsprechende Stellungnahme des AELF zu diesen Fragen.
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Der Bescheid wurde im Amtsblatt des Landkreises … … … bekannt gemacht und hierbei darauf hingewiesen, dass dieser mit dem Ende der Auslegungsfrist am 25. Januar 2021 als zugestellt gelte.
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Der Kläger hat am 23. Februar 2021 Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag,
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den Bescheid vom 30. Dezember 2020 aufzuheben.
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Er trägt im Wesentlichen vor, die Errichtung des Betriebs der Beigeladenen sei im Außenbereich nicht zulässig. Es fehle auch nach der Reduzierung der Hähnchenzahl an den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 201 BauGB. Im Einzelnen führt er hierzu unter anderem aus: Der Beklagte habe den Futterbedarf für die in der streitgegenständlichen Anlage gemästeten Hähnchen fehlerhaft berechnet, er sei unter anderem von einer zu geringen Tierverlustsowie einer falschen Futterverwertungsquote ausgegangen. Auch sei der Abzug nicht landwirtschaftlich erzeugbarer Futterbestandteile fachlich falsch. Zudem müsse, wie das Verwaltungsgericht im Urteil vom 22. März 2019 zu Recht angenommen habe, der Sojaanteil des Futters bei der Berechnung der überwiegenden eigenen Futtergrundlage berücksichtigt werden. Insgesamt stelle sich der Futterbedarf höher als vom Beklagten angenommen dar. Auch der aus dem Futterbedarf resultierende Flächenbedarf sei vom Landratsamt fehlerhaft ermittelt worden. Bezüglich der Ertragswerte der landwirtschaftlichen Flächen sei unter anderem der Klimawandel in die Beurteilung mit einzustellen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die vorgelegten Pachtverträge nicht die erforderliche Dauerhaftigkeit aufweisen: Die von den Beigeladenen abgeschlossenen Pachtverträge seien im Hinblick auf die Nutzungsdauer der streitgegenständlichen Anlage nicht langfristig genug. Es sei vielmehr eine Restlaufzeit von 15 Jahren zu fordern, andernfalls sei nicht sichergestellt, dass die landwirtschaftliche Privilegierung über den gesamten Nutzungszeitraum der Anlage bestehe. Die so gepachteten Flächen könnten daher bezüglich der Frage, ob die überwiegende Futtergrundlage auch in Zukunft auf eigenen Flächen des Betriebs der Beigeladenen erfolgen könnten, nicht berücksichtigt werden. Neuere Rechtsprechung gehe davon aus, dass eine solche Dauerhaftigkeit der Flächenzuordnung nur bei einer Vertrags-Restlaufzeit im Genehmigungszeitpunkt von 15 Jahren angenommen werden könne. Dies stelle überdies eine Untergrenze dar, zusätzlich seien noch weitere Kriterien erforderlich, um einen Pachtvertrag als ausreichend langfristig und damit im Rahmen von § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB berücksichtigungsfähig ansehen zu können. Hierbei könne z.B. die Betriebshistorie relevant werden. Beim Betrieb der Beigeladenen sei insoweit auffällig, dass es nur sehr wenige Flächen gebe, die dem Betrieb schon 15 Jahre vor Genehmigungserteilung zugeordnet gewesen seien. Auch der hohe Pachtflächenanteil wirke sich negativ auf die Prognose aus. Insgesamt sei daher eher eine noch längere Vertragsrestlaufzeit zu fordern. Überdies sei zu berücksichtigen, dass auf den landwirtschaftlichen Flächen der Beigeladenen Einsatzstoffe für die Biogasanlage, welche von einer GbR, bestehend aus den Beigeladenen, betrieben werde, angebaut würden. Diese Flächen stünden daher gerade nicht mehr zum Futteranbau zur Verfügung. Das Vorhaben sei daher als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB anzusehen, welchem öffentliche Belange entgegenstünden. Weiter legt der Kläger dar, dass das streitgegenständliche Vorhaben gegen Naturschutzrecht verstoße: Die Stickstoffeinträge in die umliegenden Biotope seien nicht ausreichend bzw. fehlerhaft geprüft worden. Darüber hinaus lägen Verstöße gegen den Tier- und Brandschutz vor.
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Der Beklagte beantragt,
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Er ist der Auffassung, dass das streitgegenständliche Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sei. Bei der Berechnung des Futter- und Flächenbedarfs habe man sich an die Vorgaben des Verwaltungsgerichts München im Urteil vom 22. März 2019 gehalten. Zur Frage der Langfristigkeit der Pachtverträge führt der Beklagte unter anderem aus, das AELF habe dargelegt, dass aus landwirtschaftlich-fachlicher Sicht ein Pachtvertrag als langfristig anerkannt werde, sofern noch eine Pachtrestlaufzeit von mindestens neun Jahren (im Genehmigungszeitpunkt) bestünde. Aus landwirtschaftlich-fachlicher Sicht sei ebenso entscheidend, inwieweit die landwirtschaftlichen Flächen in der Vergangenheit zur Verfügung gestanden hätten und ob die Pachtverhältnisse in der Vergangenheit stabil gewesen seien. Es handele sich beim Betrieb der Beigeladenen um einen flächenstarken Betrieb mit für die Region höheren durchschnittlichen Feldgrößen. Zudem habe es innerhalb eines Jahres ein Flächenwachstum von 44 ha gegeben. Es sei ersichtlich, dass den Beigeladenen ein kontinuierliches Flächenwachstum keine Schwierigkeiten bereite. Im Sommer/Herbst 2020 hätten außerdem schriftliche Pachtzusagen für weitere nah gelegen Flächen ab 2021 im Umfang von 40 ha vorgelegen. Die Beigeladenen hätten 120 verschiedene Verpächter und seien somit nicht von einzelnen Verpächtern abhängig. Zu berücksichtigen sei auch, dass kaum Pachtrückgaben erfolgt bzw. kaum Verlust von Verpächtern zu verzeichnen seien. Die Beigeladenen würden professionelles Pachtflächenmanagement betreiben; die langfristigen Pachtverträge würden zur Sicherung eine zusätzliche Pachtpreiserhöhung enthalten. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung sei mit der vorliegenden Situation nicht unbedingt vergleichbar, denn diese habe sich auf eine Tierplatzzahl von nur 39.900 bezogen. Die durchschnittliche Betriebsgröße liege in Niedersachsen im Jahr 2016 bei 68,7 ha, in Bayern hingegen bei nur bei 34,7 ha. Hinsichtlich der Feldstücke seien Besonderheiten zu beachten: Die Flächen bestünden oftmals aus mehreren Flurnummern mit unterschiedlichen Eigentümern. Vor Zupacht durch die Beigeladenen hätten viele Flächen brachgelegen, da sie klein und isoliert gelegen seien. Die Eigentümer hätten keinen Nutzen aus diesen Flächen ziehen können. Durch die Zupacht hätten mehrere Flurstücke zusammengelegt und vernünftig bewirtschaftet werden können. Die Fläche des Betriebs der Beigeladenen sei insbesondere über die letzten 20 Jahre kontinuierlich und erheblich angewachsen. Nach Berechnungen des AELF (ohne Berücksichtigung des Sojaanteils im Futter) sei ein ausreichend großer „Flächenpuffer“ vorhanden (167 ha bzw. 189 ha benötigte Futterfläche – im Verhältnis zu 345 ha zur Verfügung stehender Fläche). Aber auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verwaltungsgerichts München bei der Berechnung der erforderlichen und der zur Verfügung stehenden Flächen seien die Voraussetzungen der Privilegierung gegeben. Das AELF stelle seit vielen Jahren fest, dass betriebliche Flächenzuwächse fast ausschließlich über betriebswirtschaftlich wesentlich günstigere Zupachten erfolgen und kaum über Flächenzukäufe. Aus diesem Grund steige bei Flächenzuwachs auch die Pachtquote. Deshalb liege vorliegend keine Vergleichbarkeit mit durchschnittlichen Pachtbetrieben mit einer Pachtquote von 52% vor, da dies in der Regel kleinere Betriebe seien.
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Die Beigeladenen haben beantragt,
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Sie sind der Auffassung, dass das streitgegenständliche Vorhaben den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 201 BauGB erfülle. Es stünden ihrem Betrieb ausreichend Flächen dauerhaft zur Verfügung, um den überwiegenden Futterbedarf im Sinne des § 201 BauGB zu erwirtschaften. Ihrer Auffassung nach sei bei der Berechnung des Futterbedarfs unter anderem der Sojaanteil nicht einzustellen. Weiter haben sie darauf hingewiesen, dass sie eine eigene Futtermischung verfüttern würden, welche sich von der Beispielsrezeptur, welche das Verwaltungsgericht bei seiner Berechnung zu Grunde gelegt habe, bezüglich der Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile unterscheide. Daher sei die Futterbedarfsberechnung auch insoweit anders vorzunehmen. Selbst wenn man der Berechnung des Futter- und Flächenbedarfs jedoch die vom Verwaltungsgericht München vorgegebenen Kriterien zu Grunde lege und den im Futter enthaltenen Sojaanteil berücksichtige, stünden ihnen ausreichende Flächen zur Verfügung. Sie tragen weiter vor, die von ihnen geschlossenen Pachtverträge seien als ausreichend langfristig anzusehen, eine Vielzahl der Pachtverträge verfüge über eine Restlaufzeit von 10 Jahren (im Genehmigungszeitpunkt), teilweise sogar von 12 Jahren, eine entsprechende Pachtvertragsflächenübersicht wurde vorgelegt (BGL 3 und BGL 6), ebenso wie Kopien eines Großteils der abgeschlossenen Verträge. Hieraus sei ersichtlich, dass ihnen zumindest Flächen mit einer Größe von rund 303 ha langfristig zur Verfügung stünden: Diese Summe ergebe sich aus Eigentumsflächen mit einer Größe von 35,41 ha sowie gepachteten Flächen von rund 268 ha, bei denen Verträge mit einer Restlaufzeit von mindestens 10 Jahren bestünden. Hinzukämen rund 19 ha, welche nach den vom Verwaltungsgericht München im Urteil vom 22. März 2019 aufgestellten Kriterien der 2. und 3. Stufe anrechenbar seien. Ihre Betriebsfläche habe im Jahr 2021 insgesamt 490 ha betragen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass sie über erhebliche Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung verfügen würden. Die Fragen der Dauerhaftigkeit und der erforderlichen Restlaufzeit der Pachtverträge könnten auch nicht aufgrund einer pauschalen Betrachtung, bei der starre Mindestrestlaufzeiten herangezogen werden, bestimmt werden. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung, welche eine Vertragsrestlaufzeit von 15 Jahren fordere, werde weder dem Einzelfall noch den veränderten Marktumständen in der Landwirtschaft gerecht. Es sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass Verpächter vielfach keine längeren Pachtverträge mehr schließen wollten, dies ergebe sich unter anderem aus dem zunehmenden Siedlungsdruck auf den Außenbereich. Vor diesem Hintergrund sei im Grundsatz eine typisierte Betrachtungsweise wie vom Verwaltungsgericht München im Erstverfahren angenommen, sinnvoll. Anders als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof angenommen habe, könne dabei auch von in der Vergangenheit erfolgten Vertragsverlängerungen auf die Zukunft geschlossen werden. Denn eine Prognoseentscheidung basiere gerade auf Vorgängen in der Vergangenheit. Sofern man die vom Verwaltungsgericht München aufgestellten Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Pachtverträge zu Grunde lege, würden sie über ausreichend Flächen zum entsprechenden Futteranbau verfügen. Es sei zudem nicht gesetzlich vorgeschrieben, dass auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen, welche im Rahmen von § 201 BauGB Berücksichtigung fänden, auch tatsächlich Futter angebaut werden müsse, von daher sei es unerheblich, ob und in welchem Umfang auf den Flächen ihres Betriebs angebaute Einsatzstoffe der Biogasanlage eingebracht würden. Jedenfalls sei es ihnen möglich, die Biogasanlage wirtschaftlich auch mit zugekauften Einsatzstoffen zu betreiben; sie seien nicht auf die von ihnen selber angebauten nachwachsenden Rohstoffe angewiesen (hierzu wurden entsprechende Stellungnahmen von Herrn Dipl. Ing. …, Ingenieurbüro für Energie und Umwelt vom 25. Januar 2019 und vom 12. März 2019 vorgelegt). Der Biotopschutz sei ausreichend geprüft worden. Weitere Prüfungen seien schon deshalb zu Recht unterblieben, weil durch das vorliegende Vorhaben auch die bereits zuvor betriebenen Hähnchenställe modernisiert worden seien und daher insgesamt von einer Verbesserung der Stickstoffsituation auszugehen sei. Zu Fragen des Tier- und Brandschutzes sei der Kläger schon nicht klagebefugt, zudem seien die dementsprechenden Vorgaben eingehalten. Mit Schriftsätzen vom 3. Juli 2024 und 8. Juli 2024 haben die Beigeladenen ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass sich ausweislich der vorliegenden Betriebsdatenblätter die aktuelle Betriebsflächenentwicklung wie folgt darstelle: Im Jahr 2022: 479 ha; im Jahr 2023: 474 ha; im Jahr 2024: 518 ha. Es seien zwischenzeitlich weitere langfristige Pachtverträge (Restlaufzeit 10 oder 12 Jahre) geschlossen worden, sodass nunmehr rund 360 ha (Eigentum und die vom Verwaltungsgericht auf der Stufe 1 angenommenen Verträge mit einer Restlaufzeit von mindestens 10 Jahren) dem Betrieb langfristig zur Verfügung stünden. Zusammen mit dem vom Verwaltungsgericht auf Stufe 2 und 3 als langfristig angenommenen Verträgen ergebe sich insoweit eine Gesamtsumme von rund 376 ha. Bisher habe die Biogasanlage eine Fläche von rund 330 ha zur Produktion von nachwachsenden Rohstoffen benötigt, künftig jedoch nur noch 200 ha.
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Am 9. Juli 2024 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Verfahren sowie in den Verfahren M 19 K 17.3738 und M 19 SN 17.4631 sowie 22 BV 19.929 und 22 CS 18.1097 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Zur Zulässigkeit der Klage ist auszuführen:
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1. Die Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO, § 10 Abs. 8 BImSchG) wurde eingehalten.
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2. Der Kläger ist klagebefugt. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG liegen vor.
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Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dem mit Bescheid vom 24. März 2009 durch das Umweltbundesamt „die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gemäß § 3 UmwRG“ erteilt wurde. Diese Anerkennung gilt nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UmwRG fort (VG München, U.v. 22.3.2019 – M 19 K 17.3738 – juris Rn. 38).
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Die verfahrensgegenständliche Genehmigung vom 30. Dezember 2020 stellt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG einen tauglichen Rechtsbehelfsgegenstand dar. Sie ist eine Zulassungsentscheidung i.S.d. § 2 Abs. 6 Nr. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) über die Zulässigkeit eines Vorhabens, für das nach § 6 UVPG i.V.m. Nr. 7.3.1 (Intensivhaltung oder -aufzucht von Mastgeflügel mit 85.000 oder mehr Plätzen) der Anlage 1 zum UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gilt. Zudem liegen wegen Nr. 7.1.3.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV und § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG vor.
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Der Kläger macht auch geltend, dass die Entscheidung Rechtsvorschriften widerspricht, die für diese von Bedeutung sein können (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Er trägt in seinen Schriftsätzen Umstände vor, die die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts und die dadurch bewirkte Verletzung der von ihm rügbaren Rechte zumindest als denkbar erscheinen lassen. Er rügt insbesondere Verstöße gegen immissionsschutzrechtliche, baurechtliche, naturschutzrechtliche, brand- und tierschutzrechtliche Vorschriften, die allesamt für die Genehmigung der Masthähnchenanlage von Bedeutung sind.
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Der Kläger war auch zur Beteiligung berechtigt i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a UmwRG. Das Beteiligungsrecht ergibt sich aus § 18 UVPG bzw. § 10 BImSchG.
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Jedenfalls überwiegend liegen für die vorgetragenen Rügen des Klägers auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG vor. Er ist durch die geltend gemachten Verstöße in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt. Insbesondere die Rüge der fehlenden baurechtlichen Privilegierung und damit eines Verstoßes gegen § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 201 BauGB weist einen ausreichenden Zusammenhang zu seiner im Anerkennungsbescheid vom 24. März 2009 in Bezug genommenen und daher maßgeblichen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 UmwRG; BayVGH, B.v. 20.1.2010 – 22 CS 09.2968 – juris Rn. 10) Satzung vom 27. April 2008 und dem dort beschriebenen Aufgabenbereich auf. Ob er bezüglich der tier- und brandschutzrechtlichen Rügen durch die geltend gemachten Verstöße in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da er jedenfalls für die übrigen von ihm geltend gemachten Rechtsverletzungen klagebefugt ist (vgl. insgesamt: VG München, a.a.O., Rn. 42).
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3. Die Klagebegründungsfrist nach § 6 UmwRG hat der Kläger gewahrt.
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§ 6 UmwRG ist eine prozessuale Präklusionsvorschrift, der zufolge der Kläger als Vereinigung i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung der Klage dienenden Erklärungen, Tatsachen und Beweismittel anzugeben hat.
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Der Kläger hat durch Schriftsatz vom 4. Mai 2021 Erklärungen, Tatsachen und Beweismittel im Sinne dieser Vorschrift angegeben. Mit Hilfe dieses fristgerecht erfolgten Vortrags hat er den Verfahrensstoff rechtzeitig so festgelegt, dass für das Gericht und die Beteiligten absehbar war, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten eine Entscheidung angegriffen wird. Dem Regelungsziel der Vorschrift ist damit ausreichend Rechnung getragen (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand April 2018, § 6 UmwRG Rn. 56). Soweit der Kläger in späteren Schriftsätzen Vertiefungen und Präzisierungen bereits fristgerecht thematisierter Komplexe vornimmt, schadet dies dem Sinn und Zweck der Vorschrift nach nicht (vgl. VG München, a.a.O., Rn. 45).
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Die Klage ist begründet.
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Der Bescheid vom 30. Dezember 2020 verstößt gemessen am maßgeblichen Prüfungsmaßstab des § 2 Abs. 4 UmwRG gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 und § 201 BauGB. Er ist aufzuheben, weil die Verletzung nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann (§ 7 Abs. 5 UmwRG).
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Das Vorhaben der Beigeladenen genügt den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB nicht. Denn es lässt sich nicht mit genügender Sicherheit prognostizieren, dass die Beigeladenen für den maßgeblichen Zeitraum über dem Betrieb zurechenbare Flächen in ausreichendem Ausmaß verfügen, um Landwirtschaft in Form der Tierhaltung im genehmigten Umfang zu betreiben. Es handelt sich vielmehr um ein nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich, welches öffentliche Belange beeinträchtigt (§ 35 Abs. 2 und 3 BauGB).
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Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben, das – wie hier – unstreitig auf einem Grundstück im Außenbereich errichtet werden soll, nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist sowie das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Landwirtschaft ist dabei nach § 201 BauGB insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann.
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1. Die Mast von Hähnchen stellt Tierhaltung dar und erfüllt insoweit den Begriff der Landwirtschaft (vgl. nur BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 7 C 6/08 – juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 31.1.2013 – 4 A 122/12 – juris Rn. 7).
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2. Die Tierhaltung wird durch die Beigeladenen auch als Betrieb geführt. Die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung ist ebenso gegeben wie ein auf Dauer gedachtes und lebensfähiges Unternehmen, das gewissermaßen für Generationen bestehen wird (zu den Anforderungen im Allgemeinen BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 4 C 9/11 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 20.3.2001 – 20 B 00.2501 – juris Rn. 17, 24). Der Betrieb besteht seit mehreren Jahrzehnten; der Sohn der Beigeladenen zu 1. und 2., der Beigeladene zu 3., hat den Betrieb am 1. Januar 2024 übernommen.
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An der notwendigen Dauerhaftigkeit des Unternehmens selbst besteht auch unter Berücksichtigung der hohen Pachtquote schon wegen der nicht unerheblichen Eigentumsflächen kein Zweifel. Die hohe Pachtquote ist daher nicht schon beim Betriebsbegriff, sondern erst bei der Bestimmung der nach § 201 BauGB für die Futterproduktion notwendigen und dauerhaft verfügbaren Fläche von Relevanz (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.1.2015 – 1 CS 04.1598 – juris Rn. 15, 22; VG München, U.v. 22.3.2019 – M 19 K 17.3738 – juris).
45
3. Das Vorhaben dient dem vorhandenen Betrieb, weil es zu ihm in einer räumlich-funktionalen Beziehung steht und – auch äußerlich erkennbar – nach Verwendungszweck und Größe durch den betrieblichen Zweck erschöpfend geprägt wird (vgl. BayVGH, U.v. 26.9.2011 – 1 B 11.550 – juris Rn. 20). Die Pachtflächen der Beigeladenen liegen in einem Radius von maximal 16 km, ganz überwiegend sogar noch näher, um den Betrieb. Das Vorhaben nimmt auch nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche ein. Die von ihm in Anspruch genommene Fläche von mehreren Tausend Quadratmetern fällt im Verhältnis zur unmittelbar der Bodennutzung dienenden Gesamtfläche nur geringfügig ins Gewicht (VG München, a.a.O., Rn. 53).
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4. Das Vorhaben der Beigeladenen genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 201 BauGB, soweit hiernach das benötigte Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden können muss. Es lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit prognostizieren, dass der Betrieb der Beigeladenen über einen maßgeblichen Zeitraum von 30 Jahren über ausreichend Flächen verfügt, um diesen überwiegenden Futterbedarf zu decken.
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a) Denn die Beigeladenen haben keine Pachtverträge mit einer Restlaufzeit von 15 Jahren vorgelegt und die vorhandenen Eigentumsflächen von rund 35 ha erfüllen den für die Annahme der überwiegenden Futtererzeugung im Sinne des § 201 BauGB erforderlichen Flächenbedarf unstreitig nicht. Somit ist nicht von einer Privilegierung im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auszugehen. Im Einzelnen:
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aa) Für die Frage, welche Flächen dem Betrieb prognostisch zum Futteranbau zur Verfügung stehen werden, können nicht nur Eigentumsflächen, sondern auch Pachtflächen herangezogen werden. Angesichts der grundsätzlichen Labilität schuldrechtlicher gegenüber dinglichen Rechtspositionen können Pachtflächen als nach § 201 BauGB „zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörende“ Fläche allerdings nur Berücksichtigung finden, wenn und soweit sie prognostisch dem Betriebsinhaber mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit für eine ausreichende Dauer zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 4 C 9/11 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 14.7.2011 – 14 B 09.2291 – juris Rn. 37). Nur dann lässt sich ein Eingriff in den zumeist naturhaft geprägten Außenbereich, der grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden soll, rechtfertigen (BVerwG, U.v. 24.8.1979 – IV C 3/77 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 4.1.2015 – 1 CS 04.1598 – juris Rn. 15, 22).
49
bb) Die Dauerhaftigkeit der Zuordnung der Eigentumsflächen und der Pachtflächen zu dem landwirtschaftlichen Betrieb muss zunächst grundsätzlich der voraussichtlichen Nutzungsdauer der betreffenden Stallgebäude entsprechen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2024, § 35 Rn. 36), diese ist mit 30 Jahren realistisch bemessen (vgl. NdsOVG, U.v. 30.8.1988 – 1 A 164/86 – juris Rn. 31): Für deren Bestimmung zieht das Gericht die steuerrechtlichen Vorgaben für die Absetzung für Abnutzung als wesentlichen Anhaltspunkt heran. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) bemisst sich die Absetzung für Abnutzung „nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts“, die für Gebäude bei rund 33 Jahren liegt (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG). Für Ställe in Massivbauweise beträgt sie nach Nr. 2.6.20.1 der AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig „Landwirtschaft und Tierzucht“ vom 19. November 1996 25 Jahre (BStBl I 1996, 1416). Angesichts des Grundsatzes der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs orientiert sich das Gericht innerhalb dieses Rahmens am höheren Wert und nimmt eine zu erwartende (Mindest-)Nutzungsdauer von drei Jahrzehnten an (VG München, a.a.O., Rn. 119). Diese ist zwischen den Parteien auch nicht umstritten.
50
cc) Zwar dürfte nicht zu fordern sein, dass die Pachtverträge den gesamten danach in den Blick zu nehmenden Zeitraum abdecken. Jedenfalls müssen für die Sicherstellung eines dauerhaften Zugriffs auf benötigte Flächen aber ausreichend langfristige Pachtverhältnisse vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 4 C 9/11 – Rn. 10).
51
Unter welchen Voraussetzungen von ausreichend langfristigen Pachtverträgen ausgegangen werden kann, ist nicht abschließend geklärt, die bisherige Rechtsprechung erscheint verhältnismäßig uneinheitlich (vgl. etwa NdsOVG, U.v. 30.8.1988 – 1 A 164/86 – juris Rn. 31: 18 Jahre bei 30 Jahren Nutzungsdauer der Anlage; VG Göttingen, B.v. 28.6.2007 – 2 A 161/06 – juris: 18 Jahre Vertragslaufzeit; VG Minden, U.v. 22.9.2010 – 11 K 1160/09 – juris: 12 Jahre Laufzeit; BayVGH, U.v. 14.7.2011 – 14 B 09.2291 – juris Rn. 37 fordert eine einzelfallbezogene Prognose. Eine allgemein gültige Berechnungsformel existiere ebenso wenig wie eine pauschale Untergrenze [Mindestquote] für das Verhältnis von Eigentumszu Pachtflächen, so BayVGH, B.v. 4.1.2015 – 1 CS 04.1598 – juris Rn. 22).
52
(1) Zunächst ist klarzustellen, dass die Frage, welche Pachtverträge im konkreten Einzelfall als ausreichend langfristig bewertet werden, nach Auffassung der Kammer nicht anhand eines wie vom Verwaltungsgericht München (a.a.O., Rn. 120 ff.) entworfenen, gleichsam abstrakt-generellen Stufenmodells beantwortet werden kann.
53
Ein solch kleinteilig ausdifferenziertes Stufenmodell erscheint nach Auffassung der Kammer nicht sachgerecht, da es lediglich eine vermeintliche arithmetische Genauigkeit der Berechnung, ob der erforderliche Flächenbedarf erfüllt ist, vermittelt. Nahezu jeder der darin herangezogenen Berechnungsfaktoren und Prämissen, deren Herleitung und Begründung im Einzelnen teilweise offen bleibt, ist jedoch – wie unter b) bb) (1) und cc) (2) noch dargelegt werden wird – mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belastet. Das Modell vermittelt damit nur scheinbar Rechtssicherheit, ist letztlich nicht wirklich anwenderfreundlich und nimmt auf der sogenannten „dritten Stufe“ der Prüfung eine von den Beteiligten im Einzelnen auch nicht abschließend vorhersehbare Wertung der Langfristigkeit von Verträgen vor.
54
In Bezug auf den Einwand der Beigeladenen, es sei nicht nachvollziehbar und mit der Rechtssicherheit für ihren Betrieb unvereinbar, dass die Kammer nunmehr andere Kriterien als vom Verwaltungsgericht im „Erstverfahren“ bezüglich der Dauerhaftigkeit der abgeschlossenen Pachtverträge aufgestellt anlege, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München insoweit keine Bindungswirkung für die nunmehr zur Entscheidung berufene Kammer entfaltet.
55
Soweit die Betreiber von Tierhaltungsanlagen – nachvollziehbar – eine rechtssichere Planung wünschen, zumal wenn es sich um einen Großbetrieb mit erheblichen Investitionen handelt, sind sie auf die Errichtung ihres Betriebs im entsprechend beplanten Innenbereich (§ 30 BauGB) zu verweisen. Nur eine Planung durch die Standortgemeinde kann vorab, das heißt bereits vor rechtskräftiger Genehmigung, insoweit entsprechende planungsrechtliche Sicherheit vermitteln.
56
(2) Die Kammer ist der Auffassung, dass bei einer Nutzungsdauer von 30 Jahren stattdessen von einer vertraglichen (Mindest-)Restlaufzeit von 15 Jahren auszugehen ist, mithin der Hälfte dieses Zeitraums. Somit wird eine vertragliche Restlaufzeit von 15 Jahren zu fordern sein, um von einem ausreichend langfristigen Pachtvertrag ausgehen zu können. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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(a) Für eine zunächst maßgebliche Restlaufzeit der Pachtverträge von 15 Jahren, mithin der Hälfte der zu Grunde gelegten Nutzungsdauer, kann die gesetzliche Wertung des § 201 BauGB herangezogen werden: Nach dessen Wortlaut muss das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen angebaut werden. Zwar bezieht sich der Wortlaut nur auf die überwiegende Flächenausstattung, es liegt jedoch zumindest nicht fern, diese Wertung mangels diesbezüglicher normativer Bestimmung auch auf die „zeitliche Komponente“ der Flächenausstattung auszudehnen, mithin eine in Bezug auf die gesamte Nutzungsdauer bezogene hälftige Restlaufzeit (vorliegend 15 Jahre) zu fordern.
58
Nach Überzeugung der Kammer wird so einerseits dem gesetzgeberischen Interesse Rechnung getragen, den Außenbereich wirksam von nicht privilegierter (gewerblicher oder industrieller) Nutzung freizuhalten, andererseits werden für landwirtschaftliche Betriebe keine überzogenen Anforderungen an eine ausreichende Prognosegrundlage für die erforderlichen Flächen gestellt, da diese lediglich für die Hälfte des zu erwartenden Nutzungszeitraums dargelegt werden muss.
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(b) Einen zureichenden Grund, warum hingegen bezüglich der Restlaufzeit lediglich ein Drittel der voraussichtlichen Laufzeit der Anlage anzusetzen sein soll (wie Teile der Rechtsprechung, u.a. Verwaltungsgericht München, a.a.O., Rn. 121 ff., auf der ersten „Stufe“ der Prüfung der Pachtverträge), vermag die Kammer nicht zu erkennen. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur lässt sich hierzu ein tragfähiger Begründungsansatz finden. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang daran, dass im Ausgangspunkt die Voraussetzungen der Privilegierung über den gesamten Zeitraum der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Genehmigung vorliegen müssen. Andernfalls bestünde das Risiko, dass ein zunächst privilegiertes Vorhaben zulässig im Außenbereich errichtet würde, nach Verlust seiner Privilegierung jedoch gleichsam materiell rechtswidrig den Außenbereich weiter in Anspruch nähme.
60
Dementsprechend gibt es in der neueren Rechtsprechung auch die Tendenz, eine Pachtlaufzeit von lediglich einem Drittel des zu erwartenden Nutzungszeitraums nicht ausreichen zu lassen (so NdsOVG, B.v. 16.12.2019 – 12 ME 87/19 – juris: Untergrenze 15 Jahre Restlaufzeit, 10 Jahre Restlaufzeit jedenfalls zu kurz; NdsOVG, B.v. 15.9.2020 – 12 ME 29/20 – juris; VG Hannover 18.5.2021, 4 B 6438/20VG – juris; VG Stade, U.v.19.10.2021 – 2 A 1694/18 – juris, welches nicht ausschließt, einzelne Flächen mit einer geringeren Pachtrestlaufzeit einzubeziehen, aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände; VG Ansbach U.v. 25.4.2023 – AN 3 K 21.01785 – juris, unter Bezugnahme auf NdsOVG a.a.O.: „Eine Pachtlaufzeit von etwa 10 Jahren reicht hierfür regelmäßig nicht aus. Dies gilt vorliegend erst recht, da die hinzugepachteten Flächen den Großteil der dem Kläger zur Verfügung stehenden Flächen ausmachen.“). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss im Eilverfahren im Jahr 2018 bezüglich der vorliegenden Hähnchenmastanlage offen gelassen, ob vertragliche Restlaufzeiten von 9 oder 10 Jahren ausreichend sind (BayVGH, B.v. 6.8.2018 – 22 CS 18.1097 – juris Rn. 46).
61
Der Beklagte trägt vor, die Beschlüsse des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts seien auf die vorliegende Situation nicht übertragbar, da den dortigen Entscheidungen lediglich eine Tierplatzzahl von 39.900 zu Grunde gelegen habe. Die Kammer kann jedoch nicht erkennen, warum dies gegen eine Anwendung des in dieser Entscheidung aufgestellten zeitlichen Kriteriums spricht. Vielmehr spräche angesichts der Tatsache, dass es sich vorliegend mit einer Tierplatzzahl von 124.600 um ein den Außenbereich erheblich belastenderes Vorhaben handelt, einiges dafür, eher noch strengere Kriterien anzulegen, um die Rechtfertigung dieses Eingriffs in den Außenbereich auf eine besonders solide Grundlage zu stellen. Soweit die Beigeladenen sich auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2019 beziehen (BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – juris), nach welchem 10 Jahre Vertragsdauer ausreichend sein sollten, so ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt wurde, dass bei der Sonderkultur Spargel hohe Pachtpreise möglich sind und daher davon ausgegangen wurde, dass Vertragsverlängerungen möglich sein werden.
62
(c) Die Beigeladenen und der Beklagte tragen zudem selbst vor, dass Pachtpreise einer hohen Dynamik unterlägen und deshalb am Abschluss langfristiger Pachtverträge regelmäßig kein Interesse auf Verpächterseite bestehe. Sie verweisen darauf, dass die starke Flächenkonkurrenz im Außenbereich (aufgrund von Infrastrukturprojekten, Bauleitplänen, naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen, Zunahme von Flächenspekulation durch Nichtlandwirte) dazu führe, dass sich Pächter immer seltener langfristig binden möchten. Aufgrund dieser Dynamik bei der Entwicklung von Pachtpreisen sei bei der Änderung der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten „Bauen im Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe“ Ende 2016 von einer pauschalen Vorgabe der Dauer von Pachtverträgen für die Frage der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit (mit Ausnahme für Neugründungen, an die sehr strenge Anforderungen zu stellen seien) abgesehen worden. Bei Neugründung von Nebenerwerbsbetrieben werde auf 12 Jahre abgestellt. Stelle man zu strenge Anforderungen, gäbe es immer weniger privilegierte Vorhaben im Außenbereich, dies würde der Intention des Gesetzgebers widersprechen, privilegierte Vorhaben im Außenbereich zuzulassen.
63
Gerade dieser zunehmende (Siedlungs-)druck auf den Außenbereich führt nach Auffassung der Kammer jedoch dazu, dass zunehmend ungewiss erscheint, ob und unter welchen Bedingungen eine Verlängerung oder ein Neuabschluss von Pachtverträgen künftig möglich sein wird. Dies spricht ebenfalls für die Annahme der Notwendigkeit 15-jähriger Restlaufzeiten. Zu beachten ist hierbei, dass sich die Zupacht der entsprechenden Flächen stets auch als wirtschaftlich sinnvoll darstellen muss.
64
Der Einwand, auf diese Weise würden Neugründungen bzw. Erweiterungen landwirtschaftlicher Betriebe auf Pachtbasis über die Maßen erschwert, führt nach Auffassung der Kammer nicht zu einer anderen Bewertung: Die gewandelten Gepflogenheiten dürften Folge eines Siedlungsdrucks auf den Außenbereich zumindest im Umkreis von Ballungsgebieten und einer dynamischeren und weniger verlässlichen Agrar- und Förderpolitik sein. Wenn dementsprechend Verpächter ihre Flächen nur für kürzere Zeiträume Dritten zur Verfügung stellen wollen, ist dies gegenüber früheren Zeiten mit der Erhöhung der Wahrscheinlichkeit verbunden, dass im Außenbereich bauliche Anlagen entstehen, denen gerade nicht dauerhafte Freiflächen gegenüberstehen. Das widerspricht der Schutzintention des § 35 BauGB. Im Ergebnis könnte dann infolge bestehenden Bestandsschutzes für die einzelnen Anlagen ohne planerische Entscheidungen der Außenbereich durch immer mehr bauliche Anlagen langfristig verdichtet werden. Er verlöre seine Funktion als Natur- und Erholungsraum. Eine möglicherweise erschwerte Neugründung oder Erweiterung von bestehenden Betrieben ist vor diesem Hintergrund notwendige Folge der verstärkten (nicht nur landwirtschaftlichen) Zugriffsinteressen auf den Außenbereich (VG München, a.a.O., Rn. 122).
65
Folge dieses vermehrten Zugriffs auf den Außenbereich kann nach Auffassung der Kammer gerade nicht sein, dass Vorhaben – wie das der Beigeladenen – unter erleichterten Bedingungen, das heißt unter Zugrundelegung weniger strenger Prognosemaßstäbe, zugelassen werden können. Es ist einzuräumen, dass Konsequenz hieraus sein kann, dass Vorhaben wie das der Beigeladenen tendenziell schwerer als nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte Vorhaben zugelassen werden können. Nach Überzeugung der Kammer ist es jedoch nicht Aufgabe der Rechtsprechung, auf diese Entwicklungen einseitig zu Gunsten von (Groß-)Tierhaltungsbetrieben und gleichsam zu Lasten des Außenbereichs zu reagieren. Vielmehr bedürfte es insoweit einer gesetzgeberischen Grund- und Wertentscheidung.
66
Insoweit ist nochmals klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Verwirklichung von Tierhaltungsanlagen, welche – möglicherweise aufgrund dieser geänderten Gegebenheiten – nicht die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB für sich in Anspruch nehmen können, hierdurch nicht per se unmöglich gemacht wird. So können sich kleinere Tierhaltungsanlagen häufig auf § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stützen und UVPpflichtige bzw. vorprüfungspflichtige Tierhaltungsanlagen wären auf die Planung der Standortgemeinde (§ 30 BauGB) zu verweisen. Dass dies vom Gesetzgeber nicht gewollt wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist zu beachten, dass die Tatsache, dass größere Tierhaltungsanlagen die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht mehr für sich in Anspruch nehmen können und auf die Prüfung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB bzw. auf § 30 BauGB zu verweisen sind, gerade Folge der Änderung des § 35 BauGB im Jahr 2013 ist. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass für größere Tierhaltungsanlagen gerade ein Planbedürfnis gesehen und daher insoweit eine „Teil-Entprivilegierung“ vorgenommen wurde. Einer ungesteuerten Ansiedlung von großen Stallanlagen der gewerblichen Intensivtierhaltung, die vom herkömmlichen Bild der Landwirtschaft mit überschaubarer Hofstelle nicht nur deutlich abweicht, sondern auch in erheblichem Umfang zur Zersiedelung des Außenbereichs führt, sollte gerade entgegengesteuert werden (siehe hierzu BT-Drs. 17/13272 und BRat-Drs. 474/12). Diese grundsätzliche gesetzgeberische Wertung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass – mit Hinweis auf den Siedlungsdruck im Außenbereich und dessen unmittelbaren Folgen – § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 201 BauGB gleichsam einschränkend ausgelegt werden, um große Tierhaltungsanlagen privilegiert und damit gerade ohne gemeindliche Planung zuzulassen.
67
Festzuhalten ist somit, dass nach Auffassung der Kammer das Vorliegen von Pachtverträgen mit 15-jährigen Restlaufzeiten erforderlich ist, damit diese als ausreichend langfristig bewertet werden können und somit von einer ausreichend sicheren Prognose für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 201 BauGB über den gesamten Genehmigungszeitraum ausgegangen werden kann.
68
(d) Die Kammer schließt nicht aus, dass ein Abweichen von dieser Vorgabe in speziellen Einzelfällen gerechtfertigt ist. Dies mag beispielsweise der Fall sein, wenn der Betrieb im Umfang der für die überwiegende Futtererzeugung notwendigen Flächen bereits seit mehreren Jahrzehnten besteht. Vorliegend ist dies jedoch (unstreitig) nicht der Fall. Zudem handelt es sich um ein außenbereichsintensives Vorhaben, welches einer besonders gesicherten Flächenprognose bedarf.
69
Nachdem – bezogen auf jeden denkbaren Beurteilungszeitpunkt – keine Pachtverträge mit einer Restlaufzeit von 15 Jahren vorliegen und die vorhandenen Eigentumsflächen von rund 35 ha den für die Annahme der überwiegenden Futtererzeugung im Sinne des § 201 BauGB erforderlichen Flächenbedarf unstreitig nicht erfüllen, ist nicht von einer Privilegierung des Vorhabens im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auszugehen.
70
b) Selbst wenn man aber kürzere vertragliche Restlaufzeiten als 15 Jahre akzeptieren wollte, wären die Voraussetzungen für die Erfüllung von § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB vorliegend nicht erfüllt. Denn die prognostisch zur Verfügung stehende Fläche (siehe im Folgenden bb) ist auch in diesem Fall nicht ausreichend, um den erforderlichen Flächenbedarf zur überwiegenden Futtererzeugung im Sinne von § 201 BauGB (siehe im Folgenden cc)) zu decken.
71
Prüfungsmaßstab ist in diesem Fall – da ein gleichsam abstrakt-generelles Stufenmodell abzulehnen ist, vgl. oben – im Wege der tatrichterlichen Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls der Vergleich von (im Hinblick auf den Prognosezeitraum bestehendem) Flächenbestand und dem für die überwiegende Futtererzeugung erforderlichem Flächenbedarf.
72
aa) Zunächst ist festzustellen, dass die Kammer hierbei (insoweit zu Gunsten des Beklagten und der Beigeladenen) auf die Sachlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abstellt. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Betriebsfläche der Beigeladenen im Vergleich zum Genehmigungszeitpunkt weiter erhöht, es liegen weitere (langfristige) Pachtverträge vor, die zur Futtererzeugung zur Verfügung stehende Fläche hat sich mithin im Vergleich zum Genehmigungszeitpunkt (30. Dezember 2020) erhöht.
73
(1) Maßgeblich für die Anfechtungsklage ist zunächst die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1991 – 7 B 102.90 – juris Rn. 3).
74
(2) Veränderungen zu Gunsten des Genehmigungsinhabers sind allerdings zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris Rn. 43; VGH München, U.v. 7.5.2021 – 22 B 18.2192 – juris Rn. 45: Nachbarklage gegen Erweiterung Schweinezuchtbetrieb, immissionsschutzrechtliche Genehmigung). Dem liegt im Baurecht die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (vgl. BVerwG, B.v. 23.04.1998 – 4 B 40.98 – juris Rn. 3). Diese Grundsätze lassen sich auch auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren übertragen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1982 – 7 C 42.80; BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 7 C 42.80; HessVGH, B.v. 27.09.2004 – 2 TG 1630/04 – jeweils juris).
75
Ob an dieser Stelle insoweit eine „Saldierung“ dergestalt stattzufinden hat, als dass im Gegenzug zur Berücksichtigung der nunmehr neu vorliegenden Pachtverträge die nunmehr kürzeren Restlaufzeiten der bereits zuvor bestehenden Verträge in die Bewertung einzustellen sind, kann offenbleiben. Hierfür spräche, dass es sich bei der Berücksichtigung von nachträglichen Veränderungen zu Gunsten eines Vorhabenträgers nicht um ein Meistbegünstigungsprinzip handelt, sondern um eine reine verwaltungs-(verfahrens-)ökonomische Erwägung, die ein erneutes Verwaltungsverfahren entbehrlich machen soll, wenn alle Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Verwaltungsakts bei Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfüllt sind und es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nur einen maßgeblichen Zeitpunkt und nicht mehrere geben kann (vgl. VG Stade, U.v. 19.10.2021 – 2 A 1694/18 – juris Rn. 103 ff, insbesondere Rn. 115 ff.).
76
Es wäre also an sich zu hinterfragen, welche Restlaufzeiten die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Verträge in diesem Zeitpunkt haben. Dies kann jedoch offenbleiben. Denn der künftige Flächenbestand stellt sich auch ohne Berücksichtigung dieser Überlegungen als nicht ausreichend dar, um den erforderlichen Flächenbedarf zu decken.
77
bb) Hinsichtlich der prognostisch zur Verfügung stehende Fläche ist von einer Flächenausstattung von 290 ha auszugehen.
78
Die Betriebsfläche der Beigeladenen beträgt im – wie unter aa) dargelegt – maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung laut dem vorgelegten Betriebsdatenblatt für das Jahr 2024 518 ha, wovon für die vorzunehmende Flächenprognose allerdings die Flächen für Dauergrünland (rund 12,7 ha) und Dauerkulturen (rund 13,7 ha) abzuziehen sind, da diese zumindest kurz- und mittelfristig nicht für den Futteranbau zur Verfügung stehen, sodass sich rund 490 ha ergeben. In dieser Flächenausstattung enthalten sind jedoch auch Flächen, für welche kurzfristigere Pachtverträge (Restlaufzeit kürzer als 10 Jahre) bestehen.
79
Stellt man auf vertragliche Restlaufzeiten von mindestens 10 Jahren ab, so liegen laut Mitteilung der Beigeladenen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Eigentumsflächen und Flächen, welche durch langfristige Pachtverträge gebunden sind, von insgesamt rund 360 ha vor (Schriftsatz vom 8. Juli 2024).
80
Dieser Flächenbestand ist jedoch mit nicht unerheblichen Unsicherheiten belastet (im Folgenden (1)), zudem sind hiervon 200 ha abzuziehen, da diese Fläche zum Anbau für Einsatzstoffe für die Biogasanlage gebunden ist (im Folgenden (2)).
81
(1) Der Flächenbestand des Betriebs der Beigeladenen ist mit nicht unerheblichen Unsicherheiten belastet, es ist mithin fraglich, ob dieser bezogen auf den gesamten Prognosezeitrum von 30 Jahren zur Verfügung stehen wird. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
82
(a) Zwar ist zunächst festzustellen, wie die Beigeladenen und der Beklagte zu Recht ausführen, dass es sich vorliegend um einen seit mehreren Jahrzehnten bestehenden und im Grundsatz kontinuierlich angewachsenen landwirtschaftlichen Betrieb handelt. Der Flächenzuwachs des Betriebs stellt sich laut den insoweit auch nicht bestrittenen Angaben des Beklagten und aus den vorliegenden Unterlagen wie folgt dar:
91
Festzustellen bleibt somit im Ergebnis, dass es sich beim Betrieb der Beigeladenen um einen etablierten, seit mehreren Jahrzehnten bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb handelt, welcher kontinuierlich angewachsen ist.
92
(b) Zu beachten ist aber, dass der sprunghafte Flächenzuwachs vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 auf die im Jahr 2007 erstmals genehmigte Biogasanlage zurückzuführen sein dürfte, sich mithin die Frage stellt, ob und in welchem Umfang diese Flächen auch nach einer eventuellen Aufgabe der Biogasanlage dem Betrieb weiter zur Verfügung stehen. Zu dieser Frage hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: „Dies gilt insbesondere für den Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht die Pachtflächenentwicklung seit 2007 betrachtet hat, d.h. für einen Zeitraum, der sich weitgehend mit der bisherigen Betriebsdauer der Biogasanlage deckt, in der im Jahr 2017 68% der Ernte der Beigeladenen als Einsatzstoffe verwendet wurden. Es ist fraglich, ob diese Pachtflächenentwicklung Rückschlüsse auf eine künftige Flächenverfügbarkeit für eine landwirtschaftliche Tierhaltung zulässt“ (BayVGH, B.v.6.8.2018 – 22 CS 18.1097 – juris Rn. 38).
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(c) Trotz des kontinuierlichen Flächenwachstums lässt die bisherige Betriebsgeschichte vorliegend keinen verlässlichen Schluss darauf zu, dass die für die Privilegierung erforderlichen Flächen auch in Zukunft zur Verfügung stehen werden: Denn der Betrieb der Beigeladenen besteht zwar bereits seit mehreren Jahrzehnten, jedoch nicht annähernd mit der vorliegend für die Privilegierung erforderlichen Flächenausstattung: Denn noch im Jahr 2007, mithin 13 Jahre vor dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung, lag die Flächenausstattung des Betriebs insgesamt bei nur 137 ha, sodass bezüglich der vorliegenden Flächenausstattung nicht von einer jahrzehntelangen Betriebshistorie ausgegangen werden kann. Zwar kann sich das Schicksal eines landwirtschaftlichen Betriebs auch dahingehend ändern, dass dieser maßgeblich erweitert wird und in dieser Form auch künftig weiter fortbesteht. In diesem Fall kann aber positiv kein Schluss aus der Vergangenheit für die Zukunft gezogen werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zu Recht einwendet, dass es ausweislich der vorgelegten Pachtvertragsübersicht nur wenige derzeit gepachtete Flächen gibt, welche dem Betrieb der Beigeladenen schon 15 Jahre vor Genehmigungserteilung zugeordnet gewesen sind (nur rund 40 ha; vgl. die von den Beigeladenen vorgelegte Pachtvertragsübersicht BGL 6).
94
(d) Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Beigeladenen – soweit ersichtlich, denn die vorgelegten Unterlagen wurden aus Datenschutzgründen insoweit geschwärzt vorgelegt – Verträge mit vielen verschiedenen Verpächtern abgeschlossen haben, sodass der Betrieb nicht auf den vertraglichen (fortwährenden) Bindungswillen Einzelner angewiesen ist.
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(e) Das AELF hat weiter ausgeführt, die Beigeladenen würden ein professionelles Pachtflächenmanagement betreiben, es seien kaum Pachtrückgaben zu verzeichnen.
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(f) In die Bewertung einzustellen ist jedoch auch, dass bei einem nicht unerheblichen Anteil der vorgelegten Pachtverträge, welche zwar insgesamt eine Restlaufzeit von 10 oder 12 Jahren aufweisen, zuletzt Verlängerungen nur bezüglich zwei oder drei Jahren vorgenommen wurden, was gegen einen ausreichend langfristigen Bindungswillen der Verpächter spricht. Die Restlaufzeiten von 10 oder 12 Jahren wurden vielfach durch sukzessive Verlängerungen erreicht.
97
(g) Zwar haben viele der vorliegenden Verträge automatische Verlängerungsklauseln. Wie das Verwaltungsgericht München im Urteil vom 22. März 2019 (a.a.O., Rn. 146) aber bereits ausgeführt hat, ist eine normativ relevante Erhöhung der Zukunftsträchtigkeit eines Vertrags damit nicht verbunden. Eine solche Klausel erspart gegebenenfalls organisatorischen Aufwand und mag es im Einzelfall auch einem Verpächter psychologisch erschweren, einen Vertrag aufzulösen oder eine Änderung seiner Inhalte, insbesondere hinsichtlich des Pachtzinses, zu fordern. Sicherheit gegenüber einem „wirklichen“ Willenswandel des Verpächters bietet eine solche Klausel indes nicht. Doch dieser Schutz ist gerade notwendig, um einen Vertrag (nach den entwickelten Kriterien) als ausreichend lange verfügbar einzustufen. Dies setzt voraus, dass das Vertragsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten langen Laufzeit nur ausnahmsweise (etwa durch außerordentliche Kündigung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage) beendet werden kann; die bloße automatische Verlängerung ist hiermit nicht vergleichbar.
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Insbesondere ist zu beachten, dass sich die Verträge nach diesen Klauseln bei Nichtkündigung in der Regel nur um ein Jahr verlängern, was im Gegenteil eher gegen einen entsprechend langfristigen Bindungswillen spricht.
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(h) Eine Vielzahl der vorgelegten Pachtverträge wurde bereits mehrfach verlängert, was dafürsprechen könnte, dass entsprechende Verlängerungen auch zukünftig wieder erfolgen werden. Andererseits ist fraglich, inwieweit und mit welcher Sicherheit aus einem Verhalten aus der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen werden kann (siehe BayVGH, a.a.O., Rn. 38). Zwar mag dies, wie die Beigeladenen ausführen, im Rahmen einer Prognose in gewissen Maß zwangsläufig erfolgen. Ein solcher Rückschluss aus der Vergangenheit kann jedoch nach Auffassung der Kammer nur unter der Prämisse erfolgen, dass sich die Gegebenheiten der Vergangenheit auf die Zukunft übertragen lassen. Unter dem Aspekt des im Vergleich zu früheren Zeiten zunehmenden Zugriffs auf den Außenbereich (siehe oben unter Ziffer 4. a) cc) (2) (c)) erscheint dies jedoch fraglich. Falls die Verpächter sich tatsächlich entsprechend langfristig binden wollten, könnten sie entsprechende Vertragslaufzeiten vereinbaren. Falls dies nicht erfolgt, spricht dies im Grundsatz zunächst gegen einen entsprechenden langfristigen Bindungswillen.
100
(i) Soweit eingewandt wird, die Verpächter wollten lediglich von entsprechenden Preissteigerungen profitieren, sodass die Vertragslaufzeiten ihren wahren Bindungswillen nicht widerspiegeln würden, so wären automatische Pachtpreisanpassungen in den Verträgen denkbar. Falls der Verlängerung der Pachtverträge nur unter der Bedingung der Erhöhung des Pachtpreises zugestimmt werden würde, stellt sich die Frage, ob die Bewirtschaftung der Flächen noch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, mithin ob es tatsächlich zu einer Vertragsverlängerung zu den vom Verpächter gewünschten Konditionen kommen wird.
101
(j) Weiter ist zu berücksichtigen, dass bei einem nicht unerheblichen Anteil der vorgelegten Verträge Verlängerungen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Genehmigungserteilung erfolgt sind, oftmals um 3 Monate, und daher ersichtlich, um im Genehmigungszeitpunkt eine 10-jährige Restlaufzeit vorweisen zu können, welche vom Verwaltungsgericht im Erstverfahren im Rahmen des aufgestellten 3-Stufen-Modells gefordert worden war. Das Gericht hat zwar keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Vertragsverlängerungen, insbesondere steht es den Beigeladenen frei, im Rahmen ihrer Vertragsautonomie für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB zu sorgen, dennoch lässt dieser Umstand nach Auffassung der Kammer zumindest nicht positiv den Schluss zu, dass entsprechende Pachtflächen auch über den gesamten Genehmigungszeitraum zur Verfügung stehen werden.
102
(k) Zu berücksichtigen ist vorliegend auch, dass keiner der vorgelegten Pachtverträge auch nur näherungsweise eine Restlaufzeit von 15 Jahren, mithin der Hälfte der prognostizierten Nutzungsdauer, aufweist.
103
(l) Weiter ist zu beachten, dass beim vorliegenden Betrieb ein hoher Anteil an zugepachteten Flächen im Verhältnis zu im Eigentum der Beigeladenen stehenden Flächen besteht. Dies führt zwar nicht dazu, dass vorliegend eine landwirtschaftliche Betätigung gänzlich ausscheiden würde (vgl. u.a. NdsOVG, B.v. 15.9.2020 – 12 ME 29/20 – juris Rn. 97, VG München, a.a.O., Rn. 113). Jedoch ist zu beachten, dass die Beigeladenen in hohem Maße auf Zupacht angewiesen sind.
104
(m) Auch die Tatsache, dass sich der Außenbereich einem zunehmenden Siedlungsdruck (siehe oben unter Ziffer 4. a) cc) (2) (c)) ausgesetzt sieht, führt nach Auffassung der Kammer dazu, dass der vorliegende Flächenbestand mit nicht unerheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Ob eine Verlängerung der bestehenden Verträge nach Ablauf der Vertragslaufzeit zu betriebswirtschaftlich sinnvollen Konditionen möglich sein wird, erscheint unter diesem Aspekt fraglich.
105
Nach alledem ergibt sich, dass der Flächenbestand des Betriebs der Beigeladenen in Bezug auf den in Blick zu nehmenden Prognosezeitraum mit nicht unerheblichen Unsicherheiten behaftet ist.
106
(2) Unabhängig von diesen Unsicherheitsfaktoren bei der Ermittlung des künftig zur Verfügung stehende Flächenbestands ist zu berücksichtigen, dass für die in unmittelbarer Nähe zum genehmigten Vorhaben befindliche Biogasanlage Einsatzstoffe, welche auf den Betriebsflächen der Beigeladenen angebaut werden, benötigt werden. Diese Biogasanlage wird von einer GbR, bestehend aus den Beigeladenen, betrieben. Die zum Anbau dieser Einsatzstoffe erforderlichen landwirtschaftlichen Flächen stehen insoweit nicht zur Futtererzeugung für die Masthähnchen zur Verfügung. Das Gericht geht hierbei (entsprechend der Mitteilung der Beigeladenen im Schriftsatz vom 3. Juli 2024) von rund 200 ha aus, welche insoweit für die Futtermittelproduktion nicht zur Verfügung stehen und daher beim Flächenbestand in Abzug zu bringen sind. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
107
(a) Soweit die Beigeladenen einwenden, es spiele im Rahmen von § 201 BauGB keine Rolle, ob auf den vorhandenen Flächen Futtermittel angebaut würden bzw. wie die angebauten Futterpflanzen verwendet, sprich, ob diese in die Biogasanlage eingebracht werden, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht:
108
Ausgangspunkt ist zunächst der Wortlaut des § 201 BauGB: „Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann…“.
109
Im Rahmen von § 201 BauGB findet nach der entsprechenden Änderung des BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) aus dem Jahr 2004 nunmehr die sogenannte abstrakte Betrachtungsweise Anwendung. Das bedeutet, dass das Futter für den Tierhaltungsbetrieb nicht (mehr) auf betriebseigenen Flächen angebaut und in Folge tatsächlich im eigenen Betrieb an die Tiere verfüttert werden muss. Mit der damaligen Gesetzesänderung sollte den veränderten Umständen in Landwirtschaft und Tierhaltung Rechnung getragen werden und der (Zu-)Kauf von Futter bzw. die Verarbeitung von erzeugtem Futter (durch Futtermittelbetriebe) ermöglicht werden. In Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstritten ist jedoch, ob unabhängig hiervon nicht nur der (bloße) Anbau von Futterpflanzen nötig ist, sondern diese auch in den sogenannten „Futtermittelkreislauf“ eingebracht werden müssen, das heißt grundsätzlich als Futterpflanzen verkauft/verarbeitet werden müssen. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/2250, S. 62) führt insoweit aus (Hervorhebungen nicht im Original): „Auch in flächenbezogenen Tierhaltungen wird das erzeugte Futter verarbeitet, bevor es an die Tiere verfüttert wird. Auf die unmittelbare Verfütterung des erzeugten Futters an die Tiere soll es für den baurechtlichen Begriff der Landwirtschaft nicht ankommen (abstrakte Betrachtungsweise)“. Nach Auffassung der Kammer ist dies ein Hinweis darauf, dass zwar eine unmittelbare Verfütterung (das heißt im die Futtermittel anbauenden Betrieb) nicht nötig ist, eine spätere, mittelbare Verfütterung der angebauten Pflanzen hingegen schon.
110
Das Verwaltungsgericht München hat in seinem Beschluss vom 23. März 2018 (M 19 SN 17.4631 – juris Rn. 127 – 132) zu dieser Frage unter anderem die folgenden Überlegungen angestellt, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt:
111
„Tierhaltung nach § 201 BauGB stellt nicht schon dann Landwirtschaft dar, wenn auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen Futterpflanzen in ausreichender (überwiegender) Menge angebaut werden, die ihrer Art nach für die Ernährung der konkret gehaltenen Tiere geeignet sind. Vielmehr müssen diese Futterpflanzen auch als Futter verwendet werden. Dies ist der Fall, wenn sie entweder in dem konkreten Betrieb, gegebenenfalls nach einer Veredelung durch den Landwirt oder Dritte, verfüttert oder durch Abgabe an geeignete Händler zumindest potentiell Teil eines „Futtermittelkreislaufs“ werden. Die Veräußerung an den Landhandel kann insoweit genügen, wenn das entsprechende Unternehmen zumindest auch als Händler von Futtermitteln auf dem Markt tätig ist.
112
Die Pflicht, angebaute Pflanzen einem zumindest potentiellen Futtermittelkreislauf zur Verfügung zu stellen und sie diesem nicht von vornherein durch eine Fremdverwertung zu entziehen, ergibt sich bei Auslegung von § 201 BauGB, zum einen unter konsequenter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, wie er in der Änderung des Baugesetzbuchs durch das EAG Bau zum Ausdruck gekommen ist, zum anderen mit Blick auf einen effektiven Schutz des Außenbereichs.
113
Ausgangspunkt der Betrachtung ist die unstreitige Erkenntnis, dass in Verwirklichung der unmittelbaren Bodenertragsnutzung als Kernelement landwirtschaftlicher Tätigkeit § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB verlangt, dass – in überwiegendem Umfang – Futter für die Tiere aus dem Boden zumindest erzeugt werden muss (vgl. zuvor bereits BVerwG, U.v. 20.7.1971 – IV B 53.71 – Buchholz 406.11, § 146 Nr. 1 zur Fischwirtschaft). Wer demnach seine Tiere ausschließlich auf Basis von zugekauftem Futter ernähren kann, erfüllt schon nicht das Merkmal der Bodenertragsnutzung (BVerwG, U.v. 26.11.1969 – IV C 20.69 – Buchholz 406.11, § 35 Nr. 86) […]. Denn andernfalls würde der im Gesetz enthaltene Grundsatz der Standortbezogenheit von Außenbereichsvorhaben bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst. Der Außenbereich soll grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden. Nicht ohne Grund spricht der Gesetzgeber im Rahmen des EAG Bau auch ausdrücklich von flächenbezogener Tierhaltung (BT-Drs. 15/2250, S. 62). Eine Tierhaltung ist aber nicht schon dann flächenbezogen, wenn dem Tierhaltungsbetrieb Flächen „gehören“ und diese (irgendwie) „landwirtschaftlich genutzt“ (§ 201 BauGB) werden, sondern nur dann, wenn die dort angebauten Pflanzen auch als für die konkret gehaltenen Tiere in Volumen („überwiegend“) und Art geeignetes Futter Verwendung finden. Nur dann lässt sich sagen, dass die konkrete Tierhaltung auf Außenbereichsflächen als Standort angewiesen ist. Allein ein zufälliges Zusammentreffen von Tierhaltung und landwirtschaftlich genutztem Grundbesitz rechtfertigt nicht die Privilegierung. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bezweckt auch keine Privilegierung von „dual-use-Pflanzen“, die sowohl als Futter wie auch (etwa) als Energiepflanze nutzbar sind. Erst die Verwertung als Futter stellt die notwendige Beziehung zwischen Tierhaltung und Grundbesitz her. Es ist deshalb nicht zutreffend, wenn der Antragsgegner davon ausgeht, es sei zulässig, auf den vorhandenen Futtermittelflächen „Qualitätsgetreide für die Nahrungsmittelerzeugung anzubauen und dafür Futtergetreide oder Mischfutter zuzukaufen“ (Genehmigung v. 10.7.2017, S. 45).
114
Für diese Auslegung spricht auch noch folgende Überlegung: Müssten die angebauten Futterpflanzen nicht als Futter vermarktet werden, würde es möglich, dass im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Tierhaltung stattfindet, ohne dass das hierzu erforderliche Futter überhaupt noch für den Futtermarkt zur Verfügung stünde. Alle Betriebsinhaber könnten die pflichtgemäß angebauten Futterpflanzen etwa als Energiepflanzen verwerten und müssten damit keinerlei Beitrag zur Futtererzeugung leisten. Im Ergebnis ginge der Tierhaltung damit aber ihr Flächenbezug verloren, dessen Erhaltung gerade das Ziel des Gesetzgebers war.“
115
(b) Vorliegend werden auf den genannten 200 ha Fläche zwar grundsätzlich Futterpflanzen angebaut, nachdem diese jedoch in die Biogasanlage eingebracht werden, stehen diese unzweifelhaft einem „Futtermittelkreislauf“ nicht zur Verfügung. Die Flächen sind durch die Biogasanlage gleichsam gebunden (siehe hierzu BayVGH, a.a.O., Rn. 40 ff.).
116
(c) Zwar ist unklar, wie lange die Biogasanlage noch weiter betrieben werden wird. Hierauf kommt es jedoch nicht an, denn solange die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Biogasanlage wirksam ist, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dort benötigte Einsatzstoffe gleichzeitig als Futter zur Verfügung stehen (BayVGH, a.a.O., Rn. 41).
117
Es kann in tatsächlicher Hinsicht nicht unterstellt werden, dass die Biogasanlage allenfalls noch über einen kürzeren Zeitraum betrieben werden wird. Als Anhaltspunkt zu Grunde zu legen ist hierbei der Abschreibungszeitraum der Biogasanlage von 16 Jahren (laut AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig „Landwirtschaft und Tierzucht“ vom 19. November 1996 Nr. 2.6.1; in der Rechtsprechung wird teilweise bezüglich der einzelnen Bestandteile von Biogasanalagen differenziert und Nutzungsdauern zwischen 10 und 20 Jahren angenommen, siehe: FG Münster, U.v. 28.6.2018 – 6 K 845/15 G,F – juris). Zwar wurde die Biogasanlage bereits erstmals mit Bescheid vom 31. Mai 2007 baurechtlich genehmigt, allerdings datiert der jüngste immissionsschutzrechtliche Änderungsbescheid zur Erweiterung der Biogasanlage aus dem Jahr 2018. Der Hinweis, der Beigeladenen, es sei nicht abzusehen, wie lange die Biogasanlage noch betrieben werde, da die derzeitige EEG-Vergütung im Jahr 2027 auslaufe, ist insoweit nicht ausreichend. Überdies sind unabhängig von der Zukunft der Biogasanlage die entsprechenden Flächen zumindest derzeit gebunden und stehen insoweit nicht zur Verfügung.
118
(d) Auch wenn man unterstellt, dass die Biogasanlage auch mit voll zugekauften Einsatzstoffen wirtschaftlich betrieben werden kann (siehe hier die Stellungnahmen von Herrn Dipl. Ing. Vaßen, Ingenieurbüro für Energie und Umwelt vom 25. Januar 2019 und vom 12. März 2019), so liegt es nach Auffassung der Kammer bei realitätsnaher Betrachtung nahe, dass der Einsatz von im Betrieb der Beigeladenen erwirtschafteten nachwachsenden Rohstoffen günstiger und praktikabler als der Zukauf ist und die Beigeladenen die Einsatzstoffe für die Biogasanlage auch künftig in ihrem eigenen Betrieb erwirtschaften werden. Wie der Kläger zu Recht ausführt, liegt es zumindest nahe, dass Synergieeffekte durch die Minimierung der Transport und Lagerungskosten erreicht werden.
119
Nach Auffassung der Kammer ist auch von einem einheitlichen Unternehmen auszugehen, zu dem sowohl die landwirtschaftlichen Betriebsteile wie auch die (in unmittelbarer Nähe der Hähnchenställe befindliche) Biogasanlage gehören. Es spricht alles dafür, dass Ziel der Betriebsinhaber stets der wirtschaftliche Erfolg dieses Gesamtunternehmens ist (siehe hierzu auch BayVGH, a.a.O., Rn. 45).
120
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Beigeladenen sich trotz entsprechender gerichtlicher Nachfrage zur Zukunft der Biogasanlage nicht abschließend verhalten haben. Sie haben nicht dargelegt, ob und in welchem Umfang sie die Biogasanlage künftig mit zugekauften (statt selbst angebauten) Einsatzstoffen beschicken wollen. Unabhängig davon wäre fraglich, ob und inwieweit eine solche Erklärung die Beigeladenen für die Zukunft binden würde. Auch eine entsprechende Auflage, die angebauten Futtermittel dem Futtermittelkreislauf zur Verfügung zu stellen (wie noch in Ergänzung des Bescheids vom 10. Juli 2017 in der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2019 erfolgt), wurde vom Beklagten nicht erlassen. Auch dies spricht dafür, dass die bisherige Praxis, die Einsatzstoffe für die Biogasanlage selbst zu erwirtschaften, beibehalten werden soll.
121
(e) Zwar wird nicht gänzlich klar, wie viel der landwirtschaftlichen Fläche des vorliegenden Betriebs künftig tatsächlich für die Herstellung von nachwachsenden Rohstoffen für die Biogasanlage verwendet werden wird. Aus einem Schreiben der Beigeladenen vom 12. März 2018 (vorgelegt im damaligen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht München) ergibt sich, dass im Jahr 2017 68% der Ernte als Einsatzstoff für die Biogasanlage verwendet wurde (siehe hierzu auch BayVGH, a.a.O., Rn. 42). In diesem Schreiben führen die Beigeladenen weiter aus, dieser Anteil werde sich wegen des Einbaus eines leistungsfähigeren Motors künftig verringern, außerdem werde durch die Erweiterung der Hähnchenmast künftig mehr Hähnchenmist in die Anlage eingebracht werden, geplant sei, künftig etwa 44% der Betriebsflächen für die Biogasanlage zu nutzen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München im Verfahren bezüglich der Genehmigung aus dem Jahr 2017 am 31. Januar 2019 haben die Beigeladenen angegeben, sie würden derzeit ca. auf 150 ha Einsatzstoffe für die Biogasanlage anbauen. Diese könnten jedoch auch betriebswirtschaftlich sinnvoll zugekauft werden.
122
Zuletzt haben die Beigeladenen mit Schriftsatz vom 3. Juli 2024 mitgeteilt, dass die Biogasanlage bisher eine Fläche von rund 330 ha zur Produktion von nachwachsenden Rohstoffen benötigt habe, künftig jedoch nur noch von 200 ha. Dies liege „an dem Trend“, der weggehe von der Verwertung von Mais und Getreide in Biogasanlagen. Stattdessen würden zunehmend Grassilagen, Wirtschaftsdünger und landwirtschaftliche Reststoffe eingesetzt. Auch wenn dieser Schätzung des künftigen Einsatzes eine gewisse Unsicherheit zu Grunde liegen mag und nach Aussage der Beigeladenen zumindest derzeit noch 330 ha Fläche zur NawaRo-Produktion verwendet werden, geht die Kammer für die Ermittlung der zur Verfügung stehenden Flächen (insoweit zu Gunsten von Beklagtem und Beigeladenen) von einem Wert von rund 200 ha aus.
123
Die ohnehin mit gewissen Unsicherheiten bezüglich des künftigen Bestands behaftete (s.o. unter Ziffer 4. b) bb) (1)) Flächenausstattung des Betriebs von rund 490 ha Betriebsfläche (ohne Dauergrünland und Dauerkulturen), die Verträge aller Laufzeiten beinhaltet, ist somit um rund 200 ha zu kürzen, sodass sich eine Flächenausstattung von 290 ha ergibt.
124
Sofern man bezüglich des Flächenbestands allein auf die Eigentumsflächen sowie die langfristig vertraglich gebundenen Flächen (Vertragsrestlaufzeit mindestens 10 Jahre) von rund 360 ha abstellt, sind auch hier 200 ha abzuziehen, sodass nur noch rund 160 ha für die überwiegende Futtererzeugung zur Verfügung stehen.
125
cc) Demgegenüber steht nach Auffassung der Kammer ein Flächenbedarf zur überwiegenden Futtererzeugung von rund 240 ha bis 340 ha. Dieser Flächenbedarf ergibt sich maßgeblich aus den folgenden Überlegungen:
126
(1) Vorab wird darauf hingewiesen, dass für die in § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB vorausgesetzte Berechnung normative Vorgaben fehlen. Auch allgemein anerkannte Rechtsprechung zu möglichen Berechnungsmethoden existiert nicht. In der Praxis nehmen die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vielfach akzeptierte Berechnungen für die Genehmigungsbehörden vor. Gleichwohl besteht kein Beurteilungsspielraum zugunsten der Ämter oder der Genehmigungsbehörden. Die Berechnungen unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle. Die Ermittlung des erforderlichen überwiegenden Flächenbedarfs hat nach Auffassung der Kammer im Grundsatz anhand der vom Verwaltungsgericht München (a.a.O., Rn. 55 ff.) aufgestellten Kriterien zu erfolgen. Die Bestimmung des Umfangs der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB erforderlichen Fläche muss hiernach ihren Ausgangspunkt in der empirischen Ermittlung der Futterzusammensetzung und des Futterbedarfs (unter Zugrundelegung einer entsprechenden Futterverwertungsquote der Masthähnchen) in Dezitonnen nehmen, der in gewissem Umfang normativ zu bereinigen ist. Sodann ist zu bestimmen, welche der ermittelten Futterbestandteile für einen zumindest hypothetisch-rechnerischen Anbau durch die Beigeladenen auszuwählen sind und welche Ertragsstärke (in Dezitonnen pro Hektar) der jeweiligen „Bestandteil-Pflanzen“ maßgeblich ist. Anschließend kann der Flächenbedarf errechnet werden. Dies ist deshalb erforderlich, weil die durchschnittlichen Ertragsstärken (Dezitonnen pro Hektar) erheblich variieren und infolgedessen die Bestimmung der relevanten Futterbestandteile Auswirkungen auf den Flächenbedarf hat.
127
Diese Kriterien wurden von den Parteien bei der Berechnung der von ihnen angenommenen Flächenbedarfe grundsätzlich auch berücksichtigt. Die dennoch teilweise stark differierenden Annahmen des Flächenbedarfs durch die Parteien resultieren überwiegend daraus, dass der Berechnung differierende Parameter zu Grunde gelegt wurden (siehe hierzu im Einzelnen nachfolgend die Ausführungen unter 4. b) cc) (2)).
128
(2) Nach Überzeugung der Kammer kann vorliegend nicht mit abschließender – oder auch nur annähernder i.S. eines bestimmten Wertes – Sicherheit für den erforderlichen Zeitraum prognostiziert werden, welche Flächen für den überwiegenden Futteranteil im Rahmen des § 201 BauGB erforderlich sind. Es kann vielmehr nur ein Orientierungswert dahingehend festgelegt werden, dass sich der prognostische Bedarf wahrscheinlich innerhalb einer Spanne von 240 bis 340 ha bewegen wird. Dies resultiert aus den folgenden Überlegungen:
129
Das Gericht hat sich im Laufe des Verfahrens nach intensiver Beschäftigung mit den von allen Beteiligten vorgetragenen Argumenten und Berechnungen davon überzeugen können, dass es erhebliche Unsicherheiten in der Prognose bezüglich der Fragen, welche Futtermenge für die Mast der Hähnchen in der streitgegenständlichen Anlage künftig benötigt werden wird, aber auch, welche Flächen deshalb zum Anbau des überwiegenden Futteranteils als erforderlich angesehen werden müssen, gibt, welche sich nach Überzeugung des Gerichts auch nicht durch (weitere) Gutachten oder sachverständige Stellungnahmen ausräumen lassen werden. Je nachdem, welcher Parameter bei der Berechnung verändert wird, verändert sich der Flächenbedarf teilweise erheblich und die Berechnung speist sich aus mehreren derartiger Parameter.
130
So wurden von den Parteien im Laufe des Verfahrens Flächenbedarfe zwischen rund 167 ha und 381 ha dargelegt, je nachdem, welche Faktoren der Berechnung zu Grunde gelegt wurden.
131
Hierbei spielen – nicht abschließend – Aspekte wie sich im Laufe der Mastperiode verändernder Futterverwertungsquoten, der Einsatz verschiedener Futtermischungen, die Frage der Berücksichtigung von Sojaanteilen im Futter sowie der Umrechnung von Sojaextraktionsschrot in Sojaanteile eine erhebliche Rolle. Im Einzelnen:
132
(a) Ein Parameter, welcher einen nicht unerheblichen Unsicherheitsfaktor darstellt, ist die Futterverwertungsquote, hierbei auch, ob sich diese im Laufe der Mastperiode ändert und ob und ggf. inwieweit diesem Umstand Rechnung getragen werden muss.
133
Ziel der Mast ist es, die Tiere innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf ein gewünschtes Endgewicht hin zu mästen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es einer bestimmten Menge Futter, die durch die sogenannte Futterwertung ausgedrückt wird. Diese gibt an, wieviel Kilogramm Futter für die Erzeugung von einem Kilogramm Fleisch benötigt werden.
134
Zwar können derzeit, je nach Hähnchenrasse und Zuchtart, bestimmte Futterverwertungsquoten angenommen werden, wie sich diese jedoch in der Zukunft weiter entwickeln werden, ist offen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch in den entsprechenden Fachveröffentlichungen diesbezüglich bereits für den aktuellen Zeitpunkt verschiede Werte angegeben werden (siehe hierzu DLG-Merkblatt 406, Stand: 6/2024, S. 9, S. 23 und S. 24). Wiederum andere, je nach Hähnchenrasse und genauer nach Mastphase und jeweiliger Futtermischung differenzierende Futterverwertungsquoten hat zudem Prof. Bellof, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Fachgebiet Tierernährung, in der vom Kläger in das Verfahren eingeführten Stellungnahme dargelegt (Anlage K5 und K6 zum klägerischen Schriftsatz vom 4. Mai 2021).
135
Das Gericht weist auch darauf hin, dass die einzusetzende Hähnchenrasse und die weiteren Details der Zucht (z.B. konventionell/Premium) im streitgegenständlichen Bescheid nicht festgelegt wurden, sodass schon aus diesem Grund keine exakte Festlegung der Futterverwertungsquote für die Zukunft möglich erscheint.
136
(b) Ebenfalls bestehen Unsicherheiten bezüglich der Frage der Zusammensetzung des künftig eingesetzten Futters. Die Zusammensetzung des verwendeten Futters hat aber ganz erhebliche Auswirkungen auf den Flächenbedarf, da beispielsweise für den Anbau von Sojabestandteilen im Futter anteilig erheblich mehr Fläche zur Verfügung stehen muss als für den Anbau von Weizen- oder Maisbestandteilen.
137
Während im Erstverfahren bei der Ermittlung des Futterbedarfs noch auf eine im DLG-Merkblatt 406 (Stand: 10/2014) veröffentlichte Beispielsrezeptur abgestellt wurde, eine solche im aktuellen DLG-Merkblatt 406 (Stand: 6/2024) mittlerweile aber nicht mehr veröffentlicht ist, stellt sich die Frage, welche Futtermischung der Berechnung zu Grunde zu legen ist. Die Beigeladenen haben vorgetragen, dass sie eine Futtermischung verwenden würden, welche sich in seiner Zusammensetzung von der im DLG-Merkblatt 406 (Stand 10/2014) und vom Verwaltungsgericht seiner Berechnung zu Grunde gelegten Futtermischung unterscheide. Das Gericht hat zwar keinen Grund an diesen Angaben zu zweifeln, dennoch kann hieraus nicht geschlossen werden, dass diese Art der Fütterung über den gesamten Prognosezeitraum so beibehalten wird. Entsprechende Nebenbestimmungen im Bescheid hierzu fehlen, es würde sich auch die Frage stellen, auf welcher rechtlichen Grundlage diese ergehen sollten, geschweige denn, ob dies fachlich sinnvoll wäre. Auch das AELF verweist darauf, dass „aufgrund von unterschiedlichen Verfügbarkeiten der Rohstoffe und veränderten Preiswürdigkeiten die Bestandteile der Rationszusammensetzungen einem stetigen Wandel unterworfen sind“ (Stellungnahme des AELF vom 11.6.2024). Dass die Art der Fütterung naturgemäß gewissen Schwankungen unterliegt, zeigt sich auch schon daran, dass die Beigeladenen noch im ersten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München vorgetragen haben, sie würden etwa ab dem zehnten Tag 10% Weizen aus eigener Produktion beimengen, welches die Futterzusammensetzung entsprechend verändere. Dies wird, soweit ersichtlich, nun nicht mehr so gehandhabt.
138
Die Art des eingesetzten Futters dürfte ihrerseits wiederum Auswirkungen auf die entsprechende Futterverwertungsquote haben.
139
(c) Nach Auffassung der Kammer sind die Sojabestandteile des Futters in die Berechnung miteinzubeziehen, sodass insoweit nicht der vom AELF als Alternativberechnung dargelegte Futterbedarf am unteren Rand von nur 167 ha bzw. 189 ha (so Berechnung des AELF vom 27.10.2020 unter Nichtberücksichtigung des Sojaanteils im Futter) der Flächenbedarfsermittlung zu Grunde gelegt werden kann, sondern der Flächenbedarf sich (vor allem wegen des geringen anzunehmenden Ernteertrags für Soja in Bayern) erheblich höher darstellt. Für die Berechnung sind demnach alle wesentlichen Futterbestandteile – Mais und Weizen, aber auch Soja – heranzuziehen. Die Pflanzen Mais und Weizen sind im Wesentlichen Energieträger (Kohlenhydrate). Die üblichen Sojabestandteile als Eiweißträger müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Die Kammer schließt sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts München (a.a.O., Rn. 81 ff.) an. Würde man eine andere Auffassung vertreten, würden Tierhaltungsbetriebe, welche überwiegend oder ausschließlich in Deutschland nicht anbaubare Pflanzen verfüttern würden, erheblich bevorzugt. Auch würde so der Bezug zwischen Bodennutzung und Tierhaltung im Rahmen von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 201 BauGB erheblich aufgeweicht werden. „Das Futter“ im Rahmen von § 201 BauGB meint nach Auffassung der Kammer alle wesentlichen Futterbestandteile, mit dem Begriff „überwiegend“ in dieser Norm wird lediglich eine mengenmäßige Begrenzung vorgenommen. Hinzuweisen ist auch darauf, dass an dieser Stelle nicht alle Futterbestandteile in den Blick genommen werden, sondern gerade die „Wesentlichen“: Mais, Weizen und Soja. Es erscheint auch unter Wertungsgesichtspunkten nicht unbillig, auf diejenigen Bestandteile abzustellen, auf die der jeweilige landwirtschaftliche Betrieb für seine Tierhaltung, für die er den Außenbereich aber gerade beansprucht, angewiesen ist (a.A.: NdsOVG, B.v. 15.9.2020 – 12 ME 29/20 – juris, welches u.a. auf die Frage der Wirtschaftlichkeit für die betroffenen Betriebe abstellt sowie andernfalls eine mögliche „Überfrachtung des Genehmigungsverfahrens und mangelnde Planbarkeit für die Betriebe“ befürchtet).
140
(d) Darüber hinaus sind nach Auffassung der Kammer auch die nicht anbaubaren Futterbestandteile zu berücksichtigen (siehe hierzu ebenfalls VG München, a.a.O., Rn. 81 ff.), sodass sich der Futter- und damit Flächenbedarf nicht entsprechend vermindert und eine entsprechende anteilige „Hochrechnung“ mit den überwiegenden Futterbestanteilen Weizen, Mais und Soja zu erfolgen hat (andernfalls würden Tierhaltungen, welche erhebliche Anteile nicht anbaubarer Futterbestandteile verwenden bevorzugt, siehe die Überlegungen soeben).
141
(e) Fraglich ist, mit welchem Faktor der in den Futtermischungen enthaltene Sojaextraktionsschrot in Soja umgerechnet werden muss. Der Kläger trägt hierzu vor, dass Sojaextraktionsschrot bzw. Sojaextraktionsschrot HP selbst nicht angebaut werde, sondern aus der Sojabohne hergestellt werde. Aus 1 kg Soja könnten etwa 0,73 kg HP Sojaextraktionsschrot hergestellt werden; dementsprechend müsse eine Umrechnung bei der Ermittlung des Futter- und Flächenbedarfs erfolgen. Der von den Beigeladenen beigezogene Sachverständige … …, Landwirtschaftsdirektor a.D., hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass, sofern man dies annehme, im Gegenzug der Anteil des Öls im Futter (berücksichtigt bei der „Hochrechnung“ der nicht anbaubaren Futterbestandteile) entsprechend reduziert werden müsse. Offen bleibt hierbei, mit welchem Faktor.
142
(f) Als weiterer Unsicherheitsfaktor für die Bestimmung des Flächenbedarfs kommt überdies Folgendes nicht unwesentlich hinzu: Bezüglich der Ertragswerte der landwirtschaftlichen Flächen ist der Klimawandel bei der Beurteilung mit zu berücksichtigen, wie sich dieser jedoch konkret künftig auswirken wird, ist aber offen. Insoweit sind mehrere Szenarien denkbar: Einerseits könnte wegen der wohl zu erwartenden mittleren Temperaturerhöhung von besseren Ertragswerten, beispielsweise bezüglich des Sojaanbaus mit der Folge eines geringeren Flächenbedarfs, ausgegangen werden. Andererseits ist jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass – in diese Richtung geht der klägerische Vortrag – die landwirtschaftlichen Erträge aufgrund von Dürreperioden und Extremwetterereignissen künftig zurückgehen werden. Auch unter diesem Aspekt erscheint eine gleichsam kommagenaue Berechnung des Flächenbedarfs unter Zugrundelegung der Ertragswerte (beispielsweise) der letzten 10 Jahre als schlichtweg unrealistisch und damit ungeeignet, um eine hinreichend verlässliche Prognose für die nächsten 30 Jahre anzustellen.
143
Diese Unsicherheiten in der Futter- und damit auch in der Flächenbedarfsprognose ließen sich auch nicht durch weitere Aufklärungsversuche des Gerichts ausräumen, sondern sind vielmehr der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine Prognoseentscheidung handelt, deren zu Grunde liegende Faktoren nicht im Sinne einer exakten und einzig richtigen naturwissenschaftlichen Berechnung zu ermitteln sind, sondern vielmehr auf unterschiedlichen Erfahrungs- und Durchschnittswerten beruhen. Eine exakte oder auch nur näherungsweise konkret bestimmte Ermittlung des künftigen Futter- und Flächenbedarfs erscheint nach Auffassung der Kammer nicht möglich.
144
Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass jedenfalls im Rahmen der Beurteilung der Frage des Flächenbedarfs auf die gesamte Genehmigungsdauer, sprich auf die gesamte erwartbare Nutzungsdauer der streitigen Anlage abgestellt werden muss und nicht, wie bei der Frage der Bewertung der Dauerhaftigkeit der Pachtverträge, lediglich auf 15 oder ggf. weniger Jahre. Auch dies spricht für eine Prognose des Futter- und Flächenbedarfs im Sinne eines Orientierungswerts bzw. einer Spanne unter Einstellung aller bekannten Umstände und gegen eine vermeintlich exakte Berechnung, welche angesichts der dargelegten Unsicherheiten lediglich eine gerade nicht valide Scheingenauigkeit vermitteln würde.
145
(3) Ausgehend von diesen Überlegungen und unter Zugrundelegung der oben angenommenen Prämissen kann ein Flächenbedarf innerhalb einer Spanne von rund 240 ha bis rund 340 ha als realistisch betrachtet werden. Bei Bestimmung dieser Spanne ist die Kammer von folgenden Überlegungen ausgegangen:
146
(a) Der untere Wert von 240 ha ergibt sich aus einer Berechnung der Beigeladenen unter Zugrundelegung des von ihnen derzeit verwendeten Futtergemischs (Schriftsatz der Beigeladenen vom 16. Februar 2022), welcher durch die Berechnungen des von ihnen eingeschalteten Sachverständigen … … bestätigt wird. Dieser führt im Schreiben vom 2. Juli 2024 (Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 3. Juli 2024) aus: „Nach unseren Berechnungen mit aktuellen FVW-Zahlen und Futtermischungen und Agravis Phasenfutterzusammensetzung) benötigt der Betrieb … 240 bis 250 ha (Worst case Szenario, d.h. Erzeugung des überwiegenden Anteils der Futtermenge und der drei wichtigsten Einzelfuttermittel).“
147
(b) Der obere Wert der angenommenen Spanne des Flächenbedarfs von 340 ha geht im Grundsatz von der Berechnung von Prof. … (Hochschule …, Fachgebiet Tierernährung) aus, welcher unter anderem unter Zugrundelegung einer differenzierteren Futterverwertungsquote einen Flächenbedarf von rund 381 ha ermittelt (Anlage K5 und K6 zum klägerischen Schriftsatz vom 4. Mai 2021). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser Berechnung die Maßgabe zu Grunde liegt, dass ein Futterbedarf von 50,1% zu erwirtschaften ist (den Erwägungen zur mathematisch korrekten Bestimmung des überwiegenden Bedarfs, vgl. VG München, a.a.O., Rn. 72, folgt die Kammer von ihrem Ansatz aus nicht). Auch deshalb und weil hierbei eine Umrechnung von Sojaextraktionsschrot in Sojaanteile nicht mit dem Faktor 1 erfolgt, was jedoch gewisse Unsicherheiten birgt (siehe hierzu die Ausführungen oben unter Ziffer 4. b) cc) (2) (e)), sowie um Unwägbarkeiten bei der Futterzusammensetzung gerecht zu werden, erachtet die Kammer eine Kürzung für geboten und 340 ha als realistischen oberen Wert der Spanne.
148
Festzustellen ist daher, dass der künftige Flächenbedarf sich nach Auffassung des Gerichts prognostisch innerhalb einer Spanne von rund 240 ha bis rund 340 ha bewegen wird, eine nähere Eingrenzung erscheint weder möglich noch geboten.
149
dd) Dem steht, wie oben ausgeführt, eine Flächenausstattung von rund 290 ha (um Dauergrünland und Dauerkulturen bereinigte Betriebsfläche) beziehungsweise rund 160 ha (Eigentum und Pachtvertragsflächen mit Restlaufzeiten von mindestens 10 Jahren) gegenüber (bereits jeweils reduziert um die für die Erwirtschaftung der Einsatzstoffe für die Biogasanlage erforderlichen Flächen von rund 200 ha).
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(1) Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes Bild:
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[360] ha (Eigentumsflächen und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehende Verträge mit mindestens 10 Jahren Restlaufzeit) – 200 ha Flächenbedarf für die Biogasanlage – 240 ha (angenommener Mindestflächenbedarf) = Defizit von 80 ha
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[360] ha (Eigentumsflächen und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehende Verträge mit mindestens 10 Jahren Restlaufzeit) – 200 ha Flächenbedarf für die Biogasanlage – 340 ha (angenommener Maximalflächenbedarf) = Defizit von 180 ha
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[490] ha (um Dauergrünland und Dauerkulturen bereinigte gesamte Betriebsfläche im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) – 200 ha Flächenbedarf für die Biogasanlage – 240 ha (angenommener Mindestflächenbedarf) = Flächenreserve von 50 ha
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[490] ha (um Dauergrünland und Dauerkulturen bereinigte gesamte Betriebsfläche im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) – 200 ha Flächenbedarf für die Biogasanlage – 340 ha (angenommener Maximalflächenbedarf) = Defizit von 50 ha
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(2) Zwar ist einzuräumen, dass sich bei Annahme einer Flächenausstattung von 490 ha und einem Flächenbedarf am untersten Rand der realistischen Spanne und somit von rund 240 ha ein positives Delta von rund 50 ha ergibt.
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(a) Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass auch die Annahme dieser Flächenausstattung von 490 ha mit nicht unerheblichen Unsicherheitsfaktoren belastet ist (s.o. unter Ziffer 4. b) bb) (1)). Insbesondere sind in dieser Summe auch Pachtvertragsflächen mit kürzeren Restlaufzeiten als 10 Jahre enthalten, mithin Flächen deren langfristige Verfügbarkeit offen ist. Zudem muss das Delta von 50 ha im Verhältnis zu der für die Futtererzeugung notwendige Fläche betrachtet werden (bei Annahme des Mindestflächenbedarfs von rund 240 ha: rund 1/5).
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(b) An dieser Stelle ist weiter wertend einzustellen, dass es sich vorliegend um ein außenbereichsintensives Vorhaben mit mehreren tausend Quadratmetern überplanter Fläche handelt (siehe hierzu auch bereits BayVGH, a.a.O., Rn. 57), was insbesondere unter dem Aspekt der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs nur hinnehmbar ist, wenn die Flächenprognose auf einer besonders verlässlichen Grundlage beruht (siehe hierzu auch schon VG München, a.a.O., Rn. 113). Die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens hat zudem, wie ebenfalls bereits ausgeführt, nicht zwingend im Außenbereich zu erfolgen, wird mithin nicht unmöglich gemacht, sondern kann grundsätzlich im entsprechend beplanten Innenbereich erfolgen.
158
Eine gesicherte Prognose, dass in Zukunft eine ausreichende Flächenausstattung für die überwiegende Futtererzeugung im Sinne von § 201 BauGB vorliegen wird, kann daher auch bei Annahme eines Flächenbedarfs am untersten Rand der möglichen Spanne und unter Berücksichtigung der gesamten derzeitigen Betriebsfläche der Beigeladenen nicht getroffen werden.
159
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 201 BauGB nicht vorliegen.
160
5. Das streitgegenständliche Vorhaben, welches sich vorliegend als nicht privilegiert nach § 35 Abs. 1 BauGB darstellt, beeinträchtigt auch öffentliche Belange (§ 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BauGB), vorliegend jedenfalls die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, welche in diesem Bereich von landwirtschaftlicher Nutzung geprägt ist. Auf die Frage, ob das Vorhaben zudem auch schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) oder Belange des Naturschutzes im Sinne des § 35 Abs. Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigen würde, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an (siehe hierzu BayVGH, a.a.O., Rn. 47).
161
Der angegriffene Bescheid stellt sich somit als rechtswidrig dar und war entsprechend aufzuheben (§ 7 Abs. 5 UmwRG), eine Entscheidungsergänzung scheidet aus (siehe VG München, a.a.O., Rn. 148 ff.).
162
Auf die Frage der Verletzung tier- und brandschutzrechtlicher Vorschriften kam es folglich nicht an.
163
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 VwGO. Die unterliegenden Beigeladenen sind an den Kosten zu beteiligen, weil sie einen Antrag gestellt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO). Sie haften dabei nach § 159 Satz 1 VwGO neben dem Beklagten zu gleichen Teilen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beigeladenen selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
164
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
165
Die Berufung war zuzulassen, weil bisher obergerichtlich nicht abschließend geklärt erscheint, welcher Maßstab für die Prognose im Rahmen der Prüfung von § 201 BauGB anzulegen ist (insbesondere bezüglich der ausreichenden Dauerhaftigkeit von Pachtverträgen sowie der Frage nach der Ermittlung des überwiegenden Futterbedarfs). Die Klärung dieser Rechtsfragen in einem Berufungsverfahren erscheint möglich und kann zur Weiterentwicklung des Rechts beitragen (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).