Titel:
Erfüllung eines Auskunftsanspruchs durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Normenketten:
BGB § 2314
ZPO § 888
BeurkG § 36
Leitsätze:
1. Das notarielle Nachlassverzeichnis kann aus mehreren Teilverzeichnissen bestehen, wenn es in übersichtlicher Form in seiner Gesamtheit die erforderliche Auskunft gibt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das notarielle Nachlassverzeichnis ist nicht unzureichend, wenn der Auskunftsberechtigte bei Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht anwesend war. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pflichtteilsberechtigter, Auskunftsanspruch, notarielles Nachlassverzeichnis, Teilverzeichnis, Mitwirkung des Auskunftsberechtigten, Zwangsgeld
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 03.12.2024 – 33 W 1034/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33929
Tenor
1. Der sofortigen Beschwerde der Beklagten vom 08.03.2023 gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 16.02.2024 (Az. 22 O 1854/22) wird abgeholfen und der Beschluss wird.
2. Der Antrag des Klägers vom 09.10.2023 auf Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Beklagte wegen Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung aus dem Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Mernmingen vom 27.07.2023 (Az. 22 O 1854/22) wird.
3. Die Kosten des Zwangsgeldverfahrens und des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1
Mit Schriftsatz vom 09.10.2023 (Bl. 96/101 d.A.) beantragte der Kläger, gegen die Beklagte ein Zwangsgeld festzusetzen zur Erzwingung der in dem vollstreckbaren Teil-Anerkenntnisurteils des Landgerichtes Memmingen vom 27.07.2023, Az. 22 O 1854/22, niedergelegten Verpflichtung zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses über den Bestand des Nachlasses des am ... 2019 in … verstorbenen Erblassers …, zuletzt wohnhaft …. Mit Schriftsatz vom 02.11.2023 (Bl. 103/105 d.A.) trat die Beklagte dem entgegen, beantragte, den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückzuweisen und teilte mit, dass das notarielle Nachlassverzeichnis inzwischen vorliege. Die Klagepartei hielt weiterhin an ihrem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes fest, da sie der Auffassung ist, dass das notarielle Nachlassverzeichnis nicht ordnungsgemäß erstellt worden sei.
2
Mit Beschluss vom 16.02.2024 (Bl. 127/132 d.A.) erließ das Landgericht Memmingen den beantragten Beschluss und setzte gegen die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100,00 € einen Tag Zwangshaft, fest. Der Beschluss wurde den Beklagtenvertretern jeweils am 23.02.2024 zugestellt. Gegen den Beschluss legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.03.2024, eingegangen beim Landgericht Memmingen am selben Tag (Bl. 137 d.A.), sofortige Beschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 19.03.2024 (Bl. 138/147 d.A.). Insoweit wird auf den vorgenannten Schriftsatz Bezug genommen.
3
Die sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt, §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Sie ist auch begründet, da durch die Nachträge der Notarin … nunmehr Erfüllung eingetreten ist.
4
1. Entgegen den Ausführungen der Klagepartei kann das notarielle Nachlassverzeichnis auch aus mehreren Teilverzeichnissen bestehen, wenn es nur in seiner Gesamtheit die erforderliche Auskunft gibt. Voraussetzung ist des Weiteren, dass die Übersichtlichkeit gewahrt ist (BGH, Urteil vom 06.06.1962, Az. V ZR 45/61). Dies ist hier der Fall. Es sind lediglich insgesamt drei Nachträge vorhanden zu dem notariellen Nachlassverzeichnis. Darüber hinaus geht aus den Nachträgen klar hervor, was genau ergänzt wird, sodass die Übersichtlichkeit insgesamt gewahrt ist.
5
2. Die Notarin … hat in diesen Nachträgen ausgeführt, welche eigene Ermittlungstätigkeit sie durchgeführt hat und das bisherige Nachlassverzeichnis ergänzt, sodass insgesamt Erfüllung eingetreten ist.
6
a) Das Bankschließfach konnte die Notarin Strümpell nicht mehr selbst in Augenschein nehmen, da dieses bereits aufgelöst war.
7
b) Die Notarin … hat alle erforderlichen Ermittlungen hinsichtlich möglichen Grundbesitzes des Erblassers in … bzw. einer Motorjacht in … angestellt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Angaben der Anwesenden in der Vorbesprechung zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses. Hierzu hat die Notarin … in dem zweiten Nachtrag vom 27.02.2024, UVZ-Nr. 0411/24, auf Seite 4 unter Ziff. 6 ausgeführt, dass die Auskunftsberechtigten bzw. deren Prozessbevollmächtigte weder Angaben zur Art des Grundbesitzes oder dessen Lageort oder Adresse machen konnten, ebenso wenig wie zur Art des möglichen Bootes oder zu einem möglichen Liegeplatz. Es konnte auch nicht angegeben werden, unter welcher Flagge das fragliche Boot registriert gewesen sein soll. Vielmehr folge die Annahme der Existenz von Grundbesitz in … oder einem Boot nur aus Andeutungen in einem länger zurückliegenden Kontakt mit dem Erblasser. Auch aus den Kontoauszügen konnte die Notarin … keinerlei Hinweise auf einen Grundbesitz oder ein Motorboot in … entnehmen. Zutreffend hat sie deshalb ausgeführt, dass weitere Ermittlungen mangels fehlender Anhaltspunkte nach pflichtgemäßem Ermessen nicht angezeigt waren, da ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers diese nicht für erforderlich halten würde (BGH, Urteil vom 31.10.2018, Az. IV ZR 313/17) und es sich um reine „Ermittlungen ins Blaue hinein“ handeln würde.
8
c) Weitere Ermittlungen hinsichtlich Bankkonten des Erblassers in Deutschland sind von Seiten der Notarin nicht veranlasst. Die Notarin … hat im zweiten Nachtrag zum Nachlassverzeichnis vom 27.02.2024, UVZ-Nr. 0411/24, hinsichtlich weiterer theoretisch denkbarer Bankverbindungen des Erblassers darauf hingewiesen, dass sich weder durch Befragung der Auskunftsverpflichteten noch bei der Befragung der Testamentsvollstreckerin Hinweise auf weitere Bankverbindungen ergeben hätten. Darüber hinaus konnten auch die Auskunftsberechtigten keine weiteren Banken benennen, bei denen Auskünfte eingeholt werden sollten. Die Notarin … war gerade nicht verpflichtet, ohne jegliche Anhaltspunkte weitere Banken anzuschreiben und nachzufragen, ob der Erblasser bei ihnen ein Konto hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 07.03.2024, Az. I ZB 40/23). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Erblasser bereits seit mehr als 30 Jahren nicht mehr in … wohnt und auch diesbezüglich keine Anhaltspunkte vorhanden sind, dass der Erblasser weitere Konten bei Banken in … gehabt hätte.
9
d) Die Ausführungen der Notarin … in dem zweiten Nachtrag zum Nachlassverzeichnis zum Leichenschmaus sind ausreichend ebenso wie die zu möglichen Gesellschaftsbeteiligungen des Erblassers. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf diesen verwiesen.
10
3. Die Tatsache, dass der Kläger bei der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses nicht anwesend war, steht der Erfüllung nicht entgegen. Das notarielle Nachlassverzeichnis ist nicht unzureichend, wenn der Auskunftsberechtigte bei Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht anwesend war, da das Anwesenheitsrecht des Auskunftsberechtigten in erster Linie dazu dient, dem Berechtigten im Rahmen einer ersten Erfassung des Nachlasses einen Überblick sowie eine Kontrolle und Mitwirkung zu ermöglichen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.09.2015, Az. 3 W 89/15). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers war bei der Vorbesprechung zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses anwesend, wie sich aus dem notariellen Nachlassverzeichnis ergibt. Dies ist ausreichend, um ihm sein Mitwirkungsrecht sowie eine Kontrolle zu ermöglichen.
11
Nach alledem war der Zwangsgeldbeschluss vom 08.03.2023 aufzuheben, der Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes zurückzuweisen und die Kosten des Zwangsgeldverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen. Da der Beschwerde vollumfänglich abgeholfen wurde, war auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Diese hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO ebenfalls der Kläger zu tragen, da die Beschwerde der Beklagten in vollem Umfang Erfolg hatte.