Titel:
Verspätete Aushändigung einer Zeitung an Strafgefangenen
Normenketten:
GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
BayStVollzG Art. 5 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2, Art. 70 Abs. 1, Abs. 2, Art. 208
StVollzG § 30 Abs. 2, § 68 Abs. 2, §§ 109 ff., § 115 Abs. 3
Leitsätze:
1. Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Justizvollzugsanstalt aus organisatorischen Gründen für eingehende Post inclusive Zeitungen und Zeitschriften bei der Deutschen P... ein Postfach anmietet und die Einlagen selbst abholt. Hinsichtlich der Beförderung sind die Ablieferung durch Einlegen in einen Hausbriefkasten oder in ein Postfach im Hinblick auf die Qualität der Zustellung und auf die Regellaufzeiten völlig gleichwertig. (Rn. 27 – 31)
2. Die Justizvollzugsanstalt hat aber durch organisatorische Maßnahmen und deren überprüfbare Umsetzung – auch samstags – sicherzustellen, dass sämtliche bei Beendigung der Sortierarbeiten und der damit einhergehenden Schließung des Verteilerzentrums in ihrem Postfach liegenden Sendungen täglich abgeholt, zur Justizvollzugsanstalt befördert und – soweit es sich um Zeitungen und Zeitschriften handelt – am selben Tag an die Strafgefangenen weitergeleitet werden. (Rn. 32)
3. Zur Beweislastverteilung bei verspäteter Aushändigung. (Rn. 47 – 48)
1. Erst wenn die Möglichkeiten der Amtsermittlung erschöpft sind, darf das Gericht nach der Beweislastverteilung entscheiden. Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, muss nach allgemeinen Grundsätzen auch dessen Voraussetzungen beweisen. Dies gilt aber nicht in den Fällen, in denen ein Strafgefangener typischerweise in Beweisnot ist, etwa weil innerorganisatorische Verfahrensabläufe betroffen sind, in die er keinen Einblick hat und auf die er auch keinen Einfluss nehmen kann. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob und wann eine an den Strafgefangenen adressierte Zeitung in das bei der Deutschen Post AG (DP) angemietete Postfach der Justizvollzugsanstalt einsortiert worden ist, weil die Justizvollzugsanstalt vor Abschluss der Sortierarbeiten durch die Bediensteten der DP das Postfach geleert hat und Aufzeichnungen der DP oder sonstige Nachweise über die Zulieferung der besagten Zeitung nicht vorhanden sind, geht dieser Aufklärungsmangel somit zu Lasten der Justizvollzugsanstalt. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafvollzug, Strafgefangener, Zeitung, Zustellung, verspätet, Post, Postfach, Deutsche Post AG
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 06.06.2024 – SR StVK 766/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33599
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt S. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 6. Juni 2024 in Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückverwiesen.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt S.. Er beantragte mit Schreiben vom 02.05.2024, gerichtlich festzustellen, dass die Weiterleitung seiner eingehenden Tageszeitung (... Zeitung) vom 30.04.2024 (einem Dienstag) nicht unverzüglich erfolgt und damit rechtswidrig gewesen sei. Die Zeitung habe er erst am Donnerstag, 02.05.2024 erhalten.
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Das Problem der unzureichenden Weiterleitungspraxis bestehe trotz einschlägiger Beschlüsse der hiesigen Strafvollstreckungskammer weiter. Trotz Änderung der Leerungspraxis des Postfachs bei der Deutschen P... AG, worin die „...“ abgelegt werde, sei keine Verbesserung eingetreten, weshalb die konkrete Wiederholungsgefahr gerichtlich weiterhin als gegeben anerkannt worden sei.
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Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schreiben vom 28.05.2024, die vom Antragsteller wie auch von weiteren Gefangenen abonnierte Tageszeitung „... Zeitung“ werde von der Justizvollzugsanstalt in einem angemieteten Postfach im Verteilerzentrum der Deutschen P... in S..., Am E... 14, am selben Tag abgeholt, an dem diese dort vorliege. Bei dem „Postfach“ handele es sich aufgrund der großen Menge an Post, die die Justizvollzugsanstalt täglich erhalte, nicht um ein solches, sondern um einen zugewiesenen Ablageort im Verteilerzentrum. Dieses habe bis 9.00 Uhr geöffnet, was bedeute, dass bis 9.00 Uhr Mitarbeiter vor Ort anwesend seien, die die Post einsortieren, so dass es den zuständigen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt möglich sei, bis 9.00 Uhr die Post dort abzuholen. Da es in der Vergangenheit mehrfach zu Verzögerungen bei der Belieferung des Verteilerzentrums gekommen sei, sei im November 2023 die Abholpraxis dahin angepasst worden, dass das Postfach von der Justizvollzugsanstalt an Werktagen von Montag bis Freitag erst gegen 9:00 Uhr geleert werde, so dass ermöglicht werden könne, sämtliche Postlieferungen in die Justizvollzugsanstalt zu verbringen. Lediglich am Samstag müsse das Verteilerzentrum aus personellen und organisatorischen Gründen bereits gegen 8.00 Uhr angefahren werden.
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In der Praxis sei aktuell dazu übergegangen worden, dass die Mitarbeiter des Verteilerzentrums den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt bei Abholung der Post Rückmeldung geben, ob bereits alle Zulieferer eingetroffen seien. Oftmals werde dann sogar der Fahrer eines Zulieferers telefonisch kontaktiert, um feststellen zu können, ob dieser noch zeitnah eintreffe, so dass die Post gegebenenfalls noch an diesem Tag sortiert werden könne. Mit dem Verteilerzentrum sei vereinbart worden, dass dieses die Justizvollzugsanstalt telefonisch kontaktiere, sollte die Post noch nach Abfahrt des Bediensteten eintreffen und auch noch an diesem Tag sortiert werden. In den meisten Fällen werde die Justizvollzugsanstalt inzwischen sogar telefonisch informiert, sollte an einem Tag noch sortierte Post im Verteilerzentrum zur Abholung bereit liegen. Auch seien die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt angehalten, nochmals telefonisch im Verteilerzentrum nachzufragen, ob die Zeitungen noch eingetroffen und sortiert worden seien. Die Justizvollzugsanstalt hole die Post dann noch am selben Tag im Verteilerzentrum ab.
5
Es könne jedoch vorkommen, dass auch um 9.00 Uhr die Einlieferung und Einsortierung der Zeitungen noch nicht erfolgt sei. In diesem Fall hätten die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt nach Schließung des Verteilerzentrums nicht mehr die Möglichkeit, die unsortierte Post selbstständig aus dem Verteilerzentrum abzuholen. Ab ca. 9.00 Uhr seien keine Mitarbeiter mehr vor Ort, die die Post in die Postfächer einsortieren bzw. am für die Justizvollzugsanstalt vorgesehenen Ort ablegen. Erst am nächsten Tag werde diese Post einsortiert und den Postfächern zugeteilt.
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Am Dienstag, dem 30.04.2024, sei die ... Zeitung noch nicht im Verteilerzentrum angekommen gewesen, als der zuständige Bedienstete der Justizvollzugsanstalt die Post gegen 9.00 Uhr habe abholen wollen. Der Bedienstete habe dann noch bis kurz nach 9.00 Uhr gewartet, die Zeitungen seien aber in dieser Zeit nicht im Verteilerzentrum angekommen. Da die Lieferung nicht rechtzeitig erfolgt sei, habe die ... Zeitung folglich nicht am 30.04.2024 ausgehändigt werden können. Dies sei zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem 02.05.2024 unverzüglich nachgeholt worden.
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Da die Justizvollzugsanstalt ihre Abholzeiten an die Öffnungszeiten des Verteilerzentrums angepasst habe und somit deren Bedienstete die Post kurz vor dessen Schließung abholen, habe sie alles in ihrem Einflussbereich liegende getan, um die Zeitung tagesaktuell zu erhalten.
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Hierzu entgegnete der Antragsteller mit Schreiben vom 03.06.2024, die Anstalt missbrauche das von ihr freiwillig angemietete Postfach, um Weiterleitungsverstöße kaschieren zu können. Die pauschale Behauptung, seine Zeitung sei nicht im Postfach gelegen, sei wertlos. Unter Hinweis auf Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer zu vorherigen Weiterleitungsverstößen bringt er vor, hinsichtlich der von der Anstalt mitgeteilten Öffnungszeit des Verteilerzentrums bis 9.00 Uhr gebe es eine Karenzzeit von ca. 15 Minuten, so dass bis ca. 9:15 Uhr eine Postfachleerung – zumal für einen Großkunden – möglich wäre. Jedenfalls genüge das Vorbringen der Anstalt, bis kurz nach 9.00 Uhr zu warten, ebensowenig wie die Angabe, die Anstalt werde von der Deutschen Post angerufen, ob sich Post noch im Verteilerzentrum befinde. Der Anstaltsbedienstete habe es unterlassen, sich eigeninitiativ darum zu kümmern, ob es eine Nachlieferung gegeben habe.
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Mit Beschluss vom 06.06.2024 stellte die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing fest, dass die erst am 02.05.2024 erfolgte Aushändigung der am 30.04.2024 erschienenen ... Zeitung durch die Antragsgegnerin an den Antragsteller rechtswidrig gewesen sei. Die derzeitige und zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Zeitung bestehende Praxis der Justizvollzugsanstalt, die ... Zeitung nur dann auszuhändigen, wenn diese bei Abholung durch den Fahrer bereits im Postfach war, sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Die Justizvollzugsanstalt habe mithin ein System, das nicht sicherstelle, dass im Postfach eingehende Post taggleich abgeholt und an die Gefangenen ausgehändigt werde. Gemessen am hohen Stellenwert, den die Post allgemein und insbesondere die Tageszeitung habe, sei die Anstalt im Hinblick auf das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 33 BayStVollzG verpflichtet, sich personell und organisatorisch so aufzustellen, dass Post, die tagsüber eingehe, während der Öffnungszeiten der Post bzw. während der üblichen Dienstzeiten der Bediensteten der Anstalt abgeholt und taggleich ausgehändigt werden könne. Selbst eine Anstellung am Schalter nach Schließung des Verteilerzentrums wäre zumutbar. Eine fehlende Möglichkeit, an Post im Postfach nach 9 Uhr zu kommen, sei schlichtweg völlig lebensfremd.
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Es sei zwar nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin als große Anstalt, bei der täglich viel Post eingehe, ein Postfach angemietet habe. Allerdings müsse sie, wenn sie wisse, dass noch mit Posteingang zu rechnen sei oder dies fahrlässig verkenne, zu ihren Dienstzeiten dafür Sorge tragen, dass diese Post aus dem Briefkasten bzw. dem Postfach taggleich abgeholt und an die Gefangenen ausgegeben werde. Post, die nach der Abfahrt des Fahrers der Justizvollzugsanstalt noch am selben Tag ins Postfach gelegt werde, sei der Justizvollzugsanstalt zugegangen. Diese habe Zugriff auf diese Post, auch wenn das Verteilerzentrum bereits gegen 9.00 Uhr geschlossen sei. Über den im Nebengebäude befindlichen Postschalter könne zu dessen Öffnungszeiten (montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und samstags von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr) ein Zutritt zum Postfach gewährt werden. Eine fehlende Möglichkeit, an Post im Postfach nach 9.00 Uhr zu kommen, sei schlichtweg völlig lebensfremd. Die Strafvollstreckungskammer nahm hierbei Bezug auf Erkenntnisse, die sie anlässlich des zwischen den nämlichen Beteiligten geführten Verfahrens SR StVK 1287/23 bei dem am 19.10.2023 ab 08.05 Uhr durchgeführten Ortstermin im besagten Verteilerzentrum gewonnen hatte.
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Wenn die Deutsche P... die Zeitung am Erscheinungstag nicht in das Postfach lege, sei dies zwar nicht der Justizvollzugsanstalt anzulasten, da sie auf diesen Bereich keinen Einfluss habe. Der Einfluss und die Pflicht zur taggleichen Abholung beginne aber mit Eingang im Postfach bzw. im Briefkasten. Daher sei, auch wenn ein Verschulden der Post nicht als Alternative ausschließbar war, die Rechtswidrigkeit auszusprechen, da die Justizvollzugsanstalt nicht sichergestellt habe, dass ein Organisationsverschulden für den Fehltag auszuschließen sei.
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Selbst wenn man zugrunde lege, dass die Justizvollzugsanstalt nur bis zur Schließung des Verteilerzentrums einen Zugriff auf die Post habe und somit danach keine Abholmöglichkeit mehr bestehe, sei die derzeitige Abholpraxis sowohl samstags als auch werktags als rechtswidrig einzustufen. Es komme gehäuft vor, dass Post bis zur Schließung des Verteilerzentrums von den Zulieferern noch nicht da sei. Es sei auch lebensnah, dass es zu Verzögerungen in der zeitlichen Lieferung durch den Zusteller kommen könne. Die Justizvollzugsanstalt sei jedoch nicht verpflichtet, ein Postfach anzumieten. In Kenntnis der seit etwa einem Jahr gehäuften Verzögerungen der Zeitungsaushändigung wäre die Justizvollzugsanstalt verpflichtet gewesen, ihre Praxis dahin umzustellen, dass die Zeitungen direkt in die Justizvollzugsanstalt geliefert werden und nicht an das Postfach. Die Justizvollzugsanstalt habe daher künftig entweder sicherzustellen, dass innerhalb der Öffnungszeiten der P...eine Zugriffsmöglichkeit auf eingegangene Zeitungen besteht, oder das System „Postfach“ für Zeitungen aufzugeben und diese direkt an die Justizvollzugsanstalt kommen zu lassen.
13
Gegen diesen am 07.06.2024 zugestellten Beschluss hat die Justizvollzugsanstalt S. mit Schreiben vom 25.06.2024, eingegangen am 04.07.2024, Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss in der Hauptsache und der Kostenentscheidung aufzuheben, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zu verwerfen, und hilfsweise die Sache an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zurückzuverweisen.
14
Zur Sache führt sie unter anderem aus, dass sie unabhängig von der Frage, ob Tageszeitungen Schreiben, die der Wahrung gerichtlicher Fristen dienen, gleichzusetzen seien, ihren Verpflichtungen bereits hinreichend nachkomme, indem sie mindestens einmal täglich das von ihr angemietete Postfach leere. Sollte bekannt sein, dass eine weitere taggleiche Einsortierung von Post in das angemietete Postfach erfolge, werde dieses ein weiteres Mal geleert. Gleiches gelte bei telefonischer Mitteilung durch Mitarbeiter des Verteilerzentrums, dass nochmals Post in das entsprechende Postfach einsortiert wurde. Es werde daher alles unternommen, um den Gefangenen die in Rede stehende Tageszeitung am Erscheinungstag aushändigen zu können.
15
Zum Verfahren rügt sie eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Strafvollstreckungskammer.
16
Die Generalstaatsanwaltschaft M... beantragt
mit Schreiben vom 06.08.2024, die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.
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Auf Anfrage hat die Justizvollzugsanstalt S. mit Schreiben vom 28.08.2024 erklärt, dass die Rechtsbeschwerde aufrechterhalten bleibt.
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Hierzu erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 09.09.2024.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG zulässig, da eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
20
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache – jedenfalls vorläufig – Erfolg, da die Strafvollstreckungskammer ihrer Aufklärungspflicht in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht nachgekommen ist.
21
Gegenstand der von der Strafvollstreckungskammer als rechtswidrig festgestellten Maßnahme der Justizvollzugsanstalt ist die verzögerte Weiterleitung der Ausgabe der ... Zeitung vom Dienstag, den 30.04.2024 an den antragstellenden Strafgefangenen am 02.05.2024, also einer Zeitung (und nicht sonstiger Postsendungen), die an Werktagen außer Samstag erschienen ist. Die Frage der Rechtswidrigkeit der verzögerten Aushändigung einer am Samstag (20.04.2024) erschienenen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ist Gegenstand eines weiteren beim Senat anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahrens (Az. 204 StObWs 362/24).
22
Der Feststellungsantrag des Strafgefangenen ist zulässig (s. unten unter 1.). Die Strafvollstreckungskammer hat diesen im Grundsatz zutreffend auch als begründet angesehen. Das Vorbringen der Antragsgegnerin – seine Nachweislichkeit unterstellt – lässt nämlich nicht hinreichend erkennen, dass diese organisatorisch sichergestellt hat, dass die in ihr Postfach eingelegten Zeitungen unverzüglich, also taggleich, an die Strafgefangenen weitergeleitet werden (s. unten unter 2.). Die Sache ist aber nicht entscheidungsreif. Eine Rechtsverletzung liegt nämlich nur vor, wenn die unzureichende Organisation ursächlich dafür war, dass der Antragsteller die Süddeutsche Zeitung vom 30.04.2024 erst am 02.05.2024 erhalten hat. Insoweit hat die Strafvollstreckungskammer nicht aufgeklärt, ob und wann diese Zeitung überhaupt in der Postfiliale in S... eingeliefert worden ist und den Strafgefangenen unabhängig von einem Organisationsverschulden am selben Tag erreicht hätte (s. unten unter 3.). Demgemäß ist das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.
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1. Der erstinstanzlich gestellte Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung, bei dem es sich um einen primären Feststellungsantrag handelt, ist form- und fristgerecht gestellt worden und auch sonst zulässig. Vor allem ergibt sich ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Antragstellers wegen des Vorliegens einer Wiederholungsgefahr und unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines gewichtigen Grundrechtseingriffs von solcher Art, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Der Antragsteller macht insoweit schlüssig geltend, dass infolge der verspäteten Aushändigung der von ihm abonnierten Tageszeitung sein Grundrecht auf Informationsfreiheit betroffen ist. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet für jedermann das Recht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Zu diesen gehören von Natur aus Zeitungen als eines der wichtigsten Informationsmittel (BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65 –, BVerfGE 27, 71, juris Rn. 29 und 35; OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.09.2008 – 2 Ws 433/08 –, juris Rn. 18). Art. 70 Abs. 2 BayStVollzG regelt in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Ausübung des in Art. 5 GG enthaltenen Grundrechts, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, soweit es den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften betrifft (zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 68 Abs. 2 StVollzG vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.09.1995 – 2 BvR 636/95 –, NStZ-RR 1996, 55, juris Rn. 19; OLG Jena, Beschluss vom 17.06.2004 – 1 Ws 118/04 –, NStZ-RR 2004, 317). Dem entspricht es, dass Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG nicht als Ermessensvorschrift aufgefasst wird, sondern als eine Rechtsnorm, die einen Anspruch des Gefangenen auf Bezug von Zeitungen und Zeitschriften begründet (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 31.08.2010 – 1 Ws 387/10 –, juris Rn. 10 zu § 65 NJVollzG; OLG Jena, Beschluss vom 17.06.2004 – 1 Ws 118/04 –, NStZ-RR 2004, 317). Im übrigen wird insoweit auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 11.11.2024 (204 StObWs 362/24), der ein gleichgelagertes Verfahren zwischen den nämlichen Beteiligten betrifft, Bezug genommen.
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2. Die Strafvollstreckungskammer hat den Feststellungsantrag des Strafgefangenen, „dass die Weiterleitung seiner eingehenden Tageszeitung (... Zeitung (...)) vom 30. April 2024 nicht unverzüglich erfolgte und somit rechtswidrig war“, im Grundsatz zutreffend als begründet angesehen. Denn das Vorbringen der Antragsgegnerin – seine Nachweislichkeit unterstellt – lässt nicht hinreichend erkennen, dass diese organisatorisch sichergestellt hat, dass alle Zeitungen, die werktäglich durch Mitarbeiter der P... bis zum Abschluss der Verteilarbeiten in das in der ...filiale in S... unterhaltene Postfach der Antragsgegnerin einsortiert werden, von deren Bediensteten abgeholt und in die Justizvollzugsanstalt zur Weitergabe an die Gefangenen verbracht werden.
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a) Die Justizvollzugsanstalt muss innerhalb ihres Verantwortungsbereichs organisatorische Vorkehrungen treffen, damit die von den Gefangenen (zulässigerweise) abonnierten Zeitungen diese an allen werktäglichen Erscheinungstagen erreichen.
26
Es entspricht dem Angleichungsgrundsatz des Art. 5 Abs. 1 BayStVollzG, die von dem Gefangenen durch Vermittlung der Anstalt bezogenen Zeitungen möglichst am Tage ihres Erscheinens auszuhändigen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.11.1992 – Ws 1264/92 –, BeckRS 1992, 31343999; in ZfStrVo 1993, 116 und juris nur red. Leitsatz; Jehle in: Schwind/Böhm/Jehle/ Laubenthal, a.a.O., Kap. 1 Abschn. D Rn. 7; BeckOK Strafvollzug Bund/Anstötz, a.a.O., StVollzG § 3 Rn. 4; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 20. Ed. 01.04.2024, BayStVollzG Art. 5 Rn. 4; Arloth/ Krä/Arloth, a.a.O., StVollzG § 3 Rn. 2a). Hiervon kann lediglich abgewichen werden, wenn eine spätere Aushändigung aus Gründen der Überprüfung der Zeitung auf verbotene Inhalte gemäß Art. 70 Abs. 2 BayStVollzG im Einzelfall erforderlich ist (vgl. hierzu die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 11.11.2024 – 204 StObWs 362/24).
27
b) Der Justizvollzugsanstalt bleibt es unbenommen, wie sie dieser Verpflichtung nachkommt, soweit hierdurch keine vermeidbaren Verzögerungen entstehen.
28
aa) Im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz ist zu berücksichtigen, dass ein in Freiheit lebender Zeitungsbezieher die Möglichkeit hat, sich zwischen einem Direktabonnement (mit Lieferung unmittelbar durch Zeitungsausträger oder -austrägerinnen) und einer Lieferung der Zeitungen über einen Postdienstleister zu entscheiden (vgl. hierzu Gramlich/von Ulmenstein, N& R 2006, 111). Beide Möglichkeiten stehen nach Vermittlung durch die Anstalt (Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG) grundsätzlich auch den Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt S. zu, wie diese selbst vorgebracht hat. Der Antragsteller hat somit die Wahl zwischen einem Direktabonnement und der Lieferung über die P....
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bb) Im Falle des Bezugs über die Deutsche P.. AG stellen die von dieser angebotenen Formen der Einlegung der von ihr beförderten Zeitungen in den Hausbriefkasten des Empfängers oder in ein von diesem angemietetes Postfach im Hinblick auf die Qualität der Zustellung und auf die Regellaufzeiten völlig gleichwertige Zustellverfahren dar. Dies entspricht auch den gesetzlichen Vorgaben, so dass der Justizvollzugsanstalt bereits aus Rechtsgründen nicht vorgeworfen werden kann, sie habe durch die Anmietung eines Postfachs einen für die Strafgefangenen nachteiligen Postempfangsweg gewählt. Auch diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 11.11.2024 (Az. 204 StObWs 362/24) verwiesen.
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Ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit beider Zustellarten ist nicht ersichtlich, dass die Zustellung über den Briefzusteller durch Einlegung in den Hausbriefkasten grundsätzliche tatsächliche Vorteile für den Empfänger haben würde. Auch die Briefzusteller können nur diejenigen Sendungen zustellen, die durch die zuständigen Mitarbeiter der Deutschen Post vorsortiert und rechtzeitig für ihre werktägliche Zustellungstour bereitgestellt worden sind. Demgegenüber gehört es zu den Vorteilen eines Postfaches, dass der Empfänger die Post zu einer frei wählbaren Zeit abholen kann. Damit ist er von der Gangfolge des ...zustellers unabhängig und kann seine Post in der Regel früher als durch den Zusteller erhalten (vgl. hierzu auch Eintrag in ... unter „Postfach“). Dementsprechend wirbt die Deutsche P... mit den Vorteilen des Postfachs unter anderem mit der Aussage: „Und Sie möchten zeitlich unabhängig und schneller auf Ihre Post zugreifen? Dann beauftragen Sie doch ein Postfach und werden Postfachinhaber!“ (https://www.....html).
31
Legt man die im Verfahren SR StVK 1287/23 getroffenen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer zugrunde, wonach die Bediensteten der Deutschen P... im Verteilerzentrum in der betreffenden Filiale in Straubing die Sortierarbeiten für die Postfächer an Werktagen (einschließlich Samstag) in der Regel bis gegen 9.00 Uhr – teilweise auch eine kurze Zeitspanne darüber hinaus – beendet haben, hat die „Postfachlösung“ den Vorteil, dass die für die Insassen der Anstalt bestimmten Postsendungen täglich so zeitig dort eingehen, dass sie unverzüglich überprüft werden und in der Regel noch am selben Tag den Gefangenen ausgehändigt werden können. Dies gilt im besonderen Maße für Zeitungen, bei denen der Überprüfungsaufwand überschaubar ist.
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cc) Im Fall der Anmietung eines Postfachs hat die Justizvollzugsanstalt grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass alle beim Abschluss der täglichen Sortierarbeiten durch die Mitarbeiter des Verteilerzentrums in ihrem Postfach liegenden und damit in ihre Verfügungsmacht gelangten Zeitungen dort am selben Tag abgeholt und zeitnah an die Empfänger verteilt werden.
33
(1) Mit der Einlegung in das Postfach gelangen Briefsendungen – nichts anderes gilt für Zeitungen und Zeitschriften – grundsätzlich in den Machtbereich des Postfachmieters (vgl. zum Zugang eines Bescheids BFH, Beschlüsse vom 12.08.1998 – IV B 145/97 –, juris Rn. 5; BFH, Urteil vom 13.10.1994 – IV R 100/93 –, juris Rn. 16; zum Zugang einer Willenserklärung BGH, Urteil vom 19.01.1955 – IV ZR 160/54 –, DRiZ 1955, 61, Leitsatz Nr. 1 in juris; Beschluss vom 31.07.2003 – III ZR 353/02 –, juris Rn. 7), hier also der Justizvollzugsanstalt.
34
(2) Anders als der in Freiheit befindliche Bürger hat ein Gefangener keine Möglichkeit, ein angemietetes Postfach selbst zu leeren bzw. sich Post und Zeitungen direkt in einen eigenen Briefkasten liefern zu lassen. Demgemäß hat die Antragsgegnerin durch organisatorische Maßnahmen und deren überprüfbare Umsetzung sicherzustellen, dass sämtliche bei Beendigung der Sortierarbeiten und der damit einhergehenden Schließung des Verteilerzentrums in ihrem Postfach liegenden Sendungen täglich abgeholt, zur Justizvollzugsanstalt befördert und – soweit es sich um Zeitungen und Zeitschriften handelt – am selben Tag an die Strafgefangenen weitergeleitet werden. Die Anstalt kann, soweit es anstaltsbezogene Verzögerungen anbelangt, die auf eigenem Organisationsverschulden beruhen, dem Antragsteller nicht entgegenhalten, er habe die Möglichkeit, bei der Postfachvariante eintretende Verzögerungen dadurch auszugleichen, dass er sich für ein kostenpflichtiges Direktabonnement anstelle des kostenlosen Abonnements mittels Postzustellung entscheiden soll. Anstaltsbezogene Verzögerungen bei der Verteilung von Zeitungen an die Empfänger liegen im Verantwortungsbereich der Justizvollzugsanstalt und können grundsätzlich nur mit dem Zeitaufwand für die gemäß Art. 70 Abs. 2 BayStVollzG erforderliche Kontrolle gerechtfertigt werden.
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(3) Die Justizvollzugsanstalt hat wegen ihres nachvollziehbaren Anliegens eines planbaren Personaleinsatzes zwar ein berechtigtes Interesse daran, einen festen Zeitrahmen für die Postabholung, Überprüfung und Verteilung an die Gefangenen einzuhalten. Dieses Interesse ist aber hinreichend gewahrt, wenn die Sortierarbeiten der ...filiale S... – wie von der Strafvollstreckungskammer festgestellt – regelmäßig um 9.00 Uhr bzw. in einem überschaubaren Zeitraum danach beendet sind, so dass die Anstalt in diesem vorhersehbaren Zeitfenster die Abholung der Zeitungen zu gewährleisten hat.
36
(4) Die Strafvollstreckungskammer geht aufgrund der beim Ortstermin im Verfahren SR StVK 1287/23 gewonnenen Erkenntnisse davon aus, dass die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt auch nach Abschluss der Sortierarbeiten und Schließung des Verteilerzentrums Zugang zu diesem während der Schalteröffnungszeiten erhalten können, um die in ihrem Postfach (bzw. dem für sie bestimmten Ablageplatz) liegenden Postsendungen abzuholen. Dies hat die Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich vorgebracht, sie habe nach Schließung des Verteilerzentrums keinen Zugang mehr auf dort liegende unsortierte Post. Dass die Justizvollzugsanstalt nicht berechtigt oder gar verpflichtet ist, die sonstigen eventuell im Verteilerzentrum liegenden unsortierten Postsendungen daraufhin zu durchsuchen, ob für sie etwas dabei ist, liegt auf der Hand (und wird auch vom Antragsteller nicht in Frage gestellt). Demgemäß besteht auch keine Rechtspflicht der Antragsgegnerin, Zeitungen, die nach Abschluss der Sortierarbeiten beim Verteilerzentrum angeliefert, aber nicht mehr in ihr Postfach eingelegt werden, noch am selben Tag dort abzuholen. Wegen der Gleichwertigkeit beider Zustellformen kann die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer insoweit auch nicht darauf verwiesen werden, ihre Praxis dahin umzustellen, dass die Zeitungen direkt in die Anstalt geliefert werden und nicht an das Postfach. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post keine häufigere als die gesetzlich garantierte einmalige tägliche Zustellung in den Hausbriefkasten vorsehen (vgl. hierzu die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 11.11.2024 – 204 StObWs 362/24).
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Bestünde jedoch aus auf Seiten der Deutschen P... liegenden Gründen für die Justizvollzugsanstalt tatsächlich keine Möglichkeit mehr, nach Abschluss der Sortierarbeiten und Schließung des Verteilerzentrums die in ihrem Postfach befindlichen Zeitungen abzuholen, so hätte sie auf anderem Wege sicherzustellen, dass diese tatsächlich die Anstalt erreichen. Dies kann es, wie die Strafvollstreckungskammer insoweit zutreffend ausführt, gegebenenfalls erfordern, das System „Postfach“ für Zeitungen aufzugeben und diese durch die Deutsche P... direkt an die Justizvollzugsanstalt liefern zu lassen.
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dd) Dies zugrunde gelegt ist bereits aufgrund des Vorbringens der Anstalt nicht ersichtlich, ob sie ihrer aus dem Grundrecht des Antragstellers auf Informationsfreiheit erwachsenden Verpflichtung, innerhalb ihres Verantwortungsbereichs organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit die vom Antragsteller abonnierte ... Zeitung diesen möglichst am Erscheinungstag noch erreicht, in Bezug auf die Dienstagsausgabe vom 30.04.2024 hinreichend nachgekommen ist.
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(1) Der Anstalt steht es frei, wie sie der genannten Verpflichtung nachkommt, ob sie etwa den mit der Abholung der Postsendungen betrauten Mitarbeiter anweist, das Verteilerzentrum erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dessen Schließung, also gegen 9.00 Uhr, anzufahren, um die nach Abschluss der Sortierarbeiten in ihrem Postfach liegenden Zeitungen abzuholen, oder ob sie auf andere Weise dafür Sorge trägt, zuverlässig von den Mitarbeitern des Verteilerzentrums darüber informiert zu werden, wenn nach Abschluss der Sortierarbeiten noch nicht abgeholte Postsendungen und Zeitungen in ihrem Postfach liegen, damit eine nochmalige Abholung durchgeführt werden kann.
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(2) Die Antragsgegnerin hat insoweit vorgebracht, dass ihr Bediensteter am 30.04.2024 gegen 9.00 Uhr beim Verteilerzentrum angekommen sei und noch bis kurz nach 9.00 Uhr gewartet habe, die Zeitungen aber in dieser Zeit nicht im Verteilerzentrum angekommen seien. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen (anders als im Parallelverfahren 204 StObWs 362/24) nicht belegt wurde, bleibt offen, ob die Sortierarbeiten im Verteilerzentrum an diesem Tag bei Abfahrt des Bediensteten der Anstalt bereits abgeschlossen waren oder noch andauerten.
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(3) Die von der Justizvollzugsanstalt getroffenen organisatorischen Maßnahmen müssen aber nachvollziehbar sein und sicherstellen, dass sie Kenntnis davon erlangt, ob sich nach Sortierschluss Post in ihrem Postfach befindet. Dies kann gegebenenfalls durch einen aktiven Telefonanruf bei der betreffenden Postfiliale geschehen.
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Die Antragsgegnerin hat zwar vorgebracht, mit dem Verteilerzentrum sei vereinbart worden, dass dieses die Anstalt telefonisch kontaktiere, sollte die Post nach Abfahrt des Bediensteten eintreffen und auch noch an diesem Tag sortiert werden. Unabhängig von der Frage, ob in einem grundrechtsrelevanten Fall die Mitteilungsobliegenheit der Deutschen Post auferlegt werden kann, und abgesehen davon, dass Angaben fehlen, zwischen welchen Personen eine solche Vereinbarung – schriftlich oder mündlich – getroffen worden ist, ist aber nicht dargelegt worden, ob auf Seiten der Deutschen P... eine solche Vereinbarung zuverlässig eingehalten wird. Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, in den meisten Fällen werde sie inzwischen sogar telefonisch informiert, sollte an einem Tag noch sortierte Post im Verteilerzentrum zur Abholung bereitliegen. Die Formulierung „in den meisten Fällen“ zeigt aber, dass nicht sichergestellt ist, dass eine solche Information in jedem Fall erfolgt.
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Nur wenn aber gewährleistet ist, dass nach Abschluss der Sortierarbeiten im Postfach der Anstalt liegende Zeitungen am selben Tag noch von dieser abgeholt werden können und tatsächlich abgeholt werden, kommt diese ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Weiterleitung nach. 3. Ein Organisationsverschulden der Justizvollzugsanstalt hinsichtlich der Abholung aller in ihrem Postfach liegenden Zeitungen hätte sich aber dann nicht ausgewirkt, wenn am 30.04.2024 eine Zulieferung der für den Antragsteller bestimmten ... Zeitung an das Verteilerzentrum vor Abschluss der Sortierarbeiten nicht erfolgt wäre.
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a) Die Beschwerdeführerin rügt insoweit eine Verletzung der Aufklärungspflicht, weil sich die Strafvollstreckungskammer nicht beim Verteilerzentrum erkundigt habe, ob dort Kenntnisse bzw. Aufzeichnungen bezüglich des 30.04.2024 vorliegen, wann die Zeitung dort eingeliefert worden ist. Es sei nicht auszuschließen, dass dies der Fall sei und sich hieraus ergebe, dass die Verspätung der Deutschen P... bzw. deren Anlieferern anzulasten sei, so dass unabhängig von der Abholpraxis der Justizvollzugsanstalt die Zeitung erst am nächsten Werktag an den Antragsteller hätte weitergeleitet werden können.
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b) Die Strafvollstreckungskammer hat diesen Umstand nicht aufgeklärt. Hierzu bestand aber Anlass, weil die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 28.05.2024 vorgebracht hat, dass die Lieferung nicht rechtzeitig erfolgt sei. Vielmehr liege deren verspätete Aushändigung in den derzeitigen Zustellproblemen der Deutschen P... begründet, so dass die Justizvollzugsanstalt nicht gegen das Gebot verstoßen habe, dem Antragsteller seine Zeitung unverzüglich auszuhändigen.
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aa) Ob die ... Zeitung am 30.04.2024 nicht mehr rechtzeitig das Verteilerzentrum der Postfiliale erreicht hat, um in das Postfach der Antragsgegnerin einsortiert zu werden, hat das Gericht grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. Auch wenn dies naheliegen mag, steht nicht von vornherein fest, dass eine solche Aufklärung unmöglich ist.
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bb) Erst wenn die Möglichkeiten der Amtsermittlung erschöpft sind, darf das Gericht nach der Beweislastverteilung entscheiden, wobei die sich auf eine verspätete Zulieferung berufende Antragsgegnerin die Darlegungslast hat. Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, muss nach allgemeinen Grundsätzen auch dessen Voraussetzungen beweisen. Dies gilt aber nicht in den Fällen, in denen ein Strafgefangener typischerweise in Beweisnot ist, etwa weil innerorganisatorische Verfahrensabläufe betroffen sind, in die er keinen Einblick hat und auf die er auch keinen Einfluss nehmen kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28.06.2021 – 203 StObWs 273/21 –, juris Rn. 7). So liegt es hier.
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Die Anmietung eines Postfachs beruht auf einer eigenständigen Entscheidung der Justizvollzugsanstalt. Mit der Einlage in ihr im Verteilerzentrum befindliches Postfach gelangen die eingehenden Postsendungen in ihre Verfügungsgewalt, ohne dass der einzelne Strafgefangene einen Einblick in die dortigen Vorgänge hat. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob und wann die betreffende Zeitung am 30.04.2024 in das Postfach der Justizvollzugsanstalt einsortiert worden ist, weil die Justizvollzugsanstalt möglicherweise bereits vor Abschluss der Sortierarbeiten durch die Bediensteten der Deutschen Post das Postfach geleert hat und Aufzeichnungen der Deutschen P... oder sonstige Nachweise über die Zulieferung der besagten Zeitung nicht vorhanden sind, geht dieser Aufklärungsmangel somit zu Lasten der Justizvollzugsanstalt.
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1. Die Entscheidung über die Kosten- und Auslagen in der Rechtsbeschwerdeinstanz bleibt bei einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer dieser vorbehalten (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 121 Rn. 1).
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2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG.