Inhalt

VG München, Urteil v. 16.07.2024 – M 16 K 22.4471
Titel:

Glücksspiel, Spielhalle, Nebenbestimmungen zu glücksspielrechtlicher Spielhallenerlaubnis, Zwangsgeldandrohung

Normenketten:
GlüStV 2021 § 24
GlüStV 2021 § 5
AGGlüStV Art. 15 Abs. 4
VwZVG Art. 18 ff.
Schlagworte:
Glücksspiel, Spielhalle, Nebenbestimmungen zu glücksspielrechtlicher Spielhallenerlaubnis, Zwangsgeldandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34346

Tenor

I. Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2022 in der Fassung vom 16. Juli 2024 wird in den Nummern 6.18, 8, 9 und 10 aufgehoben.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.
V. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ode Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen zwangsgeldbewehrte Nebenbestimmungen zu der ihr erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Sie betreibt im Gebiet der beklagten Stadt die gegenständliche Spielhalle „… Spielhalle“.
2
Mit Bescheid vom 10. August 2022, der der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 12. August 2022 zugestellt wurde, erteilte die Beklagte der Klägerin die (befristete) glücksspielrechtliche Erlaubnis zur Errichtung und zum (weiteren) Betrieb ihrer Spielhalle (Nummer 1 des Bescheidstenors). Die Erlaubnis erlischt mit Ablauf des 30. Juni 2026 (Nummer 2 des Bescheidstenors).
3
Die glücksspielrechtliche Erlaubnis enthält daneben unter anderem die nachfolgenden Bestimmungen:
„3. Die …S. GmbH, vertreten durch (…), erhält in Bezug auf die Spielhalle „… …“ in der (…) und in Bezug auf die „… …“ in der (…) eine bis zum 30.06.2026 befristete Befreiung von der Erfüllung der Einhaltung des Mindestabstandes. Die Befreiung wird nur erteilt, wenn eine Zertifizierung durch eine unabhängige Prüforganisation nach den in der Vorschrift genannten Maßstäben unverzüglich, sobald eine Zertifizierung möglich ist, spätestens jedoch innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides, erfolgt.
4. Ein Nachweis über die Zertifizierung ist binnen 4 Wochen nach Zertifizierung unaufgefordert bei der Erlaubnisbehörde vorzulegen. Die Zertifizierung ist gem. Art. 15 Abs. 4 AGGIüStV mindestens alle zwei Jahre zu wiederholen. Binnen 4 Wochen nach dem Stichtag ist der Erlaubnisbehörde jeweils unaufgefordert ein Nachweis über die Wiederholung der Zertifizierung vorzulegen.
5. Die …-S. GmbH, vertreten durch (…), wird verpflichtet, die vorgelegten Konzepte bzw. die Unterlassungserklärung, die jeweils zum Bestandteil des Bescheides erklärt werden, vollumfänglich einzuhalten; es sind dies:
a) das Sozialkonzept in der Fassung vom 26.11.2021 b) das Werbekonzept in der Fassung vom 07.10.2021 c) die Unterlassungserklärung zum Internetverbot vom 07.10.2021 d) die Unterlassungserklärung zum Verbot audiovisueller oder rein visueller Übertragung von Automatenspielen und der Teilnahme über das Internet vom 07.10.2021
6. Die Erlaubnis wird unter folgenden Auflagen erteilt:
6.1 Eine Verwendung von Werbebannern, Pylonen, Fahnen oder andere an der Außenfassade der Spielhalle angebrachte Anlagen, von denen Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgeht oder die durch eine besonders auffällige Gestaltung einen zusätzlichen Anreiz für den Spielbetrieb schaffen, sind unzulässig.
(…)
6.3 Bei allen Werbemaßnahmen sind die Werbebeschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 GlüStV 2021 zu beachten. Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel sind unter Berücksichtigung der spezifischen Gefährdungspotentiale der einzelnen Glücksspielprodukte an den gleichrangigen Zielen des § 1 GlüStV 2021 auszurichten. Werbemaßnahmen dürfen nicht zum Spielen anreizen.“
Zudem gilt:
a) Werbung für unerlaubtes Glücksspiel ist verboten.
b) Werbung für das nach diesem Bescheid erlaubte, öffentliche Glücksspiel ist verboten, wenn sie
1. sich an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richtet, insbesondere Darstellungen und Aussagen enthält, die Minderjährige besonders ansprechen oder Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen darstellt, die an öffentlichen Glücksspielen teilnehmen. Mit vergleichbar gefährdeten Zielgruppen sind insbesondere Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten sowie Spieler in finanziellen Schwierigkeiten gemeint.
2. irreführend ist, insbesondere unzutreffende Aussagen über die Gewinnchancen oder Art und Höhe der Gewinne oder über die angebotenen Glücksspiele enthält,
3.
in ausschließlicher und einseitiger Weise den Nutzen des Glücksspiels betont,
4.
gleichzeitig für unerlaubtes Glücksspiel wirbt,
5.
suggeriert, dass Glücksspiel eine vernünftige Strategie sein könnte, um die finanzielle Situation zu verbessern,
6.
vermittelt, dass Glücksspiel Problemen wie insbesondere finanziellen Schwierigkeiten, sozialen Problemen und psychosozialen Konflikten entgegenwirken kann,
7.
ermutigt, Verluste zurückzugewinnen oder Gewinne wieder zu investieren,
8.
den Zufallscharakter des Glücksspiels unangemessen darstellt, insbesondere die Ergebnisse als durch den Spieler beeinflussbar darstellt,
9.
den Verzicht auf Glücksspiel abwertend erscheinen lässt bzw. vermittelt, die Teilnahme an Glücksspielen fördere den eigenen sozialen Erfolg,
10.
das Glücksspiel als Gut des täglichen Lebens erscheinen lässt,
11.
den Eindruck erweckt, ein redaktionell gestalteter Inhalt zu sein, nicht hinreichend als Werbung gekennzeichnet und somit für einen flüchtigen Leser nicht als solche erkennbar ist.
6.4 Die Verwendung von Spielmarken (Jetons und Chips) und von zum Zweck des öffentlichen Glückspiels ausschließlich in Spielbanken zugelassenen Spielgeräten (bspw. Roulettetisch) bei Werbemaßnahmen ist unzulässig. Auch eine Werbung über Boni oder SMS ist nicht erlaubt.
6.5 In der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich des Erlaubnisinhabers darf für andere als die in der Spielhalle angebotenen Glücksspiele sowie für andere Spielhallen oder Örtlichkeiten, an denen Geld- oder Warenspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit bereitgehalten werden, nicht geworben werden.
6.6 Die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen gemäß § 4 Abs. 3 GlüStV i.V.m. § 6 Abs. 2 Jugendschutzgesetz (JuSchG) ist durch Ausweiskontrollen, Aushänge, Auslage von Informationsmaterial und anderen geeigneten Maßnahmen dauerhaft sicherzustellen. Die Spielteilnahme und der Zutritt von Personen unter 18 Jahren sind entsprechend dem Jugendschutz unzulässig. Für die Einhaltung des Betretungsverbots und des Teilnahmeverbots von Personen unter 18 Jahren ist Sorge zu tragen. An jeder Zutrittsmöglichkeit zu der Spielhalle ist ein deutlich lesbares Schild mit dem Hinweis anzubringen, dass Personen unter 18 Jahren der Zutritt nicht gestattet ist. Wenn Zweifel hinsichtlich des Alters bestehen, ist die Vorlage eines amtlichen Ausweises zu verlangen. Kann dies nicht geklärt werden, ist der Zutritt zu verweigern. Falls Personen unter 18 Jahren die Spielstätte betreten, sind diese unverzüglich des Hauses zu verweisen.
6.7 Die Einhaltung der Anforderungen des Sozialkonzepts nach § 6 GlüStV i.V.m. den Vorgaben des Anhangs „Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von GIücksspielsucht“ zum GlüStV (insbesondere regelmäßige Schulung des Personals, Dokumentation der Maßnahmen sowie Auslage der Informationen zur Spielsucht) sind dauerhaft sicherzustellen und ggf. zur Anpassung an aktuelle Verhältnisse zu aktualisieren.
(…)
6.11 Das Aufstellen, Bereithalten oder die Duldung von technischen Geräten zur Bargeldabhebung, insbesondere EC- oder Kreditkartenautomaten, in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich des Spielhallenbetreibers (z.B. Eingangsbereich, Nebenräume, Parkplatz) ist unzulässig.
(…)
6.14 Den Spielern dürfen neben der Ausgabe von Gewinnen über gemäß § 33c GewO zugelassene Spielgeräte keine sonstigen Gewinnchancen in Aussicht keine Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen gewährt werden, insbesondere keine kostenlosen Getränke und Speisen.
6.15 Der Erlaubnisbehörde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides unaufgefordert eine Bestätigung über den Anschluss an das zentrale spielformübergreifende Sperrsystem OASIS vorzulegen.
(…)
6.17 Das Aufstellen, Bereithalten oder Dulden von internetfähigen PCs oder anderen technischen Geräten, mittels derer die Teilnahme an Glücksspielen im Internet möglich ist, ist in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich des Erlaubnisinhabers (z.B. Eingangsbereich, Nebenräume, Parkplatz etc.) unzulässig. Dies gilt nicht für ausschließlich zur persönlichen Verwendung bestimmte, von den Besuchern selbst mitgebrachte technische Geräte.
6.18 Die Spielhalle ist gem. Art. 15 Abs. 4 AGGIüStV unverzüglich zu zertifizieren. Ein Nachweis über die Zertifizierung ist binnen vier Wochen nach Zertifizierung unaufgefordert bei der Erlaubnisbehörde vorzulegen. Die Zertifizierung ist mindestens alle zwei Jahre zu wiederholen. Binnen vier Wochen nach dem Stichtag ist der Erlaubnisbehörde jeweils unaufgefordert ein Nachweis über die Wiederholung der Zertifizierung vorzulegen.
7. Die sofortige Vollziehung der Nummer 3 bis 5, sowie der unter Nummern 6 genannten Auflagen wird angeordnet.
8. Falls die …-S. GmbH, vertreten durch (…), einer Verpflichtung unter Nummer 3 und Nummer 4 dieses Bescheides zuwiderhandelt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro zur Zahlung fällig.
9. Falls die …-S. GmbH, vertreten durch (…), der Verpflichtung unter Nummer 5 dieses Bescheides zuwiderhandelt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 Euro zur Zahlung fällig.
10. Falls die …-S. GmbH, vertreten durch (…), einer Verpflichtung unter den Nummern 6.1 bis 6.18 genannten Auflagen dieses Bescheides zuwiderhandelt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 800,00 Euro je Verstoß zur Zahlung fällig.
4
Mit Schreiben vom 12. September 2022, bei Gericht elektronisch eingegangen am selben Tag, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben und (sinngemäß) beantragen,
die Nummern 3 Satz 2, 6.1, 6.3 bis einschließlich 6.7, 6.11, 6.14, 6.15, 6.17, 6.18, 8, 9 und 10 im Bescheid der Beklagten vom 10. August 2022 aufzuheben.
5
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, bei den angefochtenen Nebenbestimmungen habe die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt, sondern einen Vordruck für ihre Bescheide verwendet, ohne auf den jeweiligen Einzelfall einzugehen. Die Bedingung in Nummer 3 Satz 2 sei unangemessen, weil sie bereits bestehende gesetzliche Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Zertifizierung erheblich verenge und deren Erfüllung für die Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich sei. Die in den Nummern 6.1, 6.3 bis 6.7, 6.11, 6.14, 6.15, 6.17 und 6.18 verfügten „Auflagen“ seien zum Teil bereits formell rechtswidrig, insbesondere unbestimmt, und im Übrigen, u.a. wegen Ermessensausfalls und fehlender Verhältnismäßigkeit, auch materiell rechtswidrig. Die in Nummern 8, 9 und 10 des Bescheids anlasslos verfügten Zwangsgeldandrohungen seien insbesondere ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Hinsichtlich der weiteren, ausführlichen Begründung wird auf den Schriftsatz der Klagepartei vom 17. Februar 2023 verwiesen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Nach § 9 Abs. 4 Satz 3, § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 sei die Beklagte ermächtigt, die Erlaubnis, auch nachträglich, mit Nebenbestimmungen zu versehen. Mangels Zertifizierung der Spielhalle durch eine unabhängige Prüforganisation sei eine Befreiung vom Mindestabstand nicht möglich gewesen. Deshalb sei die Nebenbestimmung in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors als Bedingung mit in die Erlaubnis aufgenommen worden. Die angefochtenen Auflagen seien rechtmäßig. Die angedrohten Zwangsgelder seien gerechtfertigt und der Höhe nach angemessen. Hinsichtlich der weiteren, ausführlichen Begründung wird auf die Schriftsätze der Beklagtenpartei vom 26. April und 13. Juli 2023 verwiesen.
8
In der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2024 änderte die Beklagte den Wortlaut der Nebenbestimmung Nummer 6.1 „klarstellend“ wie folgt (Anm.: Änderung in Fettdruck):
6.1 Eine Verwendung von Werbebannern, Pylonen, Fahnen oder andere an der Außenfassade der Spielhalle angebrachte Anlagen, von denen Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgeht und die durch eine besonders auffällige Gestaltung einen zusätzlichen Anreiz für den Spielbetrieb schaffen, sind unzulässig.
9
Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt. Im Übrigen wurden die o.g. Anträge gestellt, mit der Maßgabe, dass Gegenstand der Bescheid vom 10. August 2022 in der Fassung vom 16. Juli 2024 ist.
10
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte der Beklagten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
11
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (betrifft Nebenbestimmung Nummer 6.1 des Bescheidstenors), war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen (Nummer I des Urteilstenors). Wegen der Entscheidung über die Kostentragung wird auf die Ausführungen zur einheitlichen Kostenentscheidung am Ende der Entscheidungsgründe verwiesen.
II.
12
Die nach § 42 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet, soweit es die der glücksspielrechtlichen Erlaubnis beigefügten Nebenbestimmungen in den Nummern 3 Satz 2, 6.3 bis einschließlich 6.7, 6.11, 6.14, 6.15 und 6.17 betrifft. Diese Nebenbestimmungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO).
13
1. Die Nebenbestimmung in Nummer 3 Satz 2 zur behördlichen Befreiung in Nummer 3 Satz 1 des Bescheidstenors verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
14
In Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors stellt die Beklagte die der Klägerin in Nummer 3 Satz 1 ausgesprochene „Befreiung“ von der Erfüllung der Einhaltung des Mindestabstands gegenüber den Spielhallen „… …“ und „… …“ unter den Vorbehalt, dass die Klägerin ihre Spielhalle durch eine unabhängige Prüforganisation „nach den in der Vorschrift genannten Maßstäben unverzüglich“ zu zertifizieren hat, sobald eine Zertifizierung möglich ist, spätestens jedoch innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids, die nach Aktenlage am 12. August 2022 erfolgte.
15
1.1 Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors ist nach Auffassung des Gerichts eine Nebenbestimmung zu der in Nummer 3 Satz 1 des Bescheidstenors ausgesprochenen „Befreiung“ und keine – prinzipiell denkbare – Inhaltsbestimmung, anstelle der beantragten endgültigen glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis nur eine vorläufige Erlaubnis zum weiteren Betrieb der Spielhalle zu erteilen.
16
Angesichts des klaren Wortlauts der Regelung in Nummer 3 Satz 1 des Bescheidstenors, der Bescheidsbegründung hierzu und des Umstands, dass die in Nummer 3 Satz 2 ausgesprochene Verpflichtung der Klägerin, eine Zertifizierung unverzüglich nachzuholen, nicht unter die der Erlaubnis beigefügten Auflagen in Nummer 6 des Bescheidstenors gezogen wurde (wie die in Nummer 6.18 des Bescheidstenors als Auflage wiederholte Verpflichtung, die Spielhalle unverzüglich zu zertifizieren), spricht alles dafür, dass die Beklagte, eine Befreiung vom Abstandsgebot erteilen wollte. Zwar ermächtigen weder der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in der seit dem 1. Juli 2021 geltenden Fassung (GVBl. 2021, 97, 288 [im Folgenden: GlüStV 2021]) noch das Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 20. Dezember 2007 (GVBl. 2007, 922, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.4.2022, GVBl. 2022, 147 [im Folgenden: AGGlüStV]) die zuständige Behörde dazu, eine Befreiung vom Abstandsgebot zu erteilen. Vielmehr sind (Bestands-)Spielhallen, die – wie hier – bereits am 1. Januar 2020 bestanden haben, von der Einhaltung des Mindestabstands zu anderen Spielhallen nach Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV von Gesetz wegen und nur dann befreit, „wenn sie von einer unabhängigen Prüforganisation im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und die Durchführung des Sozialkonzepts zertifiziert sind und die Zertifizierung in regelmäßigen Abständen, mindestens alle zwei Jahre wiederholt wird“ (vgl. auch LT-Drs. 18/14870, S. 16). Die vonseiten der Beklagten erteilte Befreiung von der Erfüllung der Einhaltung des Mindestabstands erfüllt aber alle Merkmale eines Verwaltungsakts i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, ist wirksam geworden und als begünstigender Verwaltungsakt auch nicht nichtig.
17
Eine Ausnahme i.S.v. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV wurde weder ausgesprochen, noch würden mangels Anknüpfung an die örtlichen Gegebenheiten die Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 – Vf. 10-VII-12 u.a. – juris Rn. 88 zum wortgleichen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV i.d.F.v. 25.6.2012).
18
1.2 Hiervon ausgehend ist die Regelung in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors eine Nebenbestimmung nach Art. 36 BayVwVfG zur Befreiung vom Abstandsgebot. § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle nach dem GlüStV 2021, auch nachträglich, mit Nebenbestimmungen versehen werden kann, findet insoweit keine unmittelbare Anwendung, weil sich die Nebenbestimmung in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors nicht auf die glücksspielrechtliche Erlaubnis, sondern auf die erteilte Befreiung als Verwaltungsakt bezieht, der sie beigefügt ist.
19
1.2.1 Da auf eine vonseiten der Behörde erteilte Befreiung vom Abstandsgebot schon mangels gesetzlicher Ermächtigung kein Anspruch besteht, finden die Einschränkungen des Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG keine unmittelbare Anwendung. Die Befreiung konnte daher dem Grunde nach mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Als gesetzliche Voraussetzung für die von ihr erteilte Befreiung vom Abstandsgebot sieht die Beklagte im Übrigen entsprechend Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG die Beibringung einer Zertifizierung der klägerischen Spielhalle an, um die Anforderung für die gesetzliche Befreiung nach Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV zu erfüllen. Dies ist in Ansehung einer vonseiten der Beklagten angenommenen behördlichen Befreiungsmöglichkeit nur konsequent und im Ergebnis nicht zu beanstanden.
20
Die Vorlage der notwendigen Zertifizierung bereits im Zeitpunkt der Antragstellung ist tatbestandliche und notwendige Voraussetzung für den Eintritt der gesetzlichen Befreiung und damit unmittelbare Erlaubnisvoraussetzung. Die Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist demnach – vorbehaltlich der Zertifizierung – nach § 24 Abs. 1 und Abs. 3, § 25 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 AGGlüStV ausgeschlossen, wenn der Mindestabstand zu einer anderen Spielhalle – wie hier – unterschritten ist. Trotz der von ihr behördlich verfügten Befreiung war der Beklagten ausweislich der Bescheidsbegründung bewusst, dass Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV unter den darin genannten Voraussetzungen „von der Pflicht zur Einhaltung des Mindestabstandes zu anderen Spielhallen … generell befreit“. Sie hat sich insoweit für die von ihr erteilte Befreiung an die gesetzlichen Vorgaben gehalten und folgerichtig bestimmt, dass eine Zertifizierung noch zu erfolgen hat.
21
1.2.2 Ihrem Typ nach ist die Nebenbestimmung Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors eine auflösende Bedingung verbunden mit einer auflösenden Befristung. Beiden ist hier gemeinsam, dass die erteilte Befreiung erlöschen soll, wenn die Zertifizierung nicht erfolgt. Soweit bestimmt wird, die Befreiung wird nur erteilt, wenn eine Zertifizierung unverzüglich erfolgt, sobald dies möglich ist, liegt eine auflösende Bedingung vor, weil sie an den zeitlich ungewissen Eintritt eines künftigen Ereignisses innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids anknüpft (vgl. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG). Spätestens innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids erwartet die Beklagte indes, dass eine solche Möglichkeit besteht, weshalb sie bestimmt, dass die Befreiung jedenfalls nach Ablauf eines halben Jahres erlöschen soll, wenn bis dahin keine Zertifizierung vorliegt (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG).
22
Eine bloße Auflage i.S.d. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG hat die Beklagte in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors nicht verfügt, weil sie eine unmittelbare Folge für den Fall bestimmt hat, dass die Klägerin dem ihr auferlegten Tun nicht unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids, nachkommt. Aus der Formulierung, „Die Befreiung wird nur erteilt, wenn“, folgt hinreichend, dass die erteilte Befreiung nur wirksam bleibt, wenn die Zertifizierung bedingungs- bzw. fristgemäß erfolgt.
23
Auch als aufschiebende Bedingung ist die Nebenbestimmung in Nummer 3 Satz 2 ersichtlich nicht bestimmt. Dies folgt bereits aus den Bescheidsgründen, wonach die Beklagte die Befreiung vom Verbot der Unterschreitung des Mindestabstands bis zum 30. Juni 2026 „erteilt“. Die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung im Übrigen bestätigt, dass der Weiterbetrieb der Spielhalle ermöglicht werden sollte und eine aufschiebende Bedingung nicht gemeint war.
24
Hinsichtlich der Folgen bei Nichterfüllung der Nebenbestimmung Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors könnte im Übrigen dahingestellt bleiben, ob die Beklagte eine Auflage, eine auflösende Befristung und/oder eine auflösende Bedingung erlassen hat. Denn Folge der Nichterfüllung der Verpflichtung zur fristgerechten Zertifizierung wäre in jedem Fall „nur“, dass die Beklagte die der Klägerin erteilte glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BayVwVfG widerrufen könnte. Auch im Fall der auflösenden Bedingung und/oder Befristung würde lediglich die in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors verfügte Befreiung entfallen, nicht aber die in Nummer 1 des Bescheidstenors erteilte „Erlaubnis“, die nach § 24 Abs. 1 GlüStV 2021 und Art. 12 Abs. 1 AGGlüStV die formelle Grundlage für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle nach dem Glücksspielrecht ist.
25
1.3 Die Ermessensausübung bei der Festlegung der Nebenbestimmung Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
26
1.3.1 Aufgrund der Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands und mangels Zertifizierung gemäß Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung konnte die beantragte glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis an sich nicht erteilt werden. Das von der Klagepartei vorgelegte Zertifikat der … GmbH – … … … („Geprüfter Jugend- und Spielerschutz“) vom 16. Juli 2020 (vgl. pdf-Behördenakte Seite 261, 295) war nur bis 6. Mai 2022 gültig. Um den weiteren Betrieb der Spielhalle der Klägerin gleichwohl zu ermöglichen, hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10. August 2022 die glücksspielrechtliche Erlaubnis und eine behördliche Befreiung vom Abstandsgebot im Vorgriff auf die gebotene und zu erwartende Zertifizierung erteilt und diese zugleich verpflichtet, die Zertifizierung unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines halben Jahres nachzuholen. Die nachträgliche Vorlage der Zertifizierung war der Klägerin möglicherweise auch deshalb eingeräumt worden, weil auch anderen Betreibern von (Einzel-)Spielhallen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Zertifizierung nachzureichen und mit der Zertifizierung abzuwarten, „bis es eine akkreditierte Zertifizierungsstelle gibt“ (vgl. Verfahren M 16 K 22.4481), obwohl es – anders als nach § 29 Abs. 4 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 AGGlüStV für die Zulassung von Verbundspielhallen – für die gesetzliche Befreiung vom Abstandsgebot nach Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV gerade keiner Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüfstelle bedarf. Hiervon ausgehend ist die Erteilung der glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis trotz fehlender Zertifizierung im Ergebnis nicht zu beanstanden.
27
1.3.2 Nachdem es im Zeitpunkt des Bescheidserlasses an der Erlaubnisvoraussetzung der Zertifizierung fehlte, bestand allerdings ein Erfordernis, die erteilte Befreiung vom Abstandsgebot mit der Vorlage der Zertifizierung durch eine Nebenbestimmung zu verknüpfen.
28
1.3.2.1 Der hiergegen gerichtete Einwand der Klägerin, die Nebenbestimmung in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors verenge die gesetzlichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Zertifizierung und sei nicht erfüllbar, verkennt, dass nach § 25 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 und Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV eine Zertifizierung bereits im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegen muss, was hier im Fall einer Zertifizierung durch eine nicht akkreditierte, unabhängige Prüforganisation ausreichend und auch möglich gewesen wäre. Aus demselben Grund trifft es nicht zu, dass sich eine enge zeitliche Verknüpfung hinsichtlich der Vorlage und Vornahme der Zertifizierung aus dem Gesetz nicht ergebe. Die Zertifizierung muss dem Gesetz folgend bereits im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung vorliegen.
29
1.3.2.2 Abweichendes gilt nicht deshalb, weil die Klägerin anstelle der Zertifizierung nach Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV eine Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüforganisation i.S.v. § 29 Abs. 4 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 5 AGGlüStV beibringen wollte oder irrtümlich annahm, eine solche beibringen zu müssen, die Akkreditierung von Prüforganisationen im Zeitpunkt des Bescheidserlasses aber noch nicht abgeschlossen war.
30
Denn auch die Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüforganisation ist eine Erlaubnisvoraussetzung, der nachzukommen ist, sobald dies möglich ist. Andernfalls wäre der weitere Betrieb der Spielhalle rechtswidrig und nicht nur die Befreiung vom Abstandsgebot, sondern auch die glücksspielrechtliche Erlaubnis aufzuheben.
31
1.3.2.3 Auch die der Klägerin zur Zertifizierung gesetzten Zeiträume begegnen keinen Bedenken.
32
Dass die Zertifizierung unverzüglich zu erfolgen hat, sobald die Zertifizierung durch eine Prüforganisation möglich ist, ist selbstverständlich. Die Zertifizierung nach Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV wäre bereits im Zeitpunkt der Antragstellung möglich gewesen, weil es der Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüforganisation nicht bedurfte. Die Klägerin nimmt daher die Begünstigung der ihr erteilten Befreiung vom Abstandsgebot in Anspruch, um ihren Spielhallenbetrieb ohne Unterbrechung formell rechtmäßig fortsetzen zu können, obwohl ihre Spielhalle – mangels Zertifizierung – gegen das Abstandsgebot des § 25 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 AGGlüStV verstößt. Dass unter dem Begriff „unverzüglich“ ohne schuldhaftes Zögern zu verstehen ist, ist hinreichend geklärt (vgl. § 121 Abs. 1 BGB). Ist eine Zertifizierung der klägerischen Spielhalle durch eine Prüforganisation nicht möglich, liegt kein schuldhaftes Zögern der Klägerin vor.
33
Hiervon ausgehend begegnet auch die Bestimmung, wonach eine Zertifizierung spätestens innerhalb eines halben Jahres nach Bescheidserlass zu erfolgen hat, keinen Bedenken. Die Beklagte fordert von der Klägerin mit der Nebenbestimmung Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors keine Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüforganisation. Vielmehr wurde ihr lediglich aufgegeben „eine Zertifizierung durch eine unabhängige Prüforganisation nach den in der Vorschrift genannten Maßstäben“ vorzunehmen. Die genannte Vorschrift ist der Bescheidsbegründung zufolge Art. 15 Abs. 4 AGGlüStV, die – wie bereits ausgeführt wurde – gerade keine Zertifizierung durch eine akkreditierte, sondern durch eine unabhängige Prüforganisation einfordert. Davon abgesehen ist die festgelegte Halbjahresfrist eine behördlich gesetzte Frist, die nach Art. 31 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 BayVwVfG auf Antrag auch rückwirkend verlängert werden kann. Sofern die Klägerin eine Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüforganisation hätte durchführen lassen wollen, wäre ihr ein Antrag auf Fristverlängerung möglich und zumutbar gewesen. Seit März 2023 sind zwei, seit Juni 2023 drei Prüforganisationen für die Zertifizierung von Spielhallen gemäß § 29 Abs. 4 GlüStV 2021 mit bundesweiter Geltung akkreditiert (vgl. Datenbank der akkreditierten Stellen auf der Homepage der Deutschen Akkreditierungsstelle [DAkkS] www.dakks.de). Ob die Klägerin bereits Schritte für eine Zertifizierung durch eine unabhängige oder akkreditierte Prüforganisation ergriffen hatte oder eine solche zwischenzeitlich sogar schon vorliegt, wussten die Parteien in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht anzugeben.
34
1.4 In der Zusammenschau ist die Nebenbestimmung in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors geeignet, erforderlich und angemessen. Die Verpflichtung der Klägerin, die Zertifizierung ihrer Spielhalle nachzuholen, ist geeignet, die gesetzlichen Voraussetzungen zum weiteren Betrieb ihrer Spielhalle zu erfüllen. Sie ist auch erforderlich, weil kein anderes, gleich wirksames Mittel vorhanden ist, um die Klägerin zur Nachholung dieser von Gesetz wegen gebotenen Zertifizierung anzuhalten. Die Nebenbestimmung ist in Ansehung der Duldung eines rechtwidrigen Zustands einerseits und eines Widerrufs der glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis andererseits auch angemessen. Insbesondere sind die Folgen für den Fall der unterbleibenden Zertifizierung im Verhältnis zum Zweck der Nebenbestimmung, die Klägerin zur erlaubnisnotwendigen Zertifizierung anzuhalten, von der Klägerin hinzunehmen.
35
2. Soweit es die als Auflagen bezeichneten Nebenbestimmungen in den Nummern 6.3 bis 6.7, 6.11, 6.14, 6.15 und 6.17 des Bescheidstenors betrifft, sind deren rechtliche Grundlagen in § 2 Abs. 3 GlüStV 2021 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 und § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 geregelt.
36
Zu Nebenbestimmungen für Werbemaßnahmen regelt § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021, dass in der Erlaubnis nach § 4 GlüStV 2021 Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Ausgestaltung der Werbung für öffentliches Glücksspiel, insbesondere im Fernsehen und im Internet einschließlich fernsehähnlichen Telemedien und Video-Sharing-Diensten, sowie zu Pflichthinweisen festzulegen sind. Dies gilt gemäß § 2 Abs. 3 GlüStV 2021 für die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis gleichermaßen.
37
Im Übrigen kann die Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, auch nachträglich, mit Nebenbestimmungen versehen werden. Einer weitergehenden Rechtsgrundlage bedarf es daneben nicht. Art. 36 Abs. 1 Alt. 1 BayVwVfG stellt klar, dass ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, stets dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf, „wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen“ ist (zum Vorrang des Fachrechts siehe auch Art. 1 Abs. 1 Halbs. 2 BayVwVfG). Was zu gelten hätte, wenn die klägerische Annahme zuträfe, Rechtsgrundlage der verfügten Nebenbestimmungen sei Art. 36 BayVwVfG, kann deshalb dahinstehen.
38
Ergänzend zur Ermächtigung von Inhalts- und Nebenbestimmungen bestimmt Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AGGlüStV, dass die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis nur erteilt werden darf, wenn die Einhaltung der Werbebeschränkungen nach § 5 GlüStV 2021 sichergestellt ist.
39
2.1 Die Nebenbestimmungen in Nummer 6.3 des Bescheidstenors betreffen Werbebeschränkungen, die im Wesentlichen den Vorgaben des § 4 der bisherigen Werberichtlinie entsprechen (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 GlüStV in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung i.V.m. der Werberichtlinie gemäß Bekanntmachung vom 17.1.2013, AllMBl 2013, 3). Sie konkretisieren in erster Linie die in § 5 Abs. 2 GlüStV 2021 geregelten Grundsätze für die Ausgestaltung der Werbung, wonach die Werbung nicht übermäßig sein darf (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021), sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten darf (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GlüStV 2021) und nicht irreführend sein darf (§ 5 Abs. 2 Satz 6 GlüStV 2021).
40
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die einfachgesetzliche Ermächtigung des § 5 GlüStV 2021, bestimmte Werbemaßnahmen durch die Festlegung von Inhalts- und Nebenbestimmungen zu untersagen oder einzuschränken, bestehen nicht.
41
Werbeverbote und Werbebeschränkungen für erlaubtes Glücksspiel beeinträchtigen die Klägerin zwar in ihren Grundrechten der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Kommunikationsfreiheit und der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. Denn der Schutz dieser Grundrechte erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen wie Wirtschaftswerbung und die Außendarstellung von selbständigen Berufstätigen wie der gewerblich tätigen Klägerin (vgl. BVerfG, U.v. 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95 u.a. – juris Rn. 40; BVerfG, B.v. 22.5.1996 – 1 BvR 744/88 u.a. – juris Rn. 82; vgl. auch Krönke, Verfassungsrechtliche Grenzen jugend- und verbraucherschützender Werbebeschränkungen, GewArch 2024, 338 [Teil 1] und 382 [Teil 2]; jeweils m.w.N.).
42
Die u.a. in § 5 Abs. 2 GlüStV 2021 geregelten Werbeverbote und Werbebeschränkungen sowie die Ermächtigung der zuständigen Behörden zum Erlass von werbebeschränkenden Inhalts- und Nebenbestimmungen zur glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 begegnen aus Sicht des Gerichts unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Werbeverbote und Werbebeschränkungen sind geeignet, zur Umsetzung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags 2021 beizutragen, insbesondere die in § 1 GlüStV 2021 genannten Ziele und zugleich Gemeinwohlbelange der Bekämpfung von Glücksspielsucht sowie des Jugend- und Spielerschutzes zu fördern (vgl. BVerfG, B.v. 14.10.2008 – 1 BvR 928/08 – juris Rn. 39 ff. zum GlüStV 2008). Sie sind auch erforderlich, um diese mit dem Staatsvertrag angestrebten Ziele zu erreichen. Insbesondere kann durch das Verbot unangemessener und unsachlicher Werbung, die zur Teilnahme am Glücksspiel auffordert, anreizt oder ermuntert und damit die Glücksspielsucht fördert, einer Ausweitung der Spielleidenschaft entgegengewirkt werden. Gleich wirksame, alternative Maßnahmen, die die von den Verboten und Einschränkungen Betroffenen weniger belasten, sind nicht ersichtlich (vgl. BVerfG, a.a.O., juris Rn. 43 ff.). Die u.a. in § 5 Abs. 2 GlüStV 2021 geregelten Werbeverbote und Werbebeschränkungen sind auch nicht unangemessen. Denn das staatliche Glücksspielangebot soll der Kanalisierung des menschlichen Spieltriebs dienen, nicht jedoch einen förderungs- und ausbauwürdigen Wirtschaftszweig darstellen (vgl. BVerfG, a.a.O., juris Rn. 57).
43
Für das durch den GlüStV 2021 zugelassene Angebot erlaubter Glücksspiele gilt den Gesetzgebungsmaterialien zufolge nichts Anderes. Werbung für erlaubtes Glücksspiel dient danach der Kanalisierung vorhandener Nachfrage in einen erlaubten Markt, weil durch sie bereits spielende oder spielwillige Personen auf erlaubte Angebote aufmerksam werden und somit vor dem gefährlicheren Spiel im Schwarzmarkt geschützt werden können. Andererseits muss gemäß den Zielen des Staatsvertrages ein möglichst umfassender Schutz für die das erlaubte Angebot wahrnehmenden Spieler gewährleistet sein. Da Werbung insbesondere auf vulnerable Personen (z. B. Minderjährige, Spielsuchtgefährdete und Spielsüchtige) eine verstärkt spielanreizende Wirkung hat, zugleich zu Fehlvorstellungen über die Beeinflussbarkeit des Spielergebnisses führen und ferner dazu beitragen kann, eine ohne Werbung nicht vorhandene Nachfrage nach Glücksspielen erst auszulösen und hierdurch zum Entstehen von Glücksspielsucht und der Wahrnehmung betrügerischer Angebote beizutragen, enthält der Glücksspielstaatsvertrag Regulierungsvorgaben für die Werbung für Glücksspiele, die von den jeweils für die Erlaubniserteilung zuständigen Behörden in der zu erteilenden Erlaubnis entsprechend der Gefährlichkeit des jeweiligen Glücksspiels im zulässigen Rahmen weiter ausgeformt und ergänzt werden können (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 52 f., 63). Die Rechtfertigung der die Werbung für erlaubtes Glücksspiel einschränkenden Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags ist danach nicht allein am überragend wichtigen Gemeinwohlziel der Verhinderung und Bekämpfung von Spielsucht und ihrer Begleiterscheinungen wie der schwerwiegenden Folgen für Familien der Betroffenen und für die Gemeinschaft ausgerichtet (vgl. BVerfG, U.v. 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – juris Rn. 99 m.w.N.), sondern bezweckt zugleich die im Staatsvertrag unmittelbar angelegte Lenkung des Spieltriebs der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen durch ein begrenztes Glücksspielangebot, um der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (§ 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021). Die Kernziele der Kanalisierung und Begrenzung des Spielangebots – auch im Sinn einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor – ermächtigen den Gesetzgeber nach wie vor, Werbung für erlaubtes Glücksspiel auf das zu beschränken, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den erlaubten Glücksspielen zu lenken, ohne dabei gezielt Unentschlossene anzureizen und zur Teilnahme zu motivieren (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 85).
44
2.1.1 Die Sätze 1 und 2 der Auflage Nummer 6.3 erläutern zunächst einleitend, an welchen allgemeinen Grundsätzen Werbemaßnahmen für Spielhallen auszurichten und welche Einschränkungen dabei zu beachten sind. Satz 3 bestätigt den Grundsatz, wonach zum Zweck der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie des Jugend- und Spielerschutzes (auch) Werbemaßnahmen nicht zum Spielen anreizen dürfen (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 85 unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 30.6.2011 – C-212/08 – juris Rn. 72 und BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 10.12 – juris Rn. 34 ff.).
45
Nach der einleitenden Wendung, „Zudem gilt:“, listet die Beklagte auf, welche konkreten Inhalte bzw. welche konkrete Ausgestaltung von Werbung für das öffentliche Glücksspiel verboten sind, was die Klägerin bei Werbemaßnahmen also zu unterlassen hat.
46
2.1.2 Die gegen die Rechtmäßigkeit der Auflagen in Nummer 6.3 des Bescheidstenors gerichteten Einwände der Klägerin sind unberechtigt.
47
2.1.2.1 Die in Nummer 6.3 des Bescheidstenors verfügten Verbote von Werbeinhalten oder der Ausgestaltung von Werbung sind hinreichend bestimmt.
48
Unzutreffend ist die Annahme, für die Klägerin sei (Anm.: objektiv) nicht erkennbar, welche Art und Form der Bewerbung noch erlaubt sei. Dies lässt sich ohne Weiteres unter Ausschluss der der Klägerin als Betreiberin einer Spielhalle explizit untersagten Inhalte und Ausgestaltungen der Werbemaßnahmen ermitteln.
49
Jede Regelung, der zufolge einzeln aufgeführte Werbeinhalte oder Ausgestaltungen von Werbung „verboten“ sind, ist derart konkret formuliert, dass von der Klägerin als gewerbliche Betreiberin einer Spielhalle erwartet werden kann, diese Beschränkungen auch zu verstehen. Bei Zweifelsfragen zu Werbemaßnahmen, die im Einzelfall immer bestehen können, ist es der Klägerin zuzumuten, bei der Beklagten nachzufragen, was die Klägerin ihrem Werbekonzept vom 7. Oktober 2021 zufolge auch erklärt hat (vgl. pdf-Behördenakte Seite 169).
50
2.1.2.2 Die Auflagen in Nummer 6.3 des Bescheidstenors sind auch sonst rechtmäßig, insbesondere ermessensgerecht und verhältnismäßig.
51
2.1.2.2.1 Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 GlüStV 2021 sind in der glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Ausgestaltung der Werbung für Glücksspiel, insbesondere im Fernsehen und im Internet einschließlich fernsehähnlichen Telemedien und Video-Sharing-Diensten, sowie zu Pflichthinweisen festzulegen.
52
Hiervon ausgehend hatte die Beklagte in der glücksspielrechtlichen Erlaubnis der klägerischen Spielhalle Nebenbestimmungen zu Inhalt und zur Ausgestaltung der Werbung festzulegen, die das mit der Erlaubnis verbundene Recht der Klägerin, für ihr erlaubtes Angebot ihrer Spielhalle zu werben, nach Art und Inhalt beschränken. „Für erlaubte Anbieter sind in der glücksspielrechtlichen Erlaubnis Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Ausgestaltung der Werbung aufzunehmen. Diese Bestimmungen können sämtliche Bereiche der Werbung betreffen und für einzelne Glücksspiele, Werbeformen und -mittel auch Verbote zur Einhaltung der Ziele des § 1 GlüStV 2021 enthalten. Welche Maßnahmen im Einzelnen vorgesehen werden, liegt im Ermessen der zuständigen Erlaubnisbehörde“ (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 86).
53
2.1.2.2.2 Hiervon ausgehend sind die in Nummer 6.3 zur glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis festgelegten, werbebeschränkenden Auflagen nicht zu beanstanden. Die auf Grundlage der Empfehlungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 6. Oktober 2021 (Az.: A4-2166-1-202) sowie der Werberichtlinie nach § 5 Abs. 4 Satz 5 GlüStV a.F. ausgewählten Bestimmungen über Inhalt und Ausgestaltung zulässiger Werbung für Spielhallen entsprechen dem Zweck der Ermächtigung insbesondere nach § 5 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 GlüStV 2021, überschreiten die Grenzen des Ermessens nicht und genügen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
54
Das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen weist in Bezug auf das Entstehen von Spielsucht ein hohes Gefährdungspotential auf. Die Mehrzahl der sich wegen pathologischen Glücksspiels in ambulanter oder stationärer Behandlung befindlichen Personen gaben weiterhin als Hauptglücksspielform das Automatenspiel in Spielhallen an (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 50 f., s. auch Meyer in GewArch 2023, 492, „Wissenschaftliche Studie zur Vorbereitung der Evaluation der Sechsten Verordnung zur Änderung der Spielverordnung: Anmerkungen aus der Perspektive der Suchtprävention“ – vgl. Studie vom 9. Juni 2023 „Bericht SpielV (bmwk.de)“). Insbesondere aus Gründen des Schutzes von Minderjährigen und des Schutzes vor den gesundheitlichen Risiken des Glücksspiels ist es der gesetzgeberischen Intention zufolge gerechtfertigt, Werbung – auch für Spielhallen – so zu begrenzen, „dass der in der Bevölkerung vorhandene Spieltrieb in Bezug auf Glücksspiele in den erlaubten Markt gelenkt wird, zugleich jedoch durch diese Werbung so wenig zusätzliche Nachfrage nach Glücksspielen wie möglich geschaffen wird. Berührungspunkte vulnerabler Zielgruppen mit Werbung und unrichtige Vorstellungen von Glücksspielen beim Empfänger der Werbung sollen nach Möglichkeit verhindert werden“ (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 63). Dies rechtfertigt es, den Inhalt und die Ausgestaltung von Werbung für das Automatenspiel in Spielhallen durch Nebenbestimmungen restriktiv zu regeln.
55
2.1.2.2.3 Der die Auflagen in Nummer 6.3 des Bescheidstenors einleitende Grundsatz, wonach Werbemaßnahmen nicht zum Glücksspiel in Spielhallen anreizen dürfen, also insbesondere nicht gezielt Unentschlossene anreizen und zur Teilnahme motivieren sollen, trifft nach vorstehenden Ausführungen in der Sache zu.
56
2.1.2.2.4 Die in Nummer 6.3 Buchst. b) festgelegten Auflagen sind nicht zu beanstanden.
57
2.1.2.2.4.1 Dass sich Werbung für jedes erlaubte öffentliche Glücksspiel nicht an Minderjährige als Zielgruppe richten darf (Nummer 6.3 Buchst. b) Nr. 1, § 5 Abs. 2 Satz 4 GlüStV 2021), dient dem Jugendschutz. Die Werbung richtet sich an Minderjährige, wenn sie etwa mit jugendtypischen oder jugendspezifischen Elementen und Situationen einhergeht, und danach besonders geeignet ist, Kinder oder Jugendliche zum gewerblichen Automatenspiel zu verleiten oder den Wunsch danach zu wecken. Gleiches gilt für vergleichbar gefährdete (Haupt-)Zielgruppen wie insbesondere die Gruppe der Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten. Insoweit konkretisiert diese Auflage den Begriff der „vergleichbar gefährdeten Zielgruppen“. Verboten ist danach eine Werbung, die in Ausgestaltung oder Inhalt danach ausgerichtet ist, suchtgefährdete, suchtkranke und/oder verschuldete Spieler zum weiteren Glücksspiel zu animieren, dadurch die Ursachen ihrer Notlage ausblendet und gezielt eine Glücksspielnachfrage bei den für Glücksspielwerbung besonders anfälligen Personen hervorruft. Dies ist mit dem Zielen der Spielsuchtbekämpfung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 nicht zu vereinbaren.
58
2.1.2.2.4.2 Nummer 6.3 Buchst. b) Nr. 2 nennt als weiteren Beispielsfall des gesetzlichen Verbots irreführender Werbung nach § 5 Abs. 2 Satz 6 GlüStV 2021 unzutreffende Aussagen „über die angebotenen Glücksspiele“. Damit soll u.a. Ausgestaltung und Inhalt einer Werbung für das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen verhindert werden, die suggeriert, dass in der Spielhalle nicht nur herkömmliche Gewinnspielgeräte, sondern auch das gewerberechtlich unbeschränkte Automatenspiel mit der Möglichkeit sehr hoher Geldeinsätze und der Gefahr hoher Verluste angeboten werden (vgl. VG München, U.v. 19.5.2020 – M 16 K 17.4259 – juris Rn. 78 m.w.N. zur Verwendung des Begriffs „Casino“ für Werbezwecke). Auch gegen diese Auflage ist als weiterer Tatbestand einer irreführenden Werbung nichts zu erinnern.
59
2.1.2.2.4.3 Nummer 6.3 Buchst. b) Nr. 3 beschränkt Werbung für das gewerbliche Automatenspiel, durch die der Eindruck erweckt wird, Glücksspiel sei unbedenklich, indem der Klägerin untersagt wird, den Nutzen des Glücksspiels „in ausschließlicher und einseitiger Weise“ zu betonen. Eine solche Werbung würde das Glücksspiel in die Nähe bloßer Unterhaltungsspiele rücken, damit insbesondere Unentschlossene anreizen und zur Teilnahme motivieren. Diese Beschränkung kann sich auf das Verbot irreführender Werbung stützen (§ 5 Abs. 2 Satz 6 GlüStV 2021).
60
2.1.2.2.4.4 Nummer 6.3 Buchst. b) Nr. 4 legt fest, dass das gesetzliche Verbot der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel des § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 auch dann gilt, wenn diese mit einer (zulässigen) Werbung für das angebotene gewerbliche Automatenspiel verbunden ist.
61
2.1.2.2.4.5 Die Auflagen Nummer 6.3 Buchst. b) Nrn. 5 bis 11 definieren zutreffende weitere Anwendungsfälle einer irreführenden oder unangemessenen Werbung. Wegen seines Zufallscharakters kann Glücksspiel keine „vernünftige“ Strategie zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation sein (Nr. 5) und kann deshalb auch keinen finanziellen Schwierigkeiten entgegenwirken (Nr. 6). Dass Glücksspiel kein probates Mittel ist, um sozialen oder psychosozialen Konflikten entgegenzuwirken, bedarf angesichts des hohen Suchtpotentials des gewerblichen Automatenspiels keiner Vertiefung (Nr. 6). Vorstehendes gilt erst Recht, wenn suggeriert wird, die Fortführung des Automatenspiels sei geeignet, finanziell erlittene Verluste auszugleichen, oder etwaige Gewinne sollten in das Automatenspiel reinvestiert werden (Nr. 7). Der Zufallscharakter ist jedem Glücksspiel immanent und darf deshalb nicht negiert werden. Dem folgend sind die Gewinnerwartungen auch beim gewerbliche Automatenspiel zufällig, also nicht vorhersehbar, personenunabhängig und frei von Trends (Nr. 8; vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SpielV; Dietlein in Hamacher/Krings/Otto, Glücksspielrecht, 1. Auflage 2022, § 12 SpielV Rn. 5). Eine Darstellung, die den falschen Eindruck erweckt, das gewerbliche Automatenspiel genieße einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und sei alltäglich, wäre irreführend und würde zudem übermäßige Spielanreize setzen (Nrn. 9 und 10; vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 87 f.). Werbung im Gewand redaktionell gestalteter Inhalte erweckt den Eindruck eines authentischen und unabhängigen Beitrags, wirkt deshalb glaubwürdig und ist als Werbung nur schwer zu erkennen. Eine so verpackte Information ist daher per se irreführend und damit im Bereich des Glücksspiels unzulässig (Nr. 10; vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 88 „Native Advertising“).
62
2.1.2.2.4.6 Die in Nummer 6.3 des Bescheidstenors konkretisierten Werbeverbote beruhen nach vorstehenden Ausführungen auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, sie sind insbesondere zur Eindämmung der Spielsucht geeignet, erforderlich und angemessen und ermessensgerecht. Werbung für das legale Glücksspiel, gerade auch für das gewerbliche Automatenspiel, soll dazu dienen, das Glücksspiel in kontrollierte Bahnen zu lenken, weshalb nur ein gewisser – regulierter – Werbeumfang zugelassen wurde. Werbeinhalte, die den Zielen des § 1 GlüStV 2021 zuwiderlaufen oder übermäßig sind, sollen demgegenüber nicht zugelassen werden (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 85 ff.). Diese gesetzliche Beschränkung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Ebenso wenig bestehen aus Sicht des Gerichts Bedenken gegen deren auf Spielhallen bezogene Konkretisierung im Einzelfall, zumal sich das auszuübende Ermessen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 auf die Auswahl werbebeschränkender Maßnahmen im Einzelnen beschränkt. Hiervon ausgehend sind auch die in Nummer 8.2 a.E. der Bescheidsbegründung dargetanen Gründe, von denen die Beklagte bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist, ausreichend (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG).
63
2.2 In der Nebenbestimmung Nummer 6.4 des Bescheidstenors wird festgelegt, dass Spielmarken und ausschließlich in Spielbanken zugelassene (Glücks-)Spielgeräte bei Werbemaßnahmen nicht verwendet werden dürfen. Auch eine Werbung über Boni oder SMS ist danach nicht erlaubt.
64
2.2.1 Das Verbot, bei der Werbung keine Spielmarken („Jetons und Chips“) sowie keine ausschließlich in Spielbanken zugelassenen Glücksspielgeräte zu verwenden, ist eine Auflage und hat ihre Ermächtigungsgrundlage in § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021.
65
Gegen diese Auflage bestehen keine Bedenken (vgl. VG München, U.v. 13.10.2020 – M 16 K 18.297 – juris Rn. 69 ff.; OVG LSA, B.v. 15.6.2023 – 3 M 14/23 – juris Rn. 44; jeweils m.w.N.). Eine Werbung für Spielhallen unter Verwendung spielbankentypischer Wert- oder Spielmarken oder nur in Spielbanken zugelassener Glücksspielgeräte suggeriert dem Werbeadressaten eine Nähe der beworbenen Spielhalle zu Spielbanken, die tatsächlich nicht besteht. Eine solche Werbung ist daher irreführend. Im Gegensatz zu Spielhallen sind in Spielbanken Glücksspiele wie Roulette, Baccara, Black Jack und Poker („Großes Spiel“) zugelassen (§ 1 Abs. 1 SpielbO). Nur das in Spielbanken zugelassene und betriebene „Kleine Spiel“ (Automatenspiele, § 1 Nr. 2 SpielbO) unterliegt zudem nach § 33h Nr. 1 GewO nicht den Einschränkungen der Gewerbeordnung (§§ 33c bis 33f GewO). Zwar werden auch in Spielhallen (vgl. § 33i GewO) oder in Gaststätten zulässigerweise Automatenspiele in Form von Geld- oder Warenspielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten bereitgehalten (§ 2 Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV 2021, § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 2 Nr. 1 und Nr. 2 SpielV). Diese Gewinnspielgeräte unterliegen aber strengen gewerberechtlichen Vorgaben wie etwa zum Höchsteinsatz, zum Höchstgewinn und zur Mindestspieldauer (vgl. § 33c Abs. 1 GewO, § 33e GewO, §§ 11 ff. SpielV, insb. § 13 SpielV), was die Gefahr unangemessen hoher Verluste in kurzer Zeit ausschließt (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2007 – 9 B 14.07 u.a. – juris Rn. 12). Beim in Spielbanken zugelassenen Automatenspiel handelt es sich demgegenüber in aller Regel um Glücksspielautomaten, die nicht der Gewerbeordnung und damit auch nicht der Spielverordnung unterfallen (etwa sog. Slot-Geräte; vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2023, § 33c GewO Rn. 11 a.E., § 11 SpielV Rn. 2). Die Werbung mit spielbanktypischen Wert- oder Spielmarken sowie nur in Spielbanken zugelassenen Glücksspielgeräten kann deshalb den Eindruck entstehen lassen, in der Spielhalle würde ein Automatenspiel mit Einsätzen und Gewinnen angeboten, die deutlich über das hinausgehen, was etwa auch in Gaststätten an herkömmlichen Gewinnspielgeräten zulässig ist. Dies schafft einen über die Information des legalen, also des gewerberechtlich beschränkten Glücksspiels, hinausgehenden Anreiz, der geeignet ist, die Erwartung u.a. eines Automatenspiels mit besonders hohen Einsätzen zu wecken.
66
2.2.2 Das Verbot einer Werbung über Boni oder SMS ist eine Auflage und hat ihre Ermächtigungsgrundlage ebenfalls in § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021.
67
Dass für die Klägerin überhaupt nicht ersichtlich sein soll, was unter den Begriff „Boni“ fällt und damit verboten ist, ist nicht nachvollziehbar. Boni sind Vorteile für Spieler, die von Veranstaltern oder Vermittlern von Glücksspielen gewährt werden. Der Erläuterung durch die Beklagte im Schriftsatz vom 26. April 2023 bedurfte es zum Verständnis dessen, was unter Boni zu verstehen ist, nicht.
68
SMS ist eine Anwendung der Telekommunikation zur Übermittlung von Textnachrichten bzw. ein Kommunikationsstandard zur Übertragung von Textnachrichten (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 86 f. sowie Artikel in Wikipedia „Short Message Service“). Das gesetzliche Verbot der Werbung über Telekommunikationsanlagen in § 5 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 umfasst auch eine Werbung über SMS, jedoch – auch außerhalb eines bestehenden Vertragsverhältnisses – kein Verbot der Werbung über E-Mail (vgl. § 5 Abs. 5 GlüStV 2021).
69
Eine Werbung für das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen, die dem Adressaten eine Vergünstigung für den Fall des Spiels einräumt, widerspricht dem Ziel des § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021. Denn die in Aussicht gestellte Vergünstigung dient nicht dazu, den natürlichen Spieltrieb bereits zur Teilnahme am Glücksspiel Entschlossener in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, sondern hat eine zusätzliche, verstärkt spielanreizende Wirkung insbesondere auf Unentschlossene, indem sie diese als Adressaten der Werbung über Boni zur Teilnahme motiviert (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 85 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 10.12 – juris Rn. 36).
70
Nach § 5 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 ist Werbung über Telekommunikationsanlagen verboten, also auch Werbung über SMS (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 86 f.). Ausgenommen von dem Verbot der Werbung über SMS ist lediglich die Telekommunikation innerhalb eines bestehenden Vertragsverhältnisses (§ 5 Abs. 1 Satz 6 GlüStV 2021; nicht aber § 5 Abs. 1 Satz 5 GlüStV 2021, weil SMS keine „Anrufe“ sind). „Innerhalb eines bestehenden“, also laufenden, „Vertragsverhältnisses“ befinden sich die Adressaten einer Werbung für die Teilnahme am Spiel an Geldspielgeräten aber nicht. Insoweit stellt die Auflage zum Verbot von Werbung für Spielhallen über SMS allenfalls klar, dass keine Ausnahme vom Verbot des § 5 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 zum Tragen kommt.
71
Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen zu werbebezogenen Auflagen verwiesen.
72
2.3 Die Nebenbestimmung Nummer 6.5 gibt der Klägerin auf, in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich nicht für andere als in der Spielhalle angebotene Glücksspiele sowie für andere Spielhallen oder Örtlichkeiten, an denen Geld- oder Warenspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt sind, zu werben. Es handelt sich um eine Auflage.
73
2.3.1 Ermächtigungsgrundlage für die werbebezogene Auflage ist § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021, weil es nicht um eine lediglich die äußere Gestaltung der Spielhalle betreffende Werbungbeschränkung geht. Rechtliche Bedenken gegen diese Auflage bestehen nicht.
74
2.3.2 Die Auflage Nummer 6.5 ist hinreichend bestimmt. Das Werbeverbot ist der Klägerin als Spielhallenbetreiberin auferlegt. Wie weit der „Einflussbereich“ der Klägerin als Spielhallenbetreiberin reicht, ergibt sich hinreichend bestimmt aus dem Wortlaut der Auflage und deren Auslegung anhand ihres Zwecks. Mit der Wendung „in der Spielhalle“ sind die Räume bezeichnet, die die Klägerin in ihrem Erlaubnisantrag unter Bezugnahme auf die ihr erteilte gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO benannt hat. Über diese hat sie die Verfügungsgewalt. Darüber hinaus sind auch die Bereiche erfasst, die im „umliegenden Einflussbereich“ der Klägerin als Spielhallenbetreiberin liegen. Die Beklagte beschreibt den „umliegenden Einflussbereich“ in Nummer 6.11 des Bescheidstenors beispielhaft mit „Eingangsbereich, Nebenräume, Parkplatz“ und veranschaulicht damit den maßgeblichen Bereich als funktional mit der Spielhallennutzung unmittelbar in Zusammenhang stehende Räume oder sonstige Flächen bzw. Bereiche, die zudem „umliegend“ sein müssen, also im unmittelbaren Nahbereich zum Spielhallenbetrieb liegen. Für die Auflage Nummer 6.5 gilt nichts Anderes. „Einfluss“ hat die Klägerin als Spielhallenbetreiberin auf Werbemaßnahmen, wenn sie diese verhindern kann. Verhindern kann die Spielhallenbetreiberin Werbung, wenn sie rechtlich hierzu imstande ist, etwa, weil sie Eigentümerin oder obligatorisch Berechtigte dieser Bereiche ist, also aufgrund ihrer Rechtsstellung verlangen kann, dass die ihr untersagte Werbung dort zu unterlassen ist.
75
2.3.3 Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die Auflage Nummer 6.5.
76
Eine Spielhalle im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags ist nach § 3 Abs. 9 GlüStV 2021 ein Unternehmen oder Teil eines Unternehmens, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO dient. Die Errichtung und der Betrieb „einer Spielhalle“ bedarf nach § 24 Abs. 1 GlüStV 2021 der glücksspielrechtlichen Erlaubnis. § 5 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 „stellt zunächst klar, dass Erlaubnisinhaber grundsätzlich Werbung und Sponsoring für ihr erlaubtes Angebot betreiben dürfen“ (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 86).
77
Hiervon ausgehend darf der Erlaubnisinhaber für das in seiner Spielhalle erlaubte Angebot nach dem Glücksspielstaatsvertrag Werbung betreiben. Werbung für Glücksspiele, die in der Spielhalle nicht angeboten werden oder nicht angeboten werden dürfen, ist demnach Werbung für fremdes Glücksspiel. Auch das Bewerben von Spielhallen an anderen Standorten ist Fremdwerbung, selbst wenn der Erlaubnisinhaber für eine Spielhalle zugleich eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer weiteren Spielhalle an einem anderen Standort hat. Denn die glücksspielrechtliche Erlaubnis wird für eine Spielhalle erteilt und diese eine glücksspielrechtliche Erlaubnis eröffnet den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021.
78
Die Werbung für andere Glücksspiele als die, die in der Spielhalle legal angeboten werden, ist danach keine grundsätzlich zulässige Werbung. Sie ist vielmehr irreführend i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 6 GlüStV 2021, weil sie geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, in der Spielhalle werde auch darin nicht erlaubtes Glücksspiel angeboten. Sie ist zugleich übermäßig i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021, weil sie deutlich über das hinausgeht, was zur Zielerreichung, den Adressaten der Werbung auf das in der Spielhalle angebotene legale Glücksspiel zu lenken, erforderlich ist (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 87).
79
Die Werbung für andere Spielhallen oder Örtlichkeiten, an denen Geld- oder Warenspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten bereitgehalten werden, ist aus dem vorgenannten Grund gleichfalls übermäßig.
80
Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen zu werbebezogenen Auflagen verwiesen.
81
2.4 Die Nebenbestimmung in Nummer 6.6 des Bescheidstenors ist eine Auflage, die der Klägerin Maßnahmen zur Sicherstellung des Jugendschutzes abverlangt.
82
2.4.1 Ermächtigungsgrundlage für die Auflage ist § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen versehen werden kann.
83
2.4.2 Die Auflage ist hinreichend bestimmt.
84
Die Beklagte nimmt auf § 4 Abs. 3 GlüStV 2021 und § 6 Abs. 2 JuSchG Bezug. Nach § 6 Abs. 2 JuSchG darf Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an Spielen mit Gewinnmöglichkeiten nur auf Volksfesten etc. gestattet werden, also nicht in der klägerischen Spielhalle. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 GlüStV 2021 gilt dasselbe. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 GlüStV 2021 haben die Veranstalter und die Vermittler von Glücksspielen sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind. Folglich hat die Klägerin nach Satz 1 der Auflage Nummer 6.6 sicherzustellen, dass keine Minderjährigen an Geldspielautomaten ihrer Spielhalle spielen. Dies hat sie der Auflage Nummer 6.6 Satz 1 zufolge durch Ausweiskontrollen, Aushänge, Auslage von Informationsmaterial und andere geeignete Maßnahmen dauerhaft sicherzustellen. Maßgeblich ist danach nicht die Art der anderen geeigneten Maßnahmen, mit der die Klägerin verhindert, dass Minderjährige ihre Geldspielautomaten bespielen, sondern deren Geeignetheit. Die Klägerin hat folglich andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Minderjährige zuverlässig daran zu hindern, die Geldspielgeräte der klägerischen Spielhalle zu nutzen. Die hierfür geeignetste Maßnahme dürfte darin bestehen, Minderjährigen den Zutritt zur Spielhalle erst gar nicht zu ermöglichen, also bereits eine Ausweiskontrolle am Eingang bzw. eine Zutrittskontrolle gegen Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises (sowie eine Sperrabfrage) vorzunehmen. Hierauf stützt sich nicht nur das Sozialkonzept der Klägerin, sondern auch Satz 2 der Auflage Nummer 6.6, wonach u.a. der Zutritt von Personen unter 18 Jahren unzulässig ist (vgl. § 6 Abs. 1 JuSchG).
85
2.4.3 Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AGGlüStV darf die glücksspielrechtliche Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen nach § 4 Abs. 3 GlüStV 2021 sichergestellt ist. Dies erfordert neben den gesetzlichen Vorgaben u.a. des § 4 Abs. 3 GlüStV 2021 und des § 6 JuSchG die Festlegung konkreter Maßnahmen, die von der Klägerin als Spielhallenbetreiberin zu ergreifen sind.
86
Die Auflage Nummer 6.6 Satz 1, wonach durch bestimmte Maßnahmen sicherzustellen ist, dass Minderjährige nicht an Geldspielgeräten der Spielhalle spielen, ist wohl in erster Linie für Gaststätten konzipiert, zu denen auch Minderjährige Zutritt haben. Diese Auflage ist für Spielhallen gleichwohl nicht verfehlt. Denn die Klägerin hat durch geeignete Maßnahmen stets sicherzustellen, dass Minderjährige nicht an den Geldspielgeräten ihrer Spielhalle spielen, etwa auch dann, wenn sich Minderjährige in Begleitung einer volljährigen Person unerlaubt Zutritt zur Spielhalle verschaffen konnten.
87
Die der Klägerin auferlegten Maßnahmen in den Sätzen 4 bis 7 betreffen weitere Handlungspflichten, die erforderlich sind, um den Zutritt Minderjähriger zur Spielhalle verlässlich zu verhindern. Dieses Erfordernis wird in den Sätzen 2 und 3 der Auflage Nummer 6.6 erläutert, wonach die Spielteilnahme und der Zutritt von Personen unter 18 Jahren unzulässig sind und für die Einhaltung des Betretungs- und Teilnahmeverbots Sorge zu tragen ist. Hierzu gehören eine entsprechende Beschilderung an jeder Zutrittsmöglichkeit ebenso wie das Verlangen zur Vorlage eines amtlichen Ausweises, die Verweigerung des Zutritts, wenn das Alter nicht geklärt werden kann, sowie des Hausverweises, falls Personen unter 18 Jahren die Spielstätte betreten. Diese Maßnahmen sieht auch das Sozialkonzept der Klägerin vor.
88
2.4.4 Die Ermessensauübung ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat erkannt, dass die Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 mit Nebenbestimmungen versehen werden kann (Nummer 8 der Bescheidsgründe). Die Begründung zur Auflage Nummer 6.6 lässt zudem die Gesichtspunkte erkennen, von denen die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Nach Nummer 8.3 der Bescheidsgründe wurden der Klägerin die entsprechenden Maßnahmen auferlegt, um dem Jugend- und Spielerschutz und auch der Einhaltung des Sozialkonzepts der Klägerin dauerhaft Rechnung zu tragen. Dies genügt angesichts des Sicherstellungsauftrags in Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AGGlüStV den gesetzlichen Anforderungen an die Ermessensbetätigung und die Ermessensbegründung.
89
2.5 Die Nebenbestimmung Nummer 6.7 des Bescheidstenors ist eine Auflage und verpflichtet die Klägerin, die Einhaltung der Anforderungen des Sozialkonzepts nach § 6 GlüStV 2021 „i.V.m. den Vorgaben des Anhangs ‚Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht‘ zum GlüStV‘“ dauerhaft sicherzustellen und ggf. zur Anpassung an aktuelle Verhältnisse zu aktualisieren.
90
2.5.1 Ermächtigungsgrundlage für die Auflage ist § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen versehen werden kann.
91
2.5.2 Das Verlangen nach einer Anpassung des Sozialkonzepts an aktuelle Verhältnisse ist nicht unbestimmt. Die Anforderungen an den Inhalt eines den gesetzlichen Anforderungen genügenden Sozialkonzepts ergeben sich aus § 6 GlüStV 2021 i.V.m. § 2 Abs. 3 GlüStV 2021 und sind bis heute unverändert geblieben. Die Maßnahmen und sonstigen Inhalte des Sozialkonzepts sind notwendigen Änderungen unterworfen, insbesondere, wenn sie nach neueren Erkenntnissen falsch oder überholt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Sozialkonzept anzupassen.
92
2.5.3 Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e AGGlüStV darf die glücksspielrechtliche Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die Einhaltung der Anforderungen an das Sozialkonzept nach § 6 GlüStV 2021 sichergestellt ist.
93
Zutreffend ist zwar, dass die Klägerin ihr Sozialkonzept nicht nur zu entwickeln und mit dem Erlaubnisantrag vorzulegen, sondern nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 auch umzusetzen hat. Dies hindert die Beklagte aber nicht daran, die Klägerin auch durch eine Nebenbestimmung an die Einhaltung und Fortentwicklung ihres Sozialkonzepts zu binden. Dies folgt bereits aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GlüStV 2021, wonach die zuständige Behörde (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV) u.a. Anforderungen an die Umsetzung des Sozialkonzepts stellen kann. Davon abgesehen erschöpft sich die Verpflichtung zur Einhaltung des Sozialkonzepts nicht in der bloßen Einhaltung des im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung vorgelegten bzw. angewendeten Sozialkonzepts, sondern geht darüber hinaus, indem sie die Klägerin als Spielhallenbetreiberin an die dynamisch angelegte Verpflichtung zum Spielerschutz bindet. Hiergegen ist nichts zu erinnern, insbesondere wird die Verpflichtung der Klägerin nicht lediglich wiederholt, sondern inhaltlich konkretisiert und um eine laufende Anpassung an die jeweils aktuellen Verhältnisse erweitert (vgl. VG München, U.v. 13.10.2020 – M 16 K 17.3848 – juris Rn. 74). Anhaltspunkte dafür, dass ein zum Erlaubnisbescheid genommenes und genehmigtes Sozialkonzept in seiner eingereichten Fassung einen irgendwie gearteten Bestandsschutz gegenüber rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen hätte, bestehen nicht. Hierauf weisen die Bezeichnung als „Konzept“ hin sowie der Zweck des Sozialkonzepts, die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen.
94
Die Anforderungen an den Inhalt des klägerischen Sozialkonzepts sind danach nicht nur im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung zu wahren, sondern während der gesamten Geltungsdauer der glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Dass Sozialkonzepte an aktuelle Verhältnisse anzupassen sind, folgt bereits aus den Mindestangaben etwa zur verantwortlichen Person, zu den Inhalten regelmäßiger Schulungen etc. Eine notwendige Anpassung ist dann erforderlich, wenn die Mindestinhalte des Sozialkonzepts falsch geworden sind, etwa, wenn sich die verantwortliche Person geändert hat, oder rechtliche, technische oder wissenschaftliche Grundlagen, auf denen das Sozialkonzept aufbaut, überholt sind. Um den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels wirksam vorbeugen zu können, müssen auch neue Erkenntnisse berücksichtigt werden, die im Zeitpunkt der Abfassung des Sozialkonzepts – hier mit Arbeitsstand vom 26. November 2021 – noch nicht bekannt waren wie etwa konkrete Inhalte zur Umsetzung und Anwendung des bundesweiten Spielersperrsystems OASIS, das wohl erst Anfang 2023 vollständig in Betrieb genommen wurde (vgl. z.B. S. 21 des Sozialkonzepts).
95
Der Klägerin wird mit der Auflage Nummer 6.7 nicht aufgegeben, jede noch so unbedeutende Änderung zum Anlass zu nehmen, ihr Sozialkonzept anzupassen. Dies folgt aus der Beifügung des Kürzels „ggf.“ (gegebenenfalls). Sofern einzelne Inhalte oder Maßnahmen der Überarbeitung bedürfen, genügt in der Regel ein Zusatz oder der Austausch einer oder mehrerer Seiten. Soweit die Änderungen und/oder Ergänzungen bloße Berichtigungen sind (z.B. aktualisierte Adressen oder Telefonnummern), bedarf es keiner Mitteilung an die Erlaubnisbehörde. Grundlegende Änderungen sollten aber der Beklagten mitgeteilt und mit dieser abgestimmt werden. Ändern sich rechtliche Grundlagen oder soll das Sozialkonzept an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden, kann vorab auch Kontakt zum Bayerischen Automatenverband hergestellt werden, dessen Muster die Klägerin verwendet.
96
Eines vorangegangenen Fehlverhaltens der Klägerin bedarf es nicht, um diese Auflage oder eine andere Nebenbestimmung rechtfertigen zu können.
97
Die „Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht“, die im Anhang zum GlüStV 2012/2020 aufgenommen waren, sind nunmehr in § 6 Abs. 2 GlüStV 2021 integriert (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 91). Die fehlerhafte Bezugnahme der Auflage Nummer 6.7 auf die „Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht“ führt deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der Auflage.
98
2.5.4 Dass das Ermessen durch die Beklagte fehlerhaft ausgeübt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das ihr bei der Festlegung von Nebenbestimmungen nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 zustehende Ermessen gesehen (Nummer 8 der Bescheidsbegründung). Sie hat ihre Ermessensentscheidung hinreichend mit dem Erfordernis begründet, die Klägerin durch eine Nebenbestimmung an ihr Sozialkonzept zu binden, und insoweit ausdrücklich auf den Sicherstellungsauftrag des Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 AGGlüStV Bezug genommen (Nummer 5 der Bescheidsbegründung). Ein Ermessensdefizit ergibt sich auch hier nicht daraus, dass die Beklagte bei der Festlegung von Nebenbestimmungen vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration erarbeitete „Musternebenbestimmungen für Spielhallenerlaubnisse“ verwendet, bei denen es sich nicht um Vorgaben, sondern um – nicht abschließende – Vorschläge handelt.
99
2.6 Die Nebenbestimmung Nummer 6.11 ist eine Auflage, die es der Klägerin untersagt, technische Geräte zur Bargeldabhebung, insbesondere EC- oder Kreditkartenautomaten, in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich des Spielhallenbetreibers aufzustellen, bereitzuhalten oder zu dulden.
100
2.6.1 Ermächtigungsgrundlage für die Auflage ist § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen versehen werden kann.
101
2.6.2 Die Auflage ist hinreichend bestimmt. Wie weit der „Einflussbereich“ reicht, ergibt sich hinreichend bestimmt aus dem Wortlaut der Auflage Nummer 6.11 und deren Auslegung anhand des Zwecks der Verfügung. Mit der Wendung „in der Spielhalle“ sind die Räume bezeichnet, die die Klägerin in ihrem Erlaubnisantrag unter Bezugnahme auf die ihr erteilte gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO benannt hat. Über diese hat die Klägerin die Verfügungsgewalt. Darüber hinaus sind auch die Bereiche erfasst, die im „umliegenden Einflussbereich“ der Klägerin als Spielhallenbetreiberin liegen. Die Beklagte nennt beispielhaft „Eingangsbereich, Nebenräume, Parkplatz“ und veranschaulicht damit den maßgeblichen Bereich als funktional mit der Spielhallennutzung unmittelbar in Zusammenhang stehende Räume oder sonstige Flächen bzw. Bereiche, die zudem „umliegend“ sein müssen, also im unmittelbaren Nahbereich zum Spielhallenbetrieb liegen. „Einfluss“ hat die Klägerin auf das Aufstellen, Bereithalten oder die Duldung, wenn sie dies verhindern kann. Verhindern kann die Klägerin die Aufstellung usw. von Geräten zur Bargeldabhebung, wenn sie rechtlich hierzu imstande ist, weil sie etwa Eigentümerin oder obligatorisch Berechtigte dieser Bereiche ist, also aufgrund ihrer Rechtsstellung verlangen kann, dass das Aufstellen solcher Geräte zu unterlassen ist (vgl. VG München, U.v. 13.10.2020 – M 16 K 18.297 – juris Rn. 60).
102
2.6.3 Die Auflage ist auch gerechtfertigt. Sie dient der Verringerung des Risikos eines suchtgefährdenden Spielverhaltens und einer Verschuldung (Nummer 8.7 der Bescheidsbegründung).
103
Dass der Gesetzgeber kein Verbot von technischen Geräten zur Bargeldabhebung in Spielhallen erlassen hat (anders als z.B. Baden-Württemberg in § 43 Abs. 3 LGlüG; vgl. VGH BW, U.v. 24.4.2024 – 6 S 980/23 – juris), hindert die Beklagte nicht daran, ein solches Verbot durch eine Nebenbestimmung auszusprechen. Denn § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 ermächtigt die Beklagte dazu, die glücksspielrechtliche Erlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen. Ob und welche Nebenbestimmungen in der Erlaubnis festgelegt werden, liegt im Ermessen der Beklagten („kann“). Die Grenzen des Ermessens ergeben sich aus Art. 40 BayVwVfG. Danach hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Zweck der Ermächtigung zum Erlass von Nebenbestimmungen zur glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis ist insbesondere die Wahrung der in § 1 GlüStV 2021 genannten Ziele, was sich aus § 24 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 ergibt. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ergeben sich aus dem ermächtigenden Gesetz selbst, aber auch aus den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen wie insbesondere dem Gleichheitssatz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1985 – 2 BvR 1145/83 – juris Rn. 29 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im GlüStV 2021 oder im AGGlüStV bewusst von einem Verbot von technischen Geräten zur Bargeldabhebung in Spielhallen abgesehen hat, weil er ein solches für unnötig oder unangemessen hielt, bestehen nicht. Der bloße Umstand, dass der Gesetzgeber kein Verbot von EC- und Kreditkartenautomaten in Spielhallen und im umliegenden Einflussbereich im AGGlüStV erlassen hat, setzt danach keine Grenze, die dem Erlass der Auflage Nummer 6.11 entgegensteht.
104
Die Auflage zum Verbot von EC- und Kreditkartenautomaten in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich dient dem in § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 festgelegten Ziel, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzung für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Die Bekämpfung von Glücksspielsucht und ihrer Folgen durch die Auflage Nummer 6.11 dient damit zugleich dem Zweck der Ermächtigung zum Erlass von Nebenbestimmungen nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021.
105
Da die Zielvorgabe u.a. in § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, abstrakter Natur ist, bedarf sie zu ihrer Konkretisierung einer die Zielvorgabe ausfüllenden behördlichen Festlegung. Dem ist die Beklagte nachgekommen, indem sie verbindlich regelt, dass Geräte zur Bargeldabhebung in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich der Spielhallenbetreiberin von dieser weder aufgestellt noch bereitgehalten oder geduldet werden dürfen. Diese Regelung dient dem Spielerschutz in besonderer Weise, indem sie verhindern soll, dass Glücksspieler ihr Konto für den bargeldlosen Zahlungsverkehr für Geldspielgeräte nutzen und sich dadurch verschulden (vgl. z.B. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisbericht, Januar 2012, S. 58 zur Bereitschaft von Glücksspielern, ihr Konto für den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu nutzen; s. auch „Wissenschaftliche Studie zur Vorbereitung der Evaluation der Sechsten Verordnung zur Änderung der Spielverordnung: Anmerkungen aus der Perspektive der Suchtprävention“ vom 9. Juni 2023, S. 190 – „Bericht SpielV (bmwk.de)“). Diese Gefahr kann reduziert werden, indem die Möglichkeiten zur Bargeldbeschaffung wenigstens innerhalb der Spielhalle und in deren umliegenden Bereich beschränkt werden. Da der gewerbliche Spielhallenbetrieb die Gefahr eines übermäßigen Glücksspiels und die damit einhergehende Gefahr einer Verschuldung von (nicht nur pathologischen) Glücksspielern auslöst, ist es zur Erreichung des Ziels der wirksamen Suchtbekämpfung erforderlich und verhältnismäßig, dem Betreiber einer Spielhalle im Rahmen der Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis verbindlich zu untersagen, in seiner Spielhalle Möglichkeiten zur Bargeldbeschaffung zu schaffen, bereitzuhalten oder zu dulden (vgl. VG München, U.v. 13.10.2020 – M 16 K 18.297 – juris Rn. 58 f.).
106
2.6.4 Die Ermessensausübung und -begründung sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das ihr bei der Festlegung von Nebenbestimmungen nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 zustehende Ermessen gesehen (Nummer 8 der Bescheidsbegründung). Sie hat ihre Ermessensentscheidung hinreichend mit der zutreffenden Erwägung begründet, dass die Möglichkeit, sich am Ort der Spielteilnahme Bargeld beschaffen zu können, das Risiko eines suchtgefährdenden Spielverhaltens und einer Verschuldung erhöht (Nummer 8.7 der Bescheidsbegründung).
107
2.7 Die Nebenbestimmung Nummer 6.14 des Bescheidstenors ist eine Auflage. Mit ihr wird der Klägerin aufgegeben, neben der Ausgabe von Gewinnen über gemäß § 33c GewO zugelassene Spielgeräte keine sonstigen Gewinnchancen in Aussicht zu stellen, keine Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen zu gewähren, insbesondere keine kostenlosen Getränke und Speisen.
108
2.7.1 Ermächtigungsgrundlage für die Auflage ist § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen versehen werden kann.
109
2.7.2 Gegen die Rechtmäßigkeit der Auflage Nummer 6.14 bestehen keine Bedenken.
110
Zwar stützt die Beklagte die Auflage ausweislich der Bescheidsbegründung auf die dem Gewerberecht zugehörige Bestimmung des § 9 Abs. 2 SpielV. Dies ist aber unschädlich, weil die Auflage einerseits den auch im Glücksspielstaatsvertrag verankerten Zielen der Suchtbekämpfung und des Spielerschutzes dient (§ 24 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 GlüStV 2021, Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 AGGlüStV) und andererseits über den Wortlaut des § 9 Abs. 2 SpielV hinausgeht, in dem der Klägerin „insbesondere“ untersagt wird, kostenlose Getränke und Speisen anzubieten bzw. bereitzuhalten.
111
Die Auflage Nummer 6.14 dient nicht in erster Linie dazu, die Umgehung gesetzlicher Gewinn- oder Verlustgrenzen i.S.v. § 13 SpielV zu unterbinden (insb. „Jackpots“), sondern „eine Steigerung des Spielanreizes und ein Verlängern der Aufenthalts- und Spieldauer“ zu verhindern (vgl. Nummer 8.10 der Bescheidsbegründung). Denn „auch bei der Vergünstigung ‚kostenfreie Speisen und Getränke‘“ könne eine im Ausmaß geringere, aber grundsätzlich dennoch bestehende Erhöhung des Suchtpotentials attestiert werden. Diese Erwägungen stehen im Einklang mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags und rechtfertigen es, das Verbot der Gewährung „sonstiger finanzieller Vergünstigungen“ auf die Abgabe oder das Bereitstellen kostenloser Getränke und Speisen auszudehnen (vgl. VG München, U.v.13.10.2020 – M 16 K 18.297 – juris Rn. 74 ff.).
112
2.7.3 Die Ermessensausübung und -begründung sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das ihr bei der Festlegung von Nebenbestimmungen nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 zustehende Ermessen gesehen (Nummer 8 der Bescheidsbegründung). Sie hat ihre Ermessensentscheidung nachvollziehbar mit der Erwägung begründet, eine Steigerung des Spielanreizes und ein Verlängern der Aufenthalts- und Spieldauer zu verhindern (Nummer 8.10 der Bescheidsbegründung).
113
2.8 Die Nebenbestimmung Nummer 6.15 des Bescheidstenors ist eine Auflage. Sie gibt der Klägerin auf, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids eine Bestätigung über den Anschluss an das zentrale spielformübergreifende Sperrsystem OASIS vorzulegen.
114
2.8.1 Ermächtigungsgrundlage für die Auflage ist § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen versehen werden kann.
115
2.8.2 Die Auflage ist gerechtfertigt. Sie sichert den notwendigen Anschluss der klägerischen Spielhalle an die Spielersperrdatei OASIS, damit die Klägerin ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 8 GlüStV 2021, u.a. die Identität spielwilliger Personen mit der Spielersperrdatei abzugleichen, nachkommen kann.
116
2.8.3 Die Auflage ist erforderlich, weil die Spielhalle der Klägerin im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung noch nicht an das Sperrsystem angeschlossen war und – wie die Klägerin selbst ausführt – ohne Anschluss kein gesetzlich gebotener Abgleich möglich ist. Die gesetzliche Befreiung von der Pflicht zum Anschluss an das (zentrale, spielformübergreifende) Sperrsystem bis zum 30. Juni 2022 (vgl. Art. 15 Abs. 7 AGGlüStV) war zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 12. August 2022 bereits abgelaufen.
117
Soweit die Klägerin einwendet, die Umstände um die OASIS-Sperrdatei seien umfassend gesetzlich geregelt, ist nicht ersichtlich, weshalb es der Beklagten deshalb verwehrt sein solle, sich den Anschluss bestätigen zu lassen.
118
2.8.4 Gegen die der Klägerin gesetzte Frist von zwei Wochen, innerhalb der sie eine Bestätigung über den Anschluss an die Sperrdatei vorzulegen hat, ist im Ergebnis nichts zu erinnern.
119
Dass es der Gesetzgeber als ausreichend angesehen hat, den Spielhallenbetreibern einen Aufschub hinsichtlich des Anschlusses an OASIS bis zum 30. Juni 2022 zu gewähren, lässt auf keine erhebliche Einschränkung durch die Auflage Nummer 6.15 schließen. Denn diese Übergangsfrist war im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits abgelaufen.
120
Für den Fall, dass ein funktionsfähiger Anschluss an das Sperrsystem und eine dahingehende Bestätigung aus nicht von der Klägerin zu vertretenden Umständen nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt werden konnte, war und ist es der Klägerin zuzumuten, einen Antrag auf Verlängerung der behördlich gesetzten Frist nach Art. 31 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 BayVwVfG zu stellen. Von Vorstehendem abgesehen wurde ein irgendwie gearteter Beleg dafür, dass der Klägerin der Anschluss nicht innerhalb der Frist möglich gewesen wäre, nicht vorgelegt. Hierzu wurde auch sonst substantiiert nichts dargetan.
121
2.8.5 Die Ermessensausübung und -begründung sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das ihr bei der Festlegung von Nebenbestimmungen nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021 zustehende Ermessen gesehen (Nummer 8 der Bescheidsbegründung). Sie hat ihre Ermessensentscheidung nachvollziehbar mit der Pflicht des Anschlusses an das zentrale, spielformübergreifende Sperrsystem zum Stichtag (bereits) am 30. Juni 2022 begründet (Nummer 8.11 der Bescheidsbegründung).
122
2.9 Die Nebenbestimmung Nummer 6.17 ist eine Auflage. Sie untersagt der Klägerin, internetfähige PCs oder andere technische Geräte, mittels derer die Teilnahme an Glücksspielen im Internet möglich ist, in der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich aufzustellen, bereitzuhalten oder zu dulden. Ausgenommen hiervon sind ausschließlich zur persönlichen Verwendung bestimmte, von Besuchern selbst mitgebrachte technische Geräte sowie – wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ergänzt hat – technische Geräte des Betriebsinhabers oder seiner Mitarbeiter, soweit diese nicht Kunden zur Verfügung gestellt werden.
123
2.9.1 Ermächtigungsgrundlage für die Auflage ist § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV 2021, wonach die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen versehen werden kann.
124
2.9.2 Die Auflage Nummer 6.17 ist hinreichend bestimmt. Das Verbot, Geräte aufzustellen, bereitzuhalten oder zu dulden, die Glücksspiele im Internet ermöglichen, ist der Klägerin als Spielhallenbetreiberin auferlegt. Wie weit der „Einflussbereich“ der Klägerin als Spielhallenbetreiberin reicht, ergibt sich hinreichend bestimmt aus dem Wortlaut der Auflage und deren Auslegung anhand ihres Zwecks. Mit der Wendung „in der Spielhalle“ sind die Räume bezeichnet, die die Klägerin in ihrem Erlaubnisantrag unter Bezugnahme auf die ihr erteilte gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO benannt hat. Über diese hat sie die Verfügungsgewalt. Darüber hinaus sind auch die Bereiche erfasst, die im „umliegenden Einflussbereich“ der Klägerin als Spielhallenbetreiberin liegen. Die Beklagte beschreibt den „umliegenden Einflussbereich“ beispielhaft mit „Eingangsbereich, Nebenräume, Parkplatz“ und veranschaulicht damit den maßgeblichen Bereich als funktional mit der Spielhallennutzung unmittelbar in Zusammenhang stehende Räume oder sonstige Flächen bzw. Bereiche, die zudem „umliegend“ sein müssen, also im unmittelbaren Nahbereich zum Spielhallenbetrieb liegen. „Einfluss“ hat die Klägerin als Spielhallenbetreiberin auf das Aufstellen, Bereithalten und Dulden von Geräten, die Glücksspiele im Internet ermöglichen, wenn sie dies verhindern kann. Verhindern kann die Spielhallenbetreiberin dies, wenn sie rechtlich hierzu imstande ist, etwa, weil sie Eigentümerin oder obligatorisch Berechtigte dieser Bereiche ist, also aufgrund ihrer Rechtsstellung verlangen kann, dass Geräte, die Glücksspiele im Internet ermöglichen, dort nicht aufgestellt oder bereitgehalten werden.
125
2.9.3 Die Auflage Nummer 6.17 ist auch im Übrigen rechtmäßig. Die Beklagte sucht mit dieser Auflage zu verhindern, dass im Bereich der Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich der Klägerin als Inhaberin der glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis unzulässiges Internetglücksspiel veranstaltet und vermittelt wird (vgl. Nummer 8.12 der Bescheidsbegründung).
126
Ihre Rechtfertigung findet die Auflage der Bescheidsbegründung folgend in § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 sowie in Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AGGlüStV. Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten, sofern kein abschließend in § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 aufgelistetes Glücksspiel im Internet vorliegt, für das eine Erlaubnis erteilt wurde. Dies gilt gemäß § 2 Abs. 3 GlüStV 2021 ausdrücklich auch für Spielhallen. Hiervon ausgehend ist es der Klägerin als Betreiberin der Spielhalle untersagt, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten oder zu vermitteln, also in ihrer Spielhalle anzubieten oder anbieten zu lassen.
127
Da Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AGGlüStV bestimmt, dass die glücksspielrechtliche Spielhallenerlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV 2021 nur erteilt werden darf, wenn die Einhaltung des Internetverbots in § 4 Abs. 4 GlüStV 2021 sichergestellt ist, begegnet es keinen Bedenken, das gesetzliche Internetverbot in Gestalt einer Auflage zu erweitern um das Aufstellen, Bereithalten und Dulden von Geräten, die die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen im Internet ermöglichen, und dieses Verbot auf den umliegenden Einflussbereich der Klägerin als Spielhallenbetreiberin auszudehnen.
128
2.9.4 Die Auflage Nummer 6.17 ist auch ermessensgerecht, insbesondere verhältnismäßig.
129
Zur Begründung verweist die Beklagte zu Recht auf die zum Erlaubnisantrag eingereichte Unterlassungserklärung der Klägerin vom 7. Oktober 2021 (Nummer 5 der Bescheidsbegründung; pdf-Behördenakte Seite 87). Darin verpflichtet sich die Klägerin u.a. entsprechend der Vorgaben des § 4 Abs. 4 GlüStV 2021 „das Veranstalten oder Vermitteln jeglichen Glücksspiels im Internet“ in der Spielhalle zu unterlassen. Weiterhin begründet die Beklagte die Auflage Nummer 6.17 in Nummer 5 der Bescheidsgründe mit der Gewährleistung der Suchtbekämpfung und -verhinderung sowie der Gewährleistung des Spielerschutzes. Auch führt die Beklagte in Nummer 8.12 der Bescheidsgründe der Sache nach zutreffend aus, dass es ihr in Bezug auf die klägerische Spielhalle um die Sicherstellung des Verbots gehe, öffentliche Glücksspiele im Internet zu vermitteln oder zu veranstalten. Schließlich ergänzt die Beklagte die Begründung ihrer Ermessensentscheidung zulässigerweise (§ 114 Satz 2 VwGO) mit der Erwägung, durch die Auflage Nummer 6.17 könnten die Spielsucht bekämpft werden und gefährdete Spieler vor weiteren Gefahren abgehalten werden. Diese Begründung trägt nach Auffassung des Gerichts umso mehr, als die klägerische Spielhalle den gesetzlichen Mindestabstand zu nächstgelegenen Spielhallen nicht wahrt.
130
Der Klägerin ist es zum Zweck der Spielsuchtbekämpfung auch zuzumuten, in ihrer Spielhalle und im umliegenden Einflussbereich keine weiteren Glücksspiele zuzulassen, insbesondere keinen Zugang zu Glücksspielen im Internet durch das Aufstellen, Bereithalten und/oder Dulden von Geräten, die die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen im Internet ermöglichen, zu schaffen.
III.
131
Die zulässige Klage ist begründet, soweit es die Nebenbestimmung Nummer 6.18 sowie die Zwangsgeldandrohungen in den Nummern 8, 9 und 10 des Bescheids der Beklagten vom 10. August 2022 in der Fassung vom 16. Juli 2024 betrifft.
132
1. Die Nebenbestimmung Nummer 6.18 ist eine Auflage. Sie ist mangels Erforderlichkeit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO).
133
Die Beklagte hat der Klägerin in Nummer 3.1 Satz 1 des Bescheidstenors eine – rechtswidrige aber wirksame – Befreiung vom Abstandsgebot erteilt. Deren Fortbestand hat die Beklagte an eine auflösende Bedingung verbunden mit einer auflösenden Befristung geknüpft (Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors). Erfolgt die Zertifizierung nicht innerhalb des gesetzten zeitlichen Rahmens von längstens einem halben Jahr, erlischt die Befreiung, sofern die gesetzte Frist nicht – ausdrücklich oder konkludent – verlängert wird. Die Bedingung bzw. Befristung vollzieht sich mithin selbst, indem die der Klägerin gewährte Befreiung vom Abstandsgebot erlischt.
134
In Nummer 4 des Bescheidstenors wird der Klägerin zudem aufgegeben, den Nachweis der Zertifizierung binnen vier Wochen nach Zertifizierung vorzulegen, die Zertifizierung mindestens alle zwei Jahre zu wiederholen und den Nachweis über die Wiederholung binnen vier Wochen vorzulegen. Dass die Beklagte hierin eine vollziehbare Nebenbestimmung sieht, ergibt sich daraus, dass sie für den Fall, dass die Klägerin „einer Verpflichtung unter Nummer 3 und Nummer 4 dieses Bescheids zuwiderhandelt“ ein Zwangsgeld androht (Nummer 8 des Bescheidstenors).
135
Dass die Beklagte gleichwohl ein Erfordernis annimmt, die Verpflichtung zur Vornahme und zum Nachweis der Zertifizierungen mit der Auflage 6.18 nochmal zu sichern, ist nicht nachvollziehbar. Insoweit bietet auch die Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors sei eine Bedingung und keine Auflage, keine Erklärung dafür, warum ein und dieselbe Handlung durch mehrere inhaltsgleiche Nebenbestimmungen gesichert werden soll. Eine bloße Redundanz bei der Festlegung von Nebenbestimmungen, um Regelungslücken zu vermeiden, kann in der Festlegung inhaltsgleicher Forderungen durch unterschiedliche Typen von Nebenbestimmungen nicht gesehen werden. Davon abgesehen steht die Forderung, die Spielhalle „unverzüglich zu zertifizieren“ im Widerspruch zur Nebenbestimmung Nummer 3 Satz 2, wonach eine Zertifizierung „unverzüglich, sobald eine Zertifizierung möglich ist, spätestens jedoch innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides“ zu erfolgen hat.
136
2. Die Zwangsgeldandrohungen in den Nummern 8, 9 und 10 des Bescheidstenors sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO).
137
Die Beklagte stützt die Zwangsgeldandrohungen auf Art. 18, 19, 29, 31 und 36 VwZVG, die die Vollstreckung von Verwaltungsakten betreffen. Insoweit kann auch die Durchsetzung von durch Auflagen festgesetzten Verpflichtungen als ein auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen gerichteter Teil eines Verwaltungsakts mit den Mitteln und unter den Voraussetzungen des Verwaltungszwangs vollstreckt werden. Die Auflage ist danach die Grundverfügung i.S.d. Art. 18 Abs. 1 VwZVG (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 36 Rn. 84 m.w.N.).
138
Nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten, wenn dieser die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt. Eine Zwangsgeldandrohung nach Art. 36 Abs. 1 VwZVG ist ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid über eine Geldforderung, die entsteht und fällig wird, wenn alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind und bei Ablauf der Erfüllungsfrist die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG bestimmt, dass das Zwangsgeld schriftlich angedroht werden muss, was die Beklagte hier durch die Nummern 8, 9 und 10 des Bescheidstenors getan hat. Gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist für die Erfüllung der Verpflichtung zudem eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. An Letzterem fehlt es weitgehend.
139
Davon abgesehen muss jede Zwangsgeldandrohung den Bestimmtheitsanforderungen genügen, die sich aus Art. 36 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 VwZVG und Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ergeben. Daran fehlt es durchgehend.
140
2.1 Die Zwangsgeldandrohung in Nummer 8 des Bescheidstenors ist rechtswidrig.
141
Die Zwangsgeldandrohung in Nummer 8 des Bescheidstenors in Bezug auf die „Verpflichtung unter Nummer 3“ des Bescheidstenors ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Bedingung bzw. Befristung in Nummer 3 Satz 2 des Bescheidstenors (Nummer 3 Satz 1 enthält eine begünstigende Befreiung) keine Verpflichtung enthält, die Klägerin also weder zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichtet und deshalb keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
142
In Bezug auf die „Verpflichtung unter Nummer 4“ des Bescheidstenors ist die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000 Euro mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig, weil Nummer 4 des Bescheidstenors nahezu wortgleich mit der Auflage Nummer 6.18 des Bescheidstenors ist. Bei einem Verstoß gegen (dieselben) Vorlagepflichten in Nummer 6.18 des Bescheidstenors soll nach Nummer 10 des Bescheidstenors jedoch ein Zwangsgeld in Höhe von 800 Euro fällig werden. Soweit nach der Auflage Nummer 6.18 zusätzlich gefordert wird, die Spielhalle „unverzüglich zu zertifizieren“, steht dies im Widerspruch zur Nebenbestimmung Nummer 3 Satz 2, wonach dies spätestens innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids zu erfolgen hat. Eine Heilung der Zwangsgeldandrohung in Bezug auf Nummer 4 des Bescheidstenors ist nicht deshalb eingetreten, weil das Gericht die Auflage Nummer 6.18 mit Urteil im gegenständlichen Verfahren aufgehoben hat. Davon abgesehen lässt die divergierende Höhe der angedrohten Zwangsgelder für ein und dieselbe Vorlagepflicht erkennen, dass die Beklagte das ihr insoweit zustehende pflichtgemäße Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
143
2.2 Die Androhung eines Zwangsgelds in Nummer 9 des Bescheidstenors für den Fall, dass die Klägerin „der Verpflichtung unter Nummer 5 des Bescheids zuwiderhandelt“, ist rechtswidrig.
144
Nummer 5 des Bescheidstenors verpflichtet die Klägerin, „die vorgelegten Konzepte bzw. die Unterlassungserklärungen, die jeweils zum Bestandteil des Bescheides erklärt werden, vollumfänglich einzuhalten.“ Dies umfasst das Sozialkonzept, das Werbekonzept, die Unterlassungserklärung zum Internetverbot sowie die Unterlassungserklärung zum Verbot audiovisueller oder rein visueller Übertragung von Automatenspielen und der Teilnahme über das Internet, jeweils in der zum Erlaubnisantrag eingereichten Fassung.
145
Soweit es das Sozialkonzept der Klägerin „in der Fassung vom 26.11.2021“ betrifft, hat die Beklagte unbeachtet gelassen, dass sie der Klägerin in der Auflage Nummer 6.7 nicht nur aufgegeben hat, dieses zur Anpassung an aktuelle Verhältnisse zu aktualisieren, sondern auch die Einhaltung der Anforderungen des Sozialkonzeptes (zunächst in der Fassung vom 26.11.2021) dauerhaft sicherzustellen. Zwangsgeldbewehrt ist ein Zuwiderhandeln gegen die Verpflichtung in Nummer 5 mit 300 Euro, ein Zuwiderhandeln gegen die Verpflichtung in Nummer 6.7 mit 800 Euro (vgl. Nummer 10 des Bescheidstenors zur Zwangsgeldandrohung hinsichtlich der Verpflichtungen unter den Nummern 6.1 bis 6.18).
146
Auch im Übrigen wird am Sozialkonzept der Klägerin deutlich, dass dessen gesamter Inhalt nicht pauschal im Weg einer zwangsgeldbewehrten Verpflichtung geahndet werden kann. Die Inhalte des Sozialkonzepts, das die Klägerin nach Nummer 5 des Bescheidstenors „vollumfänglich einzuhalten“ hat und nicht etwa nur im Hinblick auf konkrete (Selbst-)Verpflichtungen, umfassen u.a. sämtliche Maßnahmen, mit denen „den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorgebeugt werden soll“ (§ 6 Abs. 2 GlüStV 2021, Nummer 3 des Sozialkonzepts, S. 15 bis 30). Darunter sind allgemein gehaltene Vorgaben mit zum Teil feststellendem Inhalt, wonach etwa die Gruppengröße bei Schulungen maximal zwölf Personen betragen „sollte“ (Nummer 3.1.1) oder, dass die Präventionsbeauftragte mit Rat und Tat zu Seite steht, wenn man sich bei Früherkennung und Umgang mit gefährdeten Spielgästen nicht sicher ist. Solche offen formulierten Inhalte oder Empfehlungen sind einem Konzept zwar immanent, genügen aber nicht als hinreichende Grundlage einer Verwaltungsvollstreckung. Weiterhin werden im Sozialkonzept viele gesetzliche Bestimmungen etwa aus dem Jugendschutzrecht, dem Gewerberecht oder dem Glücksspielrecht zitiert, die aufzeigen sollen, welche Anforderungen von Gesetz wegen an den Betrieb einer Spielhalle gestellt werden. Muss das Sozialkonzept „vollumfänglich eingehalten“ werden und nicht nur die darin enthaltenen – konkretisierten – Selbstverpflichtungen, wäre jeder Gesetzesverstoß zugleich mit einem Zwangsgeld belegt. Die Verwaltungsvollstreckung dient aber nicht dazu, Rechtsnormen zu vollstrecken, sondern bedarf des Verwaltungshandelns einer Behörde durch Erlass einer befehlenden Grundverfügung im Einzelfall (Art. 18 Abs. 1 VwZVG). Eine vollstreckbare Grundverfügung liegt nur vor, wenn sie dem Betroffenen zu erkennen gibt, welches konkrete Handeln, Dulden oder Unterlassen ihm im Einzelfall aufgegeben wird. Die Verpflichtung, das „Gesetz“ oder das „Sozialkonzept“ (oder sonstige Konzepte oder Erklärungen) „vollumfänglich“ einzuhalten, genügt dem mangels der gebotenen weitergehenden Konkretisierung auf bestimmte einzelne Verpflichtung nicht.
147
Davon abgesehen ist die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 300 Euro für jede Zuwiderhandlung gegen die in Nummer 5 des Bescheidstenors genannten Erklärungen und Konzepte auch widersprüchlich und unbestimmt, soweit Verstöße gegen die übrigen in den Erklärungen und Konzepten enthaltenen Handlungs- oder Unterlassungspflichten zugleich mit der Zwangsgeldandrohung in Nummer 10 belegt werden. Danach führt jede Zuwiderhandlung gegen eine der in den Nummern 6.1 bis 6.18 geregelten Verpflichtungen zur Fälligkeit eines Zwangsgelds in Höhe von 800 Euro je Verstoß. Die Widersprüchlichkeit betrifft hierbei nicht nur die ergänzende Auflage zum Sozialkonzept in Nummer 6.7 (s.o.). Eine Pflichtverletzung gegen das Werbekonzept, das nach Nummer 9 des Bescheidstenors ein Zwangsgeld in Höhe von 300 Euro fällig werden lässt, lässt zugleich ein oder mehrere Zwangsgelder in Höhe von 800 Euro wegen Verstoßes gegen die in den Nummern 6.1, 6.2, 6.3 und 6.4 geregelten Werbebeschränkungen fällig werden. Gleiches gilt bei Verstößen gegen das Jugendschutzkonzept, die zugleich Verstöße gegen die Verpflichtung zur Einhaltung der Jugendschutzanforderungen in Nummer 6.6 sind. Die widersprüchlichen Zwangsgeldfestsetzungen sind danach auch rechtswidrig, weil sie gegen das Gebot der hinreichend bestimmten Androhung eines Zwangsmittels verstoßen (Art. 36 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 VwZVG, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).
148
2.3 Nach Vorstehendem kann auch die Zwangsgeldandrohung in Nummer 10 des Bescheidstenors keinen Bestand haben.
149
Die Festlegung von Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen zur glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist, den Anforderungen des Glücksspiel- und Sicherheitsrechts folgend, redundant. Eine klare Abgrenzung zwischen den jeweiligen in den Nebenbestimmungen enthaltenen Pflichten ist also kaum möglich, jedenfalls hier nicht hinreichend konkret festgesetzt. Das wird in der Beauflagung von Werbebeschränkungen in der Auflage Nummer 6.3 besonders deutlich. Eine Werbung, die in einseitiger Weise den Nutzen des Glücksspiels betont, wird zu Recht auch als „irreführend“ gelten können, gleichermaßen das Glücksspiel als Gut des täglichen Lebens erscheinen lassen, wohl auch gegen das Werbekonzept der Klägerin verstoßen und zugleich zum Glücksspiel anreizen sowie – wenn die Werbung an der Außenfassade angebracht ist – „einen zusätzlichen Anreiz für den Spielbetrieb schaffen“ (Auflage Nummer 6.1).
150
Angesichts des unterschiedlichen wirtschaftlichen Interesses, das die Klägerin an der Vornahme oder am Unterlassen der verschiedenen in Nummer 6 des Bescheidstenors auferlegten Pflichten jeweils hat, ist auch die Ausübung des Ermessens bei der Festlegung des einheitlichen Zwangsgelds in Höhe von 800 Euro fehlerhaft. Die formelhafte Begründung, wonach sich die Beklagte bei der Bemessung der angedrohten Zwangsgelder an dem wirtschaftlichen Interesse der Spielhalle orientiert hat, erklärt nicht, weshalb etwa das wirtschaftliche Interesse am Aufstellen von technischen Geräten zur Bargeldabhebung genauso hoch sein soll wie das wirtschaftliche Interesse daran, Neueinstellungen von Mitarbeitern nicht binnen drei Monaten bei der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.
151
Dass die Höhe des Zwangsgelds für eine Vielzahl auch kleinerer und kleinster Verstöße pauschal auf 300 Euro festgesetzt wurde, lässt schließlich eine am wirtschaftlichen Interesse ausgerichtete Bemessung der Höhe des Zwangsgelds vermissen, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterlassen der jeweiligen Handlung hat (vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 VwZVG, § 9 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 GlüStV 2021).
152
2.4 Von Vorstehendem abgesehen ist der Klägerin entgegen Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG weitgehend keine Frist gesetzt worden, innerhalb der ihr der Vollzug der jeweiligen Verpflichtung billigerweise zugemutet werden kann. Jedenfalls für solche Pflichten, auch Unterlassungspflichten, die noch bestimmte Handlungen oder sonstige Vorkehrungen erfordern, gebietet Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zumindest die Einräumung einer gewissen Reaktionszeit, woran es hier weitgehend fehlt (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2013 – 22 CS 13.590 – juris Rn. 14 m.w.N.). Allenfalls soweit in Inhalt und Wortlaut identische Nebenbestimmungen in der vorausgehenden glücksspielrechtlichen Erlaubnis enthalten waren, konnte ggf. auf eine Fristsetzung verzichtet werden.
IV.
153
Die (einheitliche) Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erledigten Teils des Klageverfahrens auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und hinsichtlich des nicht erledigten Teils des Klageverfahrens auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Für die Kostenverteilung kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Auflage Nummer 6.1 des Bescheidstenors auch in der ursprünglichen Fassung (vormals „oder“, nunmehr „und“) rechtens gewesen wäre. Denn auch für den Fall, dass die Auflage Nummer 6.1 vor ihrer Abänderung in der mündlichen Verhandlung rechtswidrig war, bewertet die Kammer den Unterliegensanteil der Beklagten insbesondere wegen der Aufhebung der Zwangsgeldandrohungen mit einem Viertel. Allerdings verdeutlicht § 26 Abs. 1 GlüStV 2021: „Von der äußeren Gestaltung der Spielhalle darf keine Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgehen oder durch eine besonders auffällige Gestaltung ein zusätzlicher Anreiz für den Spielbetrieb geschaffen werden.“
V.
154
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.