Titel:
Die Schlichtungsobliegenheit bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre
Normenketten:
GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
EGZPO § 15a Abs. 1, Abs. 2
BaySchlG Art. 1 Nr. 2
Leitsätze:
Art. 1 Nr. 2 des Bayerischen Schlichtungsgesetzes (BaySchlG), der eine Schlichtungsobliegenheit bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, vorsieht, gilt auch in Bezug auf Zahlungsansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens. (Rn. 23)
Die dogmatische Herleitung des Anspruchs aus einem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag (Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) führt allerdings nicht dazu, dass der Gesetzgeber die gerichtliche Durchsetzung eines solchen Anspruchs nicht einem vorherigen Schlichtungserfordernis unterwerfen dürfte. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schlichtungsverfahren, Schmerzensgeld, allgemeines Persönlichkeitsrecht, immaterieller Schaden, Öffnungsklausel, Landesgesetzgeber, Gesetzesbegründung, Ehrverletzung, Unterlassung, Unzulässigkeit
Vorinstanzen:
LG München I, Endurteil vom 16.06.2023 – 25 S 15393/21
AG München, Urteil vom 21.10.2021 – 223 C 22843/20
Fundstellen:
MDR 2024, 327
LSK 2024, 342
NJOZ 2024, 177
BeckRS 2024, 342
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 2023, Az. 25 S 15393/21, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
1
Der Kläger (zugleich Berufungskläger und Revisionskläger) begehrt von der Beklagten (zugleich Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte) – zuletzt nur noch – Schmerzensgeld wegen behaupteter beleidigender Äußerungen.
2
Die Parteien bewohnten im August 2020 zwei Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus in der Landeshauptstadt Bayerns. Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche wegen Ehrverletzung geltend. Mit der Behauptung, die Beklagte habe ihn im Rahmen einer Auseinandersetzung am 2. August 2020 gegen 16.00 Uhr beleidigt, begehrte er ihre Verurteilung zu Unterlassung, Zahlung einer „Vertragsstrafe“ im Fall der Zuwiderhandlung sowie eines Schmerzensgelds in Höhe von mindestens 1.000,00 €. Das Amtsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 21. Oktober 2021 als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger nach dem Gegenstand der Klage gemäß § 15a EGZPO i.V. m. Art. 1 Nr. 2 des Bayerischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen (Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) vor Klageerhebung den Versuch hätte unternehmen müssen, die Streitigkeit vor einer Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen.
3
Mit dem angegriffenen Endurteil vom 16. Juni 2023, Az. 25 S 15393/21, hat das Landgericht München I die Berufung zurückgewiesen.
4
Mit der beschränkt auf den Schmerzensgeldanspruch zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Begehren insoweit weiter. Er ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer revisiblen Rechtsverletzung beruhe. In Bezug auf die Leistungsklage auf Zahlung eines Schmerzensgelds habe ein Schlichtungserfordernis vor Klageerhebung nicht bestanden. Aus der Auslegung der Norm ergebe sich, dass der streitgegenständliche Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre nicht vom Anwendungsbereich des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG umfasst sei. Insbesondere habe der Bundesgerichtshof für vergleichbare Vorschriften anderer Bundesländer erkannt, dass Zahlungsansprüche von den in Umsetzung von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO geschaffenen landesrechtlichen Vorschriften nicht erfasst seien. Eine differenzierende oder gar gegenteilige Bewertung sei für das vom bayerischen Gesetzgeber vorgesehene Schlichtungserfordernis in Art. 1 Nr. 2 BaySchlG nicht angezeigt. Zudem habe das Berufungsgericht bei der Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG die besondere Bedeutung und dogmatische Herleitung des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs wegen Verletzung der persönlichen Ehre und damit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus einem verfassungsrechtlich verankerten Schutzauftrag und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) des Klägers verkannt.
Entscheidungsgründe
5
Das Berufungsgericht hält – wie das Amtsgericht – die Klage für unzulässig, weil der Kläger das nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V. m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt habe.
6
Der Kläger verfolge in zweiter Instanz die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (nebst Zahlung einer „Vertragsstrafe“ bei Zuwiderhandlung) sowie auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von mindestens 1.000,00 € weiter. In Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens habe er vorgetragen: Die Beklagte habe ihn im Rahmen einer Auseinandersetzung am 2. August 2020 gegen 16.00 Uhr mit den Worten „Was willst du von mir? Willst du mich schlagen? Willst du mich vergewaltigen? Du fickst nur Kinder! Ich schlage deinen Hund tot! Arschloch, Schwein, Kinderficker“ beschimpft. Eine Unterlassungserklärung habe die Beklagte nicht abgegeben. Die geltend gemachten Ansprüche einschließlich des Anspruchs auf Schmerzensgeld unterfielen dem sachlichen Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO. Im Rahmen seiner Klageerweiterung vom 20. Juli 2021, mit der der Kläger den Schmerzensgeldanspruch in das Verfahren eingeführt habe, habe er vorgetragen, dass er infolge der behaupteten Äußerungen der Beklagten Beeinträchtigungen sowohl im Bereich seiner Gesundheit als auch in seiner privaten Lebensführung erlitten habe und deshalb ein Schmerzensgeld in der beantragten Höhe gerechtfertigt sei. Es handle sich insoweit ebenfalls um einen Anspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre.
7
Von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO würden – isoliert von der jeweiligen landesrechtlichen Umsetzungsregelung betrachtet – grundsätzlich nicht nur Ansprüche auf Unterlassung und/oder Widerruf, sondern – streitwertunabhängig – auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche wie etwa Schmerzensgeld umfasst. Der klägerseitig verfolgte Anspruch auf Schmerzensgeld (Berufungsantrag Ziffer IV) unterfalle auch dem Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V. m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG. Zwar habe der Bundesgerichtshof für die § 15a EGZPO umsetzenden landesrechtlichen Vorschriften der Länder Hessen (§ 1 Abs. 1 HessSchlG), Nordrhein-Westfalen (§ 53 Abs. 1 JustG NRW), Rheinland-Pfalz (§ 1 Abs. 1 RhPfLSchlG) und Saarland (§ 37a SaarlAGJusG) im Bereich des Nachbarrechts und der Verletzung der persönlichen Ehre aufgrund der Auslegung der jeweiligen Landesgesetze entschieden, dass Zahlungsansprüche von diesen Umsetzungsnormen nicht umfasst seien und ein Schlichtungserfordernis damit nicht bestehe. Die insoweit maßgeblichen Erwägungen des Bundesgerichtshofs seien jedoch auf die entsprechende bayerische Regelung (Art. 1 Nr. 2 BaySchlG) nicht übertragbar, weil sich insbesondere aus der Gesetzeshistorie dieser Regelung ergebe, dass der bayerische Landesgesetzgeber auf Zahlung gerichtete Ansprüche nicht gänzlich von der Schlichtung habe freistellen, sondern diese bewusst (weiterhin) einem Schlichtungserfordernis habe unterwerfen wollen.
8
Das Landgericht hat die Revision hinsichtlich des mit dem Berufungsantrag Ziffer IV weiterverfolgten Begehrens zugelassen.
9
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
10
1. Hierüber konnte der Senat mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 128 Abs. 2 ZPO (vgl. zur Anwendbarkeit im Revisionsverfahren z. B. BGH, Urt. v. 10. April 2019, VIII ZR 250/17, NJW-RR 2019, 977 Rn. 41; Urt. v. 13. September 2018, I ZR 117/15, GRUR 2018, 1258 Rn. 12).
11
2. Die Revision ist zulässig. Insbesondere wurde sie vom Berufungsgericht im Hinblick auf den Berufungsantrag Ziffer IV zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); hieran ist das Revisionsgericht gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist insbesondere möglich, wenn sich die Beschränkung auf einen abgrenzbaren Streitgegenstand bezieht (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018, VIII ZR 150/17, juris Rn. 12). Dies ist hier beim Schmerzensgeldbegehren (Berufungsantrag Ziffer IV) der Fall.
12
Zuständig ist das Bayerische Oberste Landesgericht, zu welchem die Revisionszulassung erfolgte (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EGZPO, § 8 Abs. 1 und 2 EGGVG, Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG).
13
3. Die Revision ist nicht begründet.
14
Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, dass die Erhebung einer Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Dies gilt gemäß
- Nummer 1: in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750,00 € nicht übersteigt,
- Nummer 2: in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach §§ 910, 911, 923 BGB und nach § 906 BGB sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikels 124 EGBGB, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
- Nummer 3: in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind und
- Nummer 4 in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
15
Art. 1 des Bayerischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen (Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) vom 25. April 2000 (GVBl. S. 268, BayRS 300-1-5-J), das zuletzt durch § 2 Abs. 15 des Gesetzes vom 8. April 2013 (GVBl. S. 174) geändert wurde, lautet:
Sachlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung
Vor den Amtsgerichten kann in folgenden bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen:
1. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen
a) der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
b) Überwuchses nach § 910 BGB,
c) Hinüberfalls nach § 911 BGB,
d) eines Grenzbaums nach § 923 BGB,
e) der in den Art. 43 bis 54 AGBGB geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
2. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist,
3. in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
16
Vor dem 30. April 2013 handelte es sich bei der jetzigen Nummer 1 des Artikels 1 um die Nummer 2 (im Folgenden „Nr. 2 a. F.“) und bei der jetzigen Nummer 2 um die Nummer 3 (im Folgenden „Nr. 3 a. F.“).
17
Das Berufungsgericht hat die Unzulässigkeit der Klage in Bezug auf das begehrte Schmerzensgeld auf § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V. m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG gestützt. Insbesondere umfasse Art. 1 Nr. 2 BaySchlG auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens wegen Verletzung der persönlichen Ehre. Diese Rechtsauffassung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
18
a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des bayerischen Landesrechts (Art. 1 BaySchlG) setzt zunächst voraus, dass das vorrangige Bundesrecht (§ 15a EGZPO) eine entsprechende landesrechtliche Regelung überhaupt zulässt. Dies ist der Fall.
19
Im Rahmen der Öffnungsklausel können die Länder frei entscheiden, ob sie von der Möglichkeit des § 15a EGZPO Gebrauch machen wollen. Gegebenenfalls können sie den Anwendungsbereich des Güteverfahrens einschränken; sie haben aber nicht die Möglichkeit, über den durch § 15a Abs. 1 Satz 1 EGZPO festgesetzten Rahmen hinauszugehen (vgl. § 15a Abs. 4 EGZPO; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, EGZPO § 15a Rn. 1).
20
Während der Bundesgerichtshof in Bezug auf § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO bislang offengelassen hat, ob hiervon auch Zahlungsansprüche erfasst würden (BGH, Urt. v. 2. März 2012, V ZR 169/11, NZM 2012, 435 Rn. 7; Urt. v. 10. Juli 2009, V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 [juris Rn. 9] unter Hinweis darauf, dass überwiegend vertreten werde, dass u. a. auch Schadensersatzansprüche der Regelung unterfielen), hat er zu § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO im Jahr 2008 ausdrücklich festgestellt, dass die dort geregelten „Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre […] insbesondere Unterlassungsansprüche bei Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptungen, Widerrufsansprüche bei unwahren Tatsachenbehauptungen und Ansprüche auf Schadensersatz in Geld“ beträfen (BGH, Urt. v. 8. Juli 2008, VI ZR 221/07, NJW-RR 2008, 1662 [juris Rn. 12]). Dieser Auffassung, die in Bezug auf das Bundesrecht auch von anderen Gerichten (vgl. z. B. OLG Köln, Urt. v. 28. Juni 2011, I-24 U 128/10, juris Rn. 18; LG Flensburg, Beschluss vom 3.1.2011, 1 T 69/10, BeckRS 2011, 14848; AG Ludwigshafen, Urt. v. 19. Juli 2017, 2h C 117/17, juris Rn. 12; zum Nachbarrecht z. B. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 14. Dezember 2006, 8 U 724/05, NJW 2007, 1292 [1293, juris Rn. 16]) und in der Kommentarliteratur (vgl. Schreiber in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 15a Rn. 7; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, EGZPO § 15a Rn. 35; Saenger in Saenger, ZPO, 10. Aufl. 2023, EGZPO § 15a Rn. 4; Jacobs in Stein/Jonas, ZPO, Band 9, 23. Aufl. 2020, EGZPO § 15a Rn. 19; zum Nachbarrecht z. B. auch Vollkommer in BeckOGK, Stand: 1. Juni 2023, EGBGB Art. 124 Rn. 223) vertreten wird, schließt sich der Senat an. Neben Schadensersatzansprüchen sind auch Schmerzensgeldansprüche erfasst (vgl. Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, EGZPO § 15a Rn. 35).
21
Dass eine landesrechtliche Schlichtungsobliegenheit für Zahlungsansprüche wegen Ehrverletzungen teilweise abgelehnt oder offengelassen wird, ändert daran nichts. Denn die (zu bejahende) Frage der Erstreckung von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO auf Zahlungsansprüche ist zu trennen von der Frage, ob auch das jeweilige Landesgesetz Zahlungsansprüche erfasst oder ob es – was der jeweilige Landesgesetzgeber frei entscheiden kann – Zahlungsansprüche vom obligatorischen Schlichtungsverfahren ausnimmt (so zutreffend Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, EGZPO § 15a Rn. 29). Daher wird die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 2008 (NJW-RR 2008, 1662), in welcher die Anwendbarkeit von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO ausdrücklich auch für „Ansprüche auf Schadensersatz in Geld“ bejaht wird, insbesondere nicht relativiert durch zwei jüngere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: In Bezug auf § 53 Abs. 1 Nr. 2 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen (JustG NRW), der auf Grundlage des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO erlassen wurde, hat es der Bundesgerichtshof dahinstehen lassen, „ob Ehrschutzklagen, die auf einen Zahlungsanspruch gerichtet sind, überhaupt […] erfasst“ seien (BGH, Urt. v. 25. Oktober 2022, VI ZR 258/21, NJOZ 2022, 1527 Rn. 12). Er hat in diesem Zusammenhang allerdings sein Urteil vom 2. März 2012 (V ZR 169/11, NZM 2012, 435) erwähnt. Dort wiederum war maßgeblich auf eine landesrechtliche Besonderheit abgestellt worden, nämlich darauf, dass der dortige Landesgesetzgeber unter „Ehrschutz- und Nachbarrechtsstreitigkeiten […] nicht alle Streitigkeiten aus diesem Gebiet [verstehe], sondern nur solche, die nicht auf Geldzahlung gerichtet sind“ (BGH, a. a. O., Rn. 12). Da sich diese Aussagen des Bundesgerichtshofs nur auf das Verständnis des betroffenen Landesrechts beziehen, können diese beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für die hier maßgebliche Frage in Bezug auf die bundesrechtliche Regelung (§ 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO) nicht als Abkehr von der Entscheidung aus dem Jahr 2008 ins Feld geführt werden.
22
b) Art. 1 Nr. 2 BaySchlG erfasst auch Zahlungsansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens.
23
aa) Hierfür spricht zunächst der weite Wortlaut der Vorschrift. Dieser erfasst „Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre“, ohne nach dem Ziel der Ansprüche (z. B. Unterlassung oder Zahlung) zu unterscheiden.
24
bb) Für diese Auslegung spricht auch der Vergleich mit dem Wortlaut des § 15a EGZPO. Dessen Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erfasst „Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre“, ist insoweit also fast (bis auf das in diesem Zusammenhang bedeutungslose Wort „der“ Verletzung) wortgleich mit Art. 1 Nr. 2 BaySchlG, sodass eine identische Interpretation (vgl. zu § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO bereits oben) naheliegt.
25
cc) Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 1 Nr. 2 (= Nr. 3 a.F.) BaySchlG ergibt sich jedenfalls in Bezug auf Zahlungsansprüche auf Ersatz eines immateriellen Schadens nichts anderes.
26
§ 15a EGZPO wurde eingeführt durch das Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2400) mit Wirkung vom 1. Januar 2000. Bayern machte von der Öffnungsklausel Gebrauch mit dem Bayerischen Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen und zur Änderung gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften (Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) vom 25. April 2000 (GVBl. S. 268). Das Bayerische Schlichtungsgesetz trat zum 1. Mai 2000 in Kraft. Seit seiner Einführung wurde Art. 1 BaySchlG dreimal geändert. Die erste Änderung zum Januar 2002 (GVBl. S. 3) betraf lediglich eine – im vorliegenden Kontext bedeutungslose – Anpassung der damaligen Nummer 1 anlässlich der Währungsumstellung von Deutscher Mark auf Euro Anfang 2002 (a. F.; „750 €“ statt zuvor „eintausendfünfhundert Deutsche Mark“). Zum 1. Juli 2007 (GVBl. S. 343) wurden mit einer neuen Nummer 4 „Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen. Nachdem Art. 1 Nr. 1 BaySchlG a. F. („vermögensrechtliche[…] Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 € nicht übersteigt“) mit Ablauf des 31. Mai 2005 außer Kraft getreten war, wurde diese Nummer 1 (a. F.) zum 30. April 2013 aus dem Gesetzestext gestrichen (und u. a. aus der bisherigen Nummer 3 [a. F.; Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre] die aktuelle Nummer 2).
27
(1) Bei der Einführung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes wurde bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs bekundet, der seinerzeitige Art. 1 BaySchlG solle „den durch § 15a Abs. 1 EGZPO vorgezeichneten sachlichen Rahmen für die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts in vollem Umfang aus[nutzen]“ (Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 14/2265 S. 10). Beabsichtigt war – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt – eine volle Ausschöpfung der Möglichkeiten des § 15a Abs. 1 EGZPO, was den sachlichen Anwendungsbereich angeht. Daher war (ursprünglich) insbesondere auch das Anspruchsziel Schmerzensgeld von Art. 1 Nr. 3 BaySchlG a. F. erfasst (Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 2000, S. 51; vgl. zur Erfassung von Zahlungsansprüchen bei Art. 1 Nr. 2 BaySchlG a. F. auch ebenda S. 44).
28
(2) Mit Ablauf des 31. Mai 2005 trat Art. 1 Nr. 1 BaySchlG in der bis dahin geltenden Fassung („vermögensrechtliche[…] Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 € nicht übersteigt“) außer Kraft. Dies war eine bewusste Entscheidung des bayerischen Landesgesetzgebers (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes LT-Drs. 15/3993 sowie § 1 Nr. 1 dieses Gesetzes vom 24. Dezember 2005, GVBl. S. 655). Auch Regelungen anderer Länder sahen, wie in Bayern, zunächst ein obligatorisches Güteverfahren in vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit geringem Streitwert vor. Derzeit ist jedoch in keinem Land mehr eine derartige Umsetzungsvorschrift zu Art. 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO in Kraft.
29
(a) Teilweise wird daraus der Schluss gezogen, dass im jeweiligen Landesrecht auch für Zahlungsansprüche wegen Ehrverletzungen die Schlichtungsobliegenheit nicht (mehr) gelten soll:
30
So hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf Regelungen zum obligatorischen Güteverfahren in anderen Ländern die Umstände des Wegfalls eines entsprechenden Anwendungsfalls (vermögensrechtliche Streitigkeiten mit geringem Streitwert) als maßgeblichen Anhaltspunkt dafür gewertet, dass der Landesgesetzgeber Zahlungsansprüche ebenfalls vom Anwendungsbereich im Nachbarrecht und bei Ehrverletzungen ausnehmen wollte. Im Jahr 2017 hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf Ansprüche aus dem Nachbarrecht – teilweise auch unter Erwähnung von Ansprüchen wegen Ehrverletzungen – unter Zusammenfassung seiner früheren Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass er die jeweiligen Vorschriften der Schlichtungsgesetze der Länder Hessen (vgl. dazu BGH NJW-RR 2009, 1238), Nordrhein-Westfalen (BGH NZM 2012, 435) und Rheinland-Pfalz (BGH, Urt. v. 19. Februar 2016, V ZR 96/15, NJW-RR 2016, 823) „eng in dem Sinne aus[lege], dass ein Schlichtungsversuch in diesen Bundesländern für eine auf Zahlung gerichtete Klage auch dann nicht vorgeschrieben ist, wenn der Anspruch aus dem Nachbarrecht hergeleitet wird“; zu dieser Auslegung sei der Senat „aufgrund der jeweiligen Entstehungsgeschichte der Normen gelangt“ (BGH, Urt. v. 27. Januar 2017, V ZR 120/16, NJW-RR 2017, 443 Rn. 10; dem folgend für das Saarland: OLG Saarbrücken, Urt. v. 26. März 2021, 5 U 20/20, NJOZ 2022, 300 Rn. 11).
31
In diesem Sinn weist z. B. auch Gruber (in Münchener Kommentar zur ZPO, EGZPO § 15a Rn. 35) darauf hin: „Falls aus der Nichteinführung einer Umsetzungsvorschrift zu [§ 15a] Abs. 1 S. 1 Nr. 1 [EGZPO] bzw. deren Streichung geschlossen werden kann, dass der Landesgesetzgeber für Zahlungsansprüche generell kein obligatorisches Güteverfahren (mehr) vorsehen wollte, ist dies auch für auf eine Ehrverletzung gestützte Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz anzunehmen. Aktuell dürften alle Bundesländer Zahlungsansprüche vom Schlichtungserfordernis ausnehmen“. Schmidt merkt verallgemeinernd an, der Bundesgerichtshof folgere aus der Aufhebung der landesrechtlichen Regelungen zu § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO, „dass Zahlungsansprüche generell, auch wenn sie unter Nr. 2 oder 3 fallen können, nicht von der obligatorische[n] Streitschlichtung erfasst werden“ (in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, EGZPO § 15a Rn. 6). Grundsätzlich anderer Ansicht ist z. B. Stöber (JA 2014, 607 608.), weil jeweils ohne Einschränkung von „Ansprüchen“ die Rede sei und ansonsten der Sinn und Zweck der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung verfehlt würde (ebenfalls ablehnend zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit ausführlicher Begründung: van der Grinten in BeckOK GVG, 19. Ed. Stand: 15. Mai 2023, JustG NRW § 53 Rn. 16 ff.). Im Jahr 2022 hat es der Bundesgerichtshof, wie oben bereits ausgeführt, dahinstehen lassen, „ob Ehrschutzklagen, die auf einen Zahlungsanspruch gerichtet sind, überhaupt von § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW erfasst sind“ (BGH NJOZ 2022, 1527 Rn. 12).
32
In seiner Entscheidung vom 27. Januar 2017 (NJW-RR 2017, 443) erinnerte der Bundesgerichtshof daran, dass der Landesgesetzgeber in Hessen und Nordrhein-Westfalen jeweils „zunächst von der Ermächtigung des § 15 a EGZPO umfassend Gebrauch gemacht, das Erfordernis einer obligatorischen Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche jedoch später wieder aufgehoben [habe]. Dem lag in beiden Bundesländern die Erwägung zugrunde, dass sich die obligatorische Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche nicht bewährt hatte, weil das Mahnverfahren nach § 15 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO schlichtungsfrei bleiben musste und sich der an sich vorgeschriebene Schlichtungsversuch deshalb durch Geltendmachung des Zahlungsanspruchs im Mahnverfahren vermeiden ließ. Der Gesetzgeber wollte in beiden Ländern als Konsequenz hieraus Geldforderungen schlechthin, auch bei einer nachbarrechtlichen Grundlage, schlichtungsfrei stellen“ (BGH NJW-RR 2017, 443 Rn. 10). Für einen anders gerichteten Willen des saarländischen Gesetzgebers, der sich wie die Gesetzgeber in Hessen und Nordrhein-Westfalen an den Erfahrungen der anderen Bundesländer und dem Abschlussbericht einer damit befassten Bund-Länder-Arbeitsgruppe orientiert habe, biete die Entstehungsgeschichte von § 37 a Abs. 1 Nr. 1 SaarlAGJusG keine Anhaltspunkte. Auch im Saarland habe der Gesetzgeber zunächst von der Ermächtigung des § 15 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO weitgehend Gebrauch gemacht und für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu 1.200,00 DM den obligatorischen Schlichtungsversuch vorgesehen, diese Regelung aber im Jahr 2007 wieder aufgehoben, weil „insbesondere die Schlichtung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 600 Euro offenbar nicht angenommen werde. Der nach dem Inkrafttreten des Landesschlichtungsgesetzes zu beobachtende Anstieg der Mahnverfahren lasse die Vermutung zu, dass häufig die so genannte ‚Flucht ins Mahnverfahren‘ angetreten werde, auch wenn dieser Effekt angesichts des ähnlichen Anstiegs der Zahl der Mahnverfahren in Bundesländern ohne Landesschlichtungsgesetz nicht sicher auf das obligatorische Schlichtungsverfahren zurückgeführt werden könne […]. Dies spreche dafür, dass auch der saarländische Gesetzgeber Geldforderungen schlechthin, auch bei einer nachbarrechtlichen Grundlage, schlichtungsfrei stellen wollte (BGH NJW-RR 2017, 443 Rn. 11). Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass es in dem Gesetzentwurf der Landesregierung heiße, dass Nachbarrechts- und Ehrschutzstreitigkeiten weiter für schlichtungsgeeignet angesehen würden, weil ihnen typischerweise gestörte zwischenmenschliche Beziehungen zugrunde lägen, sodass das Erfordernis des Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung für diese Bereiche beibehalten werden solle. Denn diesen Ausführungen lasse sich nicht entnehmen, „dass der Gesetzgeber auch die weniger beziehungsgeprägten Zahlungsklagen dem Erfordernis des Schlichtungsverfahrens unterwerfen wollte. Hiergegen spricht zudem, dass die Durchführung streitiger Verfahren nach vorangegangenem Mahnverfahren – aufgrund zwingender Vorgabe nach § 15 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO – auch im Saarland nach wie vor von dem obligatorischen Schlichtungsversuch ausgenommen bleibt […], sodass das Erfordernis des Schlichtungsverfahrens bei Zahlungsklagen leicht umgangen werden könnte“ (BGH NJW-RR 2017, 443 Rn. 12).
33
(b) Diese Erwägungen sind grundsätzlich auf Bayern übertragbar. Auch Bayern hatte, wie bereits erwähnt, zunächst von der Ermächtigung des § 15 a EGZPO umfassend Gebrauch gemacht, das Erfordernis einer obligatorischen Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche mit geringem Streitwert jedoch später (bewusst) wegfallen lassen. Auch in Bayern lag dem die Erwägung zugrunde, dass „sich der streitwertbezogene Ansatz des Art. 1 Nr. 1 BaySchlG [a. F.] in der Rechtspraxis nicht bewährt“ habe (LT-Drs. 15/3993 S. 3 f.). Der Gesetzentwurf wurde ebenfalls damit begründet, dass die Akzeptanz der obligatorischen Streitschlichtung bei vermögensrechtlichen Bagatellstreitigkeiten gering sei, was sich „auch in einer vergleichsweise niedrigen Erfolgsquote“ und einer „Umgehung des Schlichtungsverfahrens durch die Wahl des Mahnverfahrens“ niederschlage (LT-Drs. 15/3993 S. 4). In diesem Sinn äußerte sich auch die damalige Staatsministerin des für den Gesetzentwurf federführenden Staatsministeriums der Justiz im Bayerischen Landtag. Dort führte sie aus, dass die „große Mehrzahl der Gläubiger […] das Mahnverfahren dem Schlichtungsverfahren vorgezogen“ habe und „die große Masse der Streitigkeiten auch bisher schon im Mahnverfahren erledigt worden“ sei (Plenarprotokoll 15/50 vom 29. September 2005 S. 3849). Auch Landtagsabgeordnete der absoluten Mehrheitsfraktion der CSU („Wo immer es möglich war, wurde in vermögensrechtlichen Sachen der Umweg über den Mahnbescheid genommen.“, a. a. O. S. 3850) und der SPD-Fraktion („Tatsache ist […], dass die Parteien regen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht haben, bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten anstelle des Gangs zum Gericht sofort ein Mahnverfahren einzuleiten, um damit dem Schlichtungszwang zu entgehen.“, a. a. O. S. 3850) wiesen im Bayerischen Landtag auf den engen Zusammenhang zwischen den Möglichkeiten des Mahn- und des obligatorischen Güteverfahrens hin.
34
(3) Die maßgeblichen Umstände, die den Bundesgerichtshof dazu bewogen haben, in anderen Ländern davon auszugehen, dass Zahlungsansprüche im Nachbarrecht und bei Ehrverletzungen nicht unter die Obliegenheit eines Güteverfahrens fallen, gelten jedoch für Bayern nicht. Einer Übertragung der Erwägungen auf Bayern steht, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, die jüngere Gesetzesgeschichte entgegen. Aus dieser ergibt sich, dass nach dem im Jahr 2007 dokumentierten und seitdem nicht erkennbar geänderten Willen des Gesetzgebers jedenfalls Zahlungsansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG erfasst sind.
35
(a) Der bayerische Landesgesetzgeber hat zum 1. Juli 2007 erstmals Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in den Anwendungsbereich des Schlichtungsgesetzes einbezogen (Gesetz zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes vom 24. Mai 2007, GVBl. S. 343).
36
Entsprechendes war auch in Nordrhein-Westfalen geschehen und zwar bereits vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 53 JustG NRW (vgl. BGH NZM 2012, 435). Daher konnte der Bundesgerichtshof diese Rechtsentwicklung bereits berücksichtigen und führte dazu aus, an seinem Befund (keine Schlichtungsobliegenheit für Zahlungsansprüche) ändere es nichts „dass der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen, anders als der des Landes Hessen, bei dieser Gelegenheit eine obligatorische Streitschlichtung auch für Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschn. 3 AGG eingeführt hat. Die Landesregierung begründet die Erweiterung mit der Erwägung, dass sich diese Streitigkeiten ‚vergleichbar [mit] Ehrschutz- und Nachbarrechtsstreitigkeiten‘ für eine Schlichtung eigneten […]. Unter Ehrschutz- und Nachbarrechtsstreitigkeiten versteht der Gesetzgeber aber nicht alle Streitigkeiten aus diesem Gebiet, sondern nur solche, die nicht auf Geldzahlung gerichtet sind. Anhaltspunkte dafür, dass er das bei den Streitigkeiten nach dem Abschn. 3 AGG anders gesehen hat, fehlen. Die Ausführungen zu den Kostenbelastungen der (die Schiedsämter unterhaltenden) Kommunen im Vorblatt des Gesetzentwurfs belegen das Gegenteil. Dort wird nämlich erläutert, dass sich eine nennenswerte Mehrbelastung nicht ergeben werde, weil die zusätzliche Belastung durch den Fortfall der vermögensrechtlichen Streitigkeiten kompensiert werde. Das konnte nur zutreffen, wenn alle Geldforderungen aus der obligatorischen Schlichtung ausgenommen werden sollten“ (BGH NZM 2012, 435 Rn. 12).
37
(b) Diese Erwägungen sind, wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, auf Bayern nicht übertragbar. Denn hier gibt es klare Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber auch bei Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Zahlungsklagen dem Schlichtungserfordernis unterwerfen wollte, jedenfalls dann, wenn es sich – wie im hiesigen Verfahren – um Ansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens handelt.
38
(aa) So wird in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/7397 S. 3) zunächst darauf hingewiesen, dass dem Benachteiligten bei einem Verstoß gegen § 19 AGG „Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 21 Abs. 1 AGG) sowie Ersatzansprüche wegen eines materiellen oder immateriellen Schadens (§ 21 Abs. 2 AGG) zustehen“ können. Weiter heißt es (LT-Drs. 15/7397 S. 3 f.): „Wegen der zu erwartenden Schlichtungseignung der Materie soll im Interesse einer Entlastung sowohl der Parteien wie der Gerichte von der eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Dem steht nicht entgegen, dass bei der letzten Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes […] von einer Verlängerung der Geltungsdauer der obligatorischen vorgerichtlichen Streitschlichtung in vermögensrechtlichen Bagatellstreitigkeiten (Art. 1 Nr. 1 BaySchlG [a. F.]) abgesehen wurde, weil die in diesen Fällen geringe Akzeptanz des Schlichtungsverfahrens zu dessen Umgehung durch Wahl des Mahnverfahrens (§ 15a Abs. Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO) geführt hat […]. Bei Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wäre mit einer solchen ‚Flucht ins Mahnverfahren‘ nicht in gleichem Maße zu rechnen, da zum einen das Mahnverfahren für die nicht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 21 Abs. 1 AGG) nicht zu Gebote steht (§ 688 Abs. 1 ZPO) und zum anderen die Bezifferung von Ersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens (§ 21 Abs. 2 Satz 3 AGG) nicht so leicht fällt wie bei gewöhnlichen Leistungsanträgen. Dem entsprechend lässt die Rechtsprechung […] in diesen Fällen abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einen unbezifferten Zahlungsantrag zu, der im Wege des Mahnverfahrens nicht möglich ist.“ Zudem wies ein Abgeordneter der Mehrheitsfraktion (CSU) im Bayerischen Landtag darauf hin: „Wir werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Schlichtungsverfahren für die zivilrechtlich begründeten Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz öffnen“ (Plenarprotokoll 15/93 vom 10. Mai 2007 S. 7037).
39
Die genannten Ausführungen in der Gesetzesbegründung und im Gesetzgebungsverfahren lassen den Schluss zu, dass der Landesgesetzgeber jedenfalls Zahlungsklagen bei Ersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dem obligatorischen Güteverfahren unterwerfen wollte. Der bayerische Gesetzgeber ging offensichtlich davon aus, dass ein Anspruchsteller jedenfalls immaterielle Schäden oft nur schwer beziffern kann und für ihn deshalb – wie bei Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen – das Mahnverfahren häufig keine geeignete Möglichkeit zur Durchsetzung von Ansprüchen darstellt, weshalb jedenfalls bei solchen Ansprüchen eine „Flucht ins Mahnverfahren“ nicht in gleicher Weise zu befürchten sei wie bei anderen Ansprüchen. Angesichts dieser ausdrücklichen Erwägung, dass „die Bezifferung von Ersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens […] nicht so leicht fällt wie bei gewöhnlichen Leistungsanträgen“ und deshalb das Mahnverfahren in diesen Fällen oft nicht zu Gebote stehe, verbunden mit dem vorstehenden Hinweis in der Begründung, dass das Gesetz „im Interesse einer Entlastung sowohl der Parteien wie der Gerichte“ erlassen werden solle (ergänzt durch die Äußerung aus der Mehrheitsfraktion im Landtag, wonach durch das Gesetz „das Schlichtungsverfahren für die zivilrechtlich begründeten Schadensersatz-[…]ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ geöffnet werden solle), spricht deutlich gegen das in Bezug auf andere Länder herangezogene Argument, dass der Gesetzgeber wegen des Effekts der „Flucht ins Mahnverfahren“ Geldforderungen „schlechthin“ schlichtungsfrei stellen wollte (vgl. z. B. BGH NJW-RR 2017, 443 Rn. 11); für den bayerischen Gesetzgeber gilt das ausweislich des Gesetzgebungsverfahrens jedenfalls in Bezug auf immaterielle Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht.
40
Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben bisher Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht nachträglich in den sachlichen Anwendungsbereich des Schlichtungserfordernisses einbezogen, sodass sich die Frage nicht stellt, ob eine solche Änderung bzw. deren Begründung zu einer veränderten Auslegung durch den Bundesgerichtshof führen würde. Nordrhein-Westfalen hat zwar solche Streitigkeiten nachträglich in den sachlichen Anwendungsbereich des Schlichtungserfordernisses einbezogen (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 JustG NRW), was den Bundesgerichtshof nicht an seiner Auslegung gehindert hat, dass dort „alle Geldforderungen aus der obligatorischen Schlichtung ausgenommen werden sollten“ (BGH NZM 2012, 435 Rn. 12). Der dortige Entwurf zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung von § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO – AG § 15a EGZPO) vom 10. September 2007 (LT-Drs. 14/4975) enthielt jedoch – anders als der genannte bayerische Gesetzentwurf – keinerlei Ausführungen dazu, dass sich immaterielle Schäden für eine Geltendmachung im Mahnverfahren nicht uneingeschränkt eignen. Vielmehr heißt es dort (S. 1), dass „vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einer Summe von 600,00 Euro […] nicht mehr der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung unterfallen und statt dessen die Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (zivilrechtlicher Teil) in den Anwendungsbereich des Ausführungsgesetzes zu § 15a EGZPO neu aufgenommen werden“ sollen, und (S. 2) dass „die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch die zivilrechtlichen Streitigkeiten nach dem AGG durch einen Wegfall der vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 600,00 Euro kompensiert wird“. Aus dem Hinweis zur Kostenkompensation hat der Bundesgerichtshof positiv abgeleitet, dies könne „nur zutreffen, wenn alle Geldforderungen aus der obligatorischen Schlichtung ausgenommen werden sollten“ (BGH NZM 2012, 435 Rn. 12), während Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber das „bei den Streitigkeiten nach dem Abschn. 3 AGG anders gesehen hat, fehlen“ (BGH NZM 2012, 435 Rn. 12). In Bayern ist es genau umgekehrt.
41
(bb) Die vorgenannten Erwägungen in Bezug auf immaterielle Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz lassen allerdings auch den Schluss zu, dass der bayerische Landesgesetzgeber bei Ersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens wegen Ehrverletzungen (jetzt Art. 1 Nr. 2 BaySchlG) davon ausging, dass diese trotz Wegfalls des früheren Art. 1 Nr. 1 BaySchlG erst nach erfolglosem Durchlaufen eines Güteverfahrens an die Zivilgerichte herangetragen werden sollen. Zur Zeit der Vorbereitung und des Erlasses (im Mai 2007) des Gesetzes konnten dem Landesgesetzgeber die oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2009, 2. März 2012, 19. Februar 2016 und 27. Januar 2017 noch nicht bekannt sein. Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zeigen aber deutlich, dass sich der bayerische Landesgesetzgeber der Problematik der „Flucht ins Mahnverfahren“ bzw. der Parallelität der Verfahren bewusst war, dies aber für ihn kein ausreichender Grund war, Zahlungsansprüche generell von Art. 1 BaySchlG auszunehmen (anders als es der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. März 2012 mangels anderer Anhaltspunkte für § 53 JustG NRW in Bezug auf den dortigen Landesgesetzgeber interpretiert hat). Das maßgebliche Argument des bayerischen Gesetzgebers, dass bei Ersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens mit einer „Flucht ins Mahnverfahren“ nicht zu rechnen sei, weil die Bezifferung nicht so leicht falle wie bei gewöhnlichen Leistungsanträgen, gilt für den jetzigen Art. 1 Nr. 2 BaySchlG genauso wie beim jetzigen Art. 1 Nr. 3 BaySchlG. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der bayerische Landesgesetzgeber (vor Kenntnis der genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs) zwar bei Streitigkeiten nach dem Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, nicht aber bei solchen wegen Ehrverletzungen Ansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens dem Schlichtungserfordernis unterwerfen wollte, sind nicht ersichtlich. Dafür spricht auch, dass im Gesetzentwurf (LT-Drs. 15/7397 S. 3) darauf hingewiesen wird, dass „Streitigkeiten über Benachteiligungen in besonderer Weise schlichtungsgeeignet [seien], wie ihre Nähe zu den bereits jetzt in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [a. F.; heute: Nr. 2] EGZPO enthaltenen Ansprüchen wegen Verletzung der persönlichen Ehre zeigt.“ Hätte der Landesgesetzgeber in Bezug auf das Schlichtungserfordernis bei Ansprüchen auf Ersatz des immateriellen Schadens zwischen den damaligen Nummern 3 und 4 (jeweils a. F.; heute Nummern 2 und 3) Unterschiede machen wollen, hätte es nahegelegen, dies zumindest in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck zu bringen.
42
Auch ein ähnlicher Hinweis in der Gesetzesbegründung wie in Nordrhein-Westfalen, dass eine etwaige Zusatzbelastung durch den Fortfall der vermögensrechtlichen Streitigkeiten kompensiert werde (woraus der Bundesgerichtshof schloss, dass alle Geldforderungen aus der obligatorischen Schlichtung ausgenommen werden sollten), findet sich in Bayern nicht.
43
(cc) Zwar hat das Argument des Klägers erhebliches Gewicht, dass die Regelungen in Art. 1 BaySchlG durch den bayerischen Gesetzgeber kein „bayerischer Alleingang“ gewesen seien, sondern maßgeblich auf Arbeiten einer gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe zurückgingen. So ist im Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 15. September 2005 (LT-Drs. 15/3993 S. 4) ausdrücklich die Rede davon, dass in „einer Arbeitsgruppe der Justizverwaltungen von Bund und Ländern zur Umsetzung des § 15a EGZPO […] derzeit untersucht [werde], ob es sachgerecht und zweckmäßig wäre, die obligatorische Streitschlichtung auf weitere Sachgebiete zu erstrecken. Erst wenn dies geklärt [sei] und gegebenenfalls die erforderlichen bundesrechtlichen Voraussetzungen geschaffen [seien], erschein[e] eine unbefristete gesetzliche Regelung sinnvoll.“ Auch bei der Einbeziehung von Ansprüchen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wurde die länderübergreifende Herangehensweise erwähnt (Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes vom 6. Februar 2007, LT-Drs. 15/7397 S. 4: „Die Frage, ob das BaySchlG auch auf erstinstanzlich vor den Landgerichten geltend gemachte Ansprüche auszudehnen ist, wird bis zum Abschluss der Arbeitsgruppe der Justizverwaltungen von Bund und Ländern zur Umsetzung des § 15a EGZPO zurückgestellt“). Es ist daher zunächst naheliegend, die (nahezu) wortlautgleichen Umsetzungsvorschriften der an der Arbeitsgruppe beteiligten Länder gleich zu interpretieren. Zwingend ist dies jedoch nicht. Denn bei der Auslegung einer Norm kann der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien eine maßgebliche Bedeutung zukommen und diese können sich auch dann entscheidend unterscheiden, wenn vergleichbare Normen in verschiedenen Ländern auf gemeinsamen Vorarbeiten beruhen. Insoweit entscheidend ist der Wille des jeweiligen Landesgesetzgebers (im vorliegenden Fall Bayerns), mag sich dieser trotz der gemeinsamen Vorarbeiten auch von dem (ausdrücklichen oder angenommenen) Willen anderer Länder unterscheiden. Zwar hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass die „nahezu wörtliche Übereinstimmung von § 1 I Nr. 1 RhPfLSchlG einerseits und von § 1 I Nr. 1 HessSchlG und § 53 I Nr. 1 NRWJustG andererseits […] nicht zufällig, sondern gewollt [sei]. Der rheinlandpfälzische Landesgesetzgeber [habe] die Erfahrungen dieser und anderer Bundesländer – zu denen außer Hessen und Nordrhein-Westfalen noch Bayern (Gesetz v. 24.12.2005, BayGVBl. 2005, 655) und Brandenburg (Gesetz v. 18.12.2006, BbgGVBl. I 2006, 186) zählen – aufgreifen und das neue Schlichtungsgesetz von vornherein wie diese Bundesländer gestalten [wollen]. Die [rheinland-pfälzische] Vorschrift [sei] deshalb auch im gleichen Sinne zu verstehen, wie es der Senat für Hessen und Nordrhein-Westfalen entschieden“ habe (BGH NJW-RR 2016, 823 Rn. 15). Daraus lässt sich jedoch für Bayern unmittelbar nichts herleiten, weil der Bundesgerichtshof ein gleiches Verständnis nur bezüglich Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen erwähnt. Für die maßgeblichen bayerischen Normen hat der Bundesgerichtshof noch keine Auslegung vorgenommen. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass – trotz gemeinsamer Überlegungen und nahezu wortgleicher Regelungen der Länder – eine unterschiedliche Auslegung der Normen möglich sei, wenn sich aus der Entstehungsgeschichte dafür Anhaltspunkte ergäben. Dies hat der Bundesgerichtshof, wie oben bereits ausgeführt, insbesondere deutlich gemacht, als er in seiner Entscheidung vom 2. März 2012 (NZM 2012, 435 Rn. 12) in Bezug auf Nordrhein-Westfalen ausdrücklich festgestellt hat: „Unter Ehrschutz- und Nachbarrechtsstreitigkeiten versteht der [nordrhein-westfälische] Gesetzgeber aber nicht alle Streitigkeiten aus diesem Gebiet, sondern nur solche, die nicht auf Geldzahlung gerichtet sind. Anhaltspunkte dafür, dass er das bei den Streitigkeiten nach dem Abschn. 3 AGG anders gesehen hat, fehlen.“ Auch in der Entscheidung vom 27. Januar 2017 (NJW-RR 2017, 443 Rn. 11) hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit einer abweichenden Interpretation beim Bestehen von Anhaltspunkten ausdrücklich erwähnt („Für einen anders gerichteten Willen des saarländischen Gesetzgebers – der sich wie die Gesetzgeber in Hessen und Nordrhein-Westfalen an den Erfahrungen der anderen Bundesländer und dem Abschlussbericht einer damit befassten Bund-Länder-Arbeitsgruppe orientiert hat […] – bietet die Entstehungsgeschichte von § 37 a I Nr. 1 SaarlAGJusG keine Anhaltspunkte.“). Eben solche Anhaltspunkte gibt es aber, wie ausgeführt, in Bezug auf das Bayerische Schlichtungsgesetz.
44
(4) Bei der Entfristung der Geltung der obligatorischen außergerichtlichen Streitbeilegung durch das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. 713) wurde die Problematik der Erfassung von Zahlungsansprüchen im Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/9582) nicht erwähnt; ebenso wenig bei der Neu-Nummerierung von Art. 1 Abs. 1 BaySchlG durch das Gesetz zur Bereinigung des Landesrechts vom 8. April 2013 (GVBl. S. 174; Gesetzentwurf LT-Drs. 16/14914).
45
c) Entgegen der Meinung des Klägers stehen der vorgenannten Auslegung auch verfassungsrechtliche Erwägungen nicht entgegen und zwar auch dann nicht, wenn der Kläger – entgegen seiner früheren Ausführungen – kein „Schmerzensgeld“, sondern einen Geldentschädigungsanspruch wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begehren sollte.
46
Zwar hat der Bundesgerichtshof festgestellt (BGH, Urt. v. 15. November 1994, VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 15.: „Bei einer Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich im eigentlichen Sinn nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht […]. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund […]. Außerdem soll der Rechtsbehelf der Prävention dienen“. Der Gesetzgeber hat es in der Folge nicht für erforderlich gehalten, Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausdrücklich in die Aufzählung der Schmerzensgeldansprüche auslösenden Rechtsgutsverletzungen aufzunehmen; dies stehe auch künftig einer Geldentschädigung bei nach § 823 BGB erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht entgegen (BT-Drs. 14/7752 S. 24 f.).
47
Die dogmatische Herleitung des Anspruchs aus einem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag führt allerdings nicht dazu, dass der Gesetzgeber die gerichtliche Durchsetzung eines solchen Anspruchs nicht einem vorherigen Schlichtungserfordernis unterwerfen dürfte. Auch wenn der Anspruch materiell-rechtlich seine Grundlage (auch) im Verfassungsrecht hat, handelt es sich gleichwohl um einen zivilrechtlichen Anspruch, der im regulären Zivilverfahren geltend zu machen ist. Im Gegensatz zum staatlichen Strafanspruch soll die Zubilligung einer Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG „im Interesse des konkret Betroffenen gewährleisten“ (BGH, Urt. v. 5. Oktober 2004, VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 303.), weshalb auch „die Zivilgerichte zur Gewährleistung dieses Interesses des Betroffenen berufen sind“ (BGH, a. a. O.). Der Präventionsgedanke stellt lediglich einen „Bemessungsfaktor für die Entschädigung“ dar (BGH, a. a. O.). Obwohl mit der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch ein Sanktions- und Präventionsgedanke verbunden ist, erfordert deren Durchsetzung keineswegs, dass der Verletzte seine zivilrechtliche Geldforderung zwingend durch eine sofortige gerichtliche Klage geltend machen kann. Sanktion und (Spezial-)Prävention können in einem Schlichtungsverfahren ebenfalls zur Geltung kommen und als Bemessungsfaktor für die Entschädigung dienen. Zudem kann der Verletzte zu einem Zustandekommen der Vereinbarung zur Konfliktbeilegung nicht gezwungen werden und hat nach einem Scheitern der Schlichtung die Möglichkeit, den gerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten. Art. 1 und 2 GG stehen weder der Anordnung einer Schlichtungsobliegenheit bei einer Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegen noch einer entsprechenden Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG. Dass durch das (prozessuale) Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens der Sinn und Zweck des aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten (materiell-rechtlichen) Geldanspruchs wegen Ehrverletzung „konterkariert“ und der Staat seinem verfassungsrechtlich auferlegten Schutzauftrag nicht gerecht werde, wie der Kläger meint, ist nicht zu erkennen. Soweit der Kläger meint, dass durch eine außergerichtliche Streitbeilegung „hinter verschlossenen Türen“ weder eine Prävention in Form einer Abschreckungswirkung geschaffen noch der Genugtuung des Opfers in gleichem Maße Rechnung getragen werden könne, wie dies durch ein gerichtliches Verfahren möglich wäre, verkennt dies, dass die Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung gleichwohl – im Gegensatz zum staatlichen Strafanspruch – „im Interesse des konkret Betroffenen“ gewährleistet wird (BGHZ 160, 298 303.) und der Betroffene einerseits selbst ein Interesse daran haben kann, eine Geldentschädigung im Rahmen der Schlichtung ohne öffentliche Gerichtsverhandlung zu erhalten, und andererseits die Möglichkeit hat, nach einem Scheitern der Schlichtung ein reguläres Gerichtsverfahren herbeizuführen. Wäre die Auffassung des Klägers richtig, müssten im Übrigen konsequenterweise Geldentschädigungsansprüche wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung immer in einem öffentlichen Gerichtsverfahren festgestellt werden, was offensichtlich nicht der Fall ist. Auch der Gesetzgeber wollte mit der Nichtaufnahme der Ansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen in § 253 Abs. 2 BGB in Bezug auf diese Ansprüche nicht etwa Sonderregelungen (wie z. B. eine Ausnahme von der Schlichtungsobliegenheit) verbinden, sondern sah sich zu einer umfassenden Regelung solcher Ansprüche anlässlich der Änderung des § 253 Abs. 2 BGB lediglich nicht in der Lage. So heißt es in der Gesetzesbegründung: „Ob anknüpfend an entsprechende frühere Initiativen eine einfachgesetzliche Klarstellung [, dass auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu einer Geldentschädigung führen können,] sinnvoll ist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls könnte sie sich nicht auf die Anordnung einer Geldentschädigung als Rechtsfolge einer Persönlichkeitsrechtsverletzung beschränken, sondern müsste mit einer ausdrücklichen und umfassenden Regelung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einhergehen. Dies kann im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht geleistet werden“ (BT-Drs. 14/7552 S. 25). Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die klägerische Auffassung dazu führen würde, dass eine Geldentschädigung wegen schwerwiegender Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (sowie alle anderen zivilrechtlichen Forderungen, welche ihren Ursprung in einem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag haben) auch nicht dem § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO („vermögensrechtliche[…] Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 Euro nicht übersteigt“) unterfallen dürften. Dagegen versteht man unter vermögensrechtlichen Streitigkeiten im Sinn dieser Vorschrift alle Forderungen, deren Anspruchsinhalt auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet sind ohne Rücksicht auf die Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (vgl. Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, EGZPO § 15a Rn. 23; Saenger in Saenger, ZPO, EGZPO § 15a Rn. 4; Heßler in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 15a EGZPO, Rn. 4).
48
Auch aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Gewährleistungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG durch § 15a EGZPO nicht berührt ist, weil Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg nur gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt gewährleistet, der Zugang zu den ordentlichen Gerichten in Auseinandersetzungen zwischen Privatpersonen aber nicht Gegenstand dieser Gewährleistung ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2007, 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073). Für den hier maßgeblichen Anspruch gilt trotz der dogmatischen Herleitung aus dem Verfassungsrecht nichts anderes, denn auch hier geht es um den Zugang zu den ordentlichen Gerichten in Auseinandersetzungen zwischen Privatpersonen. Der Umstand, dass der materiell-rechtliche Anspruch seinen Ursprung in einem staatlichen Schutzauftrag hat, führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, dass „jede Zubilligung bzw. Versagung des Schmerzensgeldanspruchs wegen Ehrverletzung aufgrund des in Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Schutzauftrags des Staates einen Akt öffentlicher Gewalt dar[stellt]“ in dem Sinn, dass „gerade der Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet sei“. Art. 19 Abs. 4 GG bestimmt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“ Die insoweit maßgebliche Rechtsverletzung im Sinn des Art. 19 Abs. 4 GG stellt vorliegend die behauptete ehrverletzende Äußerung durch die Beklagte – also eine Privatperson und nicht die öffentliche Gewalt – dar, nicht aber die Versagung des Schmerzensgeldanspruchs durch das Gericht infolge der Unzulässigkeit der Klage. Der vom Kläger behauptete „mit dem Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens verbundene Eingriff in Art. 19 Abs. 4 GG“ liegt demnach nicht vor. Auch der allgemeine Justizgewährungsanspruch steht der Schlichtungsobliegenheit nicht entgegen. Denn der Gesetzgeber kann für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen, die sich für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken, und ist nicht gehalten, nur kontradiktorische Verfahren vorzusehen. Er kann auch Anreize für eine einverständliche Streitbewältigung schaffen, etwa um die Konfliktlösung zu beschleunigen, den Rechtsfrieden zu fördern oder die staatlichen Gerichte zu entlasten, wenn ergänzend der Weg zu einer Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte eröffnet bleibt (BGH NJW-RR 2007, 1073 1074.). Dass der Gesetzgeber mit der Schlichtungsobliegenheit insoweit seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum (BGH NJW-RR 2007, 1073 1074.) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich.
49
d) Die übrigen Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG liegen vor. Insbesondere wurde die behauptete Verletzung der persönlichen Ehre nicht in Presse oder Rundfunk begangen und es handelt sich um behauptete Äußerungen im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften der §§ 185 ff. StGB, also solche, die sich auf herabwürdigende unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. herabsetzende Werturteile stützen (vgl. zu diesem Erfordernis BGH NJOZ 2022, 1527 Rn. 10; NJW-RR 2008, 1662 Rn. 12; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, EGZPO § 15a Rn. 34).
50
4. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.