Titel:
Zahlung einer Kapitalabfindung aus einer Rentenversicherung an bezugsberechtigte Hinterbliebene ("Riester-Rente")
Normenkette:
AVB Rentenversicherung
Leitsatz:
Zur Auslegung einer Klausel in den AVB einer nach dem AltZertG geschlossenen Rentenversicherung (sog. "Riester-Rente") in Bezug auf die Höhe der monatlichen Rentenzahlung für die Versorgung der bezugsberechtigten Hinterbliebenen. (Rn. 10 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rentenversicherung, Lebensversicherung, Kapitalabfindung, Garantiezeit, Garantierente, bezugsberechtigte Hinterbliebene
Vorinstanz:
AG Regensburg, Urteil vom 20.11.2023 – 10 C 764/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 34329
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 20.11.2023, Az. 10 C 764/23, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.778,31 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht als Bezugsberechtigter einer Rentenversicherung, die sein mittlerweile verstorbener Vater bei der Beklagten abgeschlossen hat, Ansprüche auf Zahlung einer Kapitalabfindung geltend.
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Zur Darstellung des Tatbestands wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 20.11.2023 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
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Das Amtsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Kapitalabfindung in Höhe von weiteren 3778,31 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten vollumfänglich bejaht. Dabei ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass für die Bestimmung der Höhe der Kapitalabfindung die klägerseits durchgeführte Berechnung zugrundezulegen ist. Dem streitgegenständlichen Vertrag sei nicht verständlich zu entnehmen, dass entgegen der Formulierung in Ziffer 9.2 AVB die hier geregelte Sicherung der Rentenzahlung für die Garantiezeit nicht bedeute, dass die dem Versicherten zustehende Rente zur Versorgung des Bezugsberechtigten zur Verfügung stehe. Für die Rentenzahlung sei nicht geregelt, dass die Rente nur aus dem Kapital berechnet wird, welches benötigt würde, um dem Versicherungsnehmer die Rente bis zum Ende der Garantiezeit zu bezahlen. Wie Satz 3 der streitgegenständlichen Bestimmung zeige, wäre es einfach möglich gewesen, unmissverständlich darzustellen, dass die Rente des Bezugsberechtigten nicht mit der monatlichen Rentenzahlung des Vertragspartners gleichgesetzt werden kann. Die Lesart der Beklagten sei überraschend, die Sicherung der monatlichen Rentenzahlung könne vorliegend nur so verstanden werden, dass von dem bestehenden Deckungskapital lediglich der Betrag der staatlichen Förderung abzuziehen sei.
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Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil und verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie ist der Ansicht, das Erstgericht habe bei der Auslegung von Ziff. 9.2 AVB nicht berücksichtigt, dass eine Rentengarantiezeit vereinbart wurde, die die garantierte Rentenleistung im Todesfall auf den vereinbarten Zeitraum begrenzt, sodass denklogisch auch bei Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht das gesamte Deckungskapital zugrundezulegen sei, sondern lediglich dasjenige, das für die Bildung der Garantierente innerhalb der Rentengarantiezeit maßgeblich ist. Dies sei in Ziff. 9.2 AVB unmissverständlich geregelt. Andernfalls würde im Fall der Wahl der Garantierente Rente nur bis zum Ende der Rentengarantiezeit bezahlt, wohingegen im Fall des Kapitalwahlrechts die Versicherungsleistung eklatant erhöht wäre. Die Rückzahlung der staatlichen Förderung sei ebenfalls klar geregelt, hieraus ergebe sich infolgedessen auch, dass die Rente des Bezugsberechtigten nicht mit der monatlichen Rente des Vertragspartners gleichgesetzt werden könne. Die Klausel sei nicht überraschend, da offenkundig sei, dass bei Vereinbarung einer Rentengarantiezeit die Zahlung auf den vereinbarten Zeitraum begrenzt und entsprechend nur Deckungskapital, welches für die Bildung der Rente innerhalb der Garantiezeit maßgeblich ist, berücksichtigt werde.
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Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt daher:
Das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 20.11.2023, Az. 10 C 764/23, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er ist der Ansicht, die streitgegenständliche Formulierung sei dahingehend eindeutig, dass die monatliche Rentenzahlung gesichert sei oder alternativ das für diese Garantierente zur Verfügung stehende Kapital in einer Summe ausgezahlt werde. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde die Klausel so verstehen, dass sich die Rente nach seinem Tod aus dem zur Verfügung stehenden Kapital abzüglich der staatlichen Förderungen ergibt. Der Zweck der Versorgung des Bezugsberechtigten würde konterkariert, wenn lediglich eine Rentenbetrag von 8,21 € ausbezahlt würde. Die Berechnungsmethode der Beklagten ergebe sich nicht aus den Versicherungsbedingungen, Zweifel bei der Auslegung würden zulasten des Verwenders gehen.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung und Erwiderung sowie den klägerischen Schriftsatz vom 17.05.2024 Bezug genommen.
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Die zulässige Begründung hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Im Gegensatz zu der vom Amtsgericht vertretenen Rechtsauffassung hat der Kläger vorliegend keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, der über die bereits bezahlten 874,81 € hinausgeht. Insbesondere ist die streitgegenständliche Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Ziffer 9.2 nicht dahingehend auszulegen, dass sich hieraus ergibt, dass die monatliche Rentenzahlung für die Versorgung der bezugsberechtigten Hinterbliebenen entsprechend der Berechnung der Klägerseite so verstanden werden muss, dass von dem bestehenden Deckungskapital (also dem noch vorhandenen Guthaben) lediglich der zurückzuzahlende Betrag der staatlichen Förderungen abzuziehen ist.
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Bei der Auslegung der Klausel ist zu berücksichtigen, dass zwar in der Regelung eine „Sicherung“ der monatlichen Rentenzahlung formuliert wurde, allerdings dabei ausdrücklich darauf abgestellt wurde, dass diese Sicherung nur bis zum Ende des vereinbarten Garantiezeitraums gelten soll. Insofern ergibt sich aus dieser vertraglichen Regelung klar die beklagtenseits vorgelegte Berechnung, die die monatlich zuletzt an den Versicherten gezahlte Rente vertragsgemäß bis zum Ende der Garantiezeit hochrechnet. Soweit sich im folgenden eine wesentlich niedrigere monatliche Rente für den bezugsberechtigten Hinterbliebenen ergibt, beruht dies allein darauf, dass von diesem Betrag der zurückzuzahlende Betrag der staatlichen Förderung abzuziehen ist. Letzteres ist jedoch zwischen den Parteien unstreitig und auch unmissverständlich in der streitgegenständlichen Regelung Ziff. 9.2 Abs. 2 AVB geregelt.
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Die Klausel ist auch nicht unklar bzw. missverständlich geregelt, da sich aus der Formulierung in Ziff. 9.2 Satz 3 ergibt, dass die Rente einzig aus dem Kapital berechnet wird, welches benötigt würde, um dem ursprünglichen Versicherungsnehmer seine aktuellen Zahlungen bis zum Ende der Garantiezeit zu erbringen. In Ziff. 9.2 Satz 3 heißt es: „Alternativ steht den Bezugsberechtigten die Möglichkeit offen, das für die Garantierente zur Verfügung stehende Kapital in einer Summe ausgezahlt zu erhalten.“(s. K3). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass vorliegend der Kläger diese Alternative gewählt hat, da er unstreitig die Auszahlung des Kapitals und nicht die Zahlung einer monatlichen Rente beansprucht. Im Hinblick auf die Formulierung von Ziff. 9.2 S. 3 AVB für die vom Kläger gewählte Geldabfindung hat auch das Amtsgericht ausdrücklich formuliert, dass diese Regelung unmissverständlich macht, dass hier nur das zur Bildung der Garantierente zur Verfügung stehende Kapital (und damit nicht das Kapital welches vertraglich noch bestand) zur Auszahlung gelangt. Der Kläger, der gerade von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, kann daher nicht mehr verlangen, als sich aus der Klausel unmissverständlich ergibt.
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2. Diese aus Sicht der Kammer einzige mögliche Auslegung der streitgegenständlichen Klausel ergibt sich auch für den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs insbesondere aus der Zusammenschau der Regelung unter Ziffer 9.1 für den Tod des Versicherungsnehmers vor Rentenbeginn und der Regelung unter Ziffer 9.2 für den Tod des Versicherungsnehmers nach Rentenbeginn. Während sich für den Fall, der unter Ziffer 9.1 geregelt ist ergibt, dass der „zu diesem Zeitpunkt bestehende Wert des gebildeten Kapitals“ zugrundezulegen ist, wird in der Regelung unter Ziffer 9.2 ausdrücklich auf das „für die Garantierente zur Verfügung stehende Kapital“ abgestellt. Aus der Verwendung dieser beiden unterschiedlichen Formulierungen lässt sich auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer entnehmen, dass in den beiden geregelten Fällen eine jeweils unterschiedliche Berechnung der Kapitalabfindung durchzuführen ist.
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Die Klausel ist im Übrigen auch nicht überraschend, da bei Vereinbarung einer Rentengarantiezeit offenkundig ist, dass bei Zahlung an den Bezugsberechtigten die Rente auf den vereinbarten Zeitraum begrenzt wird und folglich auch nur das Kapital, welches für diese Rentengarantiezeit maßgeblich ist, zur Auszahlung gelangen kann. Im Gegensatz zum Versicherungsnehmer hat der Bezugsberechtigte daher erkennbar grundsätzlich nur Anspruch auf eine Rente bis zum Ablauf der Garantiezeit. Deshalb hat er schon im Ausgangspunkt nur einen Anspruch auf das dafür erforderliche Kapital, von dem dann die staatliche Förderung abgezogen wird.
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3. Für die von der Klagepartei – ohne substantiierte Begründung – beantragte Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwerfen würde, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Hierfür ist weder der Berufungserwiderung noch dem weiteren Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.05.2024 etwas zu entnehmen. Ebenso wenig ist erkennbar, dass zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts geboten sei. Widersprüchliche Entscheidungen zur maßgeblichen Rechtsfrage liegen nicht vor.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.