Titel:
Einwendungen nichtgebührenrechtlicher Art im Festsetzungsverfahren
Normenketten:
RVG § 11
BGB 628 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Alle Einwendungen und Einreden, die auf Vorschriften des allgemeinen, auch für andere Rechtsbeziehungen maßgeblichen Rechts oder auf besondere Abmachungen zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber gestützt sind, sind nichtgebührenrechtlicher Art. Dies gilt auch dann, wenn diese erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren erklärt werden. Eine nähere Substantiierung der Einwendungen ist nicht erforderlich. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unbeachtlich sind Einwendungen nur dann, wenn sie offensichtlich unbegründet, halt- und substanzlos oder aus der Luft gegriffen sind oder wenn ihre Widerlegung bereits aus den Akten möglich ist. Ein Minimum an Substanz ist daher insoweit nötig, als jedenfalls im Ansatz die Möglichkeit zu erkennen sein muss, der Kostenanspruch des Antragstellers könne unbegründet sein. Bei der Beurteilung dieser Frage ist das gesamte Vorbringen im Vergütungsfestsetzungs- und Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen; auch die allgemeine Verfahrensvorschrift des § 138 ZPO findet Anwendung. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsanwaltskosten, Vergütungsfestsetzungsbeschluss, nichtgebührenrechtliche Einwendungen, Anwaltsvertrag, Kündigung
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 28.05.2024 – 6 O 365/20
Fundstellen:
JurBüro 2025, 241
BeckRS 2024, 33864
Tenor
1. Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 28.05.2024 gemäß § 11 RVG betreffend die Vertretung des Beklagten zu 1) im Verfahren vor dem Landgericht München I (Az.: 6 O 365/20) durch Rechtsanwalt ... wird aufgehoben.
2. Der Festsetzungsantrag des Rechtsanwalts Dr. ... vom 02.01.2024 wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Die Parteien streiten vor dem Landgericht München I um erbrechtliche Ansprüche nach dem Tod der Erblasserin ... .
2
In dem Verfahren wurde der Beklagte zu 1) zunächst von Rechtsanwalt Dr. jur. ... vertreten.
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Rechtsanwalt Dr. ... beantragte mit Schriftsatz vom 02.01.2024 Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 2.438,91 € (brutto) gegen den Beklagten zu 1) als Auftraggeber festzusetzen.
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Der Beklagte zu 1) widersprach mit Anwaltsschriftsätzen seines nunmehrigen Prozessvertreters vom 04.04.2024 und vom 14.05.2024 der Kostenfestsetzung. Der Beklagte zu 1) habe das Mandat zu seinem vormaligen Prozessbevollmächtigten wegen anwaltlichen Fehlverhaltens fristlos kündigen müssen. So habe der vormalige Prozessvertreter den in der öffentlichen Verhandlung vom 25.05.2023 geschlossenen Zwischenvergleich unwiderruflich geschlossen, ohne hierzu vom Beklagten zu 1) ermächtigt gewesen zu sein. Ferner habe der vormalige Prozessvertreter des Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 10.06.2023 vertrauliche, nur für das Verhältnis zwischen vormaligem Prozessbevollmächtigter und Beklagten zu 1) bestimmte Informationen an das Gericht weitergeleitet. Der Beklagte legte ein entsprechendes Kündigungsschreiben vom 11.06.2023 vor.
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Das Landgericht München I setzte mit Beschluss vom 28.05.2024 die von dem Beklagten zu 1) an Rechtsanwalt Dr. ... gemäß § 11 RVG zu zahlende gesetzliche Vergütung auf 2.438,91 € nebst Zinsen fest. In den Gründen führte das Landgericht aus, dass der Einwand, der Beklagte zu 1) habe dem Antragsteller gekündigt, so dass ein neuer Rechtsanwalt habe beauftragt werden müssen, nicht dazu geeignet sei, den Antrag nach § 11 RVG zurückzuweisen. Ausweislich der Akte habe der Antragsteller eine Vollmacht und er sei auch in dem vorliegenden Verfahren tätig gewesen. Die Einwendungen des Beklagten zu 1) seien unsubstantiiert und damit unbeachtlich.
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Gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28.05.2024 legte der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 11.06.2024 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung wurde angeführt, aufgrund der von dem Beklagten zu 1) ausgesprochenen Kündigung des Anwaltsvertrages könne der Antragsteller gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Honorar beanspruchen. Infolge der Kündigung seien die bisherigen Leistungen des Antragstellers auch für den Beklagten zu 1) nutzlos geworden, er habe schließlich einen anderen Rechtsanwalt ... müssen. Dem Rechtspfleger stehe es nicht zu, zu beurteilen, ob eine Kündigung wirksam war oder nicht. Dies sei dem Prozessgericht vorbehalten.
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Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde des Beklagten zu 1) mit Beschluss vom 14.08.2024 nicht ab und verwies darauf, das die geltend gemachte Verfahrensgebühr nebst Auslagenpauschale vor der Kündigung entstanden sei. Eine Aufrechnung mit einem möglichen Schadensersatz sei im Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG unbeachtlich.
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Die Akten wurden dem Oberlandesgericht München zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig nach §§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO und hat auch in der Sache Erfolg.
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Nachdem Einwendungen nichtgebührenrechtlicher Art im Sinne des § 11 Abs. 5 RVG erhoben wurden, war der Festsetzungsbeschluss vom 28.05.2024 aufzuheben und der Antrag auf Festsetzung der Vergütung des Dr. ... zurückzuweisen.
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1. Der einfache und kostengünstige Weg zu einem Titel über die Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG steht dem Rechtsanwalt dann nicht zur Verfügung, wenn der Auftraggeber (Mandant) nichtgebührenrechtliche Einwendungen im Sinne von § 11 Abs. 5 RVG erhebt, weil über deren Begründetheit bzw. nähere Einzelheiten im Verfahren der Vergütungsfestsetzung nicht zu entscheiden ist.
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a) Nachdem der Beklagte zu 1) hier einen Sachverhalt behauptet, nämlich die fristlose Kündigung de Anwaltsvertrages und die Folge der Nichtvergütung gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB, der grundsätzlich geeignet wäre, den Vergütungsanspruch zu Fall zu bringen, liegt hierin eine Einwendung nichtgebührenrechtlicher Art. Danach sind alle Einwendungen und Einreden, die auf Vorschriften des allgemeinen, auch für andere Rechtsbeziehungen maßgeblichen Rechts oder auf besondere Abmachungen zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber gestützt sind, nichtgebührenrechtlicher Art (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Auflage, zu § 11 Rn. 107). Dies gilt auch dann, wenn diese – wie hier – erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren erklärt werden.
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b) Nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung des Senates ist dabei eine nähere Substantiierung der Einwendungen nicht erforderlich und dem Rechtspfleger eine Überprüfung im Rahmen des Verfahrens nach § 11 RVG in der Regel auch gar nicht möglich. Unbeachtlich sind Einwendungen nur dann, wenn sie offensichtlich unbegründet, halt- und substanzlos oder aus der Luft gegriffen sind oder wenn ihre Widerlegung bereits aus den Akten möglich ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 04.12.2012 – 11 W 1931/12 und vom 29.11.2013 – 11 WF 1814/13; weitere Nachweise bei Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., § 11 Rn. 107 ff., 116 ff.). Ein Minimum an Substanz ist daher insoweit nötig, als jedenfalls im Ansatz die Möglichkeit zu erkennen sein muss, der Kostenanspruch des Antragstellers könne unbegründet sein (KG KGR Berlin 2007, 283; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 112). Bei der Beurteilung dieser Frage ist das gesamte Vorbringen im Vergütungsfestsetzungs- und Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen; auch die allgemeine Verfahrensvorschrift des ZPO § 138 ZPO findet Anwendung (Senatsbeschluss vom 28.2.1997 – 11 954/97). Nicht ausreichend ist es beispielsweise, wenn nur vorgebracht wird, der Mandant fühle sich von seinem Rechtsanwalt schlecht vertreten (Senatsbeschluss vom 18.03.1997 – 11 W 1029/97; OLG Karlsruhe OLGR 2000, 353) oder wenn pauschal und ohne nähere Spezifizierung die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt wird (OLG Frankfurt JurBüro 2011, 32). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn der Beklagte trägt substantiiert zu den Kündigungsgründen – Abschluss eines unwiderruflichen Vergleichs gegen den Willen des Beklagten zu 1) und Weitergabe von vertraulichen Daten an das Gericht – vor und legt seine Rechtsauffassung, dass ein Honoraranspruch gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht bestehe, dar.
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Angesichts der geringen Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen war die Festsetzung gemäß § 11 Abs. 5 S.1 RVG zwingend abzulehnen und der antragstellende Rechtsanwalt auf die Durchführung des Klage- oder Mahnverfahrens zu verweisen.
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2. Eine Kostenentscheidung ist vorliegend nicht veranlasst. Gerichtsgebühren sind nach Nr. 1812 KV GKG nicht angefallen, da die Beschwerde vollumfänglich Erfolg hatte. Eine Kostenerstattung findet auch im Beschwerdeverfahren nicht statt (§ 11 Abs. 2 Satz 6 RVG).