Titel:
Einbeziehung von Makler-, Notar- und Grundbuchkosten in die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung
Normenketten:
BGB § 328, § 448 Abs. 2, § 464 Abs. 2
GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1
Leitsatz:
Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten nach § 464 Abs. 2 BGB unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Nach Ausübung des Vorkaufsrechts sind nach h.M. Abschluss- und etwaige Durchführungskosten durch den Vorkaufsberechtigten zu tragen (BGH LM Nr. 2 zu § 505 BGB; BGH, Urt. v. 15.10.1981 III ZR 86/80, NJW 1982, 2068, BeckRS 1981, 00785; BGH, Urt. v. 20.5.1983 V ZR 291/81, NJW 1983, 2024, BeckRS 1983, 00780; Daum, in: Beck-Online.Großkommentar, Stand: 1.7.2024, § 464 BGB Rn. 24). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Grunderwerbsteuer
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – II R 29/24
Fundstellen:
EFG 2024, 2056
ErbStB 2025, 120
StEd 2024, 678
LSK 2024, 33640
BeckRS 2024, 33640
Tenor
1. Unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 16.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.1.2022 wird die Grunderwerbsteuer auf 110.465 € festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Einbeziehung von Makler-, Notar- und Grundbuchkosten in die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung.
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Herr V (im Folgenden: der Verkäufer) war im Grundbuch des Amtsgerichts X-Stadt für …, Blatt …, als Eigentümer des Grundstücks Flst. … in …, Gebäude- und Freifläche zu … ha eingetragen, welches in Abteilung II des Grundbuchs mit einem Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle zugunsten der Klägerin und Herrn Y als Gesamtgläubiger gem. § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) belastet war.
3
Mit Maklervertrag vom 24.7.2019 beauftragte der Verkäufer die Fa. M GmbH (im Folgenden: die Maklerin) mit dem Verkauf des Grundstücks. Als Provision hatte der Verkäufer nach dem Maklervertrag im Erfolgsfall 1,19 % des Gesamtkaufpreises (inkl. USt.) zu entrichten. Zudem verpflichtete sich der Verkäufer nach § 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber der Maklerin, „bei Bestehen eines Vorkaufsrechts in den Kaufvertrag in Form eines Anerkenntnis seine Provisionsvereinbarung in Form eines Vertrags zu Gunsten Dritter nach § 328 BGB die Verpflichtung des Käufers aufzunehmen, die Käuferprovision an die Maklerin zu zahlen“. Im Exposé des Objekts wurde darauf hingewiesen, dass der Erwerber eine Provision in Höhe von 6,96 % zu tragen hat.
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Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 22.7.2020 erwarb die Fa. E GmbH & Co. KG (im Folgenden: die Erstkäuferin) das Grundstück zum Preis von 3.156.150 €. Dieser enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
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In Ziff. VIII. Buchst. c) des Kaufvertrags („Dingliches Vorkaufsrecht“) ist festgehalten: „Wird das Vorkaufsrecht ausgeübt, sind beide Vertragsteile zum Rücktritt berechtigt. Alle Kosten trägt dann der Verkäufer, soweit nicht der Vorkaufsberechtigte diese dem Käufer erstattet. […]“
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In Ziff. IX. des Vertrages verpflichtete sich der Käufer die Kosten der Urkunde und ihres Vollzuges sowie die Grunderwerbsteuer zu tragen.
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Ziff. XII. des Vertrages lautet wie folgt: „Verkäufer und Käufer erklären, dass dieser Vertrag durch den Nachweis bzw. die Vermittlung der Firma M GmbH mit dem Sitz in Y-Stadt, als Makler zustande gekommen ist. Der Käufer verpflichtet sich, auch dem Verkäufer gegenüber, an die vorgenannte Firma eine Maklerprovision von 6,96 % (inkl. USt.) aus dem Kaufpreis zu zahlen. Die Vertragsteile sind sich darüber einig, dass der genannten Maklerfirma ein eigener selbständiger begründeter Zahlungsanspruch im Sinne von § 328 BGB in Höhe vorbezeichneter Provision aus dem Kaufvertrag gegen sie zusteht. Vorstehende Verpflichtung ist Inhalt des Kaufvertrages und im Falle der Ausübung eines Vorkaufsrechts vom Vorkaufsberechtigten zu übernehmen. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts ist der Ausübende zur Übernahme der Maklerprovision verpflichtet. Dieser erkennt den Anspruch mit Ausübung des Vorkaufsrechts an. Diese Vereinbarung kann ohne die Zustimmung des Berechtigten nicht mehr geändert werden. Der Verkäufer kommt mit Aufnahme dieser Klausel in den Kaufvertrag seiner vertraglichen Verpflichtung mit dem vorgenannten Maklerunternehmen nach.“
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Eine eigene privatschriftliche Vereinbarung zwischen der Maklerin und der Erstkäuferin wurde nicht geschlossen. Stattdessen haben sich Maklerin und Erstverkäuferin darauf verständigt, dass die Provision im Kaufvertrag geregelt wird. Nach Abschluss des Kaufvertrages vom 22.7.2020 wurde die Rechnung der Maklerin in Höhe von 219.668,04 € durch die Erstkäuferin gezahlt.
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Mit Schreiben vom 16.9.2020 machte die Klägerin hinsichtlich beider Grundstücke von ihrem Vorkaufsrecht im Ganzen Gebrauch. Herr Y verzichtete auf die Ausübung des Vorkaufsrechts.
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Zur möglichst einvernehmlichen und abschließenden Regelung aller Rechtsfragen regelten der Verkäufer, die Erstkäuferin und die Klägerin in der notariellen Urkunde „Auflassung und Nachtrag zum Kaufvertrag vom 22.7.2020“ vom 23. September 2020 unter anderem auch die Verteilung der Kosten aus dem Erstkaufvertrag. Die Klägerin verpflichtet sich in Abschnitt II.2, der Erstkäuferin einen Betrag von 241.836,09 € zu erstatten. Dieser setzt sich aus den folgenden Positionen zusammen:
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Bereits bezahlte Notarkosten für die Vorurkunde in Höhe von 19.540,55 €
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die etwa noch fälligen und vom Erstkäufer zu bezahlenden Grundbuchkosten für die Eintragung der Auflassungsvormerkung in Höhe von 2.627,50 €
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bereits an den Makler gemäß Abschnitt XII. der Vorurkunde bezahlte Maklerprovision in Höhe von 219.886,04 €
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Die Klägerin erfüllte den Erstattungsanspruch gegenüber der Erstkäuferin.
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Mit Bescheid vom 16.10.2020 setzte das beklagte Finanzamt (FA) für den Erwerb des Grundstücks Grunderwerbsteuer in Höhe von 118.929 € fest. In die Bemessungsgrundlage bezog es jeweils neben dem Grundstückskaufpreis auch die von der Klägerin der Erstkäuferin erstatteten Makler-, Notar- und Grundbuchkosten von insgesamt 241.836,09 € mit ein.
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Mit Fax vom 12.11.2020 legte die Klägerin Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 16.10.2020 ein.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 17.1.2022 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
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Hiergegen richtet sich die am 2.2.2022 bei Gericht eingegangene Klage, die die Klägerin wie folgt begründet: Weder die von ihr übernommenen Notar- bzw. Grundbuchkosten, noch die Maklergebühr seien als übernommene sonstige Leistungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu qualifizieren. Weder die Maklergebühr, noch die Notar- und Grundbuchkosten seien als Gegenleistung der Erstkäuferin zu qualifizieren. Dies könne bei der Klägerin als Vorkaufberechtigter nicht anders sein. Die Entrichtung der Maklergebühr durch den Erwerber sei nur dann als Gegenleistung zu qualifizieren, wenn der Erwerber eine Maklergebühr übernehme, die nach dem Maklervertrag allein vom Veräußerer geschuldet werde. Werde – wie im Streitfall – im Kaufvertrag die Maklerklausel im Wege eines echten Vertrages zugunsten eines Dritten als eigenes Forderungsrecht des Maklers vorgesehen, so werde dem Makler gegenüber dem Erwerber ein vom Bestand des Provisionsanspruchs unabhängiger Anspruch eingeräumt. Da es sich hierbei um einen originär an den Käufer gerichteten Anspruch handle, sei die Maklerprovision nicht Entgelt für den Erwerb des Grundstücks. Allein die Formulierung, wonach der Verkäufer mit der Aufnahme dieser Klausel in den Kaufvertrag seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Makler nachkomme, lasse nicht darauf schließen, dass sich der Veräußerer gegenüber dem Makler zur Zahlung einer Provision verpflichtet habe. Gleiches gelte auch für die Notar- und die Grundbuchkosten, die gem. § 448 Abs. 2 BGB stets der Erwerber zu tragen habe.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 16.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.1.2022 (Aktenzeichen des Beklagten: …) dergestalt zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 110.465 € festgesetzt wird.
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Das FA ist der Ansicht, die von der Klägerin übernommenen Auslagen der Erstkäuferin seien zu Recht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer miteinbezogen worden. Zum einen zahle die Klägerin die zwangsweise – wegen der Bestimmungen zur Maklerprovision in Ziff. XII. des Kaufvertrages vom 22.7.2020 – übernommenen Maklergebühren als Entgelt für den Grundstückserwerb. Mangels anderweitiger Vereinbarung mit der Maklerin sei der Provisionsanspruch mit Abschluss des Kaufvertrages entstanden. Zum anderen habe die Klägerin mit Übernahme der Notar- und Grundbuchkosten eine Zahlungsverpflichtung des Verkäufers übernommen.
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Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 6.4.2022 und 16.9.2024 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist begründet.
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a) Das FA hat zu Unrecht die von der Klägerin an die Maklerin gezahlten Maklergebühren in Höhe von 219.668,04 € sowie die Grundbuchkosten für die Eintragung der Vorurkunden (2.627,50 €) und die Notarkosten für die Vorurkunden (19.540,55 €) in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer miteinbezogen. Es handelt sich um keine sonstigen Leistungen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb des Grundstücks.
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aa) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH, Urt. v. 8.3.2017 II R 38/14, BStBl II 2017, 1005). Der Begriff der Gegenleistung setzt eine kausale Verknüpfung zwischen dem Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb voraus (BFH, Urt. v. 25.4.2023 II R 19/20, BStBl. II 2023, 1015; BFH, Urt. v. 30.8.2023 II B 45/22). Bei einem Kauf gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen zur Gegenleistung. Unter einer sonstigen Leistung versteht man alle Verpflichtungen des Käufers, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (BFH, Urt. v. 10.5.2017 II R 16/14, BStBl. II 2017, 964; BFH, Urt. v. 6.12.2017 II R 55/15, BStBl. II 2018, 406). Die Übernahme der Verpflichtung setzt voraus, dass es sich um eine Verpflichtung des Verkäufers handelt und sich der Käufer verpflichtet, diese zu tragen. Eine vom Käufer übernommene sonstige Leistung kann auch dann vorliegen, wenn diese nicht dem Veräußerer selbst zufließt (BFH, Urt. v. 3.8.1988 II R 210/85, BStBl II 1988, 900). Leistungen des Erwerbers an Dritte, ohne dass eine Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer vorliegt, gehören dagegen nur unter den – im Streitfall nicht vorliegenden – Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zur Gegenleistung (Loose, in: Viskorf, GrEStG, 21. Auflage 2024, § 9 Rz. 571).
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Vor Ausübung des Vorkaufrechts hat grundsätzlich zunächst der Erstkäufer die Kosten für den Abschluss und die Durchführung des Erstvertrages gem. § 448 Abs. 2 BGB zu tragen. Hierzu gehören auch die Notargebühren für den Abschluss des Kaufvertrages vom 19.2.2021. Zwar können die Vertragsparteien durch Vereinbarung von der gesetzlichen Kostenverteilung abweichen. Diesbezüglich ist im Kaufvertrag vom 29.2.2021 aber nichts vereinbart. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten nach § 464 Abs. 2 BGB unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Nach Ausübung des Vorkaufsrechts sind nach h.M. Abschluss- und etwaige Durchführungskosten durch den Vorkaufsberechtigten zu tragen (BGH LM Nr. 2 zu § 505 BGB; BGH, Urt. v. 15.10.1981 III ZR 86/80, NJW 1982, 2068; BGH, Urt. v. 20.5.1983 V ZR 291/81, NJW 1983, 2024; Daum, in: Beck-Online.Großkommentar, Stand: 1.7.2024, § 464 BGB Rn. 24). Dies gilt auch soweit die Kosten durch den Erstkäufer bereits an den Notar gezahlt worden sind. In diesem Fall ist der Vorkaufsberechtigte verpflichtet, dem Erstkäufer die von diesem bezahlten Notarkosten nach der Rückgriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu ersetzen, weil sich der Vorkaufsberechtigte mit Ausübung des Vorkaufsrechts den schon beurkundeten Kaufvertrag zu Nutze gemacht und so die Bereicherung durch eine eigene Handlung herbeigeführt hat. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts fällt der Kaufvertrag auch nicht nachträglich oder rückwirkend weg. Der Kaufvertrag bleibt vielmehr weiterhin bestehen, so dass auch der rechtliche Grund für die Zahlung nicht weggefallen ist (Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 11.4.2012 16 U 226/10, RNotZ 2012, 443).
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bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die Notar- und Grundbuchkosten aus dem Erstkaufvertrag vom 19.2.2021 keine sonstige Leistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Die Klägerin hat mit der Übernahme der Notar- und Grundbuchkosten keine Verpflichtung des Verkäufers übernommen, sondern einen Anspruch der Erstkäuferin gegen sich selbst aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB erfüllt. Die Erstattung der Notargebühren und der Grundbuchkosten schuldet die Klägerin nicht dem Verkäufer, sondern der Erstkäuferin und damit einem Dritten. Mit der Erstattung der Notargebühren an die Erstkäuferin hat die Klägerin auch keine an sich dem Verkäufer obliegende Verpflichtung übernommen. Der Verkäufer war weder beim Kauf durch den Erstkäufer, noch nach Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin Schuldner der Notar- bzw. Grundbuchkosten. Die Notar- und Grundbuchkosten sind daher auch bei der Erstkäuferin nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Die Gebühren für die Leistungen des Notars und des Grundbuchamts waren zunächst nach § 448 Abs. 2 BGB bzw. Abschnitt IX des Kaufvertrags vom 22.7.2020 ausschließlich durch die Erstkäuferin und nicht durch den Verkäufer zu tragen. Eine anderweitige Kostenverteilung enthält der Kaufvertrag vom 22.7.2020 nicht. Die Ausübung des Vorkaufsrechts mit Schreiben vom 16.9.2020 führt nicht zu einer Kostentragungspflicht des Verkäufers, da der Kauf zwischen der Klägerin und dem Verkäufer nach § 464 Abs. 2 BGB unter den Bestimmungen des Erstkaufvertrages zustande kommt. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts sind die Notar- und Grundbuchkosten kraft Gesetzes nach § 464 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der ausdrücklichen Regelung in Abschnitt XII des Kaufvertrages vom 22.7.2020 durch die Klägerin zu tragen. Da die Zahlung der Erstkäuferin an den Notar bereits erfolgt ist, besteht ein Anspruch der Erstkäuferin gegen die Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auf Erstattung dieser Kosten. Etwas Anderes kann auch nicht durch die im Erstkaufvertrag vom 22.7.2020 vorgesehene Bestimmung gelten, wonach der Verkäufer im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts alle Kosten trägt, soweit nicht der Vorkaufsberechtigte diese dem Käufer erstattet. Danach kommt ein Anspruch gegen den Verkäufer nur in Betracht, wenn eine Erstattung durch die Vorkaufsberechtigte nicht erfolgt. Da jedoch ein Erstattungsanspruch der Erstkäuferin gegen die Klägerin besteht und diese die Kosten an die Erstkäuferin auch bereits erstattet hat, entsteht ein Anspruch gegen den Verkäufer hinsichtlich der Notar- und Grundbuchkosten gar nicht erst. Bei den Notarkosten handelt es sich auch um keine Leistungen, die die Klägerin Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
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cc) Auch die Erstattung der Maklergebühren an die Erstkäuferin ist nicht Teil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Es liegt keine sonstige Leistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, da die Klägerin auch hier keine Verpflichtung des Verkäufers übernommen hat.
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Bei der nach der vertraglich vereinbarten Regelung in Abschnitt XII. des notariellen Kaufvertrags vom 22.7.2020 durch die Erstkäuferin zu tragenden Maklerprovision von 6,96 % (inkl. USt) handelt es sich um eine Verbindlichkeit der Erstkäuferin, welche durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 464 Abs. 2 BGB auf die Klägerin übergegangen ist.
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Bei der kaufvertraglichen Verpflichtung zur Zahlung der Maklerprovision in Höhe von 6,96 % (inkl. USt) handelt es sich um eine sog. Maklerprovisionsklausel, die einen eigenen selbständigen Zahlungsanspruch im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB begründet (BGH, Urt. v. 12.03.1998 III ZR 14/97, NJW 1998, 1552; BGH, Urt. v. 20.11.2008 III ZR 60/08, NJW 2009, 1199; BGH, Urt. v. 22.9.2005 – III ZR 295/04, BGH NJW 2005, 3778). Anders als die Notar- und Grundbuchkosten fallen Maklergebühren zwar regelmäßig nicht unter § 448 Abs. 2 BGB. Da allerdings der Kaufvertrag nach § 464 Abs. 2 BGB durch die Ausübung des Vorkaufsrechts mit dem Inhalt zustande kommt, welchen der Verkäufer mit dem Erstkäufer vereinbart hat, geht die Verpflichtung zur Tragung der Maklergebühren aus Abschnitt XII. des notariellen Kaufvertrags vom 22.7.2020 auch auf den Vorkaufsberechtigten über.
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Bei der Maklergebühr in Höhe von 6,96 % (inkl. USt) handelt es sich aber um keine Verbindlichkeit des Verkäufers. Dieser schuldet der Maklerin vielmehr aus eigenem Maklervertrag vom 24.7.2019 eine Gebühr von 1,19 % (inkl. USt) des Gesamtkaufpreises. Die Kaufverträge sind auch vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser am 23.12.2020, nach der Verkäufer und Käufer jeweils 50 % der Maklerprovision tragen müssen, geschlossen worden. Soweit die Erstkäuferin eine höhere Maklerprovision als der Verkäufer zu erbringen hat, war dies bis zur gesetzlichen Neuregelung in § 656 c BGB zulässig. Die Maklerkosten sind nach Abschnitt XII des Kaufvertrages vom 22.7.2020 durch die Erstkäuferin zu tragen und wären daher auch bei dieser nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Mit Ausübung des Vorkaufsrechts am 16.9.2020 geht die Verpflichtung nach § 464 Abs. 2 BGB auf die Klägerin über. Da die Maklerkosten bereits durch die Erstkäuferin gezahlt wurden, liegt auch hier ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auf Erstattung der Kosten vor. Auch das in Abschnitt XII des Kaufvertrages vom 22.7.2020 enthaltene eigene Forderungsrecht des Verkäufers als Versprechensempfänger nach § 335 BGB gegenüber der Erstkäuferin kann daran nichts ändern, denn dieses ist auf die Leistung der Klägerin an die Maklerin als Dritte beschränkt. Eine eigene Gegenleistung an den Verkäufer ist damit nicht verbunden.
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Ferner handelt es sich auch bei den Maklerkosten um keine Leistung, die die Klägerin Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
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b) Der Gesamtbetrag der Gegenleistung ist daher zur Berechnung der Grunderwerbsteuer um 241.836 € zu reduzieren und der Bescheid vom 16.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.1.2022 auf eine Steuerfestsetzung von 110.465 € abzuändern.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
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4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).