Inhalt

LG Traunstein, Urteil v. 25.06.2024 – 5 Ks 201 Js 50167/23
Titel:

Mord mit gemeingefährlichen Mitteln

Normenkette:
StGB § 211 Abs. 2 Var. 7
Leitsätze:
1. Mit gemeingefährlichen Mitteln iSd § 211 Abs. 2 Var. 7 StGB handelt, wer durch die Anwendung im Einzelfall eine Gefahr für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen herbeiführt, weil die Ausdehnung der Gefahr vom Täter nicht kontrolliert werden kann. Dabei ist eine generelle Gefährdung ausreichend, der Eintritt einer konkreten Gefahr ist nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet wird. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mord mit gemeingefährlichen Mitteln kommt auch dann in Betracht, wenn das für unbeteiligte Dritte potenziell gefährliche Tatinstrument niemanden in konkrete Gefahr gebracht oder gar getötet hat. Vielmehr reicht es aus, dass das Werkzeug nach seinen typischen Wirkweisen dazu geeignet war, tatsituativ solche Gefahren hervorzurufen. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Brandstiftung, Mord, gemeingefährliches Mittel, Unterkunft, konkrete Gefahr, generelle Gefahr
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 13.11.2024 – 1 StR 432/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33729

Tenor

1. Der Angeklagte A. ist schuldig des versuchten Mordes in 4 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, mit besonders schwerer Brandstiftung und mit Körperverletzung.
2. Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Strafvorschriften:
§§ 211 Abs. 1, Abs. 2, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 306a Abs. 1 Nr. 1, 306b Abs. 2 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB

Entscheidungsgründe

A.
I. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse:
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Der Angeklagte wurde am 21.03.1991 in Panjshir in Afghanistan geboren, er ist ledig und afghanischer Staatsangehöriger. Er ist in der Stadt Kabul zusammen mit seinen beiden Eltern und 3 Brüdern sowie 4 Schwestern aufgewachsen. Der Angeklagte ist das zweitälteste Kind seiner Eltern. Der Vater des Angeklagten ist von Beruf Autoverkäufer, seine Mutter Hausfrau. Nach seinen Angaben ist seine Kindheit gut verlaufen. Er hat bis zur 6. Klasse eine Schule besucht. Der Angeklagte wollte sodann nicht mehr zur Schule gehen und hat dann begonnen, als Autolackierer in einer Werkstatt zu arbeiten. Diese Tätigkeit hat er 3 Jahre lang ausgeübt. Der Verdienst aus dieser Tätigkeit hat ihm zum Leben gereicht. Sodann hat er eine eigene Autolackierer-Werkstatt gegründet und davon seinen Lebensunterhalt bestritten. Diese Tätigkeit hat er 5 Jahre lang in Afghanistan ausgeübt. Ende Oktober 2015 entschloss er sich das Land wegen nicht näher bekannter „privater Probleme“ zu verlassen.
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Zur Flucht hat er die Dienste von Schleusern in Anspruch genommen und zu diesem Zweck auch seine Werkstatt veräußert. Am 01.01.2016 ist der Angeklagte in Deutschland angekommen. Von seinem Ankunftsort München kam er dann in den Landkreis Traunstein, wo er bisher 8 Jahre lang lebte. Er war zunächst in einer Unterkunft in Inzell untergebracht. Seine Asylanträge wurde insgesamt dreimal abgelehnt. Aktuell hat er den Aufenthaltsstatus einer Duldung.
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In Inzell hat er einen Deutschkurs besucht. Sodann arbeitete er zunächst zwischen dem 27.05. bis 30.10.2016 in einem Eiscafé in Inzell, zwischen dem 24.07.2017 bis 19.10.2019 in einer Fahrzeuglackierwerkstatt in Surberg und sodann vom 04.01.2020 bis 30.12.2021 im Krankenhaus Traunstein im Bereich des Krankentransports. Die Tätigkeiten in Surberg und im Krankenhaus beendete er selbst, da ihm die Tätigkeit nicht mehr gefiel. Alle Tätigkeitsaufnahmen erfolgte mit Genehmigung der Ausländerbehörde. Die Arbeit im Klinikum Traunstein gab er auch wegen einer anderen Arbeit auf. Er fand eine Stelle in einer Autolackiererei. Dann hat er die Arbeitsstellen aber wiederholt gewechselt und war zuletzt erneut auf Arbeitssuche. Im Juli 2022 verließ er Deutschland und ging zunächst nach Frankreich, nachdem er in Deutschland in 7 Jahren keine Anerkennung erhalten hatte. Er hoffte, dass dort sein Asylantrag genehmigt werden würde. Dies hat jedoch nicht funktioniert. Ca. 2 Monate später ging er nach Großbritannien und hat dort einen weiteren Asylantrag gestellt. Er lebte dort 6 Monate lang bis sein Asylantrag ebenfalls abgelehnt wurde, sodass er schließlich nach Deutschland zurückkehrte. In Deutschland begab er sich zunächst nach Berlin und stellte dort einen erneuten Asylantrag. Dort gefiel es ihm besser als in Bayern. Als die Behörden in Berlin bemerkten, dass er schon in Bayern registriert war, wurde er im März 2023 nach Bayern zurückgeschickt.
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Zu seiner Familie in Afghanistan hat er seit über einem Jahr keinen Kontakt mehr. Die ganze Familie ist noch in Kabul wohnhaft. Er ist der einzige, der in den Westen ging.
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Der Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er hat auch noch nie eine Freundin gehabt. Er ist gläubiger Moslem und versucht regelmäßig zu beten.
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Zur Suchtanamnese gab er an, dass er schon einmal ein Bier probiert habe, jedoch nicht regelmäßig Alkohol konsumiert. Illegale Drogen hat er ebenfalls noch nie eingenommen.
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Gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. E… gab er zudem an, dass er körperlich völlig gesund sei und auch noch nie in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung war. Im Rahmen der Hauptverhandlung erklärte er dann, dass er seit ca. 12-15 Jahren eine Epilepsie habe. Diese trete in unterschiedlichen Abständen auf, ca. alle 6-8 Monate. Hiergegen seien ihm in Deutschland Medikamente verschrieben worden, die er nicht eingenommen hatte.
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II. Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher noch nicht in Erscheinung getreten.
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III. Der Angeklagte wurde am 14.11.2023 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15.11.2023 in Untersuchungshaft aufgrund Untersuchungshaftbefehls des Amtsgerichts Traunstein vom 15.11.2023, Gz.: 5 Gs 5391/23.
B. Festgestellter Sachverhalt
I. Vorgeschichte:
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Der Angeklagte verließ Deutschland im Juli 2022 und begab sich sodann nach Frankreich. Nachdem auch dort sein Asylbegehren abgelehnt wurde, begab er sich nach Großbritannien. Dort wurde sein erneutes Asylbegehren ebenfalls abgelehnt und er befand sich jedenfalls am 17.11.2022 als Gast in einem Hotel in Hove in der Nähe von Brighton. Nachdem er auch mit seinem Asylverfahren in Großbritannien nicht zufrieden war und weggebracht werden wollte, zerstörte er mit massiver Gewalt sein Hotelzimmer und die darin befindlichen Möbel und Einrichtungen. Insbesondere Lampen, Spiegel und Kleinmöbel waren vollständig unbrauchbar. Es entstand ein Sachschaden von über 5.000 £.
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Zurück in Deutschland begab er sich zunächst nach Berlin um einen erneuten Asylantrag zu stellen. Dort wurde er aufgrund seiner Registrierung in Bayern in dieses Bundesland zurückgeschickt, zunächst in eine Unterkunft nach München, dann nach Schweinfurt. Von dort aus kam er nach ca. 5 Monaten in das Tatobjekt nach Reit im Winkl. Insgesamt lebte er ab Oktober 2023 in dieser Unterkunft. Dort waren neben weiteren Afghanen auch andere Nationalitäten untergebracht. Insgesamt waren dort 27 Bewohner gemeldet. Bei der Unterkunft handelte es sich um ein altes Hotel. Er war in einem Doppelzimmer untergebracht mit einem anderen Afghanen. Mit diesem kam er nach seinen Angaben gut aus.
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Bereits spätestens ab Anfang November 2023 bemühte sich der Angeklagte aus der Einrichtung nach Traunstein verlegt zu werden, da er das Leben der Einrichtung für unzumutbar hielt und auch die Verkehrsanbindung aus seiner Sicht schlecht für eine etwaige Arbeitsaufnahme war. Das ehemalige Hotel lag gegenüber der Talstation des bekannten Winklmoos-Skigebiets. Der kleine Weiler Seegatterl hat nur wenige ständige Einwohner und liegt ca. 6 km vom Ortszentrum entfernt. Es besteht aber eine Busverbindung. Andere Bewohner der Einrichtung pendeln nach München, Reit im Winkl und anderen Orten.
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Der Angeklagte begab sich am 13.11.2023, nachdem er Nitro-Verdünnung aus einem von ihm erworbenen Kanister in eine 1,5 l Coca-Cola Flasche gefüllt hatte, mit dem leeren Kanister gegen 13:32 Uhr zu einer freien Tankstelle … in 8. R. im Winkl und tankte in diesen Kanister 3,36 l Super-Plus-Benzin. In der Einrichtung angekommen wählte er gegen 15:00 Uhr den Notruf und gab an, dass jemand in der Asylunterkunft Feuer legen wolle. Als daraufhin u.a. eine Streifenbesatzung der Polizei Grassau, bestehend aus den Zeugen PHM W… und PHK H…, an der Asylunterkunft ankamen, empfing sie der Angeklagte und erklärte, dass er angerufen habe und er Hilfe brauchen würde. Vor Ort wurde sodann die 1,5 l Colaflasche mit Verdünnung sichergestellt. Der Angeklagte gab an, dass er eine neue Arbeit in Aussicht habe und nach Traunstein verlegt werden wollte. Als die Polizeibeamten vor Ort waren, drohte der Angeklagte jedoch nicht mehr, dass er etwas anzünden wollte. Auf explizite Nachfrage verneinte der Angeklagte, etwas anzünden zu wollen. In der Folge nahm der Polizeibeamte … auch Kontakt mit einer zuständigen Mitarbeiterin vom Landratsamt Traunstein auf, welche angab, dass sie nicht jedem Wunsch nachgeben könnten. Der Angeklagte sei eine schwierige Personalie und es wurde dann von der Polizei mit dem Landratsamt vereinbart, dass sich alle noch einmal zusammensetzen würden, um eine Lösung zu finden.
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Gegen 11:30 Uhr am nächsten Tag rief der Polizeibeamte …; beim Angeklagten an, um einen abendlichen Vernehmungstermin anzusetzen wegen des Verdachtes des Missbrauchs von Notrufen und teilte gleichzeitig mit, dass er mit dem Landratsamt gesprochen habe und dieses erneut über den Fall beraten wollten.
II. Tatörtlichkeit:
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Bei dem Anwesen … Reit im Winkl handelt es sich um das ehemalige Hotel …, welches seit 2015 nicht mehr als Hotel sondern als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Das freistehende Anwesen setzt sich aus einem südwestlich gelegenen Altbau mit angeschlossener Terrasse, einen nordöstlich gelegenen Anbau und einen dazwischenliegenden Verbindungsbau, der die beiden Gebäudeteile miteinander verbindet, zusammen. Östlich an den Anbau schließt sich ein Garagengebäude an, welches lediglich über einen Teil der Dachkonstruktion mit dem östlichen Außenmauerwerk des Anbaus verbunden ist. Altbau und Anbauten verfügen über ein Keller-, ein Erd-, ein Ober- und ein Dachgeschoss. Der Verbindungsbau besteht lediglich aus einem Keller- und einem Erdgeschoss. Ein Übergang vom Altbau in den Anbau ist im Erdgeschoss und im Keller durch den Verbindungsbau möglich. Wegen der Einzelheiten bezüglich des Grundrisses im Erdgeschoss wird auf die Abbildung eines Grundrisses in den Akten verwiesen (Blatt 174). Das Anwesen an sich wurde in Massivbauweise errichtet, die Außenwände bestehen im Kellergeschoss aus Beton, in den darüber liegenden Stockwerken, wie auch die Innenwände, aus Ziegelmauerwerk. Die Decken und Treppen sind aus Stahlbeton gefertigt. Bei dem Dach handelt es sich jeweils um eine Holzkonstruktion mit einer Bitumen-/Blecheindeckung. Die Fassade ist auf der Dachgeschossebene mit Holz verschalt, die Ober- und Dachgeschosse verfügen über Holzbalkone. Als Bodenbeläge kommen in den Gasträumen, den Fluren und den Gästezimmern Teppichboden und in den Nasszellen und im Küchenbereich Fliesen zum Einsatz. Im Bereich der Gasträume sind die Decken teilweise mit Holz verkleidet. Bei den Innentüren handelt es sich um Holztüren in Holzzargen, teilweise auch Stahlzargen, im Treppenhaus des Anbaus kommen selbst- und dichtschließende Hartholzrahmentüren mit Drahtglas im Erd- und Obergeschoss zum Einsatz, die aber ständig im geöffneten Zustand festgekeilt waren, was auch dem Angeklagten bekannt war, der hier regelmäßig durchging. Es sind isolierverglaste Holzfenster verbaut, die teilweise durch Holzklappläden geschützt wurden. Als Brandlast existieren in den Bewohnerzimmern die dafür typischen Einrichtungsgegenstände wie Holzbetten samt Matratzen, Holzstühle und Holzschränke. Im Eingangsbereich des Anbaus befindet sich eine aus Holz gefertigte Rezeption. Die „Gasträume“ sowie die „Cafeteria“, der „Kaminraum“ und das „Stüberl“ verfügten über hölzerne, gepolsterte Tisch- und Sitzgarnituren. Diese Räume befanden sich im Altbau und wurden als Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume u.a. auch als Trainingsraum durch und für die Bewohner genutzt. Der ebenfalls überwiegend mit Holzgarnituren ausgestattete Bereich „Hausgäste“ befand sich teilweise im Altbau und auch im Verbindungsbau unmittelbar an den Rezeptionsbereich im Anbau angrenzend. Im gesamten Gebäude befand sich relativ viel Brandlast.
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Die Nutzung als Asylbewerberunterkunft war dergestalt, dass im Anbau, wo sich die ehemaligen Gästezimmer befanden, die Unterkunft der Asylbewerber erfolgte, hierbei waren die Zimmer im Erd- und Obergeschoss bewohnt. Teile des Erdgeschosses, des Verbindungsbaus und des Altbaus wurden als Aufenthaltsmöglichkeiten genutzt. Als Haupteingang für die Bewohner diente der Eingang zum Anbau, in welchem sich eine Art Holzrezeption befand. Dieser Bereich schließt unmittelbar an den Verbindungsbau an.
III. Unmittelbares Tatgeschehen
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Trotz der Mitteilung des Beamten H… entschloss sich der Angeklagte zwischen 11.30 und 11.45 Uhr das Anwesen aus Verärgerung über seine Wohn- und Gesamtsituation ohne Rücksicht auf anwesende weitere Bewohner in Brand zu setzen und nahm in Kauf, vier weitere Mitbewohner hierdurch zu töten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich, wie der Angeklagte wusste, die vier weiteren Bewohner … A… D… D… und … O… in ihren Zimmern im Anbau des Gebäudekomplexes. Der Zeuge A… befand sich in seinem Zimmer im Erdgeschoss des Anbaus, dem Altbau zugewandt mit einer Fluchtmöglichkeit über eine zum Zimmer gehörige Terrassentür. Die anderen Anwesenden bewohnten jeweils Zimmer im Obergeschoss des Anbaus, welche sie lediglich über ein etwa mittig befindliches Treppenhaus und nach unten über den „Haupteingang“ zum Anbau nach draußen verlassen konnten. Die Zimmer der Zeugen D… und O… liegen abgewandt vom Alt- und Verbindungsbau, das Zimmer des Geschädigten D… liegt unmittelbar an den Verbindungsbau angrenzend und dem Altbau zugewandt. Alle Zimmer im Obergeschoss waren mit einer Ausgangstür zum ca. 2,5 m hohen Balkon (bis zur Unterkannte; 3,73 m bis zur Brüstung), welcher jeweils über die gesamte Gebäudeseite reichte, ausgestattet. Wegen der Einzelheiten der Lage der Bewohner-Zimmer wird auf die Abbildungen der Grundrisse in den Akten verwiesen (Blatt 253 Erdgeschoss; Blatt 254 Obergeschoss).
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Der Angeklagte verteilte an mehreren Stellen des Gebäudes, jedenfalls im Altbau im gemeinschaftlichen Aufenthaltsbereich, welcher unmittelbar an den Verbindungsbau grenzt, und im Bereich einer Waschküche Benzin und zündete anschließend den Brandbeschleuniger an, um das bewohnte Wohnhaus in Brand zu setzen und dieses durch das Feuer ganz oder teilweise zu zerstören. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass durch den Brand und die Rauchgase die vier weiteren Personen zu Tode kommen könnten. Er nutzte insoweit auch die Arglosigkeit der Geschädigten bewusst aus. Sie versahen sich keines Angriffs auf ihr Leben und konnten sich daher auch nicht gegen die Handlungen des Angeklagten verteidigen. Auch war dem Angeklagten bekannt, dass das Töten von völlig Unbeteiligten aus Verärgerung über die Wohnsituation verachtenswert ist und auf sittlich tiefster Stufe steht.
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Im Anschluss an die Brandlegung verließ der Angeklagte das Anwesen und begab sich ins Freie. Den Brand hatte er nach dem Verlassen der Einrichtung nicht unter Kontrolle. Die Ausdehnung der Gefahr war, wie er wusste, nicht mehr in seiner Gewalt. Das Feuer breitete sich weiter aus und griff auf das umliegende Inventar und die Gebäudeteile über.
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Die Zimmer füllten sich mit Qualm und Rauchgasen. Es entstand ein Vollbrand, welcher das Hauptgebäude vollständig zerstörte. Der zufällig vorbeikommende Mitarbeiter der Winklmoosbahn (die im November nicht in Betrieb war), der Zeuge L… bemerkte das Feuer, schlug Alarm und verständigte die Feuerwehr. Er half auch den Mitbewohnern das Anwesen zu verlassen. Der Geschädigte D… sowie die Zeugen O… und D… mussten vom Balkon des 1. OG springen, da eine Flucht über das Treppenhaus aufgrund der Hitze und des Rauches nicht mehr möglich war. Hierbei erlitt der Zeugen D… wie vom Angeklagten vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine Deckplattenfraktur BWK 12 und LWK 1 sowie einen Berstungsspaltbruch LWK 4. Er musste operativ versorgt werden und 5 Tage stationär behandelt werden. Seit acht Monaten muss er bis heute Schmerzmittel in Form von Tilidin und Ibuprofen einnehmen und ist noch immer arbeitsunfähig. Der Geschädigte hat noch immer deutliche Einschränkungen beim normalen Gehen und Sitzen. Die weiteren Bewohner blieben im wesentlichen unverletzt. Die alarmierte Feuerwehr begann mit dem Löschen des Gebäudes, konnte aber eine Zerstörung nicht mehr verhindern. Im Laufe der Löscharbeiten musste der Dachstuhl des Hauptgebäudes mit einem Bagger abgetragen werden, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Auch im zwischen den beiden größeren Gebäuden liegenden Verbindungsbau entstand hoher Schaden durch Rauchgase und Rußablagerungen. Aufgrund der starken Hitzeeinwirkung sind die Deckenlampen in der Küche geschmolzen und hängen herab. Es entstand mindestens ein Sachschaden von ca. 800.000 Euro.
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Der Angeklagte wartete zunächst unbeteiligt vor dem Haus und sah dem Geschehen zu. Nachdem der Zeuge L… den Brand gemeldet hatte und der Zeuge A… den Angeklagten gefragt hatte, warum er mit ihm nicht die anderen warne, rief er gemeinsam mit weiteren Personen vor Ort ebenfalls nach oben in Richtung des Anbaus. Diese Rufe erreichten jedoch keinen der Bewohner, da diese schon selbst das Feuer bemerkt hatten oder direkt von Mitbewohnern angesprochen worden waren.
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Als Polizeibeamte auf den Angeklagten zugehen, äußerte dieser sinngemäß: „jetzt kommen alle nach Traunstein“. Nach der widerstandslosen Festnahme verweigerte der Angeklagte aus Ärger über eine ausstehende Überweisung von Geldern durch die Sozialbehörden in Untersuchungshaft zwischen dem 14.05.2024 bis zum 18.05.2024 jegliche Nahrungsaufnahme.
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Die Staatsanwaltschaft bejahte das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.
C. Beweiswürdigung
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Der festgestellte Sachverhalt beruht im wesentlichen auf den eigenen Angaben des Angeklagten sowie ergänzend auf den Angaben der vernommenen Zeugen D…, O…, D… A…, L…, der Polizeibeamten PHM S…, PHK H…, KOK M… und KOK S… sowie der Sachverständigen Dr. S… und Dr. E…. Des Weiteren wurden Lichtbilder des Objektes in Augenschein genommen.
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Die Folgerungen zur subjektiven Tatseite ergeben sich zum einen im Wesentlichen aus den eigenen Angaben des Angeklagten, welcher die objektive Begehungsweise einräumte, ebenso das Wissen von der Anwesenheit der Mitbewohner. Ebenso räumte er auf Frage ein, dass er sich bei der Tat um die übrigen Personen keinerlei Gedanken gemacht hat. Die Anknüpfungstatsachen zur angenommenen Gefährlichkeit des Tuns des Angeklagten entnimmt die Kammer den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dr. S….
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I. Der Angeklagte hat sich selbst zur Sache und seinen persönlichen Verhältnissen eingelassen. Er ergänzte die bereits vor dem Sachverständigen gemachten Ausführungen. Ebenso gab er an, dass er im Asylverfahren wahrheitswidrig angegeben habe, dass sein Vater und ein Bruder ermordet worden seien.
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Im Rahmen der Hauptverhandlung äußerte er sich zur Sache dahingehend, dass er ca. 2-2 1/2 Monate in der Einrichtung in Reit im Winkl untergebracht gewesen sei. Da hätten ca. 15-20 Personen gewohnt. Er habe dort aber weg gewollt, da es so abgelegen gewesen sei. Er habe nach Arbeit gesucht, aber keine gefunden. Die Verkehrsanbindung sei auch schlecht gewesen. Von dort aus sei nur ein Bus gefahren, welcher jede Stunde zwischen 9:00 bis 17:00 Uhr gefahren sei. Er habe des Öfteren beim Sozialamt gesagt, dass er dort weg wolle. Die zuständige Dame habe ihm mehrmals gesagt, dass auch andere da seien und warum sie ihm helfen solle. Er habe bereits am 13.11.2023 bei der Polizei angerufen und alles gesagt.
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Ausführlich wolle er nicht berichten, da dies zu lang sei. Auf Fragen und Vorbehalte der Kammer erklärte er weiter: Die bei ihm aufgefundene Colaflasche mit Verdünnung habe er gehabt, da er habe Feuer legen wollen. Er habe gesagt, dass wenn er nicht wegkomme, er das Haus anzünden würde. Die Verdünnung habe er vorher gekauft. Er habe sie von einem Kanister in die Flasche umgefüllt und habe dann in den Kanister Benzin gefüllt. Er habe auch gewusst, dass die Verdünnung – ebenso wie das Benzin – brennen würden. Die Polizei habe sich am nächsten Tag noch mal melden wollen, was sie jedoch nicht getan habe. So habe er am nächsten Tag um 11:00 Uhr noch mal dort angerufen und habe der Polizei gesagt, dass er transferiert werden wolle, oder er setze das Haus in Brand.
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Das Benzin habe er von der Tankstelle geholt und sei hin und zurück mit dem Bus gefahren. Er habe dann das Benzin ausgeschüttet und angezündet. Feuer habe er im Bereich der Waschküche und im Eingangsbereich gelegt. Er habe auch Benzin im großen Saal im Erdgeschoss des Hauses, wo immer alle gegessen hätten, ausgeschüttet. Mit einem Feuerzeug habe er es angezündet. Sodann sei er einfach hinausgegangen, da habe es dann schon gebrannt.
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Auf Frage, was mit den Leuten im Haus hätte passieren sollen, erklärte er, dass er nicht überlegt habe. Er habe einfach den Brand gelegt. Dann habe er Angst gehabt, als er die anderen Bewohner gesehen habe und habe „auch mit gerufen“. Die Bewohner seien runtergesprungen. Er habe sich von der Polizei freiwillig festnehmen lassen. Bei der Polizei habe er dann auch geäußert, dass jetzt alle nach Traunstein kommen würden. Auch dass er beim Sachverständigen gesagt habe, dass alle froh sein sollen, dass er dies gemacht habe, da die Umstände dort so schlecht gewesen seien, stimme. Er habe nicht vorgehabt, jemanden zu verletzen, obwohl er gewusst habe, dass weitere Personen in der Unterkunft gewesen seien. Er habe auch gewusst, dass die 3-4 Personen, die nicht gearbeitet hätten, anwesend gewesen seien. Der Ort wo er ebenfalls Feuer gelegt habe, im Eingangsbereich, sei der benutzte Haupteingang der Personen gewesen. Auf Frage, ob er nicht das Gefühl habe, etwas falsch gemacht zu haben, erzählte er eine Geschichte, dass es in der Unterkunft immer schlecht gewesen sei und es dort immer Ärger und Schlägereien gegeben habe.
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Auf genaueres Nachfrage, an welchen Stellen er das Feuer gelegt habe, äußerte er, dass er lediglich an einer Stelle Benzin ausgegossen habe. Er könne nicht genau sagen wo. Er habe die Aufenthaltsräume unbenutzbar machen wollen und habe in dem Bereich angezündet, wo der Benzinkanister gefunden worden sei.
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Auf Vorhalt der Kammer hinsichtlich des Hungerstreiks in der Untersuchungshaft gab er an, dass er dies wegen des Taschengelds gemacht habe. Früher zu Hause habe er alle Wünsche erfüllt bekommen. Er habe die Tat begangen, da er seine Rechte nicht bekommen habe. Er habe insgesamt an 2 Stellen Feuer gelegt. Das Feuer habe er zwischen 11:00 und 11:30 Uhr angezündet.
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In seinem letzten Wort schloss er sich den Ausführungen seines Verteidigers an, welcher eine Verurteilung „lediglich“ wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung forderte.
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Zusammenfassend wirkte der Angeklagte bei seiner Einlassungen insbesondere auch bei den Aussagen seiner Mitbewohner nicht reuig. Er räumte aber den Sachverhalt umfassend ein.
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II. Die Feststellungen zu dem persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen entnimmt die Kammer den Angaben des Angeklagten selbst, ebenso wie die Feststellungen im Rahmen der Vorgeschichte des Tatgeschehens, insbesondere auch zu dem relevanten Vorfall in Großbritannien.
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III. Die Feststellungen zu weiteren Vorgeschichte, insbesondere des Polizeieinsatzes vom Vortag des Brandgeschehens ergeben sich aus den im wesentlichen mit den Zeugenaussagen der Zeugen PHM… und PHK… im Einklang stehenden Aussagen des Angeklagten selbst. Zudem wurden Lichtbilder der Überwachungskamera der Tankstelle in Reit im Winkl in Augenschein genommen, ebenso der Einkaufsbeleg des Angeklagten hinsichtlich des erworbenen Benzins.
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Der einvernommene Zeuge PHM … konnte insbesondere berichten, dass der Angeklagte sehr unzufrieden mit seiner Unterbringung gewesen sei und er habe verlegt werden wollen. Bei einem Umsehen im Zimmer des Angeklagten sei die Colaflasche mit heller Flüssigkeit aufgefallen. Im Zimmer habe er jedoch keinen Kanister feststellen können. Sein Eindruck vom Angeklagten zu diesem Zeitpunkt sei gewesen, dass er am Anfang aufgebracht gewesen sei, im Laufe des Gespräches habe er sich jedoch beruhigt. Aus seiner Sicht wäre das Ganze einvernehmlich geklärt worden. Dem Angeklagten sei gesagt worden, dass eine eventuelle Klärung dauern könnte. Dieser habe dann auch bestätigt, dass alles in Ordnung sei.
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Der Zeuge PHK … konnte ausführen, dass der Angeklagte am Vortag der Tat die Streife gleich empfangen und gesagt habe, dass er angerufen habe und Hilfe brauche. Der Angeklagte habe auch angegeben, er habe eine neue Arbeit in Aussicht und habe nach Traunstein verlegt werden wollen. Der Beamte habe mit dem Landratsamt vereinbart, dass man sich noch einmal zusammensetzen würde um den Fall zu besprechen. Für den nächsten Tag sei ein Vernehmungstermin wegen des Missbrauchs von Notrufen vereinbart gewesen. Diesen Termin habe der Beamte absagen müssen und habe den Angeklagten gegen 11:30 Uhr angerufen, um einen anderen Termin zu vereinbaren. Er habe dem Angeklagten auch gesagt, dass er mit dem Landratsamt gesprochen habe und diese sich nochmals zusammensetzen würden und seinen Fall nochmals beraten würden. Er habe ihm somit das Bemühen um eine Problemlösung mitgeteilt. Der Angeklagte sei bei dem ersten Einsatz ganz ruhig gewesen und man habe gemerkt, dass in die Situation belaste. Seiner Einschätzung nach seien am 13.11.2023 keine weiteren Maßnahmen notwendig gewesen, als eine Gefährderansprache. Vor Ort habe der Angeklagte auch nicht mehr gedroht, dass er etwas anzünden wolle. Er habe ein derartiges Vorhaben auf Nachfrage verneint.
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IV. Die Feststellungen zur Tatörtlichkeit beruhen auf der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder vom Tatobjekt, den Angaben der polizeilichen Zeugen KOK …, KOK …, der vernommenen Bewohner zur Tatzeit sowie den überzeugenden Ausführungen des Brandsachverständigen Dr. S….
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Insbesondere der Zeuge KOK … konnte dem Gericht ein Bild vom Brandobjekt vermitteln. Dies unter Inaugenscheinnahme auch der im Tatortbefundbericht umfangreich eingearbeiteten Lichtbilder.
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V. Die Feststellungen zum unmittelbaren Tatgeschehen in objektiver Hinsicht beruhen auf den überprüften geständigen Angaben des Angeklagten, welche sich im Wesentlichen, bis auf den Anzündeort im Verbindungsbau mit den wesentlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. decken. Des Weiteren konnten die vernommenen Zeugen D…, O…, D…, A…, L…, die Polizeibeamten PHM S…, PHK H…, KOK M… und KOK S… sachdienliche Angaben machen.
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Der einvernommene Zeuge L…, welcher Verwalter der Seilbahn Seegatterl ist, und der sich im dortigen Arbeitsbereich etwa weitere 100 m Luftlinie vom Brandobjekt weiter entfernt von der Bundesstraße entfernt aufhielt, wollte gegen 12:00 Uhr Mittagspause machen. Er habe sodann Rauch gesehen und mitbekommen, dass das Flüchtlingsheim in Brand gestanden habe. Als er gekommen sei, hätten Personen draußen gestanden. Es habe jedoch noch niemand ein Notruf abgesetzt gehabt. Dies habe er dann getan. Auf der hinteren Seite auf dem Balkon habe er sodann einen Bewohner gesehen. Es seien noch 2-3 Personen draußen gewesen. Er habe auch von den Flammen Videos/Bilder gemacht, so um 12:00 Uhr 12:03 Uhr. Der Angeklagte sei ihm nicht aufgefallen.
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Der Zeuge D… konnte berichten, dass er zur Tatzeit geschlafen habe. Nachdem er nachts in München gearbeitet habe, sei er morgens gegen 10:00 Uhr, wie jeden Tag, nach Hause gekommen. Er sei von einem Klopfen am Fenster wach geworden. Er habe versucht seine Zimmertüre zu öffnen, da habe er draußen schon Feuer gesehen. Als er die Tür geöffnet habe, sei sofort Rauch hereingekommen. Oben an der Decke draußen habe er auch Feuer gesehen und es sei heiß gewesen. Sein Zimmer habe sich weiter weg vom Abgang in das Erdgeschoss befunden, sodass er keine sonstige Fluchtmöglichkeit gesehen habe. Er habe Panik bekommen, aus dem Fenster gesehen und auch schon andere draußen wahrgenommen. Er habe sein Handy genommen und sei vom Balkon nach unten gesprungen. Tagsüber seien immer welche im Haus, vor allem Nigerianer und ein „paar Araber“ hätten nicht gearbeitet.
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Der einvernommene Zeuge D… konnte insbesondere ohne jeglichen erkennbaren Belastungseifer ausführen, dass er immer noch schlecht laufen und sich auch nur eingeschränkt bewegen könne, wovon sich auch das Gericht im Rahmen seines Erscheinens zur Haupthandlung überzeugen konnte. Er gab weiter an, dass er ab zwischen 10:00 und 10:30 Uhr am Tattag geschlafen habe. Dann habe er von unten gehört, dass es einen Brand gegeben habe bzw. dass Feuer sei. Er habe versucht auf den Gang nach draußen zu gehen, dies sei aber nicht gegangen. Als er die Tür seines Zimmers geöffnet habe, habe er nur Rauch gesehen. Er habe Angst bekommen. Flammen habe er noch nicht gesehen. Dann sei er aus dem 1. Stock über den Balkon nach unten gesprungen. Der Zeuge beschrieb sodann seine deswegen erlittene Verletzung und deren Folgen. Er habe bereits draußen noch vor dem brennenden Gebäude mit dem Angeklagten gesprochen und dieser habe ihm gesagt, dass er das gemacht habe. Von draußen gerufen habe jemand aus dem Kongo und der Angeklagte auch.
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Der Zeuge … A… führte aus, dass er morgens beim Einkaufen gewesen sei. Er habe dann im vorderen Aufenthaltsbereich den Angeklagten gesehen, welcher trainiert habe. Er sei dann mit dem Essen in sein Zimmer gegangen und habe geduscht. Sodann habe er den Alarm wahrnehmen können. Er habe seine Zimmertür geöffnet und überall Rauch gesehen. Er sei dann zurück in sein Zimmer und über die Terrassentür nach draußen. Dort habe er bereits den Angeklagten gesehen. Er habe diesem gesagt, dass noch Leute drin seien und gefragt, warum er nicht rufen würde. Er habe dann Steine gesammelt und an die Fenster geworfen. Als er gerufen habe, habe der Angeklagte auch mit gerufen.
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Der weitere eingenommene Zeuge O… führte aus, dass er in seinem Zimmer gewesen sei und Leute gerufen hätten. Als er die Tür geöffnet habe, sei es überall schwarz gewesen. Er sei dann aus dem Fenster gesprungen. Eine Flucht übers Treppenhaus sei ihm nicht möglich gewesen. Draußen habe insbesondere ein Nigerianer seinen Namen gerufen. Auch zum damaligen Zeitpunkt seien tagsüber regelmäßig Bewohner in der Einrichtung gewesen.
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Der Zeuge PHK H… konnte ergänzend beitragen, dass beim Eintreffen am Tatort der Angeklagte angetroffen worden sei und gefragt wurde, ob er das angezündet habe. Der Angeklagte habe darauf geantwortet, er wisse es nicht. Er habe gegrinst und gesagt, dass jetzt alle nach Traunstein kommen würden.
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Weitere mit dem objektiven Geständnis des Angeklagten übereinstimmende Angaben konnten die Zeugen KOK S… und PHM S… machen.
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Der einvernommene Zeuge PHM S… konnte insbesondere ergänzend berichten, dass er bei Eintreffen am Tatort am 14.11.2023 aufgrund der Vorgeschichte am Tag zuvor vor Ort nach dem Angeklagten fahndete. Bei der Festnahme habe seine Hand nach Benzin gerochen. Er habe grinsend gesagt, dass er es gestern gewesen sei, heute sei er es nicht gewesen. Er habe gegrinst und weiter angegeben, dass er jetzt nach Traunstein komme. Der Angeklagte habe den Eindruck vermittelt, dass ihm alles gleichgültig sei, da er immer gegrinst habe. Er habe nur das Ziel verfolgt verlegt zu werden.
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Der polizeiliche Sachbearbeiter KOK S… konnte den Gang der Ermittlungen beschreiben, insbesondere die Sichtung der Aufnahmen bei der Tankstelle. Aus einem Sachverständigengutachten der Versicherung habe sich ergeben, dass ein technischer Defekt als Brandursache nicht in Betracht käme. Auf dem Smartphone des Angeklagten hätte eine Konversation mit dem Landratsamt von Anfang November festgestellt werden können. Auch am Tattag sei das Handy des Angeklagten im W-LAN der Unterkunft durchweg eingeloggt gewesen. Aufgrund einer Eurodac-Mitteilung habe sich ein Vorfall des Angeklagten wegen Sachbeschädigung in Großbritannien ergeben. Im Nachhinein sei der Eigentümer des Objektes bei einer Begehung desselben bei einem Treppensturz tödlich verunglückt. Derzeit sei das Objekt noch im Zustand nach dem Brand, obwohl es versichert sei. Es bestehe die Frage, ob das südseitige Gebäude abzureißen sei oder draufgebaut werden könne. Der Angeklagte sei nach der Tat ruhig und teilnahmslos gewesen und habe angegeben, dass man nun endlich nach Traunstein kommen würde. Der Eindruck von den anderen Bewohnern sei gewesen, dass ihnen das Objekt dort gepasst hätte. Nach letzter Mitteilung der Versicherung sei ein Schaden von über 800.000 € entstanden.
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VI. Feststellungen zu den Folgen des Brandes, seines Ausmaßes sowie weiteren Grundlagen der vorgenommenen Gefährlichkeitsbetrachtung und – einschätzung entnimmt die Kammer der Zeugenaussage des Zeugen H… sowie den überzeugenden Angaben des Brandsachverständigen Dr. S….
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Der Zeuge … H…, welcher Angehöriger der Feuerwehr Ruhpolding ist, berichtete über den Einsatz. Als er dort angekommen sei, habe das Gebäude bereits im Vollbrand gestanden. Sie seien dann mit Atemschutz über die Straßenseite ins Gebäude gegangen. Ziel sei es gewesen die hinteren Wohnungen abzuschirmen. Es sei extrem heiß gewesen und es habe im Haus „0“ Sicht bestanden. Auch Deckenteile seien teilweise heruntergestürzt.
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Aus den überzeugenden Angaben des „Brandsachverständigen“ Dr. S… ergibt sich insbesondere, dass sich das Brandgeschehen im Wesentlichen im Altbau abgespielt habe. In diesen Altbau habe man Zutritt über den Verbindungsbau. In den weiteren Gebäudeteilen habe sich überwiegend Schaden durch Rauchgas dargestellt. Insbesondere habe sich auch ein Rauchgasniederschlag im Anbaugebäude gefunden. Die Rauchgasniederschläge im Anbau sein umso stärker ausgeprägt gewesen, je stärker die betroffene Räumlichkeit am Übergang zum Verbindungsbau gelegen hätte. Im Verbindungsbau sei es in erster Linie ebenfalls vor allem zur Ausbildung eines Rauchgasniederschlags sowie zu Brandfolge-bedingten thermischen Schädigungen gekommen. Vor allem der möblierte Durchgang habe einen sehr starken Rauchgasniederschlag mit einem annähernd bodennahen Rauchgashorizont gezeigt. An den hölzernen Einrichtungen sowie der Decke seien erste Brandzehrungen festzustellen gewesen. Auf dem Tisch, welcher in diesem Durchgang dem Altbau am nächsten war, wurde ein metallener, quaderförmiger Leerkanister ohne Verschluss aufgefunden. Laut Etikett habe es sich hierbei um einen Kanister für Nitroverdünnung der Firma RENOVO gehandelt. Nachdem die Tischoberfläche unterhalb des Kanister keine Brandschäden aufgewiesen habe, sei zweifelsfrei davon auszugehen, dass dieser vor dem Brandausbruch an dieser Stelle abgestellt worden sei. Ein Brandausbruch in diesem Bereich sei aufgrund des Schadensbildes noch vor einem Vollbrand nicht anzunehmen. Somit hält die Kammer die Angaben des Angeklagten hierzu für widerlegt, zumal er sich auch dahingehend einließ an zwei anderen Stellen Brand gelegt zu haben, welche im Bereich des anzunehmenden Brandausbruchsbereichs liegt (hierzu sogleich).
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Auch das Obergeschoss des Altbaus, sofern dieses nach dem Brand oder den Löscharbeiten noch vorhanden gewesen sei, sei von einem massiven Rauchgasniederschlag, sowie ausgeprägten thermischen Schädigungen gekennzeichnet gewesen. Sämtliche festgestellten Schäden seien plausibel als Folge eines massiven Brandgeschehens im Erdgeschoss des Altbaus zu sehen. Im Erdgeschoss des Altbaus seien homogene Schäden, wie nach einem ausgedehnten Vollbrand festzustellen gewesen. In den weiteren Bereichen des Erdgeschosses (innen liegender Teil des ehemaligen Gastraums, des Kaminraums, der Cafeteria und des Windfangs) sei es mit Zunahme der Distanz zum Hauptrandbereich zu einer Abnahme der brandfolgebedingten Schäden gekommen. In dem Bereich der jetzigen Aufenthalts- und Gemeinschaftsräume, in dem es sich nach dem Spurenbild nach um die Brandausbruchsstelle gehandelt habe, hätten sich massive Putzabplatzungen an Decke und Wänden, freiliegendes Mauerwerk und nur noch rudimentäre, stark brandgezehrte Reste des Mobiliars gezeigt. Ein Rauchgasniederschlag sei kaum mehr vorhanden gewesen, was ein typisches Phänomen bei ausgedehnten Vollbränden sei, weil der rußige Niederschlag bei großer Hitze seinerseits „verbrenne“. Das Hauptbrandgeschehen habe sich im Bereich des ehemaligen Gastraums und im ehemaligen Hausgästebereich gezeigt. Wo genau der Brand ausgebrochen sei, könne nicht mehr gesagt werden. Eine weitere Eingrenzung könne aufgrund des hohen Zerstörungsgrades nicht mehr getroffen werden.
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Bei dem analysierten Inhalt der sichergestellten Coca-Cola Flasche habe es sich um den eigentlichen Inhalt des aufgefundenen Kanisters in Form von Nitroverdünnung gehandelt mit dem Hauptbestandteil unter anderem von Ethylbenzol.
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An den getragenen Schuhen des Angeklagten habe sich zudem ein eindeutiger Nachweis von Ottokraftstoff ergeben. Auch am aufgefundenen Kanister habe sich ein Nachweis von abgedampftem Ottokraftstoff ergeben. Einen konkreten Nachweis von Ottokraftstoff an den anzunehmenden Brandausbruchsstellen habe sich nicht ergeben. Bei dem vorliegenden Zerstörungsgrad wäre aber ein restloses Abbrennen des Kraftstoffes durchaus möglich.
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Die massive, brandbedingte Zerstörung eines Großteils des Erdgeschosses im Altbau könnte in diesem Ausmaß entweder durch einen vergleichsweise lange unentdeckt gebliebenen und somit lange anhaltenden Brand erklärt werden, oder aber durch den Einsatz eines Brandlegungsmittels. Vorliegend erscheint aufgrund der Zeugenaussagen zumindest eine relativ lange unbemerkte Brandentwicklung nicht gegeben.
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Ein Aufenthalt im direkt betroffenen Brandausbruchsbereich sei aufgrund des aktiven Brandgeschehens, der damit einhergehenden hohen Temperaturen und der entstehenden Rauchgase ab einem gewissen Zeitpunkt ohne entsprechende Schutzausrüstung unmittelbar lebensgefährlich. Durch die Ausbreitung des Brandrauchs und dessen hohe Temperaturen sei auch der Aufenthalt in den weiteren Räumlichkeiten des Alt- und Verbindungsbaus als lebensbedrohlich einzustufen. Die selbst- und dichtschließenden Hartholzrahmentüren mit Drahtglas im bewohnten Anbau, die das Treppenhaus von den Zimmerfluren und dem Eingangsbereich trennen und eine Ausbildung der Rauchgase verhindern oder zumindest deutlich verzögert hätten, waren während des Brandes blockiert und seien offengestanden, was eindeutig anhand des unterschiedlichen Rauchgasniederschlags an den Türblättern und -rahmen erkennbar sei. Dementsprechend habe sich der Brandrauch ungehindert in den Fluren und dem Treppenhaus ausbreiten können. Die Gästezimmer selbst, die von den Bewohnern genutzt worden seien, hätten abhängig von der Nähe zum Vollbrandbereich teilweise innenseitige Rauchfahnen über den Zimmertüren gezeigt, sodass von einem Eindringen der Rauchgase in diese Bewohnerzimmer auszugehen ist. Aus den Zimmern im Erdgeschoss des Anbaus hätten Bewohner über den Flur aber auch über die Terrassen der einzelnen Zimmer ins Freie fliehen können. In den Obergeschosszimmern habe der jeweilige Geschossflur und das Treppenhaus den einzigen baulichen Flucht- und Rettungsweg dargestellt. Der Fluchtweg über die Flure und das Treppenhaus sei allerdings, von den Zeugenaussagen untermalt und auch aus dem Spurenbild ersichtlich, durch die Rauchgase blockiert gewesen und wäre somit nur unter einem erheblichen Gesundheitsrisiko passierbar gewesen. Nachdem die Balkonbrüstung eine Entfernung zum darunterliegenden Boden von ca. 3,80 m habe, hätte eine Flucht über den Balkon ohne Hilfestellung nicht erfolgen können. Eine Flucht über das Treppenhaus hätte im ungünstigsten Fall auch bis zur Lebensgefahr reichen können. Vorliegend sei eine Gefährdung der Bewohner hauptsächlich von den durch den Brand entwickelten Rauchgasen ausgegangen, welchen diese zumindest im Obergeschoss bei einem Fluchtversuch durchs Treppenhaus ausgesetzt gewesen wären. Als Gesundheitsgefahren würden hier vor allem Atemwegsreizungen durch Rußpartikel und Inhalationstraumata durch das Einatmen heißer und toxischer Rauchgase auftreten. Durch das widrige Sichtfeld könne es zudem zu einem Orientierungsverlust kommen. Ungefähr die Hälfte der Opfer bei Gebäudebränden würde nicht durch direkte Flammeneinwirkung, sondern durch Rauchgasintoxikationen zu Tode kommen.
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Bei ungehindertem Weiterbrennen könne vorliegend davon ausgegangen werden, dass sich der Brand weiter ausgebreitet hätte. Im Erdgeschoss des Altbaus wäre es zu weiteren Vollbränden in den bis dahin noch nicht betroffenen Räumlichkeiten gekommen. Im Ober- und Dachgeschoss würden je nach Lage nacheinander ebenfalls die einzelnen Gästezimmer in Vollbrand geraten. Ein Übergriff auf den Dachstuhl habe bereits stattgefunden. Aufgrund der Vielzahl an Fenstern im Altbau und der damit verbundenen guten Sauerstoffversorgung des Feuers könne von einem brandlastgesteuerten Geschehen ausgegangen werden, sodass ein vollständiges Ausbrennen des gesamten Altbaus zu erwarten gewesen sei. Im Verbindungsbau würde zumindest der Bereich für Hausgäste, der den Alt- mit dem Anbau verbinde, in Vollbrand geraten und ebenfalls aufgrund einer guten Belüftungssituation ausbrennen. Die zugehörigen Fenster seien zum Zeitpunkt der Begutachtung des Brandobjektes geborsten gewesen. Im Anbau befinde sich im Eingangsbereich als Brandlast eine hölzerne Rezeption, diese würde vermutlich ebenfalls, spätestens bei einem Vollbrand in Brand geraten. Auf den weiteren Fluren befänden sich mit Ausnahme des Teppichbodens und der Holztüren keine weitere nennenswerte Brandlast. Im Treppenhaus existiere zusätzlich ein hölzernes Gelände. In jedem Fall könne mit einer intensiven Verrauchung der weiteren Gänge des Treppenhauses gerechnet werden. Inwieweit es zu einer weiteren Brandausbreitung über die Gänge und das Treppenhaus in die Gästezimmer kommen würde, hänge stark von der Belüftungssituation, der freigesetzten Wärme und den freigesetzten heißen Rauchgasen ab. Zumindest ein Übergriff des Feuers auf die Zimmer mit Türen zum Eingangsbereich wäre denkbar. Ein weiterer Angriffspunkt für das Feuer stelle der südwestliche Balkon des Anbaus aufgrund der räumlichen Nähe zu den anderen, in Vollbrand stehenden Gebäudeteilen dar. In diesem Bereich habe sich insbesondere sehr nahe das Zimmer des Geschädigten D… befunden. Ein in Brand geratener Balkon würde zusätzlich die angrenzenden Zimmer, die Holzverschalung auf Dachgeschosshöhe und schlussendlich auch die Dachkonstruktion des Anbaus einer erheblichen Brandgefahr aussetzen.
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Das Gebäude habe insgesamt eine hohe Brandlast aufgewiesen. Ein Aufenthalt im Erdgeschoss des Altbaus während des Brandes sei lebensgefährlich gewesen. Auch der Verbindungsraum zum Anbau habe kurz vor dem Vollbrand gestanden. Die Zimmer im südlichen Bereich des Anbaus hätten eine räumliche Nähe zu direkten Brandgasen und hoher Hitze gehabt. Der Balkon habe sich unmittelbar darüber angeschlossen.
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Eine Gefahr für Übergriffe auf andere Gebäude im Umfeld sah der Sachverständige nicht.
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Zum Löschen des Brandes und zu Spuren und Feststellungen nach dem Brand konnte Herr KOK M… ergänzen, dass in einer Mauernische im Frühstücksbereich bei nachträglicher Begehung ein Kunststoffdeckel, welcher ursprünglich wohl den vom Angeklagten benützten Kanister verschlossen habe gefunden wurde. Beim Brand seien die Flammen sehr schwer in den Griff zu bekommen. Erst nach Abtragen des Obergeschosses durch einen Bagger habe eine reelle Chance auf das Löschen bestanden.
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VII. Die Feststellungen zu erhaltenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit entnimmt die Kammer den gerichtsbekannt von großer Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. E…, welcher insbesondere die Krankenvorgeschichte des Angeklagten referierte mit Krankenhausaufenthalten wegen fraglicher Epilepsie. Diese Diagnose sei aus seiner Sicht sehr unwahrscheinlich, da sich aus den Befunden lediglich eine Verdachtsdiagnose ergebe und sämtliche EEG-Befunde unauffällig gewesen seien. Zudem nehme er aktuell keine Medikation, was sich auch aus der untersuchten Haarprobe ergibt. In der Anamneseerhebung war der Angeklagte unauffällig; es sei jedoch der Ärger deutlich spürbar, zu Unrecht festgenommen worden zu sein. In der Haarprobe ergab sich Tramadol, was ein Schmerzmittel ist, Ketamin, dessen Herkunft unklar ist und auch 2 Antiepileptika, welche offenbar sporadisch eingenommen worden sind. Im Rahmen der Tatmotivation sei zu sehen, dass der Angeklagte subjektiv das Verlegen in eine abgelegene Unterkunft als Belastung empfunden habe. Ebenso war er in seinem Verlangen nach Asyl in verschiedenen Ländern Europas erfolglos und hat sich als ungerecht behandelt gefühlt. Im Rahmen dieser Verzweiflung hat sich eine Anpassungsstörung entwickelt. Die Symptomatik war bei der Exploration am 09.02.2024 bereits remittiert. Es kann sich auch nicht um eine schwere Anpassungsstörung handeln, da in einem solchen Falle weder ein selbstständiges Leben möglich noch ein zielgerichtetes Vorgehen wäre. Der Angeklagte selbst hat sich eigenständig Arbeit suchen und auch längere Zeit arbeiten können. Im vorliegenden Falle der Deliktsbegehung sei er zudem zielgerichtet vorgegangen.
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Zur Sache habe der Angeklagte zunächst nichts sagen wollen, gleichwohl habe er dies dann doch getan. Er habe sich dahingehend geäußert, dass er dies als gerechtfertigte Maßnahme angesehen habe, da alle anderen dort unzufrieden gewesen seien. Er habe auch betont, dass er nicht gewollt habe, dass jemand dabei umkomme.
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Insgesamt sei die Diagnose einer Anpassungsstörung mit vor allem depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21) anzunehmen. Eine derartige Störung beginne im allgemeinen binnen eines Monats nach dem belastenden Ereignis oder der Lebensveränderung. Die Symptome würden meist nicht länger als 6 Monate anhalten, außer bei länger dauernden depressiven Reaktionen. Aufgrund der für ihn bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehbaren Verlegung in die Asylunterkunft nach Reit im Winkl sei er dort zunehmend dekompensiert und es sei zur Entwicklung einer gewissen depressiven Symptomatik gekommen. Auch nach der Inhaftierung seien in der Gesundheitsakte der JVA weiterhin Symptome einer Anpassungsstörung dokumentiert.
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Im Übrigen seien keine Hinweise für eine Intelligenzminderung aufgrund seiner Vorgeschichte erkennbar, ebenso bestehe kein Anhalt für eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Das von ihm berichtete Sicherungsverhalten, indem er das Feuer genau da gelegt haben wolle, wo er keine Menschen vermutet habe, das gezielte Vorgehen, sowie das planvolle Besorgen von Benzin und die Ankündigung seines Verhaltens am Vortag sprächen gegen eine Affekthandlung. Auch eine krankhafte seelische Störung sei nicht feststellbar. Eine äußerst schwer ausgeprägte Depression oder Manie bestehe nicht. Eine grundsätzlich mögliche schwere andere seelische Störung in Form der Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion sei nicht gegeben. Die Symptomatik habe im Tatzeitraum nicht die notwendige Schwere aufgewiesen. Der Angeklagte sei durchaus noch in der Lage gewesen, seinen Unmut zu äußern und entsprechende Hilfen zu organisieren. Nach der Inhaftierung sei ebenfalls eine psychiatrische Behandlung nicht notwendig geworden. Im Ergebnis sei somit von erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Tatzeitraum auszugehen.
D. Rechtliche Würdigung:
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Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hat sich der Angeklagte des versuchten Mordes in 4 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, mit besonders schwerer Brandstiftung und mit vorsätzlicher Körperverletzung nach §§ 211 Abs. 1, Abs. 2, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 306a Abs. 1 Nr. 1, 306b Abs. 2 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB schuldig gemacht.
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I. Der Angeklagte hat sich zunächst des versuchten Mordes in 4 tateinheitlichen Fällen nach § 211 Abs. 1, Abs. 2 Varianten 4, 5 und 7 StGB schuldig gemacht.
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1. Der Angeklagte hatte den bedingten Vorsatz, die 4 weiteren in der Einrichtung befindlichen Personen zu töten. Er ordnete das Leben aller Menschen, welche sich – was ihm auch nach seiner Einlassung bewusst war – zur Tatzeit im Objekt aufhielten seinen eigenen Interessen nach einer Verlegung aus der Asyleinrichtung unter.
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Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtbetrachtung hat die Kammer als vorsatzkritisch gesehen, dass der Angeklagte in einem, den unmittelbaren Wohnräumen der weiteren Bewohner entfernteren Bereich Feuer legte. Zudem leidet er an einer Anpassungsstörung, welche jedoch keinen Krankheitswert aufweist. Er versuchte ebenfalls noch im brennenden Haus verbliebene Hausbewohner durch Rufe zu warnen, aber erst, nachdem er von dem Zeugen A… dazu aufgefordert worden war, dieser ebenfalls die übrigen Bewohner warnte und bereits durch den Zeugen L… die Feuerwehr verständigt wurde. Demgegenüber setzte er ein Tatmittel ein, welches völlig unbeherrschbar ist, und beging die Tat in einem einheitlichen Baukomplex mit durchweg hoher Brandlast in Form sichtbarer Holzausstattung. Er verwendete bei der Tatbegehung eine erhebliche Menge an Brandbeschleuniger (über 3 Liter Ottokraftstoff) und zündete diesen an mindestens 2 Stellen an. Des Weiteren wollte er absichtlich die Asyleinrichtung unbewohnbar machen, um eine Verlegung zu erreichen. Der Angeklagte wusste zudem berufsbedingt als Lackierer um mögliche Brandgefahren, und dass gewöhnlich Leute zur Tatzeit anwesend waren, wobei er aufgrund der Größe des Gebäudes nicht wissen konnte, wo sich diese Personen gerade aufhielten. Vorkehrungen zum Schutz der Bewohner hat er nicht getroffen. Zudem ging er planvoll vor, indem er mehrerer Brandbeschleuniger besorgte (Nitroverdünnung und Benzin), sowie die Tat bereits einen Tag zuvor androhte.
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Der Angeklagte wusste auch, dass durch das Verschütten der großen Menge von Benzin ein ausgedehnter Brand entstehen wird und sich auch erhebliche gefährliche Rauchgase bilden würden. Zudem kannte er die räumlichen Gegebenheiten vor allem in Form des einzigen Fluchtweges für die Personen im Obergeschoss des Anbaus. Das Feuer legte er u.a. in unmittelbarer Nähe zum Verbindungsbau, wobei ein Übergreifen auf den Anbau und ein ungehindertes Ausbreiten von Rauchgasen offensichtlich zu erwarten war. Ihm war auch bekannt, dass die Verbindungstüren im Altbau ständig geöffnet waren und sich die Rauchgase deshalb dort ungehindert ausbreiten konnten. Auch die weiteren Bewohner hatten dies als Zeugen angegeben.
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Im Ergebnis kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, zumal er bereits des Öfteren gezeigt hat, dass er seine persönlichen Ziele mit allen Mitteln zu erreichen sucht (Beschädigung Zimmer in Großbritannien um abgeschoben zu werden; Hungerstreik in Untersuchungshaft um Auszahlung von Geld zu erreichen). Hierbei ist ihm gleichgültig was geschieht und welche Konsequenzen sein Handeln hat.
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2. Sämtliche anwesende Bewohner versahen sich zudem keines Angriffs auf ihr Leben und wurden von dem Geschehen völlig überrascht. Teilweise schliefen sie sogar. Aufgrund dieses Umstandes waren sie auch in ihrer Verteidigung erheblich eingeschränkt, nachdem alle nach dem Bemerken des Brandes das Gebäude aufgrund vor allem der sich bereits ausbreitenden toxischen Rauchgase nicht mehr durch den eigentlich dafür vorgesehenen Ausgang verlassen konnte; vielmehr mussten 3 Personen vom Balkon springen und der Zeuge A… eine Terrassentür benutzen. Sowohl die Arg- als auch die Wehrlosigkeit der Opfer waren im Zeitpunkt des Angriffs des Angeklagten vorhanden und der Angeklagte machte sich dies auch zu Nutze, um die Brandlegung ungestört ausführen zu können. Der Angeklagte handelte auch in feindlicher Willensrichtung, indem er die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit seiner Opfer bewusst zur Tatbegehung ausnutzte. Der Angeklagte handelte deswegen heimtückisch nach § 211 Abs. 2 Var. 5 StGB.
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3. Der Angeklagte hat zudem das Mordmerkmal des § 211 Abs. 2 Var. 7 StGB erfüllt, da er mit gemeingefährlichen Mitteln gehandelt hat.
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Mit gemeingefährlichen Mitteln handelt, wer durch die Anwendung im Einzelfall eine Gefahr für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen herbeiführt, weil die Ausdehnung der Gefahr vom Täter nicht kontrolliert werden kann. Dabei ist eine generelle Gefährdung ausreichend, der Eintritt einer konkreten Gefahr ist nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet wird. Mord mit gemeingefährlichen Mitteln kommt auch dann in Betracht, wenn das für unbeteiligte Dritte potenziell gefährliche Tatinstrument niemanden in konkrete Gefahr gebracht oder gar getötet hat. Vielmehr reicht es aus, dass das Werkzeug nach seinen typischen Wirkweisen dazu geeignet war, tatsituativ solche Gefahren hervorzurufen.
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Vorliegend hat der Angeklagte einen Brand in Gang gesetzt, um die Asylunterkunft unbewohnbar zu machen und verlegt zu werden. Dies führte dazu, was dem Angeklagten auch bewusst war, dass sich dieses in den Gemeinschafträumen intendierte Brandgeschehen sofort auf weitere Räumlichkeiten und letztlich den Verbindungsbau ausbreitet. Er wusste auch, dass sich in dem Gebäude mehrere Menschen aufhielten. Der Angeklagte hatte zudem keinerlei Kontrolle darüber, wer sich in dem Gebäude insgesamt befindet. Es handelte sich nicht um ein Arbeiterwohnheim, in dem tagsüber niemand sich aufhält. Nicht alle Bewohner arbeiteten, wie ein Zeuge berichtete. Vielmehr waren manche auch nur zum Einkaufen oder zu Behördengängen kurzzeitig abwesend. All dies war dem Angeklagten aber gleichgültig, weil er die ihm verhasste Unterkunft zerstören wollte, so wie er bereits in Großbritannien ein Hotelzimmer zerstörte, um eine Verlegung oder Abschiebung zu erreichen.
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Neben dem aufgrund der Nähe zum Brandort unmittelbar gefährdeten Zeugen D…, waren auch insbesondere die Zeugen D… und O… großer Gefahr ausgesetzt, indem auch ihnen durch Rauchgase der reguläre und einzige Fluchtweg abgeschnitten war. Alle drei mussten in sehr gefährlicher Weise vom Balkon springen mit erheblichen Folgen für den Zeugen D…. Ein gefahrloses Verlassen über den Eingangsbereich war jedenfalls für keinen der betroffenen Bewohner mehr möglich.
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4. Des Weiteren verwirklichte der Angeklagte auch das weitere subjektive Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe § 211 Abs. 2 4. Var. StGB.
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Niedrige Beweggründe liegen vor, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Gefühlsregungen wie Zorn, Wut, Enttäuschung oder Verärgerung können niedrige Beweggründe sein, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Die Beurteilung der Frage, ob ein Beweggrund „niedrig“ ist und als verachtenswert erscheint, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen.
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Die Kammer kommt im vorliegenden Fall zu einer derartigen Wertung, nachdem der Angeklagte – wieder einmal – versuchte, seine eigenen Ziele in Form eines bloßen Verlegungswunsches rücksichtslos durchzusetzen, indem er zum einen vorsätzlich ein Gebäude von erheblichem Wert zerstören bzw, unbewohnbar machen wollte und dabei billigend in Kauf nahm, mehrere Leben auszulöschen. Diese Reaktion aus Verärgerung über seine Gesamtsituation und der Ablehnung einer Verlegung in eine andere Einrichtung ist keine verständliche Reaktion, sondern eine besonders verachtenswerte Form der Geringschätzung des personalen Eigenwerts des Opfers. Die Mitbewohner haben weder die Wohnsituation beeinflusst noch hatten sie eine Möglichkeit diese zu ändern. Sie haben überhaupt keinen Anlass gegeben, dass der Angeklagte einen Angriff gegen sie richtet. Dabei lässt die Tat gerade eine Gesinnung des Angeklagten erkennen, die eine massive Gleichgültigkeit an dem Leben Dritter aufweist. Die Reaktion des Angeklagten ist für die Kammer insbesondere auch unter dem Aspekt nicht nachvollziehbar, dass sich der Beamte H… nach dem Missbrauch von Notrufen und der Drohung mit einer Brandlegung am Vortag mit dem Landratsamt in Verbindung gesetzt hatte und dieses zugesagt hatte, das Anliegen des Angeklagten erneut prüfen zu wollen. Dies hatte er dem Angeklagten auch mitgeteilt. Unmittelbar danach beging er die Tat, weil seinem Wunsch nicht unmittelbar entsprochen wurde.
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5. Die Kammer geht darüber hinaus nicht von einem strafbefreienden Rücktritt vom Versuch aus, § 24 Abs. 1 S. 2 StGB.
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Der Angeklagte hat zunächst durch das Verschütten des Benzins und das Anzünden alles getan, was er nach seinem Vorstellungsbild im Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung (Rücktrittshorizont) tun musste, um den von ihm beabsichtigten oder vorhergesehenen Erfolg zu erzielen. Er hat das Anwesen sofort, nachdem er das Benzin angezündet hatte, verlassen und wartete vor der Unterkunft. Er blieb dabei völlig untätig, sodass der zufällig auf das Geschehen aufmerksam gewordene Zeuge L… die Rettungskräfte rufen musste. Zudem hat dieser Zeuge zusammen mit dem Zeugen A… zunächst versucht die übrigen Mitbewohner zu warnen. Erst nach Aufforderung durch den Zeugen A… beteiligte sich der Angeklagte wenigstens an Rufen nach den im Gebäude verbliebenen Personen.
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Die Anforderungen, die an das ernsthafte und freiwillige Bemühen gestellt werden, werden nicht einheitlich benannt. Einigkeit herrscht aber darüber, dass der Täter eine Methode zur Erfolgsverhinderung eingesetzt haben muss, der er subjektiv die Fähigkeit unterstellt hat, den Erfolg zu verhindern. Die (neuere) Rspr. verlangt dabei, dass der Täter das aus seiner Sicht geeignetste und beste Rettungsmittel eingesetzt hat. Der BGH stellt besonders hohe Anforderungen an die bestmögliche Maßnahme, wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 276).
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Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen können die entfalteten Bemühungen des Angeklagten in keinem Falle als ausreichend angesehen werden.
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II. Nachdem der Angeklagte durch die Brandlegung auch wissentlich und willentlich verursachte, dass sich Personen im Hause gegebenenfalls auch durch Rettungsversuche verletzen könnten, verwirklichte er hinsichtlich der schwerwiegenden Verletzungen des Zeugen D… infolge seines Sprungs vom Balkon bedingt vorsätzlich den Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1, 230 Abs. 1 StGB.
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III. Der Angeklagte hat zudem, wie von ihm auch beabsichtigt, ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt, wobei er den Zeugen D… durch die Tat in die Gefahr des Todes brachte und daher auch den Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1, 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht.
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Insbesondere handelt es sich bei dem miteinander verbundenen Gebäudekomplex mit „Aufenthaltstrakt“ und „Wohntrakt“ um ein taugliches Tatobjekt im Sinne eines Wohngebäudes nachdem aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten nur eine einheitliche Einordnung angemessen ist.
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Für diesen Tatbestand ist weitere Voraussetzung das Vorliegen einer konkreten Gefahr des Todes zumindest eines anderen Menschen erforderlich. Die Tathandlung muss über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut geführt haben; in dieser Situation muss – was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer Person so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH NStZ 2019, 32 m.w.N.). Unter Berücksichtigung der sachverständigen Einschätzung des Dr. S… und vor allem der räumlichen Gegebenheiten bestand eine derartige Gefahr zu Lasten des Zeugen D… nachdem zum Einen bereits ein Vollbrand des unmittelbar angrenzenden Verbindungsbaus drohte und zum Anderen ein Übergreifen von Flammen auf den ihm einzig verbleibenden Rettungsweg über den Balkon zeitnah drohte.
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Der Angeklagten rechnete zudem damit, dass durch den Brand auch weitere Personen, die sich in dem Haus aufhielten zu Tode kommen könnten, weshalb er wenigstens leichtfertig im Sinne von § 306 c StGB handelte und daher auch diesen Tatbestand im Versuch verwirklicht hat.
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Der Angeklagte rechnete damit, dass sich die anderen in dem Wohnkomplex aufhaltenden Personen – ohne dass er deren genaue Anzahl kannte – wegen dem Brand, den er auch in der Nähe des Verbindungsbaus und auch des Eingangsbereiches zum Anbau gelegt hatte, nicht mehr rechtzeitig die Räumlichkeiten verlassen können. Zudem bestand die Gefahr, die der Angeklagte gleichfalls erkannt hatte, dass durch den Brand auch Ruß- und Rauchgase entstehen, die ebenfalls zum Tod der übrigen Bewohner führen könnten. Da es ihm darauf ankam, die das Gebäude unbewohnbar zu machen, nahm er den Tod der übrigen anwesenden Bewohner hin. Er handelte insoweit mit bedingtem Vorsatz.
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Er hatte erkannt, dass der von ihm verursachte Brand auf weitere Zimmer und den gesamten Komplex übergreifen könnte, nachdem alles mit Holz ausgestattet war und eine erkennbar hohe Brandlast bestand. Es war ihm auch bewusst, dass sich in den anderen Zimmern des Anbaus weitere Personen aufhielten, die nicht mit einem Angriff durch einen vorsätzlich ausgebrachten Brand rechneten.
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IV. Die vom Angeklagten verwirklichten Straftatbestände stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB), da er die Tatbestände durch ein und dieselbe Handlung gleichzeitig verwirklichte.
E. Rechtsfolge
I. Strafrahmen:
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Der Strafrahmen ist der Norm zu entnehmen, welche die höchste Strafe androht. Dies ist vorliegend § 211 StGB und mithin eine lebenslange Freiheitsstrafe.
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Im Rahmen des § 211 StGB liegen keine Umstände vor, die es geböten, die Strafe im Rahmen einer Rechtsfolgenlösung zu reduzieren.
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Die Kammer hat jedoch den Strafrahmen über §§ 22, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB verschoben.
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Bei der Frage, ob von der Milderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht wird, ist grundsätzlich eine Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne, sowie der Persönlichkeit des Täters erforderlich. Bei dieser Gesamtwürdigung dürfen im Wesentlichen nur versuchsbezogene Gesichtspunkte berücksichtigt werden, nicht dagegen andere für die Strafzumessung bedeutsame Umstände. Zwar können andere Umstände auch ins Gewicht fallen, allerdings sind die wesentlich versuchsbezogenen Umstände mit besonderem Gewicht zu bemessen. Entscheidend kommt es auch auf die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und das Maß der in ihm zutage getretenen kriminellen Energie an.
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Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht der Kammer zu würdigen, dass der Angeklagte die Tatbegehung zwar längerfristig geplant hatte und diese auch vorher angekündigt hat; jedoch war eine Tatvollendung in Form des Todes eines oder mehrere Personen noch nicht unmittelbar bevorstehend. Der Angeklagte hat die objektiven Tatumstände zudem vollumfänglich eingeräumt und eine konkrete Gefahr des Todes bestand „nur“ für den Zeugen D…. Die Kammer hat auch gesehen, dass der Angeklagte das Feuer nicht direkt im Anbau und somit im Bereich der unmittelbaren Zimmer der Bewohner legte.
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Im Ergebnis kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass dem Angeklagten die Strafrahmenverschiebung nicht verwehrt werden kann.
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Eine weitere Strafrahmenverschiebung über §§ 21, 49 Abs. 1 StGB war hingegen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. E… welchen sich die Kammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung und auch aufgrund des Eindrucks der polizeilichen Zeugen nach der Tat folgt, nicht anzunehmen.
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Nachdem die Mindestfreiheitstrafe des ebenfalls verwirklichten § 306 b Abs. 2 StGB 5 Jahre beträgt, entfaltet diese insoweit eine Sperrwirkung, als sie die Mindeststrafe vorliegend auf 5 Jahre erhöht und den insoweit grds. heranzuziehenden Strafrahmen des versuchten Mordes nach gewährter Milderung wegen Versuchs (3 Jahre bis zu 15 Jahre) modifiziert.
101
Der Strafrahmen, der im vorliegenden Fall daher anzuwenden ist, beträgt somit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren, die Höchststrafe beträgt 15 Jahre.
II. Strafzumessung im engeren Sinne
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Bei der konkreten Strafzumessung waren folgende Gesichtspunkte zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen.
103
Der Angeklagte hat Angaben zur Sache gemacht und war zum überwiegenden Teil geständig. Strafrechtlich ist er bisher nicht in Erscheinung getreten und er leidet an einer Anpassungsstörung. Zudem hat er keinerlei soziale Bindungen in Deutschland, was sich auf seine Haftsituation auswirkt.
104
Zu berücksichtigen ist des weiteren, dass Drei durch den Brand betroffene Personen das Haus unbeschadet verlassen konnten. Hinsichtlich des Vorsatzes andere zu verletzen oder zu töten handelte er mit „nur“ bedingtem Vorsatz.
105
Zulasten des Angeklagten waren folgende Umstände für die Kammer maßgebend:
106
Der Angeklagte hat durch die Tatbegehung einen erheblichen materiellen Schaden in Höhe von mindestens 800.000 Euro verursacht. Die erlittenen Verletzungen des Geschädigten D… waren erheblich und er leidet bis heute an den Folgen der Verletzungen aufgrund seines Sprunges vom Balkon um sich vor den Flammen zu retten.
107
Der Angeklagten hat zudem mehrere erhebliche Straftatbestände tateinheitlich verwirklicht und die Voraussetzungen von gleich drei Mordmerkmalen erfüllt.
108
Bei Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat die Kammer daher eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren und 6 Monaten als tat- und schuldangemessen angesehen.
F. Kosten:
109
Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 464, 465 StPO).