Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 11.11.2024 – 204 StObWs 362/24
Titel:

Verspätete Aushändigung einer Zeitung an Strafgefangenen

Normenketten:
GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
StVollzG § 30 Abs. 2, § 68 Abs. 2, §§ 109 ff., § 115 Abs. 3
BayStVollzG Art. 5 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2, Art. 70 Abs. 1, Abs. 2, Art. 208
Leitsätze:
1. Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Justizvollzugsanstalt aus organisatorischen Gründen für eingehende Post inclusive Zeitungen und Zeitschriften bei der DP ein Postfach anmietet und die Einlagen selbst abholt. Hinsichtlich der Beförderung sind die Ablieferung durch Einlegen in einen Hausbriefkasten oder in ein Postfach im Hinblick auf die Qualität der Zustellung und auf die Regellaufzeiten völlig gleichwertig. (Rn. 70)
2. Die Justizvollzugsanstalt hat aber durch organisatorische Maßnahmen und deren überprüfbare Umsetzung – auch samstags – sicherzustellen, dass sämtliche bei Beendigung der Sortierarbeiten und der damit einhergehenden Schließung des Verteilerzentrums in ihrem Postfach liegenden Sendungen täglich abgeholt, zur Justizvollzugsanstalt befördert und – soweit es sich um Zeitungen und Zeitschriften handelt – am selben Tag an die Strafgefangenen weitergeleitet werden. (Rn. 73)
3. Zur Beweislastverteilung bei verspäteter Aushändigung. (Rn. 90 – 91)
1. Erst wenn die Möglichkeiten der Amtsermittlung erschöpft sind, darf das Gericht nach der Beweislastverteilung entscheiden. Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, muss nach allgemeinen Grundsätzen auch dessen Voraussetzungen beweisen. Dies gilt aber nicht in den Fällen, in denen ein Strafgefangener typischerweise in Beweisnot ist, etwa weil innerorganisatorische Verfahrensabläufe betroffen sind, in die er keinen Einblick hat und auf die er auch keinen Einfluss nehmen kann. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob und wann eine an den Strafgefangenen adressierte Zeitung in das bei der Deutschen Post AG (DP) angemietete Postfach der Justizvollzugsanstalt einsortiert worden ist, weil die Justizvollzugsanstalt vor Abschluss der Sortierarbeiten durch die Bediensteten der DP das Postfach geleert hat und Aufzeichnungen der DP oder sonstige Nachweise über die Zulieferung der besagten Zeitung nicht vorhanden sind, geht dieser Aufklärungsmangel somit zu Lasten der Justizvollzugsanstalt. (Rn. 91) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafvollzug, Zeitung, Zustellung, verspätet, Postfach, Deutsche Post AG
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 06.06.2024 – SR StVK 705/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33593

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt S. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 6. Juni 2024 in Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückverwiesen.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt S.. Er beantragte mit Schreiben vom 22.04.2024, gerichtlich festzustellen, dass die Weiterleitung seiner eingehenden Tageszeitung (SZ) vom 20.04.2024 (einem Samstag) nicht unverzüglich erfolgt und damit rechtswidrig gewesen sei. Die Zeitung habe er erst am Montag, 22.04.2024 erhalten.
2
Seit „zig“Jahren würden die Anstaltsbediensteten seine eingehende „SZ“ zu spät weiterleiten. Allein wegen der Weiterleitungsverstöße im Jahr 2023 habe die hiesige Strafvollstreckungskammer in zahlreichen Verfahren die Rechtswidrigkeit festgestellt.
3
Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schreiben vom 28.05.2024, die vom Antragsteller wie auch von weiteren Gefangenen abonnierte Tageszeitung „SZ“ werde von der Justizvollzugsanstalt in einem angemieteten Postfach im Verteilerzentrum der DP in S., am selben Tag abgeholt, an dem diese dort vorliege. Bei dem „Postfach“ handele es sich aufgrund der großen Menge an Post, die die Justizvollzugsanstalt täglich erhalte, um einen zugewiesenen Ablageort im Verteilerzentrum. Dieses habe bis 9.00 Uhr geöffnet, da bis dahin Mitarbeiter vor Ort anwesend seien, die die Post einsortieren, so dass es den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt möglich sei, bis 9.00 Uhr die Post dort abzuholen. Da es in der Vergangenheit mehrfach zu Verzögerungen bei der Belieferung des Verteilerzentrums gekommen sei, sei im November 2023 die Abholpraxis dahin angepasst worden, dass das Postfach von der Justizvollzugsanstalt an Werktagen von Montag bis Freitag erst gegen 9:00 Uhr geleert werde, so dass ermöglicht werden könne, sämtliche Postlieferungen in die Justizvollzugsanstalt zu verbringen. Lediglich am Samstag müsse das Verteilerzentrum aus personellen und organisatorischen Gründen bereits gegen 8.00 Uhr angefahren werden.
4
Mit dem Verteilerzentrum sei vereinbart worden, dass dieses die Justizvollzugsanstalt telefonisch kontaktiere, sollte die Post noch nach Abfahrt des Bediensteten eintreffen und auch noch an diesem Tag sortiert werden. Die Justizvollzugsanstalt habe dann die Möglichkeit, die Post noch am selben Tag abzuholen. Dies werde dann auch so umgesetzt.
5
Es könne jedoch vorkommen, dass auch um 9.00 Uhr die Einlieferung und Einsortierung der Zeitungen noch nicht erfolgt sei. In diesem Fall hätten die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt nach Schließung des Verteilerzentrums nicht mehr die Möglichkeit, die unsortierte Post selbstständig aus dem Verteilerzentrum abzuholen. Auch wenn nach 9.00 Uhr noch Post durch verspätete Zulieferer im Verteilerzentrum eintreffe, werde diese erst am nächsten Tag einsortiert und stehe auch erst am nächsten Tag zur Abholung bereit. Auf diese Arbeitsabläufe habe die Antragsgegnerin keinen Einfluss. Sie habe ihre Abläufe derart angepasst, dass eine Aushändigung der Zeitung am Erscheinungstag bestmöglich gewährleistet werden könne. Soweit die Post nicht mehr am Erscheinungstag einsortiert werde, habe die Justizvollzugsanstalt keine Möglichkeit, die Zeitung am selben Tag auszuhändigen. Eine durch die Justizvollzugsanstalt verschuldete Verzögerung der Aushändigung sei somit ausgeschlossen. Auch als Person außerhalb der Justizvollzugsanstalt habe man keinerlei Einfluss auf die Auslieferungszeiten der DP.
6
Am Samstag, dem 20.04.2024, sei die SZ noch nicht im Verteilerzentrum angekommen gewesen, als der Bedienstete der Justizvollzugsanstalt die Post gegen 8.00 Uhr habe abholen wollen. Dieser sei vor Ort informiert worden, dass noch nicht alle Zeitungen geliefert worden waren. Die Mitarbeiter der Post hätten keine verbindliche Aussage treffen können, ob und zu welchem Zeitpunkt noch eine Lieferung kommen würde. Nach kurzer Wartezeit sei der Bedienstete der Justizvollzugsanstalt gegen 8.15 Uhr wieder zurück in die Justizvollzugsanstalt gefahren, da er dort ab 8.45 Uhr für die Besuchs- und Skypetermine der Gefangenen zuständig gewesen sei. Er habe umgehend den Wochenenddienstleiter über die unvollständige Lieferung informiert und den Vorfall protokolliert. In den meisten Fällen werde die Justizvollzugsanstalt inzwischen sogar telefonisch informiert, sollte an einem Tag noch sortierte Post im Verteilerzentrum zur Abholung bereitliegen. Am 20.04.2024 sei eine derartige Mitteilung nicht erfolgt.
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Da die Lieferung nicht rechtzeitig erfolgt sei, habe die SZ dem Antragsteller folglich am 20.04.2024 nicht ausgehändigt werden können. Dies sei zum nächstmöglichen Zeitpunkt, am Montag, dem 22.04.2024, unverzüglich nachgeholt worden.
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Hierzu entgegnete der Antragsteller mit Schreiben vom 03.06.2024, die Anstalt missbrauche das von ihr freiwillig angemietete Postfach, um Weiterleitungsverstöße kaschieren zu können. Die pauschale Behauptung, seine Zeitung sei nicht im Postfach gelegen, sei wertlos. Hinsichtlich der Öffnungszeit des Verteilerzentrums bis 9.00 Uhr gebe es eine Karenzzeit von ca. 15 Minuten, so dass bis ca. 9:15 Uhr eine Leerung – zumal für einen Großkunden – möglich wäre. Jedenfalls sei die im vorliegenden Verfahren von der Anstalt mitgeteilte Anfahrtszeit gegen 8.00 Uhr zu früh.
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Mit Beschluss vom 06.06.2024 stellte die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing fest, dass die erst am 22.04.2024 erfolgte Aushändigung der am 20.04.2024 erschienenen SZ durch die Antragsgegnerin an den Antragsteller rechtswidrig gewesen sei. Die Justizvollzugsanstalt verletze durch die derzeitige Praxis der Postabholung evident das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG. Diese für ein- und ausgehende Schreiben geltende Regelung sei, wovon auch die Anstalt ausgehe, auf Tageszeitungen anzuwenden. Die Justizvollzugsanstalt habe ein System, das nicht sicher stelle, dass im Postfach eingehende Post taggleich abgeholt und an die Gefangenen ausgehändigt werde. Es sei erforderlich, dass der Fahrer tatsächlich bis zur Schließung des Verteilerzentrums bzw. solange die Postmitarbeiter noch sortieren, warte, was gerade samstags evident nicht der Fall sei. Gemessen am hohen Stellenwert, den die Post allgemein und insbesondere eine Tageszeitung für Gefangene habe, sei dies der Justizvollzugsanstalt aber personell und organisatorisch zumutbar. Da Besuche für Gefangene und telefonische Kontakte nur begrenzt möglich seien, komme Post und Zeitungen als Bezug zur Außenwelt ein hoher Rang zu.
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Selbst wenn es für die Justizvollzugsanstalt nicht möglich sei, nach Schließung des Verteilerzentrums an die Zeitungen zu kommen, könne sie sich nicht darauf berufen, dass die verzögerte Aushändigung nicht in ihre Sphäre falle. Es sei zwar nicht zu beanstanden, dass sie als große Anstalt, bei der täglich viel Post eingehe, ein Postfach angemietet habe. Allerdings müsse sie, wenn sie wisse, dass noch mit Posteingang zu rechnen sei oder dies fahrlässig verkenne, zu ihren Dienstzeiten dafür Sorge tragen, dass diese Post aus dem Briefkasten bzw. dem Postfach taggleich abgeholt und an die Gefangenen ausgegeben werde. Post, die nach der Abfahrt des Fahrers der Justizvollzugsanstalt noch am selben Tag ins Postfach gelegt werde, sei der Justizvollzugsanstalt zugegangen. Diese habe Zugriff auf diese Post, auch wenn das Verteilerzentrum bereits gegen 9.00 Uhr geschlossen sei. Über den im Nebengebäude befindlichen Postschalter könne zu dessen Öffnungszeiten (montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und samstags von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr) ein Zutritt zum Postfach gewährt werden. Eine fehlende Möglichkeit, an Post im Postfach nach 9.00 Uhr zu kommen, sei schlichtweg völlig lebensfremd. Die Strafvollstreckungskammer nahm hierbei Bezug auf Erkenntnisse, die sie anlässlich des zwischen den nämlichen Beteiligten geführten Verfahrens SR StVK 1287/23 bei dem am 19.10.2023 ab 08.05 Uhr durchgeführten Ortstermin im besagten Verteilerzentrum gewonnen hatte.
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Wenn die DP die Zeitung am Erscheinungstag nicht in das Postfach lege, sei dies zwar nicht der Justizvollzugsanstalt anzulasten, da sie auf diesen Bereich keinen Einfluss habe. Der Einfluss und die Pflicht zur taggleichen Abholung beginne aber mit Eingang im Postfach bzw. im Briefkasten. Daher sei, auch wenn ein Verschulden der Post nicht als Alternative ausschließbar war, die Rechtswidrigkeit auszusprechen, da die Justizvollzugsanstalt nicht sichergestellt habe, dass ein Organisationsverschulden für den 20.04.2024 auszuschließen sei.
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Selbst wenn man zugrunde lege, dass die Justizvollzugsanstalt nur bis zur Schließung des Verteilerzentrums einen Zugriff auf die Post habe und somit danach keine Abholmöglichkeit mehr bestehe, sei die derzeitige Abholpraxis sowohl samstags als auch werktags als rechtswidrig einzustufen. Es komme gehäuft vor, dass Post bis zur Schließung des Verteilerzentrums von den Zulieferern noch nicht da sei. Es sei auch lebensnah, dass es zu Verzögerungen in der zeitlichen Lieferung durch den Zusteller kommen könne. Die Justizvollzugsanstalt sei jedoch nicht verpflichtet, ein Postfach anzumieten. In Kenntnis der seit etwa einem Jahr gehäuften Verzögerungen der Zeitungsaushändigung wäre die Justizvollzugsanstalt verpflichtet gewesen, ihre Praxis dahin umzustellen, dass die Zeitungen direkt in die Justizvollzugsanstalt geliefert werden und nicht an das Postfach. Die Justizvollzugsanstalt habe daher künftig entweder sicherzustellen, dass innerhalb der Öffnungszeiten der Post eine Zugriffsmöglichkeit auf eingegangene Zeitungen besteht, oder das System „Postfach“ für Zeitungen aufzugeben und diese direkt an die Justizvollzugsanstalt kommen zu lassen.
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Gegen diesen am 07.06.2024 zugestellten Beschluss hat die Justizvollzugsanstalt S. mit Schreiben vom 24.06.2024, eingegangen am 03.07.2024, Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss in der Hauptsache und der Kostenentscheidung aufzuheben, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zu verwerfen, und hilfsweise die Sache an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zurückzuverweisen.
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Zur Sache führt sie unter anderem aus, dass sie unabhängig von der Frage, ob Tageszeitungen Schreiben, die der Wahrung gerichtlicher Fristen dienen, gleichzusetzen seien, ihren Verpflichtungen bereits hinreichend nachkomme, indem sie mindestens einmal täglich das von ihr angemietete Postfach leere. Sollte bekannt sein, dass eine weitere taggleiche Einsortierung von Post in das angemietete Postfach erfolge, werde dieses ein weiteres Mal geleert. Gleiches gelte bei telefonischer Mitteilung durch Mitarbeiter des Verteilerzentrums, dass nochmals Post in das entsprechende Postfach einsortiert wurde. Es werde daher alles unternommen, um den Gefangenen die in Rede stehende Tageszeitung am Erscheinungstag aushändigen zu können.
15
Zum Verfahren rügt sie eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Strafvollstreckungskammer.
16
Die Generalstaatsanwaltschaft M. beantragt, die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.
17
Auf Anfrage hat die Justizvollzugsanstalt S. mit Schreiben vom 26.08.2024 erklärt, dass die Rechtsbeschwerde aufrechterhalten bleibt.
18
Hierzu erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 09.09.2024.
II.
19
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG zulässig, da eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
III.
20
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache – jedenfalls vorläufig – Erfolg, da die Strafvollstreckungskammer ihrer Aufklärungspflicht in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht nachgekommen ist.
21
Gegenstand der von der Strafvollstreckungskammer als rechtswidrig festgestellten Maßnahme der Justizvollzugsanstalt ist die verzögerte Weiterleitung der Samstagsausgabe der SZ vom 20.04.2024 aufgrund unzureichender personeller und organisatorischer Vorkehrungen an den antragstellenden Strafgefangenen am 22.04.2024. Die Frage der Rechtswidrigkeit der verzögerten Aushändigung einer am Dienstag, den 30.04.2024 – also an Werktagen von Montag bis Freitag – erschienenen Ausgabe der SZ ist Gegenstand eines weiteren beim Senat anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahrens (Az. 204 StObWs 375/24).
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Der Feststellungsantrag des Strafgefangenen ist zulässig (s. unten unter 1.). Die Strafvollstreckungskammer hat diesen im Grundsatz zutreffend auch als begründet angesehen, weil das Recht des Antragstellers auf unverzügliche Aushändigung der Tageszeitung durch eine unzureichende Organisation der Justizvollzugsanstalt hinsichtlich der Abholung der Zeitungen bei dem Verteilerzentrum an Samstagen verletzt worden ist (s. unten unter 2.). Die Sache ist aber nicht entscheidungsreif, da die Strafvollstreckungskammer hinsichtlich der konkreten Ausgabe der SZ vom 20.04.2024 nicht aufgeklärt hat, ob und wann diese überhaupt in der Postfiliale in S. eingeliefert worden ist und den Strafgefangenen unabhängig von einem Organisationsverschulden am selben Tag erreicht hätte (s. unten unter 3.). Demgemäß ist das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.
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1. Der erstinstanzlich gestellte Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung, bei dem es sich um einen primären Feststellungsantrag handelt, ist form- und fristgerecht gestellt worden und auch sonst zulässig.
24
a) Eine der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nachgebildete allgemeine Feststellungsklage ist zwar über die gesetzlich in Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG aufgeführten Antragsarten hinaus grundsätzlich anerkannt (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 29.08.2007 – 2 Ws 66/07 Vollz –, NStZ-RR 2008, 92, juris Rn. 13; Spaniol in: Feest/Lesting/ Lindemann, StVollzG, 8. Aufl. 2022, Teil IV, § 109 StVollzG, Rn. 34), jedoch ausschließlich zur Schließung ansonsten bestehender Rechtsschutzlücken statthaft (vgl. KG, Beschluss vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.07.2003 – 3 Ws 606/03 –, NStZ-RR 2004, 29; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 23; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 2. Ed. 01.08.2024, StVollzG § 109 Rn. 5).
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Sie kommt somit vor allem dann in Betracht, wenn sich eine angeordnete oder beantragte Maßnahme oder deren Ablehnung vor der möglichen Erhebung eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags auf gerichtliche Entscheidung bereits erledigt hat (Spaniol in: Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 StVollzG, Rn. 73; Bachmann, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, StVollzG, 13. Aufl. 2024, Kap. P Rn. 31), demgemäß ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag ausgeschlossen ist und damit die Möglichkeit zur Anbringung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 3 StVollzG gerade nicht eingreift. In den Fällen, in denen ein zulässiger Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag erhoben wurde bzw. hätte erhoben werden können, ist die allgemeine Feststellungsklage hingegen subsidiär [vgl. KG, Beschluss vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.07.2003 – 3 Ws 606/03 –, NStZ-RR 2004, 29; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.06.2017 – 1 Ws (RB) 24/17 –, juris Rn. 3; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 23; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 5 m.w.N.; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 109 Rn. 5; Spaniol in: Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 109 StVollzG, Rn. 34; and. Ans. für einen hier nicht vorliegenden Sonderfall OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2005 – 1 Ws 279/04 –, ZfStrVo 2005, 299, juris Rn. 8].
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b) Eine solche Subsidiarität der Feststellungsklage ist nicht gegeben. Dem Antragsteller war es nicht möglich, im Hinblick auf die von ihm gerügte Beeinträchtigung seiner Rechte durch die seines Erachtens nicht unverzügliche Aushändigung der SZ (Wochenendausgabe) vom 20.04.2024 rechtzeitig eine Verpflichtungsklage zu erheben und somit gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Denn nach seinem unwidersprochenen Vorbringen erfolgte die Aushändigung am Montag, dem 22.04.2024.
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c) Der Antragsteller kann auch ein besonderes Feststellungsinteresse geltend machen. Dieses bedeutet kein rechtliches, sondern ein schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.11.2012 – 2 Ws 633/12 –, juris Rn. 9).
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aa) Gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG ist (auch) bei der Feststellungsklage ein besonderes Rechtsschutzinteresse notwendig. Ein solches kommt nicht nur bei Wiederholungsgefahr, einem Rehabilitierungsinteresse aufgrund des diskriminierenden Charakters der Maßnahme oder bei beabsichtigter Geltendmachung von Amtshaftungs-, Schadensersatz- und Folgenbeseitigungsansprüchen in Betracht (vgl. hierzu OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.11.2012 – 2 Ws 633/12 –, juris Rn. 9; Bachmann, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, a.a.O., Kap. P Rn. 3; Arloth/ Krä/Arloth, a.a.O., StVollzG § 115 Rn. 8; Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl. 2020, Kap. 12. Abschn. I Rn. 18), sondern insbesondere auch dann, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden – wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden – Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 08.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 –, BVerfGE 117, 71, juris Rn. 154 und – zu Strafvollzugssachen – BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.03.2012 – 2 BvR 988/10 –, BVerfGK 19, 326 = NJW 2012, 2790, juris Rn. 27; s.a. Bachmann, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, a.a.O., Kap. P Rn. 31 und 81). Nur so kann verhindert werden, dass Rechte und insbesondere Grundrechte in bestimmten Konstellationen in rechtsstaatlich unerträglicher Weise systematisch ungeschützt bleiben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.03.2013 – 2 BvR 67/11 –, BVerfGK 20, 249 = NJW 2013, 1943, juris Rn. 19).
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bb) Gemessen hieran ist ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Antragstellers zu bejahen.
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(1) Zum einen liegt eine Wiederholungsgefahr vor, da der Antragsteller – wovon auch die Strafvollstreckungskammer ausgeht – schlüssig geltend gemacht hat, dass die seines Erachtens nicht unverzügliche Aushändigung von Exemplaren der von ihm abonnierten SZ kein Einzelfall ist. Der Antragsteller verweist in seinem Schreiben vom 03.06.2024 unter Angaben der konkreten Daten darauf, dass er die SZ im Jahr 2023 – nach Umstellung der Abholpraxis durch die Justizvollzugsanstalt – in drei Fällen und im Jahr 2024 bis dahin zehnmal (davon dreimal die Samstagsausgabe betreffend) nicht taggleich erhalten habe.
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(2) Zum anderen ergibt sich ein besonderes Rechtsschutzinteresse unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines gewichtigen Grundrechtseingriffs von solcher Art, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Der Antragsteller macht schlüssig geltend, dass infolge der verspäteten Aushändigung der von ihm abonnierten Tageszeitung sein Grundrecht auf Informationsfreiheit betroffen ist. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet für jedermann das Recht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Das sind solche, die geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (BVerfG, Beschluss vom 09.02.1994 – 1 BvR 1687/92 –, BVerfGE 90, 27, juris Rn. 13). Zeitungen als eines der wichtigsten Informationsmittel und andere Massenkommunikationsmittel sind von Natur aus allgemein zugängliche Informationsquellen, die den Schutz des Grundrechts genießen (BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65 –, BVerfGE 27, 71, juris Rn. 29 und 35; OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.09.2008 – 2 Ws 433/08 –, juris Rn. 18).
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(2.1) Für die Bedeutung dieses Grundrechts sind zwei Komponenten wesensbestimmend. Einmal ist es der Bezug zum demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG: Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen. Daneben weist die Informationsfreiheit eine individualrechtliche, aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Komponente auf. Es gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten, das eigene Wissen zu erweitern und sich so als Persönlichkeit zu entfalten (BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65 –, BVerfGE 27, 71, juris Rn. 28). Für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und die Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung ist es nicht minder wichtig als die Freiheit der Meinungsäußerung und der Medienberichterstattung. Es ergänzt diese aus der Empfängerperspektive. Der Kommunikationsprozess, den Art. 5 Abs. 1 GG im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung schützen will (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.06.1981 – 1 BvL 89/78 –, BVerfGE 57, 295, juris Rn. 85), wäre nur unvollkommen erfasst, wenn die Informationsaufnahme von dem Schutz ausgenommen bliebe (BVerfG, Beschluss vom 09.02.1994 – 1 BvR 1687/92 –, BVerfGE 90, 27, juris Rn. 12).
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(2.2) Art. 70 Abs. 2 BayStVollzG regelt in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Ausübung des in Art. 5 GG enthaltenen Grundrechts, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, soweit es den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften betrifft (zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 68 Abs. 2 StVollzG vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.09.1995 – 2 BvR 636/95 –, NStZ-RR 1996, 55, juris Rn. 19; OLG Jena, Beschluss vom 17.06.2004 – 1 Ws 118/04 –, NStZ-RR 2004, 317; Laubenthal/Baier, in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, a.a.O., Kap. G Rn. 7). Dem entspricht es, dass Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG nicht als Ermessensvorschrift aufgefasst wird, sondern als eine Rechtsnorm, die einen Anspruch des Gefangenen auf Bezug von Zeitungen und Zeitschriften begründet (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 31.08.2010 – 1 Ws 387/10 –, juris Rn. 10 zu § 65 NJVollzG; OLG Jena, Beschluss vom 17.06.2004 – 1 Ws 118/04 –, NStZ-RR 2004, 317).
34
Dies zugrunde gelegt genügt das Vorbringen des Antragstellers, die Justizvollzugsanstalt habe gegen sein Grundrecht auf Informationsfreiheit verstoßen, weil die Aushändigung seiner Tageszeitung vom Samstag, dem 20.04.2024 aufgrund eines von der Justizvollzugsanstalt zu verantwortenden Organisationsverschuldens erst am Montag, dem 22.04.2024 erfolgte, den Anforderungen an die Geltendmachung einer schwerwiegenden Grundrechtsverletzung.
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2. Die Strafvollstreckungskammer hat den Feststellungsantrag des Strafgefangenen, „dass die Weiterleitung seiner eingehenden Tageszeitung (SZ (SZ)) vom 20. April 2024 nicht unverzüglich erfolgte und somit rechtswidrig war“, im Grundsatz zutreffend als begründet angesehen. Denn die Justizvollzugsanstalt hat organisatorisch nicht sichergestellt, dass alle Zeitungen, die an Samstagen durch Mitarbeiter der Post bis zum Abschluss der Verteilarbeiten in das in der Postfiliale in S. unterhaltene Postfach der Antragsgegnerin einsortiert werden, von deren Bediensteten abgeholt und in die Justizvollzugsanstalt zur Weitergabe an die Gefangenen verbracht werden.
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a) Die Justizvollzugsanstalt muss innerhalb ihres Verantwortungsbereichs organisatorische Vorkehrungen treffen, damit die von den Gefangenen (zulässigerweise) abonnierten Zeitungen diese an allen werktäglichen Erscheinungstagen erreichen. Hiervon gilt für die Samstage keine Ausnahme.
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aa) Es entspricht dem Angleichungsgrundsatz des Art. 5 Abs. 1 BayStVollzG, die von dem Gefangenen durch Vermittlung der Anstalt bezogenen Zeitungen möglichst am Tage ihres Erscheinens auszuhändigen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.11.1992 – Ws 1264/92 –, BeckRS 1992, 31343999; in ZfStrVo 1993, 116 und juris nur red. Leitsatz; Jehle in: Schwind/​Böhm/​Jehle/​ Laubenthal, a.a.O., Kap. 1 Abschn. D Rn. 7; BeckOK Strafvollzug Bund/Anstötz, a.a.O., StVollzG § 3 Rn. 4; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 20. Ed. 01.04.2024, BayStVollzG Art. 5 Rn. 4; Arloth/ Krä/Arloth, a.a.O., StVollzG § 3 Rn. 2a).
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Dem kann nicht – wie die Justizvollzugsanstalt meint – entgegengehalten werden, dass durch die verspätete Weiterleitung einer Zeitung anders als durch die verspätete Weiterleitung etwa von gerichtlichen Schreiben keine Gefahr einer Versäumung von Fristen und damit von Rechtsverlusten besteht. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet den besonderen Schutz der Informationsfreiheit unabhängig davon, ob bei einem Verstoß dagegen weitere Rechtsnachteile drohen.
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bb) Demgemäß ist der von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, auch unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG normierten Gebots, eingehende und ausgehende Schreiben unverzüglich weiterzuleiten, seien anstaltsübliche Verzögerungen, etwa wegen einer ausgedünnten Personaldecke, hinzunehmen, nicht beizupflichten.
40
Abgesehen davon, dass in der Rechtsprechung unter „üblichen“ anstaltsbedingten Verzögerungen nicht solche angesehen werden, die in der betreffenden Anstalt üblich geworden sind, sondern allein diejenigen, die bei einer ordnungsgemäßen Bearbeitung der Gefangenenpost unvermeidlich sind (vgl. KG, Beschluss vom 04.11.2003 – 5 Ws 536/03 Vollz –, juris Rn. 7), können die in Rechtsprechung und Kommentarliteratur zur Unverzüglichkeit der Briefbeförderung vertretenen Auffassungen nicht uneingeschränkt auf die Auslieferung von Zeitungen und Zeitschriften übertragen werden.
41
(1) Nach der gesetzgeberischen Intention bedeutet „unverzüglich“ im Sinne des Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG bzw. der inhaltsgleichen Vorschrift des § 30 Abs. 2 StVollzG nicht „sofort“ (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.9.2010 – 1 Vollz (Ws) 468 – 471/10, juris Rn. 5), sondern wie in § 121 Abs. 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“ (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 29.03.1994 – 3 Ws 79/94 –, ZfStrVo 1995, 180, 181; Dessecker/​Schwind in: Schwind/​Böhm/​Jehle/​Laubenthal, a.a.O., Kap. 9 Abschn. C Rn. 45; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, a.a.O., BayStVollzG Art. 33 Rn. 3; Laubenthal/Baier, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, a.a.O., Kap. E Rn. 81a; Knauer, in Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil II § 33 LandesR Rn. 3, jeweils unter Verweis auf die Begründung zum Regierungsentwurf des § 30 StVollzG in BT-Drucks. 7/918, S. 60; der Regierungsentwurf zu Art. 33 BayStVollzG enthält insoweit keine gesonderte Begründung, sondern schließt sich „der bewährten Regelung in § 30 StVollzG“ an, vgl. LT-Drucks. 15/8101, S. 57). Hinsichtlich von Postsendungen ist weitgehend anerkannt, dass morgens eingehende Post spätestens abends zu verteilen sei (BayObLG, Beschluss vom 28.06.2021 – 203 StObWs 273/21 –, FS 2022, 66 red. Ls., juris Rn. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 29.03.1994 – 3 Ws 79/94 –, ZfStrVo 1995, 180, 181; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.04.2011 – 1 Ws 129/11 –, nicht veröffentlicht; LG Kassel, Beschlüsse vom 08.04.2009 – 3 StVK 230/08 –, BeckRS 2009, 21965; vom 08.04.2009 – 3 StVK 278/08, 279/08, 280/08 –, BeckRS 2009, 21964; Knauer, in Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil II § 33 LandesR, Rn. 3; anders – am nächsten Werktag nach dem Eingang – OLG Hamm Beschluss vom 20.10.2015 – III-1 Vollz (Ws) 406/15 –, juris Rn. 9), während am Samstag eingehende Post am Montag verteilt werden könne (BayObLG, Beschluss vom 28.06.2021 – 203 StObWs 273/21 –, juris Rn. 4; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.04.2011 – 1 Ws 129/11 – nicht veröffentlicht; OLG Koblenz, Beschluss vom 29.03.1994 – 3 Ws 79/94 –, ZfStrVo 1995, 180, 181; LG Kassel, Beschluss vom 08.04.2009 – 3 StVK 278/08 und 281/08 –, BeckRS 2009, 21965; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, a.a.O., BayStVollzG Art. 33 Rn. 3; Dessecker/​Schwind in: Schwind/​Böhm/​Jehle/​Laubenthal, a.a.O., Kap. 9 Abschn. C Rn. 45; BeckOK Strafvollzug Bund/Bosch, a.a.O., StVollzG § 30 Rn. 2; Laubenthal/Baier, in Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, a.a.O., Kap. E Rn. 81a; Knauer, in Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil II § 33 LandesR Rn. 3). Ein Verstoß gegen das Gebot unverzüglicher Weiterleitung eingehender Schreiben liegt somit nicht ohne weiteres stets bereits dann vor, wenn ein Schreiben den Gefangenen, an den es adressiert ist, nicht am Tag des Eingangs bei der Justizvollzugsanstalt erreicht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24.10.2011 – 2 BvR 565/10 –, juris Rn. 3). Anderes gilt etwa für (ausgehende) fristwahrende Post (vgl. BayObLG, Beschluss vom 02.11.2021 – 204 StObWs 279/21 –, juris Rn. 19 f.).
42
(2) Diese Entscheidungen beziehen sich jedoch nicht auf Zeitungen, was der Senat bereits im nicht veröffentlichten Beschluss vom 29.11.2021 (Az. 204 StObWs 460/21) klargestellt hat und auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt wird. Der Senat hat insoweit ausgeführt, Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG verlange eine Bearbeitung der Gefangenenpost nur während des regulären Dienstbetriebs, also an Werktagen von Montag bis Freitag, nicht jedoch an den dienstfreien Tagen, das sind der Samstag sowie der 24. und 31. Dezember (§ 5 Abs. 2 BayAzV), und nicht an Sonn- und Feiertagen. Dies entspricht wiederum der Rechtsprechung etwa des Oberlandesgerichts Hamm (vgl. Beschlüsse vom 28.09.2010 – 1 Vollz (Ws) 468 – 471/10, juris Rn. 5 = bei R. NStZ 2012, 430, 433; vom 20.10.2015 – III-1 Vollz (Ws) 406/15 –, juris Rn. 7; so auch LG Kassel, Beschluss vom 12.04.2021 – 3 StVK 3/21, juris Rn. 27), wonach auch solche Verzögerungen, die auf einer reduzierten personellen Besetzung der Einrichtung an Wochenenden oder Feiertagen beruhen, hinzunehmen seien. Dabei sei nämlich zu berücksichtigen, dass § 1 Abs. 1 Satz 3 MRVG NW (ebenso wie Art. 5 Abs. 1 BayStVollzG) keine absolute Gleichstellung an die allgemeinen Lebensverhältnisse fordert, sondern nur eine größtmögliche Annäherung.
43
Der Umstand, dass an Sonn- und Feiertagen und an dienstfreien Zeiten Dienst angeordnet werden kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BayAzV), ändere nach der zitierten Senatsentscheidung hieran nichts. Ein solches Erfordernis liege bei der Weiterleitung normaler Gefangenenpost mit Ausnahme von Eilsachen und eingehenden Zeitungen und Zeitschriften nicht vor. Zudem habe der Gesetzgeber der Entwicklung des Samstags als grundsätzlich dienstfreiem Tag auch dadurch Rechnung getragen, dass gesetzliche Fristen am Samstag nicht mehr ablaufen (vgl. § 43 Abs. 2 StPO, § 222 Abs. 2 ZPO, § 193 BGB).
44
Auch einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz, wonach den Bediensteten der Justizvollzugsanstalten nicht mehr abverlangt werden könne als den anderen im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 29.03.1994 – 3 Ws 79/94 –, ZfStrVo 1995, 180, 181), lag ein Fall zugrunde, in dem von der Anstaltsverfügung, dass samstags eingehende Post erst montags ausgeliefert werden müsse, ausdrücklich u.a. Zeitungen und Zeitschriften ausgenommen waren.
45
b) Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg und der dieser folgenden überwiegenden Ansicht in der Kommentarliteratur stellt es zwar keinen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dar, wenn eine spätere Aushändigung – konkret das Aufschieben der Aushändigung einer am Samstag erscheinenden Tageszeitung auf den folgenden Montag – aus Gründen der Überprüfung der Zeitung auf verbotene Inhalte gemäß Art. 70 Abs. 2 BayStVollzG im Einzelfall erforderlich ist (Beschluss vom 25.11.1992 – Ws 1264/92 –, BeckRS 1992, 31343999; in ZfStrVo 1993, 116 und juris nur Leitsatz; Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., StVollzG § 68 Rn. 2, 4; Laubenthal/ Baier, in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, a.a.O., Kap. G Rn. 13; BeckOK Strafvollzug Bund/Knauss, a.a.O., StVollzG § 68 Rn. 9; Goldberg in Schwind/Böhm/ Jehle/Laubenthal, a.a.O., Kap. 5 Abschn. B Rn. 19; and. Ans. Knauer, in Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil II § 50 LandesR Rn. 6: Verletzung des Angleichungsgrundsatzes). Von derartigen Ausnahmefällen im Einzelfall abgesehen besteht aber die grundsätzliche Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, in ihren Verfügungsbereich gelangte Zeitungen, die von Gefangenen gemäß Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG bezogen wurden, grundsätzlich taggleich an diese auszuhändigen.
46
c) Der Justizvollzugsanstalt bleibt es unbenommen, wie sie dieser Verpflichtung nachkommt, soweit hierdurch keine vermeidbaren Verzögerungen entstehen.
47
Im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz ist zu berücksichtigen, dass ein in Freiheit lebender Zeitungsbezieher die Möglichkeit hat, sich zwischen einem Direktabonnement (mit Lieferung unmittelbar durch Zeitungsausträger oder -austrägerinnen) und einer Lieferung der Zeitungen über einen Postdienstleister zu entscheiden (vgl. hierzu Gramlich/von Ulmenstein, N& R 2006, 111). Beide Möglichkeiten stehen nach Vermittlung durch die Anstalt (Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG) grundsätzlich auch den Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt S. zu, wie diese selbst vorgebracht hat. Der Antragsteller hat somit die Wahl zwischen einem Direktabonnement und der Lieferung über die Post. Im Falle des Bezugs über die D P AG stellen die von dieser angebotenen Formen der Einlegung der von ihr beförderten Zeitungen in den Hausbriefkasten des Empfängers oder in ein von diesem angemietetes Postfach (s. unten unter aa) im Hinblick auf die Qualität der Zustellung und auf die Regellaufzeiten völlig gleichwertige Zustellverfahren dar (s. unten unter bb). Dies entspricht auch den gesetzlichen Vorgaben (s. unten unter cc), so dass der Justizvollzugsanstalt bereits aus Rechtsgründen nicht vorgeworfen werden kann, sie habe durch die Anmietung eines Postfachs einen für die Strafgefangenen nachteiligen Postempfangsweg gewählt (s. unten unter dd). Bei der Anmietung eines Postfachs hat die Justizvollzugsanstalt aber sicherzustellen, dass die mit Einlage in dasselbe in ihre Verfügungsmacht gelangten Zeitungen werktäglich dort abgeholt und zeitnah an die Empfänger verteilt werden (s. unten unter ee). Gegen diese rechtliche Verpflichtung hat sie vorliegend verstoßen (s. unten unter ff).
48
aa) Die Art der Zustellung der durch die D P AG transportierten Zeitungen und Zeitschriften ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der D P AG geregelt.
49
(1) Für Verträge mit der D P AG über den Transport und die Zustellung von Presseerzeugnissen im Inland ohne Nachweis über den Verbleib der Einzelsendungen gelten gemäß deren Abschn. 1 Abs. 1 die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der D P AG Presse Distribution National (Stand Januar 2024; nachfolgend AGB Presse Distribution National). Nach deren Abschn. 4.1. Abs. 1 sind Presserzeugnisse Zeitschriften und Zeitungen. Diese werden als POSTVERTRIEBSSTÜCK, PRESSESENDUNG oder STREIFBANDZEITUNG versandt (vgl. etwa Abschn. 1 Abs. 4 AGB Presse Distribution National). Abschn. 1 Abs. 3 Satz 2, 4. Spiegelstrich AGB Presse Distribution National verweist in Bezug auf die Auslieferung von Streifbandzeitungen auf die Anwendung der AGB BRIEF NATIONAL. Presseerzeugnisse, die als PRESSESENDUNG versandt werden (vgl. Abschn. 4.1.1.1 Abs. 1 AGB Presse Distribution National), und Presseerzeugnisse, die als POSTVERTRIEBSSTÜCK versandt werden (vgl. Abschn. 4.1.2.1 Abs. 1 AGB Presse Distribution National), werden gemäß Abschn. 4.4. Abs. 1 AGB Presse Distribution National wie gewöhnliche Briefsendungen nach den AGB BRIEF NATIONAL zugestellt.
50
(2) Nach Abschn. 4 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D P AG BRIEF NATIONAL (AGB BRIEF NATIONAL) befördert die DP die Sendungen zum Bestimmungsort und liefert sie an den Empfänger ab. Nach Abschn. 4 Abs. 2 Satz 1 AGB BRIEF NATIONAL nimmt die DP die Ablieferung („Zustellung“) unter der auf der Sendung angebrachten Anschrift durch Einlegen in einen für den Empfänger bestimmten und ausreichend aufnahmefähigen Hausbriefkasten oder eine vergleichbare Einrichtung (z.B. Postfach) vor. Gemäß Abschn. 4 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 AGB BRIEF NATIONAL können Sendungen an Empfänger in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Haftanstalten …) auch an eine von der Leitung der Einrichtung mit dem Empfang von Postsendungen beauftragte Person („Postempfangsbeauftragter“) zugestellt werden.
51
Nach Abschn. 3 Abs. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D P AG für die Vermietung von Postfächern (AGB Postfach) legt die DP alle für den Hauptnutzer und die Mitnutzer als Empfänger bestimmten Briefsendungen, PRESSESENDUNGEN, POSTVERTRIEBSSTÜCKE und STREIFBANDZEITUNGEN in das Postfach ein. In der Regel werden auch die mit der zustellfähigen Hausanschrift des Hauptnutzers oder Mitnutzers versehenen Sendungen in das Postfach eingelegt.
52
bb) Beide Zustellverfahren werden, wie bereits die Formulierung in Abschn. 4 Abs. 2 Satz 1 AGB BRIEF NATIONAL zeigt, von der DP als gleichwertig angesehen.
53
(1) Die die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften (ebenso wie Briefe und briefähnliche Sendungen) regelnden Geschäftsbedingungen unterscheiden hinsichtlich der Schnelligkeit der Zustellung nicht zwischen der Ablieferung durch Einlegen in den Hausbriefkasten und in ein Postfach.
54
Nach der in Abschn. 4 Abs. 2 AGB BRIEF NATIONAL geregelten Zustellungsform (Hausbriefkasten oder Postfach) vorgeschalteten Regelung in Abschn. 4 Abs. 1 Satz 4 AGB BRIEF NATIONAL unternimmt die DP bei der Beförderung alle zumutbaren Anstrengungen, um die Sendung innerhalb der Zeitfenster entsprechend ihren eigenen Qualitätszielen (Regellaufzeiten) abzuliefern.
55
(2) Die Anmietung des Postfachs durch die Justizvollzugsanstalt (also durch die Empfängerseite) hat zudem keinen Einfluss auf die Rechte und Pflichten der Parteien hinsichtlich der Beförderung und Zustellung einzelner Sendungen (also auf die Versenderseite). Dies ergibt sich aus Abschn. 1 Abs. 2 AGB Postfach. Danach sind Rechte und Pflichten der Parteien, die die Beförderung und Zustellung einzelner Sendungen in das vermietete Postfach betreffen, nicht Gegenstand dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Pflichten der Post über Transport und Zustellung von Presseerzeugnissen ergeben sich vielmehr aus den mit dem Absender getroffenen Vereinbarungen. Gemäß Abschn. 4 AGB Presse Distribution National ist die DP verpflichtet, Exemplare des Presseerzeugnisses, das Gegenstand des Vertrags Presse Distribution ist (…), zu den vereinbarten Bedingungen zu transportieren und zuzustellen. Die Auslieferung erfolgt innerhalb der in Abschnitt 4.2 AGB Presse Distribution National und den Versandbedingungen (siehe Broschüre „Versandhandling 2024“) genannten Regellaufzeiten, sofern die vereinbarten Einlieferungsstellen und -zeiten eingehalten wurden. Hierbei bietet die DP gemäß Abschn. 4.2. AGB Presse Distribution National dem Absender verschiedene (kostenpflichtige) Versand-Serviceleistungen an, die wiederum völlig unabhängig von der gemäß Abschn. 4.4. Abs. 1 AGB Presse Distribution National sich nach den AGB BRIEF NATIONAL richtenden Zustellungsform („wie gewöhnliche Briefsendungen“) sind.
56
cc) Die Geschäftsbedingungen der DP entsprechen, soweit es die hiesige Fragestellung betrifft, den europarechtlichen sowie den nationalen gesetzlichen Vorgaben.
57
(1) Nach Art. 3 Abs. 3, 2. Spiegelstrich der RL 97/​67/​EG tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der (die) Anbieter der Universaldienstleistungen an allen Arbeitstagen, mindestens aber an fünf Tagen pro Woche, sofern keine von der nationalen Regulierungsbehörde anerkannten besonderen Umstände oder außergewöhnlichen geographischen Gegebenheiten vorliegen, mindestens eine Hauszustellung an jede natürliche oder juristische Person oder, ausnahmsweise, unter von der nationalen Regulierungsbehörde zu beurteilenden Bedingungen, eine Zustellung an geeignete Einrichtungen gewährleisten. Hiervon umfasst sind gemäß Art. 2 Nr. 4 und Nr. 6 der RL 97/​67/​EG auch Zeitungen und Zeitschriften.
58
(2) Die nationale Rechtslage am Erscheinungsdatum der verfahrensgegenständlichen SZ, dem 20.04.2024, bestimmte sich nach dem zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Postgesetz vom 22.12.1997 (PostG; BGBl. 1997 I S. 3294; künftig PostG a.F.), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 09.03.2021 (BGBl. I S. 324), sowie nach der aufgrund der Ermächtigung in § 11 Abs. 2 PostG a.F. von der Bundesregierung erlassenen Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15.12.1999 (BGBl 1999 I S. 2418), die zuletzt durch Art. 3 Abs. 26 des Gesetzes vom 07.07.2005 (BGBl. I S. 1970) geändert worden ist.
59
Nach der gemäß § 4 Satz 2 PUDLV für Zeitungen und Zeitschriften entsprechend geltenden Vorschrift des § 2 Nr. 4 Satz 1 PUDLV waren Briefsendungen zuzustellen, sofern der Empfänger nicht durch Einrichtung eines Postfaches oder in sonstiger Weise erklärt hat, dass er die Sendungen abholen will. Gemäß § 2 Nr. 4 Satz 2 PUDLV hatte die Zustellung an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch persönliche Aushändigung an den Empfänger zu erfolgen.
60
Die vorgenannten Vorschriften sind gemäß Art. 43 Abs. 3 des Postrechtsmodernisierungsgesetzes (PostModG) am 19.07.2024 außer Kraft getreten und durch das gemäß Art. 43 Abs. 1 PostModG am selben Tag in Kraft getretene Postgesetz in der Fassung vom 15.07.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 236; künftig: PostG n.F.) ersetzt worden. Inhaltlich ergaben sich hinsichtlich der Art der Zustellung keine Änderungen. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 PostG n.F. haben Anbieter von Postdienstleistungen Briefsendungen (entsprechendes gilt gemäß § 12 Abs. 5 PostG n.F. für Zeitungen und Zeitschriften) an der in der Anschrift genannten Adresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch Aushändigung an den Empfänger zuzustellen. Dies gilt gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 PostG n.F. nicht, wenn der Empfänger mit dem Anbieter vereinbart hat, dass er die Sendungen abholt. Nach der Gesetzesbegründung ist insoweit beispielsweise die Einrichtung eines Postfaches möglich (BT-Drs. 20/10283, Seite 101 Zu Absatz 3).
61
(3) Die der Dienstleistung der DP zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften unterscheiden in Bezug auf die Gewährleistung einer rechtzeitigen Zustellung von Briefsendungen im Allgemeinen nicht hinsichtlich der Art der Empfangseinrichtung (Hausbriefkasten oder Postfach). Eine derartige Unterscheidung folgt auch nicht aus den gesetzlichen Mindeststandards für die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften.
62
(3.1) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. c PostG a.F. war (u.a.) die Beförderung von Zeitungen oder Zeitschriften, soweit sie durch Unternehmen erfolgte, die Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a oder b PostG erbringen (hierunter fällt die Beförderung von „Briefsendungen“ und von adressierten Paketen mit Einzelgewicht bis 20 kg), eine Postdienstleistung im Sinne des Gesetzes (s.a. BT-Drucks. 13/7774, S. 20 zu § 4 Nr. 1; Gramlich/von Ulmenstein, N& R 2006, 111, 113). § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 PUDLV bestimmte hierbei, dass die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften im Sinne des § 4 Nr. 1 Buchst. c PostG a.F., wozu gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 PUDLV periodisch erscheinende Druckschriften zählen, die zu dem Zwecke herausgegeben werden, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten, eine Universaldienstleistung darstellt. Letzteres bedeutete gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 PostG a.F. ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 PostG a.F., die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden.
63
(3.2) Hinsichtlich der Beförderung unterscheidet das Gesetz nicht zwischen der Ablieferung durch Einlegen in den Hausbriefkasten und in ein Postfach.
64
„Beförderung“ war gemäß § 4 Nr. 3 PostG a.F. das Einsammeln, Weiterleiten oder Ausliefern von Postsendungen an den Empfänger. Nach der Gesetzesbegründung ist nicht nur der reine Transportvorgang gemeint, sondern die gesamte Wertschöpfungskette vom Absender bis zum Empfänger (BT-Drs. 13/7774, S. 20; Bosch/Hanebeck, N& R 2006, 24, 29; Gramlich, NJW 1998, 866, 867). Hierbei legte § 2 PUDLV die Mindestanforderungen an die Qualitätsmerkmale für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen fest, und zwar im Hinblick auf die Geschäftsabwicklung, die Einlieferung und die Beförderung sowie die Auslieferung (v. Danwitz, Beck´scher Komm. PostG, 2. Aufl. 2004, Anh. § 11, § 2 PUDLV Rn. 2). Soweit § 2 Nr. 4 Satz 1 PUDLV die Zustellung von Briefsendungen anordnete, sofern der Empfänger nicht durch Einrichtung eines Postfaches oder in sonstiger Weise erklärt hat, dass er die Sendungen abholen will, bedeutete dies nur eine empfängerfreundlichere Leistung, nicht aber eine schnellere oder häufigere Ablieferung als bei der Einlegung in das Postfach. Dies ergibt sich auch aus § 2 Nr. 5 PUDLV. Danach hatte die Zustellung mindestens einmal werktäglich zu erfolgen. Damit war die Verpflichtung zur Zustellung mindestens einmal an jedem Werktag einschließlich samstags festgeschrieben (vgl. BT-Drs. 14/1696, Seite 8), was den zitierten europarechtlichen Vorgaben entsprach (vgl. von Danwitz, Beck´scher Komm. PostG, a.a.O., Anh. § 11, § 2 PUDLV Rn. 19). Eine häufigere Zustellung an Werktagen war weder vom Gesetz gefordert noch ist sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der DP vorgesehen.
65
(3.3) Hinsichtlich der Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften gilt nichts anderes.
66
Gemäß § 4 Satz 1 PUDLV waren Zeitungen und Zeitschriften im Rahmen des betrieblich Zumutbaren bedarfsgerecht zu befördern. Bei den in § 4 PUDLV aufgestellten Qualitätsmerkmalen für die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften handelte es sich der Begründung zufolge um Mindestanforderungen (BT-Drs. 14/1696, S. 9 zu § 4). Diese waren bedarfsgerecht, d.h. entsprechend ihrer Erscheinungsweise zu befördern und an den Kunden auszuliefern, soweit dies betrieblich (für das Postunternehmen) zumutbar ist (vgl. BT-Drs. 14/1696, S. 9; Gramlich/von Ulmenstein, N& R 2006, 111, 113). Presseerzeugnisse sind darauf angewiesen, möglichst zeitnah beim Leser einzutreffen. Bei Tageszeitungen versteht sich dies von selbst. Aber auch Zeitschriften verlieren ihre Aktualität, wenn sie nicht am Erscheinungstag allgemein verfügbar sind (vgl. von Danwitz, Beck´scher Komm. PostG, a.a.O., Anh. § 11, § 4 PUDLV Rn. 4). Wenn man in der Beförderung von Presserzeugnissen einen Teil der Grundversorgung sieht, für die der Bund nach Art. 87f Abs. 1 GG gewährleistend einzutreten hat (vgl. hierzu Dürig/Herzog/Scholz/Möstl, 104. EL April 2024, GG Art. 87f Rn. 30; Dürig/Herzog/Scholz/Uhle, a.a.O., GG Art. 73 Rn. 157; Huber/Voßkuhle/Heintzen, 8. Aufl. 2024, GG Art. 73 Rn. 69; BeckOK GG/Seiler, 59. Ed. 15.09.2024, GG Art. 73 Rn. 31), so ist nicht ersichtlich, dass die Qualitätsanforderungen hinter den durch § 4 PUDLV festgelegten Maßstäben zurückbleiben könnten. Jedenfalls für einen großen Teil der Zeitungen und Zeitschriften gilt, dass ihre postalische Beförderung überhaupt nur Sinn macht, wenn sie erscheinungsnah geschieht (vgl. v. Danwitz, Beck´scher Komm. PostG, a.a.O., Anh. § 11, § 4 PUDLV Rn. 8). Selbst wenn weder im PostG a.F. noch in der PUDLV (oder PDLV) als Bestandteil einer Post-/Briefbeförderungsdienstleistung explizit auch eine zeitnahe und unversehrte Ablieferung bei den je benannten Empfängern („Adressierungs“-Vorgabe) normiert wird, so resultiert diese Anforderung eines Leistungserfolgs jedenfalls systematisch-strukturell aus den Laufzeiten- und Zustellungsregeln in § 2 Nr. 3 bis 5, § 3 Nr. 2 bis 4 und § 4 Satz 2 PUDLV (Gramlich, N& R 2019, 163, 165).
67
(3.4) Demgemäß waren nach der zum Erscheinungstag, dem 20.04.2024, geltenden Rechtslage auch Zeitungen und Zeitschriften werktäglich (einschließlich des Samstags) zuzustellen (von Danwitz, Beck´scher Komm. PostG, a.a.O., Anh. § 11, § 4 PUDLV Rn. 6; Ritgen, NJW 2000, 1315, 1316). Die (werktägliche) Zustellung an den Empfänger der Sendung durch Einwurf oder persönliche Aushändigung ist danach auch hier die Regel, die (Gelegenheit zur) Abholung nur bei Einverständnis des Adressaten oder bei zulässigem Ausschluss von der Zustellung eine taugliche bzw. zulässige Alternative (Gramlich/von Ulmenstein, N& R 2006, 111, 113).
68
(3.5) Durch das am 19.07.2024 in Kraft getretene novellierte Postgesetz ergaben sich inhaltlich hinsichtlich Zeitungen und Zeitschriften keine wesentlichen Änderungen. Die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften zählt gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 PostG n.F. unabhängig von der Art der Freimachung zu den Universaldienstleistungen. § 18 Abs. 3 Satz 1 PostG n.F. schreibt vor, dass Warensendungen, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften im Rahmen des betrieblich Zumutbaren bedarfsgerecht zu befördern sind. Täglich und wöchentlich erscheinende Zeitungen und Zeitschriften sollen gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 PostG n.F. in der Regel am Erscheinungstag zugestellt werden, wenn sie dem Universaldienstanbieter nach dessen betrieblichen Abläufen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Gemäß § 19 PostG n.F. hat die Zustellung werktäglich zu erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung bleibt damit die bisher in § 2 Nr. 5, § 3 Nr. 4 und § 4 Satz 2 PUDLV vorgegebene werktägliche Zustellung erhalten (BT-Drs. 20/10283, Seite 108 Zu § 19).
69
Diese gesetzliche Mindestgarantie einer werktäglichen Zustellung gilt für beide Zustellformen in gleicher Weise. Demzufolge unterscheiden auch die AGB BRIEF NATIONAL in Abschn. 4 Abs. 2 hinsichtlich der Zustellung nicht zwischen dem Einlegen in den Hausbriefkasten und in ein Postfach als vergleichbare Einrichtung.
70
dd) Die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Zustellformen hat zur Folge, dass die Anmietung eines Postfachs beim Verteilerzentrum der DP in S. durch die Antragsgegnerin auch hinsichtlich des Empfangs von an Gefangene adressierten Zeitungen rechtlich nicht zu beanstanden ist und somit der Antragsteller keinen Anspruch darauf hat, dass die Justizvollzugsanstalt eine andere Zustellform wählt.
71
Ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit beider Zustellarten ist nicht ersichtlich, dass die Zustellung über den Briefzusteller durch Einlegung in den Hausbriefkasten grundsätzliche tatsächliche Vorteile für den Empfänger haben würde. Auch die Briefzusteller können nur diejenigen Sendungen zustellen, die durch die zuständigen Mitarbeiter der DP vorsortiert und rechtzeitig für ihre werktägliche Zustellungstour bereitgestellt worden sind. Demgegenüber gehört es zu den Vorteilen eines Postfaches, dass der Empfänger die Post zu einer frei wählbaren Zeit abholen kann. Damit ist er von der Gangfolge des Postzustellers unabhängig und kann seine Post in der Regel früher als durch den Zusteller erhalten (vgl. hierzu auch Eintrag in wikipedia unter „Postfach“). Dementsprechend wirbt die DP mit den Vorteilen des Postfachs unter anderem mit der Aussage: „Und Sie möchten zeitlich unabhängig und schneller auf Ihre Post zugreifen? Dann beauftragen Sie doch ein Postfach und werden Postfachinhaber!“ (https://www.deutschepost.de/de/p/postfach.html).
72
Legt man die im Verfahren SR StVK 1287/23 getroffenen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer zugrunde, wonach die Bediensteten der DP im Verteilerzentrum in der betreffenden Filiale in S. die Sortierarbeiten für die Postfächer an Werktagen (einschließlich Samstag) in der Regel bis gegen 9.00 Uhr – teilweise auch eine kurze Zeitspanne darüber hinaus – beendet haben, hat die „Postfachlösung“ den Vorteil, dass die für die Insassen der Anstalt bestimmten Postsendungen täglich so zeitig dort eingehen, dass sie unverzüglich überprüft werden und in der Regel noch am selben Tag den Gefangenen ausgehändigt werden können. Dies gilt im besonderen Maße für Zeitungen, bei denen der Überprüfungsaufwand überschaubar ist.
73
ee) Im Fall der Anmietung eines Postfachs hat die Justizvollzugsanstalt jedoch grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass alle beim Abschluss der täglichen Sortierarbeiten durch die Mitarbeiter der Postfiliale im Postfach liegenden Zeitungen dort am selben Tag abgeholt werden.
74
(1) Mit der Einlegung in das Postfach gelangen Briefsendungen – nichts anderes gilt für Zeitungen und Zeitschriften – grundsätzlich in den Machtbereich des Postfachmieters (vgl. zum Zugang eines Bescheids BFH, Beschlüsse vom 12.08.1998 – IV B 145/97 –, juris Rn. 5; BFH, Urteil vom 13.10.1994 – IV R 100/93 –, juris Rn. 16; zum Zugang einer Willenserklärung BGH, Urteil vom 19.01.1955 – IV ZR 160/54 –, DRiZ 1955, 61, Leitsatz Nr. 1 in juris; Beschluss vom 31.07.2003 – III ZR 353/02 –, juris Rn. 7), hier also der Justizvollzugsanstalt.
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(2) Anders als der in Freiheit befindliche Bürger hat ein Gefangener keine Möglichkeit, ein angemietetes Postfach selbst zu leeren bzw. sich Post und Zeitungen direkt in einen eigenen Briefkasten liefern zu lassen. Demgemäß hat die Antragsgegnerin durch organisatorische Maßnahmen und deren überprüfbare Umsetzung sicherzustellen, dass sämtliche bei Beendigung der Sortierarbeiten und der damit einhergehenden Schließung des Verteilerzentrums in ihrem Postfach liegenden Sendungen täglich abgeholt, zur Justizvollzugsanstalt befördert und – soweit es sich um Zeitungen und Zeitschriften handelt – am selben Tag an die Strafgefangenen weitergeleitet werden. Die Anstalt kann, soweit es anstaltsbezogene Verzögerungen anbelangt, die auf eigenem Organisationsverschulden beruhen, dem Antragsteller nicht entgegenhalten, er habe die Möglichkeit, bei der Postfachvariante eintretende Verzögerungen dadurch auszugleichen, dass er sich für ein kostenpflichtiges Direktabonnement anstelle des kostenlosen Abonnements mittels Postzustellung entscheiden soll. Anstaltsbezogene Verzögerungen bei der Verteilung von Zeitungen an die Empfänger liegen im Verantwortungsbereich der Justizvollzugsanstalt und können grundsätzlich nur mit dem Zeitaufwand für die gemäß Art. 70 Abs. 2 BayStVollzG erforderliche Kontrolle gerechtfertigt werden.
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(3) Die Justizvollzugsanstalt hat wegen ihres nachvollziehbaren Anliegens eines planbaren Personaleinsatzes zwar ein berechtigtes Interesse daran, einen festen Zeitrahmen für die Postabholung, Überprüfung und Verteilung an die Gefangenen einzuhalten. Dieses Interesse ist aber hinreichend gewahrt, wenn die Sortierarbeiten der Postfiliale S.- wie von der Strafvollstreckungskammer festgestellt – regelmäßig um 9.00 Uhr bzw. in einem überschaubaren Zeitraum danach beendet sind, so dass die Anstalt in diesem vorhersehbaren Zeitfenster die Abholung der Zeitungen zu gewährleisten hat.
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(4) Die Strafvollstreckungskammer geht aufgrund der beim Ortstermin im Verfahren SR StVK 1287/23 gewonnenen Erkenntnisse davon aus, dass die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt auch nach Abschluss der Sortierarbeiten und Schließung des Verteilerzentrums Zugang zu diesem während der Schalteröffnungszeiten erhalten können, um die in ihrem Postfach (bzw. dem für sie bestimmten Ablageplatz) liegenden Postsendungen abzuholen. Dies hat die Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich vorgebracht, sie habe nach Schließung des Verteilerzentrums keinen Zugang mehr auf dort liegende unsortierte Post. Dass die Justizvollzugsanstalt nicht berechtigt oder gar verpflichtet ist, die sonstigen eventuell im Verteilerzentrum liegenden unsortierten Postsendungen einschließlich Zeitungen daraufhin zu durchsuchen, ob für sie etwas dabei ist, liegt auf der Hand (und wird auch vom Antragsteller nicht in Frage gestellt). Demgemäß besteht auch keine Rechtspflicht der Antragsgegnerin, Zeitungen, die nach Abschluss der Sortierarbeiten beim Verteilerzentrum angeliefert, aber nicht mehr in ihr Postfach eingelegt werden, noch am selben Tag dort abzuholen. Wegen der Gleichwertigkeit beider Zustellformen kann die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer insoweit auch nicht darauf verwiesen werden, ihre Praxis dahin umzustellen, dass die Zeitungen direkt in die Anstalt geliefert werden und nicht an das Postfach. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der DP keine häufigere als die gesetzlich garantierte einmalige tägliche Zustellung in den Hausbriefkasten vorsehen.
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Bestünde jedoch aus auf Seiten der DP liegenden Gründen für die Justizvollzugsanstalt tatsächlich keine Möglichkeit mehr, nach Abschluss der Sortierarbeiten und Schließung des Verteilerzentrums die in ihrem Postfach befindlichen Zeitungen abzuholen, so hätte sie auf anderem Wege sicherzustellen, dass diese tatsächlich die Anstalt erreichen. Dies kann es, wie die Strafvollstreckungskammer insoweit zutreffend ausführt, gegebenenfalls erfordern, das System „Postfach“ für Zeitungen aufzugeben und diese durch die DP direkt an die Justizvollzugsanstalt liefern zu lassen.
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ff) Dies zugrunde gelegt hat die Anstalt gegen ihre aus dem Grundrecht des Antragstellers auf Informationsfreiheit erwachsende Verpflichtung, innerhalb ihres Verantwortungsbereichs organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit die vom Antragsteller abonnierte SZ diesen möglichst am Erscheinungstag noch erreicht, in Bezug auf die Samstagsausgabe vom 20.04.2024 verstoßen.
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(1) Die Anstalt hat nicht sichergestellt, dass am 20.04.2024 wie auch grundsätzlich an allen Samstagen sämtliche nach Abschluss der Sortierarbeiten im Verteilerzentrum in ihrem Postfach liegenden Zeitungen dort abgeholt werden. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Bedienstete der Antragsgegnerin am Samstag, dem 20.04.2024 um 8.00 Uhr im Verteilerzentrum erschienen ist und dieses gegen 8.15 Uhr, also rund eine Dreiviertelstunde vor dem regelmäßigen Abschluss der Sortierarbeiten, wieder verlassen hat, zumal ihm dort mitgeteilt worden ist, dass noch nicht alle Zeitungen zugeliefert worden waren.
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Bei einem unmittelbaren Grundrechtsbezug wie vorliegend kann eine unzureichende Personalausstattung ebenso wenig eine Rechtfertigung für eine andere Handhabung darstellen wie etwa bei einem auf unzureichender Personalausstattung beruhenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Verfahren mit Freiheitsentziehung (vgl. zur gleichen Problematik bei der Sichtkontrolle der Behördenpost OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.11.2017 – 1 Ws 519/17 –, juris Rn. 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.08.2019 – 2 Ws 510/19 Vollz –, juris Rn. 6).
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(2) Der Anstalt steht es zwar frei, durch welche organisatorischen Vorkehrungen sie der genannten Verpflichtung nachkommt, ob sie etwa den mit der Abholung der Postsendungen betrauten Mitarbeiter anweist, das Verteilerzentrum erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dessen Schließung, also gegen 9.00 Uhr, anzufahren, um die nach Abschluss der Sortierarbeiten in ihrem Postfach liegenden Zeitungen abzuholen, oder ob sie auf andere Weise dafür Sorge trägt, zuverlässig von den Mitarbeitern des Verteilerzentrums darüber informiert zu werden, wenn nach Abschluss der Sortierarbeiten noch nicht abgeholte Postsendungen und Zeitungen in ihrem Postfach liegen, damit eine nochmalige Abholung durchgeführt werden kann.
83
Die von der Justizvollzugsanstalt zu treffenden organisatorischen Maßnahmen müssen aber nachvollziehbar sein und sicherstellen, dass sie Kenntnis davon erlangt, ob sich nach Sortierschluss Post in ihrem Postfach befindet. Dies kann gegebenenfalls durch einen aktiven Telefonanruf bei der betreffenden Postfiliale geschehen. Der von der Anstalt übermittelten Stellungnahme der Inspektorin im Justizvollzugsdienst vom 23.05.2024 lässt sich nicht entnehmen, dass eine entsprechende telefonische Rückfrage bei dem Verteilerzentrum erfolgt ist, sondern lediglich, dass der Vorfall protokolliert worden sei.
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Die Antragsgegnerin hat zwar vorgebracht, mit dem Verteilerzentrum sei vereinbart worden, dass dieses die Anstalt telefonisch kontaktiere, sollte die Post nach Abfahrt des Bediensteten eintreffen und auch noch an diesem Tag sortiert werden. Unabhängig von der Frage, ob in einem grundrechtsrelevanten Fall die Mitteilungsobliegenheit der DP auferlegt werden kann, und abgesehen davon, dass Angaben fehlen, zwischen welchen Personen eine solche Vereinbarung – schriftlich oder mündlich – getroffen worden ist, ist aber nicht dargelegt worden, ob auf Seiten der DP eine solche Vereinbarung zuverlässig eingehalten wird. Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, in den meisten Fällen werde sie inzwischen sogar telefonisch informiert, sollte an einem Tag noch sortierte Post im Verteilerzentrum zur Abholung bereitliegen. Die Formulierung „in den meisten Fällen“ zeigt aber, dass nicht sichergestellt ist, dass eine solche Information in jedem Fall erfolgt. Ihr Vorbringen, am 20.04.2024 sei eine derartige Mitteilung nicht erfolgt, belegt somit nicht, dass sich an diesem Tag nach Abschluss der postinternen Sortierarbeiten tatsächlich keine Postsendungen und Zeitungen mehr im Postfach der Justizvollzugsanstalt befunden haben.
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Nur wenn aber gewährleistet ist, dass nach Abschluss der Sortierarbeiten im Postfach der Anstalt liegende Zeitungen am selben Tag noch von dieser abgeholt werden können und tatsächlich abgeholt werden, kommt diese ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Weiterleitung nach. Hinsichtlich der Wochenendausgabe einer Zeitung sind hieran keinesfalls geringere Anforderungen zu stellen als an die Abholung der von Montag bis Freitag erscheinenden Zeitungen, zumal die Wochenendausgabe regelmäßig umfangreicher ist als die übrigen werktäglichen Ausgaben und den Gefangenen an den Wochenenden mehr Freizeit zur Zeitungslektüre zur Verfügung steht als unter der Woche.
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3. Ein Organisationsverschulden der Justizvollzugsanstalt hinsichtlich der Abholung aller in ihrem Postfach liegenden Zeitungen hätte sich aber dann nicht ausgewirkt, wenn am 20.04.2024 eine Zulieferung der für den Antragsteller bestimmten SZ an das Verteilerzentrum vor Abschluss der Sortierarbeiten nicht erfolgt wäre.
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a) Die Beschwerdeführerin rügt insoweit eine Verletzung der Aufklärungspflicht, weil sich die Strafvollstreckungskammer nicht beim Verteilerzentrum erkundigt habe, ob dort Kenntnisse bzw. Aufzeichnungen bezüglich des 20.04.2024 vorliegen. Es sei nicht auszuschließen, dass dies der Fall sei und sich hieraus ergebe, dass die Verspätung der DP bzw. deren Anlieferern anzulasten sei, so dass unabhängig von der Abholpraxis der Justizvollzugsanstalt die Zeitung erst am nächsten Werktag an den Antragsteller hätte weitergeleitet werden können.
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b) Die Strafvollstreckungskammer hat diesen Umstand nicht aufgeklärt. Hierzu bestand aber Anlass, weil die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 28.05.2024 vorgebracht hat, dass die Lieferung nicht rechtzeitig erfolgt sei, und sich darauf berufen hat, es stehe überhaupt nicht fest, dass sich die SZ am 20.02.2024 um 9.00 Uhr in ihrem Postfach befunden habe. Vielmehr liege deren verspätete Aushändigung in den derzeitigen Zustellproblemen der DP begründet, so dass die Justizvollzugsanstalt nicht gegen das Gebot verstoßen habe, dem Antragsteller seine Zeitung unverzüglich auszuhändigen.
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aa) Ob die SZ am 20.04.2024 nicht mehr rechtzeitig das Verteilerzentrum der Postfiliale erreicht hat, um in das Postfach der Antragsgegnerin einsortiert zu werden, hat das Gericht grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. Auch wenn dies naheliegen mag, steht nicht von vornherein fest, dass eine solche Aufklärung unmöglich ist.
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bb) Erst wenn die Möglichkeiten der Amtsermittlung erschöpft sind, darf das Gericht nach der Beweislastverteilung entscheiden, wobei die sich auf eine verspätete Zulieferung berufende Antragsgegnerin die Darlegungslast hat. Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, muss nach allgemeinen Grundsätzen auch dessen Voraussetzungen beweisen. Dies gilt aber nicht in den Fällen, in denen ein Strafgefangener typischerweise in Beweisnot ist, etwa weil innerorganisatorische Verfahrensabläufe betroffen sind, in die er keinen Einblick hat und auf die er auch keinen Einfluss nehmen kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28.06.2021 – 203 StObWs 273/21 –, juris Rn. 7). So liegt es hier.
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Die Anmietung eines Postfachs beruht auf einer eigenständigen Entscheidung der Justizvollzugsanstalt. Mit der Einlage in ihr im Verteilerzentrum befindliches Postfach gelangen die eingehenden Postsendungen in ihre Verfügungsgewalt, ohne dass der einzelne Strafgefangene einen Einblick in die dortigen Vorgänge hat. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob und wann die betreffende Zeitung am 20.04.2024 in das Postfach der Justizvollzugsanstalt einsortiert worden ist, weil die Justizvollzugsanstalt vor Abschluss der Sortierarbeiten durch die Bediensteten der DP das Postfach geleert hat und Aufzeichnungen der DP oder sonstige Nachweise über die Zulieferung der besagten Zeitung nicht vorhanden sind, geht dieser Aufklärungsmangel somit zu Lasten der Justizvollzugsanstalt.
IV.
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1. Die Entscheidung über die Kosten- und Auslagen in der Rechtsbeschwerdeinstanz bleibt bei einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer dieser vorbehalten (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 121 Rn. 1).
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2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG.