Titel:
Vollstreckbarerklärung eines Kostenschiedsspruchs
Normenkette:
ZPO § 1054, § 1060
Leitsätze:
1. Auch wenn nur die Kostengrundentscheidung und nicht auch der Ausgleich der von den Schiedsparteien geleisteten Vorschüsse auf das Schiedsrichterhonorar als vom materiellen Vergleich der Parteien mit umfasst und in den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einbezogen ist, kann der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die Grundlage für einen späteren Kostenschiedsspruch nach § 1057 Abs. 2 ZPO bilden. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bezeichnung des Tages, an dem der Schiedsspruch erlassen wurde, dient nach einer Auffassung in der Literatur nur der Kennzeichnung des Schiedsspruchs. Hier ist der verfahrensgegenständliche Schiedsspruch eindeutig identifiziert. Die widersprüchliche Angabe des Datums macht den Schiedsspruch nicht unwirksam. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Schiedspartei kann sich im Vollstreckbarerklärungsverfahren auf das Fehlen der Schiedsvereinbarung nicht mehr berufen. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
4. Soweit sich ein Kostenschiedsspruch zum Honorar des Einzelschiedsrichters verhält, steht das Verbot des Richtens in eigener Sache nicht entgegen, weil der Schiedsspruch weder die Vollstreckung einer Honorarforderung des Einzelschiedsrichters gegen eine oder beide Parteien ermöglicht noch ihm zu entnehmen ist, dass eine Rückforderung zuviel gezahlter Kosten vom Einzelschiedsrichter nicht mehr möglich ist. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckbarerklärung, Schiedsspruch, Kostenschiedsspruch, Vergleich, Datumsangabe, Schiedsvereinbarung
Vorinstanz:
BayObLG, Hinweisbeschluss vom 10.11.2023 – 102 Sch 179/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33
Tenor
1. Für vollstreckbar erklärt wird Ziffer I des Tenors des in dem Schiedsverfahren zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter Dr. V., am 2. Mai 2023 in München ergangenen Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut mit folgendem Inhalt:
Die Schiedsbeklagte zahlt an die Schiedsklägerin € 40.000,00 inklusive Umsatzsteuer.
2. Für vollstreckbar erklärt wird der in dem Schiedsverfahren zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter Dr. V., am 23. Juni 2023 in München ergangene Kostenschiedsspruch mit folgendem Inhalt:
Die Schiedsbeklagte hat der Schiedsklägerin gemäß § 104 ZPO zu erstattende Kosten in Höhe von € 3.886,24 (in Worten: dreitausendachthundertsechsundachtzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 03.05.2023 zu zahlen.
3. Die Gerichtskosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Von den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin die Hälfte. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 85.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen.
2
Die Parteien führten am Schiedsort München ein Schiedsverfahren, in dem die Antragstellerin Ansprüche aus einer geschäftlichen Verbindung im Zusammenhang mit einem Vertrag vom 13./25. Juni 2019 betreffend das Bauvorhaben … in B. geltend machte.
3
In einem von beiden Parteien unterzeichneten „Nachunternehmer Verhandlungsprotokoll“ vom 24. April 2019 heißt es in Ziffer 13.2:
„Als Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden durch Schiedsgericht gem. der „Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen“, herausgegeben vom „D. Betonverein e. V.“ und von der „D. Gesellschaft für Baurecht e. V.“ in der heutigen Fassung entschieden. Eine Streitverkündung ist zulässig unter den gesetzlichen Voraussetzungen und mit den gesetzlichen Wirkungen, soweit sich der Dritte der Schiedsgerichtsvereinbarung durch eine entsprechende Erklärung anschließt. Das Nähere regelt eine Schiedsgerichtsvereinbarung nach beiliegendem Muster.“
4
Am 5./11. Juli 2022 unterzeichneten die Parteien einen Schiedsrichtervertrag (SL Bau), in dem es einleitend heißt:
„Die Parteien haben am 13./25.06.2019 in Verbindung mit dem Verhandlungsprotokoll vom 24.04.2019 unter Einbeziehung der Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau) in der Fassung vom 1. September 2016 eine Schiedsgerichtsvereinbarung geschlossen, die hiermit von den Schiedsparteien ausdrücklich bestätigt wird. Ebenfalls wird von den Schiedsparteien bestätigt, dass mit Entwurf der Klageschrift vom 21.02.2022 seitens der Schiedsklägerin das Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet und der Schiedsrichter Rechtsanwalt Dr. V. als Einzelschiedsrichter einvernehmlich bestimmt wurde.
Nachfolgende Paragrafenangaben in diesem Vertrag beziehen sich auf die SL Bau 2016. Die vorstehend genannten Schiedsparteien und der Schiedsrichter vereinbaren hiermit, ein Schiedsgerichtsverfahren gemäß den Abschnitten 1 und V der SL Bau 2016 durchzuführen.“
5
Ziffer III des Schiedsrichtervertrags „Vergütung und Auslagen des Schiedsrichters“ lautet:
„Die Vergütung, die Erstattung der Auslagen sowie die Verpflichtung zur Zahlung eines Vorschusses richten sich nach §§ 8 und 9.
Die Tätigkeit des Schiedsrichters wird mit einem Stundensatz von 350,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer vergütet.
6
Am 2. Mai 2023 erging ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, der wie folgt lautet:
7
Die Schiedsbeklagte zahlt an die Schiedsklägerin € 40.000,00 inklusive Umsatzsteuer.
8
Die gestellte Erfüllungsbürgschaft wird mit Enthaftungserklärung durch die Schiedsbeklagte an die Schiedsklägerin zurückgegeben.
9
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Mängelverjährungsfrist am 04.06.2020 zu laufen begann nebst Eintritt der Abnahmewirkungen.
10
Damit sind sämtliche Vergütungsansprüche sowie sämtliche vergütungsähnlichen Ansprüche der Schiedsklägerin gegen die Schiedsbeklagte betreffend den (sic!) Bauvorhaben „…, B.“ und „…, B.“, abgegolten und erledigt. Ebenfalls mit abgegolten und erledigt sind wechselseitige Ansprüche bezüglich Baubehinderungen und Bauverzögerungen.
11
Unberührt bleiben grundsätzlich Mängelansprüche der Schiedsbeklagten gegen die Schiedsklägerin. Die bisher bekannten Mängel sind aber mit diesem Vergleich abgegolten und erledigt.
12
Die außergerichtlichen Kosten des Schiedsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Schiedsgerichts trägt die Schiedsbeklagte.
13
Der Streit- und Vergleichswert wird auf beiderseitiger Anregung der Schiedsparteien auf € 65.916,04 festgesetzt.
14
Am 23. Juni 2023 erließ der Einzelschiedsrichter einen als „Kostenfestsetzungsbeschluss“ bezeichneten Kostenentscheid, nach dem die Antragsgegnerin an die Antragstellerin 3.886,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 3. Mai 2023 zu bezahlen hat.
15
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26. Juni 2023 an das Oberlandesgericht München hat die Antragstellerin zunächst beantragt,
eine vollstreckbare Ausfertigung aus anliegendem Schiedsspruch und anliegendem KFB des Schiedsrichters zu erteilen.
16
Dem Antrag waren ein vom Einzelschiedsrichter unterzeichneter Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 im Original sowie ein (nicht unterzeichneter) Ausdruck des „Kostenfestsetzungsbeschlusses“ vom 23. Juni 2023 beigefügt.
17
Das Oberlandesgericht München hat das Verfahren mit Beschluss vom 8. August 2023 an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
18
Nachdem die stellvertretende Senatsvorsitzende am 17. August 2023 darauf hingewiesen hatte, dass der Schiedsspruch vom 17. November 2022 eine Widerrufsklausel enthalte und der „Kostenfestsetzungsbeschluss“ auf einen Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 Bezug nehme, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. August 2023 bestätigt, die Antragsgegnerin habe den sich im ersten Schiedsspruch vom 17. November 2022 wiederfindenden Vergleich widerrufen. In der Folgezeit sei es zu weiteren Verhandlungen und einem weiteren Schiedsspruch vom 2. Mai 2023, wiederum auf der Basis eines Vergleichs, gekommen.
19
Gemäß Schriftsatz vom 21. August 2023 beantragt die Antragstellerin, den Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 und den Kostenschiedsspruch vom 23. Juni 2023 für vollstreckbar zu erklären.
20
Zum Streitwert hat die Antragstellerin ausgeführt, es werde von einem „Gegenstandswert“ in Höhe von 40.000,00 € für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 ausgegangen. Darüber hinausgehende in der Schiedsklage geltend gemachte Hauptsache-Forderungen seien gerade nicht im Vergleichswege tituliert worden und seien demgemäß auch nicht zu vollstrecken.
21
Der Antrag der Antragstellerin vom 21. August 2023 ist der Antragsgegnerin am 26. August 2023 und der Antrag vom 26. Juni 2023 am 7. September 2023 zugestellt worden.
22
Mit Schriftsatz vom 26. September 2023 hat die Antragstellerin von dem Einzelschiedsrichter erstellte, unterschriebene Zweitausfertigungen des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 sowie des „Kostenfestsetzungsbeschlusses“ vom 23. Juni 2023 übermittelt.
23
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
-
den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 zurückzuweisen, sofern dieser weiterhin rechtshängig sein sollte,
- 2.
-
den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 zurückzuweisen und den Schiedsspruch aufzuheben.
24
Zur Begründung hat sie ausgeführt, es treffe zu, dass der Schiedsspruch vom 17. November 2022 widerrufen worden sei, allerdings nicht von ihr, sondern der Antragstellerin. Der Schiedsspruch sei somit nie rechtskräftig geworden und könne nicht für vollstreckbar erklärt werden. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 hätte auf die Zahlungsverpflichtung beschränkt werden müssen, da die Antragsgegnerin die Erfüllungsbürgschaft zwischenzeitlich herausgegeben habe. Der Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 sei aufzuheben, weil die Schiedsvereinbarung gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) ZPO ungültig sei. Ziffer 13.2 des „Verhandlungsprotokolls“ vom 24. April 2019 verweise auf eine die näheren Umstände regelnde „Schiedsgerichtsvereinbarung nach beiliegendem Muster“. Ein solches Muster und detaillierte Regelungen hätten dem Verhandlungsprotokoll jedoch nicht beigelegen.
25
Die Antragstellerin hat entgegnet, hinsichtlich des widerrufenen Schiedsspruchs vom 17. November 2022 werde kein Antrag gestellt, der Antrag auf Vollstreckbarerklärung beschränke sich auf den Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 nebst dem Kostenschiedsspruch. Sie gehe davon aus, dass eine Beschränkung der Vollstreckbarerklärung auf die Zahlungsverpflichtungen nicht möglich sei. Falls doch, beantrage sie, nur die jeweiligen Zahlungsverpflichtungen für vollstreckbar zu erklären. Die Bürgschaft sei bereits herausgegeben. Die Schiedsklausel sei wirksam. Auch wenn dem „Verhandlungsprotokoll“ das erwähnte Muster nicht beigelegen haben sollte, sei hinreichend klar vereinbart worden, dass ein Schiedsverfahren durchzuführen sei. Zudem könne sich die Antragsgegnerin nicht auf in dem „Verhandlungsprotokoll“ enthaltene Unklarheiten berufen, da es sich bei diesem um von der Antragsgegnerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Die im „Verhandlungsprotokoll“ enthaltenen Klauseln seien nachunternehmerfeindlich. Zudem habe die Antragsgegnerin die Schiedsvereinbarung für das konkrete Schiedsverfahren unterzeichnet.
26
Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 10. November 2023 sind die Parteien darauf hingewiesen worden, dass die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. Juni 2023 beantragt habe, neben dem „Kostenfestsetzungsbeschluss“ vom 23. Juni 2023 den im Original beiliegenden (widerruflichen und widerrufenen) Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut für vollstreckbar zu erklären. Mit dem Schriftsatz vom 21. August 2023 habe sie diesen Antrag zurückgenommen. Zudem gehe der Senat davon aus, dass sich der Antrag auf Vollstreckbarerklärung gemäß Schriftsatz vom 21. August 2023, soweit der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 betroffen sei, nur auf Ziffer I des Tenors dieses Schiedsspruchs beziehe.
27
Die Antragstellerin hat dahingehend Stellung genommen, es sei für alle Verfahrensbeteiligten klar gewesen, dass aus demjenigen Schiedsspruch habe vollstreckt werden wollen, der nicht widerrufen worden sei. Das Sekretariat des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin habe versehentlich den Schiedsspruch vom 17. November 2022 beigefügt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin habe den Fehler sofort korrigiert, als er aufgefallen sei, und damit eine „etwaige auf einem Erklärungsirrtum beruhende Willenserklärung“ angefochten. Es handele sich materiellrechtlich auch genau um denselben Anspruch und nicht um einen anderen Verfahrensgegenstand. Es sei nicht der Antrag insgesamt zurückgenommen, sondern „nur die Begründung (nämlich der Schiedsspruch)“ ausgetauscht worden. Letzterer beruhe auf demselben Lebenssachverhalt wie der Schiedsspruch vom 2. Mai 2023, es sei nur „die überschießende Höhe“ zurückgenommen worden. Hinsichtlich des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 solle nur der Zahlungsanspruch für vollstreckbar erklärt werden, der Herausgabeanspruch habe sich mittlerweile erledigt.
28
Die Antragsgegnerin hat zum Hinweis des Senats keine Stellungnahme abgegeben.
29
Dem auf Vollstreckbarerklärung der Ziffer I des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 sowie der Entscheidung des Schiedsgerichts über den Ausgleich der geleisteten Vorschüsse auf das Schiedsrichterhonorar („Kostenfestsetzungsbeschluss“) gerichteten Antrag ist stattzugeben.
30
1. Die Anträge auf Vollstreckbarerklärung sind statthaft und auch im Übrigen zulässig.
31
a) Gegenstand des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung (§ 1060 ZPO) sind zuletzt nur der Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 hinsichtlich Ziffer I des Tenors und die Entscheidung über den Kostenausgleich vom 23. Juni 2023.
32
aa) Den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. August 2023 noch vor der Zustellung an die Antragsgegnerin zurückgenommen, indem sie ihren Antrag mit Schriftsatz vom 21. August 2023 dahin geändert hat, dass anstelle dieses Schiedsspruchs der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 (in dessen Ziffer I; siehe hierzu unter bb]) für vollstreckbar zu erklären sei.
33
Bei der Auslegung der Prozesserklärung vom 26. Juni 2023 ist der gesamte Inhalt des Schriftsatzes einschließlich der beigefügten Anlagen zu berücksichtigen. Danach war der verfahrenseinleitende Antrag auf die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 gerichtet. Dieser war dem Antrag im Original beigefügt. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat sich auf den „anliegenden Schiedsspruch“ bezogen. Der Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“ kommt hinsichtlich des von der Antragstellerin durch Vorlage in Bezug genommenen Schiedsspruchs vom 17. November 2022 nicht zur Anwendung. Es handelte sich nicht lediglich um eine fehlerhafte Bezeichnung desjenigen Schiedsspruchs, der für vollstreckbar erklärt werden sollte, sondern um die Beifügung und damit Benennung des wegen des später erklärten Widerrufs des Vergleichs nicht wirksam gewordenen Schiedsspruchs vom 17. November 2022 als Gegenstand des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. Dabei kann dahinstehen, ob der Schiedsspruch in dieser Form erlassen werden durfte, nachdem bei dessen Erlass die Widerrufsfrist noch nicht verstrichen war (vgl. Wilske/Markert in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand: 1. Dezember 2023, § 1053 Rn. 20; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 1053 Rn. 10; Geimer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 1053 Rn. 3). Der Urkunde konnte nur die Widerruflichkeit, nicht aber die Tatsache des Widerrufs des dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zugrunde liegenden Vergleichs entnommen werden. Gegenstand des Vollstreckbarerklärungsverfahrens gemäß Schriftsatz vom 26. Juni 2023 war damit nach dem Willen der Antragstellerin so, wie er objektiv geäußert worden ist, der Schiedsspruch vom 17. November 2022. Eine andere Bewertung folgt nicht daraus, dass dem Einleitungssatz des „Kostenfestsetzungsbeschlusses“ vom 23. Juni 2023, der nach dem Antrag vom 26. Juni 2023 ebenfalls für vollstreckbar erklärt werden sollte, entnommen werden konnte, dass möglicherweise auch ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 existiert. Dass tatsächlich jener Schiedsspruch, der dem Schriftsatz vom 26. Juni 2023 nicht beilag, und nicht der im Original beigefügte Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 gemeint war, war der Erklärung vom 26. Juni 2023 bei objektiver Würdigung des Inhalts der Prozesserklärung nicht unzweifelhaft zu entnehmen.
34
Diesen Antrag hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. August 2023 zurückgenommen, in dem sie nunmehr die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 in dessen Ziffer I begehrt.
35
Aus dem Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 13. November 2023 folgt keine andere Bewertung. Zwar darf die Auslegung auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober 2023, XI ZR 72/22, WM 2023, 2137 Rn. 15). Hiernach war der Antrag gemäß Schriftsatz vom 26. Juni 2023 indes eindeutig darauf gerichtet, den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 für vollstreckbar zu erklären, so dass für eine Auslegung kein Raum ist. Wie bereits ausgeführt, waren dem Senat bei Eingang des Schriftsatzes überdies weder der Widerruf des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 noch der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 bekannt. Der Prozesserklärung vom 26. Juni 2023 war damit bei objektiver Würdigung ihres Inhalts aus Sicht des Senats nicht unzweifelhaft zu entnehmen, dass sich der Antrag auf Vollstreckbarerklärung auf einen dem Antrag nicht beigefügten Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 bezog. Der Antrag, den Schiedsspruch vom 17. November 2022 für vollstreckbar zu erklären, konnte auch nicht wegen Irrtums angefochten oder widerrufen werden. Die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln sind auf Prozesshandlungen weder direkt noch entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006, XII ZB 71/04, NJW 2007, 1460 [juris Rn. 13]). Bei dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 handelt es sich unzweifelhaft um einen anderen Streitgegenstand als bei dem auf den Schiedsspruch vom 2. Mai 2023 bezogenen Antrag vom 21. August 2023. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass sich die beiden Schiedssprüche zudem hinsichtlich der in der jeweiligen Ziffer I des Tenors ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung unterscheiden.
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bb) Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung gemäß Schriftsatz vom 21. August 2023 bezieht sich, soweit der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 betroffen ist, nur auf Ziffer I, nicht aber auf die weiteren Ziffern des Tenors dieser Entscheidung.
37
Zwar kann für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse bestehen, wenn der Schiedsspruch insgesamt oder abgrenzbare Teile dieses Schiedsspruchs nicht vollstreckbar sind. Denn die Vollstreckbarerklärung erfüllt über das rechtliche Interesse, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, hinaus das gleichfalls rechtlich geschützte Interesse, den Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen abzusichern (BGH, Beschluss vom 30. März 2006, III ZB 78/05, NJW-RR 2006, 995 [juris Rn. 10 f.]; OLG München, Beschluss vom 25. Januar 2017, 34 Sch 37/16, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. November 2015, 26 Sch 4/15, juris Rn. 10). Dennoch ist vorliegend bereits mit Rechtshängigkeit des Antrags vom 21. August 2023 von einer Beschränkung des Antrags auf die in Ziffer I des Tenors ausgesprochene Zahlungsverpflichtung auszugehen. Dies folgt daraus, dass die Antragstellerin im Schriftsatz vom 21. August 2023 als „Gegenstandswert“ für das vorliegende Verfahren einen Betrag in Höhe von lediglich 40.000,00 € angegeben und deutlich gemacht hat, dass es ihr bei dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung auf „titulierte“, vollstreckungsfähige Forderungen ankommt. Auch aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 geht hervor, dass nur die Zahlungsverpflichtung für vollstreckbar erklärt werden soll. Schließlich ist unstreitig, dass die in Ziffer II des genannten Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 genannte Erfüllungsbürgschaft zwischenzeitlich herausgegeben worden ist. Dass der Antrag vom 21. August 2023 als beschränkter Antrag auf Vollstreckbarerklärung zu verstehen ist, hat die Antragstellerin auf den Hinweis des Senats bestätigt; die Antragsgegnerin hat dem nicht widersprochen.
38
b) Für den Antrag ist das Bayerische Oberste Landesgericht nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 1043 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu zuständig, weil der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens i. S. d. § 1043 Abs. 1 ZPO in Bayern liegt.
39
c) Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 sowie der „Kostenfestsetzungsbeschluss“ sind Schiedssprüche und genügen der Form im Sinne des § 1054 ZPO.
40
aa) Es ist unerheblich, dass der „Kostenfestsetzungsbeschluss“ nicht als Schiedsspruch bezeichnet ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Februar 2017, 26 Sch 3/16, juris Rn. 50 ff.). Maßgeblich ist allein der materielle Entscheidungsgehalt (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1060 Rn. 12). Erforderlich ist eine Endentscheidung in der Sache, die auch die Frage der Kostenerstattung betreffen kann (Geimer in Zöller, ZPO, § 1055 Rn. 6 und § 1059 Rn. 12). Auch wenn – wie hier – nur die Kostengrundentscheidung und nicht auch der Ausgleich der von den Schiedsparteien geleisteten Vorschüsse auf das Schiedsrichterhonorar als vom materiellen Vergleich der Parteien mit umfasst und in den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einbezogen ist, kann der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die Grundlage für einen späteren Kostenschiedsspruch nach § 1057 Abs. 2 ZPO bilden (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Januar 2009, 34 Sch 22/08, SchiedsVZ 2009, 127 [juris Rn. 9] am Ende).
41
Danach handelt es sich bei dem „Kostenfestsetzungsbeschluss“ um einen Schiedsspruch. Zwar ist die Entscheidung nicht ausdrücklich auf § 1057 Abs. 2 ZPO (vgl. auch § 46 Abs. 1 der Streitlösungsordnung für das Bauwesen [SL-Bau] vom 1. Juli 2016) gestützt. Jedoch begründen weder dieser Umstand noch die Bezeichnung als „Beschluss“, wonach die Antragsgegnerin der Antragstellerin „gemäß § 104 ZPO“ Kosten in bestimmter Höhe nebst Zinsen zu bezahlen hat, Zweifel daran, dass das Schiedsgericht – vor dem Hintergrund der in Ziffer V des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 von der Antragsgegnerin zu tragenden „Kosten des Schiedsgerichts“ – eine verbindliche Entscheidung über den Ausgleich der von den Parteien für die Kosten des Schiedsverfahrens geleisteten Vorschüsse treffen wollte. Im Eingangssatz des „Kostenfestsetzungsbeschlusses“ wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung „aufgrund des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut“ ergehe. Es erscheint naheliegend, dass das Schiedsgericht die zum Kostenpunkt getroffene Entscheidung in Anlehnung an die für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten vorgesehene Terminologie als „Beschluss“ bezeichnet hat, um zum Ausdruck zu bringen, dass keine Entscheidung zur Hauptsache, sondern eine Entscheidung über die Erstattung von Verfahrenskosten vorliegt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Februar 2017, 26 Sch 3/16, juris Rn. 51).
42
bb) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind durch die Vorlage von unterschriebenen Zweitausfertigungen des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut (§ 1053 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO) sowie des „Kostenfestsetzungsbeschlusses“ im Original erfüllt, § 1064 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1054 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Schiedssprüche genügen damit den förmlichen Anforderungen des § 1054 ZPO. Dass der Eingangssatz des gesonderten Kostenschiedsspruchs dahin lautet, dass dieser „am 12.05.2023“ und nicht, wie im Briefkopf angegeben, am 23. Juni 2023 erlassen worden sei, steht dem nicht entgegen.
43
Die Bezeichnung des Tages, an dem der Schiedsspruch erlassen wurde (§ 1054 Abs. 3 ZPO), dient nach einer Auffassung in der Literatur nur der Kennzeichnung des Schiedsspruchs. Hier ist der verfahrensgegenständliche Schiedsspruch eindeutig identifiziert. Die widersprüchliche Angabe des Datums macht den Schiedsspruch nach dieser Ansicht nicht unwirksam (Geimer in Zöller, ZPO, § 1054 Rn. 9; Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 1054 Rn. 7; vgl. auch BGH, Urt. v. 25. November 1976, III ZR 112/74, WM 1977, 319 [juris Rn. 10 und Rn. 21] noch zu § 1039 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung).
44
Eine andere Auffassung lehnt die Ansicht, das Fehlen des Tages des Erlasses des Schiedsspruchs schade nicht, ab (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1054 Rn. 41). Fehle das Datum, sei von der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs zumindest dann auszugehen, wenn die Datierung nicht nachgeholt werde (Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1054 Rn. 18).
45
Ob nach der letztgenannten Auffassung auch eine widersprüchliche Datumsangabe zur Unwirksamkeit des Schiedsspruchs führen würde, bedarf keiner Erörterung. Denn dieser Ansicht ist jedenfalls dann nicht zu folgen, wenn sich der Tag des Erlasses des Schiedsspruchs im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung des Schiedsspruchs vor den staatlichen Gerichten eindeutig feststellen lässt und sich der Mangel der Datumsangabe daher auf dieses Verfahren im Ergebnis nicht auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021, I ZB 37/20, juris Rn. 12 f. zum Fehlen einer Ortsangabe im Schiedsspruch). Das ist hier der Fall, denn im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist unstreitig geblieben, dass der Kostenschiedsspruch am 23. Juni 2023 erlassen wurde. Welche Rechtsfolge es hätte, wenn sich das Datum des Erlass des Schiedsspruches im Verfahren vor den staatlichen Gerichten nicht feststellen ließe, kann vorliegend offen bleiben.
46
d) Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anträge sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
47
Insbesondere ist ein rechtlich anzuerkennendes Interesse der Antragstellerin auch gegeben, soweit nur Ziffer I des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 für vollstreckbar erklärt werden soll. Auf diesen Teil des Schiedsspruchs ist der Antrag aus den oben genannten Gründen beschränkt. Die erforderliche Teil- und Abgrenzbarkeit ist gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020, I ZB 108/19, SchiedsVZ 2021, 341 Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 20. Januar 2023, 102 Sch 115/21, GmbHR 2023, 396 [400, juris Rn. 126]; Beschluss vom 7. Dezember 2022, 101 Sch 76/22, juris Rn. 66 f.).
48
Die im Schiedsverfahren obsiegende Partei hat grundsätzlich Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel, der dem Schiedsspruch dieselbe Durchsetzungsmöglichkeit verleiht wie einem Gerichtsurteil. Dieser Titel wird erst durch die Vollstreckbarerklärung geschaffen, § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO.
49
2. Der Vollstreckbarerklärungsantrag der Antragstellerin ist begründet, weil hinsichtlich beider Schiedssprüche keine Aufhebungsgründe im Sinne von § 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO vorliegen.
50
a) Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 (§ 1053 Abs. 2 ZPO) ist im tenorierten Umfang für vollstreckbar zu erklären, weil die Antragsgegnerin nicht begründet geltend gemacht hat, dass die Schiedsvereinbarung gemäß dem Verhandlungsprotokoll vom 24. April 2019 oder der Vereinbarung vom 5. /11. Juli 2022 ungültig ist (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a] Alt. 2 ZPO). Auf die Frage, ob dieser Aufhebungsgrund zudem wegen Fristablaufs gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO präkludiert ist, kommt es nicht an. Sonstige, von Amts wegen und auch nach Ablauf der für den Aufhebungsantrag bestimmten Fristen zu berücksichtigende Aufhebungsgründe im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.
51
aa) Ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut hat dieselbe Wirkung wie jeder andere Schiedsspruch zur Sache, § 1053 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Für die Vollstreckbarerklärung gelten die allgemeinen Vorschriften (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2000, III ZB 55/99, NJW 2001, 373 [juris Rn. 11]).
52
bb) Die Antragsgegnerin hat nicht schlüssig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, NJW-RR 2022, 1303 Rn. 32 f.; Beschluss vom 23. Juli 2020, I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 12; Geimer in Zöller, ZPO § 1059 Rn. 33) geltend gemacht, dass dem Schiedsspruch keine wirksame Schiedsvereinbarung zugrundeliege. Mit der Formulierung im Schiedsrichtervertrag, dass von den Schiedsparteien ausdrücklich bestätigt werde, eine „Schiedsgerichtsvereinbarung“ unter Einbeziehung der Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau) in der Fassung aus dem Jahr 2016 geschlossen zu haben, hat die Antragsgegnerin die Schiedsvereinbarung vom 13./25. Juni 2019 in Verbindung mit dem Verhandlungsprotokoll vom 24. April 2019 selbst nochmals im Sinne einer vorsorglichen Neuvornahme (§§ 141, 144 BGB) bestätigt. Ein Aufhebungsgrund im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 ZPO ist somit jedenfalls nicht schlüssig vorgetragen, weil der Einwand der Antragsgegnerin, dem Schiedsspruch liege – bei isolierter Betrachtung lediglich der Vereinbarung vom 13./25. Juni 2019 in Verbindung mit dem Verhandlungsprotokoll vom 24. April 2019 – keine wirksame Schiedsvereinbarung zugrunde, im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung gemäß Schiedsrichtervertrag vom 5./11. Juli 2022 ins Leere geht.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich eine Schiedspartei im Vollstreckbarerklärungsverfahren auf das Fehlen der Schiedsvereinbarung nicht mehr berufen kann (vgl. § 1040 Abs. 2 ZPO), wenn sie sich vor dem Schiedsgericht auf einen Vergleich einlässt und mit dessen Festhaltung als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einverstanden ist (vgl. § 1040 Abs. 2 ZPO). Dies gilt selbst dann, wenn sie die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts vorher gerügt hätte (vgl. OLG München, Beschluss vom 15. November 2013, 34 Sch 14/13 nicht veröffentlicht; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1053 Rn. 32). Ausweislich des Schiedsspruchs hat das Schiedsgericht einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut aufgrund übereinstimmender Anträge nach materiell-rechtlich unwiderruflicher Einigung der Schiedsparteien erlassen. Dass dem Schiedsspruch kein Vergleich zugrunde gelegen habe, behauptet die Antragsgegnerin nicht. Verzichtbare Aufhebungsgründe, wie dies hier hinsichtlich des Einwands einer unwirksamen Schiedsvereinbarung der Fall ist, werden geheilt (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 21; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 1053 Rn. 6 a. E.).
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b) Hinsichtlich des Schiedsspruchs über die Kostenausgleichung zugunsten der Antragstellerin vom 23. Juni 2023 greift ebenfalls kein Aufhebungsgrund gemäß § 1059 Abs. 2 ZPO ein. Soweit sich der gesonderte Kostenschiedsspruch zum Honorar des Einzelschiedsrichters verhält, steht das Verbot des Richtens in eigener Sache der Vollstreckbarerklärung nicht entgegen. Auch im Übrigen liegt kein Verstoß gegen den ordre public vor.
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aa) Zwar dürfen Schiedsrichter über ihr Honorar nicht selbst entscheiden, auch nicht mittelbar. Der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten darf, gilt als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren. Richterliche Tätigkeit untersteht dem Gebot der Distanz und Neutralität. Es gehört zu ihrem Wesen, dass sie von unbeteiligten Dritten ausgeübt wird. Für die Schiedsgerichtsbarkeit, die ihrer Funktion und Wirkung nach materielle Rechtsprechung ist, besteht insoweit im Grundsatz keine Ausnahme (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2017, I ZB 12/17, NJW 2018, 869 Rn. 15; Beschluss vom 11. Oktober 2017, I ZB 42/16, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 20; Beschluss vom 28. März 2012, III ZB 63/10, BGHZ 193, 38 Rn. 6; Urt. v. 7. März 1985, III ZR 169/83, BGHZ 94, 92 [95 f., juris Rn. 22]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Mai 2021, 26 Sch 1/21, juris Rn. 61). Die Verletzung des Grundsatzes, dass niemand in eigener Sache richten darf, führt wegen Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public unabhängig von einer Rüge durch die Parteien zur Aufhebung des Schiedsspruchs (BGHZ 193, 38 [juris Rn. 6]; Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 1036 Rn. 4).
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bb) Hier ergibt sich aus der zwischen den Parteien vergleichsweise getroffenen Regelung, die dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zugrunde liegt, nicht, dass die Höhe des Honorars des Einzelschiedsrichters außer Streit steht und Einigkeit zwischen den Parteien in Bezug auf die Behandlung des insoweit bereits entrichteten Vorschusses besteht (vgl. zu einer solchen Konstellation: BayObLG, Beschluss vom 16. Dezember 2020, 101 Sch 126/20, juris Rn. 20; OLG München, Beschluss vom 8. März 2007, 34 Sch 28/06, SchiedsVZ 2007, 164 [juris Rn. 18]; Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 1057 Rn. 5 mit § 1035 Rn. 26).
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cc) Indes begegnet auch der vorliegende Kostenschiedsspruch vor dem Hintergrund, dass sich Schiedsrichter ihre Vergütungsansprüche gegen die Parteien nicht selbst titulieren dürfen, keinen Bedenken. Ein Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache liegt nicht vor. Der Schiedsspruch ermöglicht weder die Vollstreckung einer Honorarforderung des Einzelschiedsrichters gegen eine oder beide Parteien noch ist ihm zu entnehmen, dass eine Rückforderung zuviel gezahlter Kosten vom Einzelschiedsrichter – nachdem die Vorschüsse der Parteien für die Kosten des Schiedsverfahrens entsprechend der vom Schiedsgericht getroffenen Regelung im Schiedsspruch über den Kostenausgleich untereinander ausgeglichen worden sind – nicht mehr möglich ist. Vielmehr betrifft der Schiedsspruch nur die Pflicht der Antragsgegnerin, der Antragstellerin den von ihr geleisteten Vorschuss auf das Schiedsrichterhonorar (abzüglich eines überzahlten Betrags) zu erstatten, ohne dass damit die maßgebliche Höhe der Schiedsrichtervergütung bereits verbindlich festgestellt und ein Ausgleich weiterer Überzahlungen ausgeschlossen wäre (vgl. BGH, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 19 f. und 23; BGHZ 193, 38 Rn. 10; OLG München, Beschluss vom 11. August 2016, 34 Sch 17/16, juris Rn. 16; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1057 Rn. 12; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1057 Rn. 11.1). Das Schiedsgericht hat sich somit nicht selbst, auch nicht mittelbar, einen vollstreckbaren Titel geschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Mai 2021, 26 Sch 1/21, juris Rn. 60 ff. zu einer Konstellation, in der der von den Parteien geleistete Vorschuss die tatsächlich entstandenen Kosten nicht vollumfänglich deckte).
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dd) Auch im Übrigen liegt kein Verstoß gegen den ordre public vor.
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(1) Zwar weist der Kostenschiedsspruch vorliegend allein der Antragsgegnerin als derjenigen Partei, die gemäß dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 die Kosten des Schiedsgerichts zu tragen hat (vgl. Ziffer V Satz 2 des Tenors des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023), das Risiko einer Rückforderung zu viel gezahlter Vorschüsse auf das Schiedsrichterhonorar zu (vgl. BGH, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 20 f.).
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Ein Verstoß gegen den inländischen ordre public ist in der Vollstreckung des gesonderten Kostenschiedsspruchs allerdings nicht zu sehen (vgl. BGH, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 20 f. zu dem gegenüber dem ordre public interne tendenziell großzügigeren ordre public international im Hinblick auf eine in einem ausländischen Schiedsspruch enthaltene Kostenerstattungsregelung; BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009, III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 [juris Rn. 27). Zwar hatten die Schiedsparteien in dem dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Vergleich gerade keine Regelung über den Ausgleich der auf das Schiedsrichterhonorar geleisteten Vorschüsse getroffen. Die Streitwertfestsetzung in Ziffer VI des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut betrifft nicht die Kosten des Schiedsgerichts, da sich die Vergütung und die Auslagen nach Ziffer III des Schiedsrichtervertrags (SL Bau) i. V. m. §§ 8 und 9 der SL Bau 2016 richteten. Danach war für die Vergütung des Einzelschiedsrichters ein Stundenhonorar vorgesehen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SL [Bau] 2016). Gemäß § 1053 Abs. 1 Satz 1, § 1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist das Schiedsverfahren in Folge eines Vergleichs vom Schiedsgericht zudem grundsätzlich zu beenden (vgl. Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1053 Rn. 6). Indes war das Schiedsgericht verpflichtet, die Höhe seines Honorars darzulegen, da dieses vorliegend niedriger war als dies den geleisteten Vorschüssen entsprach, so dass es der Antragstellerin (wie auch der Antragsgegnerin) den (jeweils) überzahlten Betrag zu erstatten hatte. Die im Schiedsspruch vom 23. Juni 2023 ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin den – unter Abzug des überzahlten Betrags – auf die „Kosten des Schiedsgerichts“ geleisteten Vorschuss zu erstatten, knüpft an die Regelung im Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut an, wonach diese Kosten von der Antragsgegnerin zu tragen sind. Ein Verstoß gegen den ordre public kann hierin nicht gesehen werden.
61
(2) Auch die Vollstreckung der Zinsforderung führt jedenfalls nicht zu einem Ergebnis, das der öffentlichen Ordnung widerspricht. Einen Aufhebungsgrund im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, etwa denjenigen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) Alt. 2 ZPO, hat die Antragsgegnerin insoweit nicht begründet geltend gemacht. Auch sonst ist für einen Verstoß gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit dem Ausspruch zur Verzinsung nichts vorgetragen oder ersichtlich, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO. Somit kann offenbleiben, ob das Schiedsgericht „gemäß § 104 ZPO“ neben den zu erstattenden Kosten Zinsen zusprechen durfte (eine Verzinsungspflicht nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO verneinend: Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1057 Rn. 6).
62
3. Da Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommen, kann die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen (BGH, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 24; Beschluss vom 15. Juli 1999, III ZR 21/98 BGHZ 142, 204 [juris Rn. 7]).
63
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 und einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
64
Dabei ist hinsichtlich der Gerichtskosten zu berücksichtigen, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Ziffer I des Tenors des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 2. Mai 2023 und des Kostenschiedsspruchs vom 23. Juni 2023 zum Erfolg führen. Soweit der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vom 17. November 2022 zurückgenommen wurde, sind der Antragstellerin die Gerichtskosten in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO aufzuerlegen. Das Verfahren über einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs bestimmt sich nach § 1060, §§ 1062 bis 1065 ZPO. Ergänzend gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung, soweit sie mit dem Charakter des Vollstreckbarerklärungsverfahrens als eines Erkenntnisverfahrens eigener Art vereinbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2002, III ZB 43/00, NJW-RR 2002, 933 [juris Rn. 6] m. w. N.). Anwendbar ist damit auch § 269 ZPO, der entsprechend für die Rücknahme aller Anträge gilt, über die mündlich verhandelt werden kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 2. Juni 2014, 34 SchH 11/12, NJW-RR 2014, 1534 [juris Rn. 2]; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1063 Rn. 4). Im Rahmen der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung sind die Gerichtskosten des vorliegenden Verfahrens somit gegeneinander aufzuheben.
65
In gleicher Weise sind die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu verteilen.
66
Dagegen hat die Antragsgegnerin ihre außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang selbst zu tragen, weil sie in Bezug auf den rechtshängig gewordenen Antrag auf Vollstreckbarerklärung in vollem Umfang unterliegt. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 ist vor Rechtshängigkeit zurückgenommen worden.
67
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen.
68
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. In Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen entspricht der Streitwert dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 4). Den zurückgenommenen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 17. November 2022 bewertet der Senat mit einem Einzelstreitwert von 45.000,00 € und den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 2. Mai 2023 mit einem Einzelstreitwert von 40.000,00 €. Wirtschaftliche Identität gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG liegt nicht vor, da es sich um zwei unterschiedliche Schiedssprüche handelt und sich der Streitgegenstand des Schiedsverfahrens nicht im Vollstreckbarerklärungsverfahren fortsetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2023, I ZB 14/23, juris Rn. 20 – zum Aufhebungsverfahren). Das Begehren auf Vollstreckbarerklärung (auch) des Kostenschiedsspruchs vom 23. Juni 2023 wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 31/22, juris Rn. 9). Der Streitwert ist danach auf 85.000,00 € festzusetzen.