Titel:
Gelder von Strafgefangenen in Bayern
Normenketten:
BayStVollzG Art. 25 Abs. 3, Art. 35, Art. 51, Art. 53
ZPO § 851 Abs. 1
GKG § 60
Leitsätze:
1. Nach mehrfacher obergerichtlicher Prüfung sind die Art. 25, 35 und 53 BayStVollzG verfassungsgemäß. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einzahlungen auf das Sondergeldkonto eines Gefangenen (Art. 53 BayStVollzG) können nur von Dritten erfolgen. Gelder auf dem Sondergeldkonto sind aufgrund ihrer Zweckbindung nicht übertragbar und damit gem. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Überbrückungsgeld (Art. 51 BayStVollzG) kann weder von dem Gefangenen frei verwendet noch von Gläubigern des Gefangenen gepfändet werden. Ein zur Überbrückung genügender Geldbetrag auf dem privaten Girokonto des Gefangenen macht die Bildung eines Überbrückungsgeldes nicht überflüssig. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafvollzug, Gefangeneneinkauf, Sondergeld, Überbrückungsgeld, Eigengeld, Pfändungsschutz, Verfassungsmäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 16.08.2024 – 204 StObWs 332/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33576
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.03.2024 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 400 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller befindet sich in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt B.. Strafende ist für den 10.02.2025 vorgemerkt.
2
Mit Schreiben vom 19.03.2024, hier eingegangen am 28.03.2024, hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG beantragt. Er stellte folgende Anträge:
1. Die JVA B. am ... als Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller P. E. E2. einen Sondereinkauf für Ostern zu bewilligen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller nachträglich trotz Ablauf der Antragsfrist für Sondereinkauf für Ostern 2024 diesen Sondereinkauf zu ermöglichen.
3
Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass die Auffassung, dass nur „Dritte“ Mittel auf Sondergeldkonten einzahlen könnten, nicht rechtens sei. Er argumentiert mit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Bund/Länder, einer unzulässigen Benachteiligung von Gefangenen ohne Angehörige und der Unmöglichkeit bei Strafdauern von unter 2 Jahren das Überbrückungsgeld-Soll zu erreichen. Für Strafgefangene, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, sei dies überhaupt nicht möglich, außer sie würden freiwillig arbeiten.
4
Die Vollzugsbehörde hat zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Schreiben vom 09.04.2024 Stellung genommen. Sie weist darauf hin, dass Voraussetzung für den Sondereinkauf sei, dass die Gefangenen über entsprechendes Sondergeld oder freies Eigengeld verfügen (Art. 25 Abs. 3 BayStVollzG), was beim Antragsteller nicht der Fall gewesen sei. Sein Sondergeldkonto weise einen Saldo von 0,00 € auf und sein Eigengeldkonto Guthaben in Höhe von 227,12 €. Das Eigengeld sei jedoch nicht frei verfügbar, da bislang lediglich 37,77 € Überbrückungsgeld gebildet worden seien und das Überbrückungsgeld-Soll 2.290,50 € betrage.
5
Der Antragsteller erhielt Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Er hat dies mit Schreiben vom 02.05.2024, hier eingegangen am 06.05.2024, getan. Er geht insbesondere darauf ein, dass die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass auf das Sondergeldkonto nur von Dritten eingezahlt werden könne, unzutreffend sei. Das Gesetz regele dies so nicht ausdrücklich. Aus einem „Rechtsanspruch“ auf Sondereinkauf jeden Gefangenen leite sich das ebenso ab. Im Übrigen wiederholt er seine im Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits dargelegte Rechtsauffassung.
6
Mit Schreiben vom 15.05.2024 hat die Antragsgegnerin hierauf ergänzend Stellung genommen. Sie beruft sich hierbei auf den Wortlaut des Art. 53 S. 1 BayStVollzG („Für die Gefangenen kann …“) und die Gesetzesbegründung, in der es heißt: „Mit der Vorschrift wird ermöglicht, dass Dritte Geld zugunsten der Gefangenen zum Zwecke des Sondereinkaufs gemäß Art. 25 oder für die von den Gefangenen zu tragenden Kosten der Krankenbehandlung einzahlen können, ohne dass es von den Gläubigern der Gefangenen gepfändet werden kann.“
7
Der Antragsteller erhielt erneut Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Er hat dies mit Schreiben vom 11.06.2024, 13.06.2024 und 15.06.2024 getan. Hierin beruft er sich im Wesentlichen weiterhin darauf, dass im Gesetz nicht explizit stünde, dass Sondergeld nur von Dritten einbezahlt werden könnten. Auf den Gläubigerschutz könne sich die Antragsgegnerin in seinem Fall nicht berufen, da keine offenen Forderungen existierten und er regelmäßig Rente erhalte. Auch sei das Überbrückungsgeld-Soll unter Hinzurechnung seines Saldos auf seinem privaten Girokonto von 1.790,77 € zum 04.06.2024 bereits gedeckt. Generell könne der Gläubigerschutz kein Argument sein, da seiner Auffassung nach auch Zuwendungen Dritter pfändbar seien, da die (Bundes-)Vorschriften der ZPO und des BGB die (Landes-)Vorschriften des BayStVollzG brechen würden.
8
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
9
Die Strafvollstreckungskammer hält die Erwägungen der Antragsgegnerin für zutreffend und schließt sich ihnen an.
Ergänzend ist lediglich folgendes auszuführen:
10
1. Die Art. 25, 35 und 53 des BayStVollzG wurden bereits mehrfach obergerichtlich auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft, sowohl im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz, als auch die inhaltliche Vereinbarkeit mit der Verfassung des Freistaates Bayern und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Hierzu wird nur beispielshaft die auf die Entscheidungen des BayVerfGH vom 24.09.2018, Vf. 2-VII-17, und vom 24.09.2018, Vf. 2-VII-17 verwiesen, in letzteren es heißt:
11
Das Bayerische Strafvollzugsgesetz wurde nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034) erlassen und ersetzt im Freistaat Bayern – für den Bereich des Erwachsenenstrafvollzugs – im Wesentlichen das 1977 in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz (StVollzG).
12
2. Sowohl der Gesetzeswortlaut („Für die Gefangenen“) als auch die Gesetzesbegründung sind an dieser Stelle eindeutig, dass Einzahlungen auf das Sondergeldkonto nur von Dritten erfolgen können. Dem Antragsteller ist beizupflichten, dass eine Gesetzesbegründung kein Gesetz darstellt. Es handelt sich hierbei aber um eine wesentliche Auslegungshilfe, sofern Zweifel über den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers auftauchen. Zweck der Vorschrift des Art. 53 BayStVollzG ist es, dass Dritte Geld zugunsten Gefangener zum Zwecke des Sondereinkaufs gem. Art 25 BayStVollzG einzahlen können, ohne dass dieses von den Gläubigern der Gefangenen gepfändet werden kann. Diese Regelung wurde notwendig, nachdem der Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln abgeschafft wurde, vgl. hierzu auch BeckOK Strafvollzugsrecht Bayern, Arloth, 20. Edition, Stand: 01.04.2024, Rn. 1.
13
3. Die Gelder auf dem Sondergeldkonto sind aufgrund ihrer Zweckbindung nicht übertragbar und damit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar, vgl. Arloth/Krä BayStVollzG Art. 53 Rn. 3; SBJL/Baler/Laubenthal StVollzG Kap. 4 I Rn. 127.
14
Die Gesetzgebungskompetenz für diese Regelung ist gegeben, vgl. hierzu VerfGH Bayern FS 2009, 267.
15
Aus diesem Pfändungsschutz leitet sich ab, dass die Vorschrift im Hinblick auf den Schutz etwaiger Gläubiger besonders restriktiv angewendet werden muss. Hierbei kann es aber nicht darauf ankommen, ob bei dem einzelnen Gefangenen, wie dem hiesigen Antragsteller, konkrete Gläubiger bekannt oder vorhanden sind.
16
4. Auch die Argumentaion, dass der Antragsteller auf seinem privaten Girokonto über genügend Geld verfügen würde, sodass das Überbrückungsgeld-Soll damit „quasi“ erfüllt sei, geht fehl.
17
Art. 51 BayStVollzG bezweckt für die besonders schwierige Zeit unmittelbar nach der Entlassung eine finanzielle Vorsorge durch zwangsweises Ansparen eines Geldbetrages für den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach der Entlassung (BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 20. Ed. 1.4.2024, BayStVollzG Art. 51 Rn. 1).
18
Dieses Geld ist doppelt geschützt. Es kann weder von dem Gefangenen frei verwendet, noch von Gläubigern des Gefangenen gepfändet werden. Dies ist bei frei verfügbaren Guthaben auf privaten Girokonten gerade nicht der Fall.
19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
20
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1 bis 3 GKG.