Titel:
Keine Überbrückungshilfe III Plus mangels Nachweises coronabedingter Umsatzeinbrüche
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ist in einem Bescheid nur an einer einzigen Stelle – zumal im Rahmen der Sachverhaltswiedergabe und nicht der rechtlichen Würdigung – von "Überbrückungshilfe IV" die Rede, obwohl es um einen Antrag auf Überbrückungshilfe III Plus geht, handelt es sich offensichtlich um ein (insbesondere nicht in die rechtliche Würdigung eingeflossenes) Schreibversehen. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da der Anspruch auf eine Förderung im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz nur dann besteht, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis auch positiv verbeschieden werden, ist für einen geltend gemachten Förderanspruch nicht maßgeblich, wie die Antragstellerin die Richtlinie Überbrückungshilfe III Plus versteht oder welche Schlüsse sie aus den FAQ zieht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
coronabedingter Umsatzrückgang, Überbrückungshilfe III Plus, Überbrückungshilfe IV, Schreibversehen, Verwaltungspraxis, Selbstbindung der Verwaltung, Gleichheitsgrundsatz
Vorinstanz:
VG Augsburg, Entscheidung vom 05.07.2023 – Au 6 K 23.333
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33530
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Juli 2023 – Au 6 K 23.333 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 201.719,65 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin – ein Unternehmen, das im Bereich der alternativen und regenerativen Energiegewinnung tätig ist – ihren Antrag auf Bewilligung einer Förderung in Höhe von 201.719,65 € nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 4 (Überbrückungshilfe III Plus) weiter.
2
Die Klägerin stellte am 23. August 2021 einen Antrag auf Überbrückungshilfe III Plus. Sie beantragte eine Förderung in Höhe von 201.719,65 € wegen coronabedingten Umsatzausfalls für die Monate Juli, August und September 2021. Mit Bescheid vom 15. Juni 2022 bewilligte die Beklagte die beantragte Billigkeitsleistung zur beihilferechtlichen Fristwahrung vorläufig dem Grunde nach; eine Auszahlung war damit nicht verbunden.
3
Mit Bescheid vom 3. Februar 2023 lehnte die Beklagte die beantragte Förderung ab und ersetzte den vorläufigen Bescheid vom 15. Juni 2022. Gemäß Ziffer 2.1 der Richtlinie Überbrückungshilfe III Plus und Ziffer 3.14 der FAQ seien Unternehmen nicht antragsberechtigt, wenn der Antragsteller seine Identität zum Nachweis der Antragsberechtigung nicht nachweise. Zudem habe der coronabedingte Umsatzrückgang nicht dargelegt werden können. Es müsse nach Ziffer 1.2 der FAQ für jeden Fördermonat ein coronabedingter Umsatzeinbruch nachgewiesen werden.
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Mit Urteil vom 5. Juli 2023 hat das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage, mit der die Klägerin beantragt hatte, den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2023 aufzuheben und ihr die beantragte Überbrückungshilfe III Plus antragsgemäß zu gewähren und die Beklagte zu verpflichten, die zu gewährende Überbrückungshilfe an die Klägerin auf deren Konto zu überweisen, abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es nur darauf abgestellt, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass der Umsatzrückgang coronabedingt gewesen sei.
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Mit ihrem fristgerecht eingegangenen und begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend.
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Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
7
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) hat und diese auch nicht bestehen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Senat eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwändige Ermittlungen ermöglicht.
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1.1 Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des Urteils zunächst ein, der angegriffene Bescheid spreche davon, dass der klägerische „Antrag auf Überbrückungshilfe IV abzulehnen“ sei. Tatsächlich sei es jedoch um einen Antrag auf Überbrückungshilfe III Plus gegangen. Überbrückungshilfe III Plus werde für den Zeitraum Juli bis Dezember 2021 gewährt, Überbrückungshilfe IV für Januar bis Juni 2022. Im Zeitraum Januar bis Juni 2022 könnten wegen der Fortschritte bei der „Durchimpfung“ der Bevölkerung und der allgemeinen Lockerung der Isolierungspflichten und anderen Einschränkungen höhere Anforderungen an die Bejahung der Coronabedingtheit gestellt werden als für das zweite Halbjahr 2021, um das es vorliegend gehe. Aus dem Bescheid ergebe sich, dass die Behörde diese Maßstäbe vertauscht habe. Dies sei willkürlich.
11
Dieser Vortrag kann ernstliche Zweifel an der Richtigkeit nicht begründen. Dem Wortlaut des Tenors und der Gründe des Bescheids vom 3. Februar 2023 lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Klägerin einen Antrag auf Überbrückungshilfe III Plus gestellt hat und dieser Antrag abgelehnt worden ist. Soweit im Bescheid nur an einer einzigen Stelle – zumal im Rahmen der Sachverhaltswiedergabe und nicht der rechtlichen Würdigung – von „Überbrückungshilfe IV“ die Rede ist, handelt es sich offensichtlich um ein (insbesondere nicht in die rechtliche Würdigung eingeflossenes) Schreibversehen. Das Vorbringen zur „Vertauschung der Maßstäbe“ geht daher ins Leere.
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1.2 Die Klägerin bringt weiter vor, aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Vorschriften ergebe sich der geltend gemachte Förderanspruch.
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Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, dass nach der Verwaltungspraxis der Beklagten Unternehmen nur antragsberechtigt seien, wenn sie von durch den prüfenden Dritten bestätigten coronabedingten Umsatzeinbußen im relevanten Umfang betroffen gewesen seien. Die Beklagte habe den Antrag mangels Antragsberechtigung abgelehnt, da der Umsatzeinbruch nicht coronabedingt sei. Die Verneinung der Antragsberechtigung sei vor dem Hintergrund der Richtlinie für die Gewährung der Überbrückungshilfe III Plus nicht zu beanstanden: Nach Ziffer 2.1 Sätze 1 ff. der Richtlinie seien Unternehmen u.a. antragsberechtigt, deren Umsatz in dem entsprechenden Monat im Zeitraum Juli 2021 bis Dezember 2021 coronabedingt um mindestens 30% gegenüber dem jeweiligen Monat des Jahres 2019 zurückgegangen sei. Der Nachweis, individuell von einem coronabedingten Umsatzeinbruch betroffen zu sein, könne zum Beispiel geführt werden, wenn der Antragsteller in einer Branche tätig sei, die von staatlichen Schließungsanordnungen betroffen sei. Nicht gefördert würden Umsatzausfälle, die z. B. nur aufgrund regelmäßiger saisonaler oder anderer dem Geschäftsmodell inhärenter Schwankungen aufträten. Nicht als coronabedingt würden beispielsweise Umsatzeinbrüche gelten, die zurückzuführen seien auf wirtschaftliche Faktoren allgemeiner Art oder die sich erkennbar daraus ergäben, dass Umsätze bzw. Zahlungseingänge sich lediglich zeitlich verschöben, die sich aufgrund von Schwierigkeiten in der Mitarbeiterrekrutierung ergäben oder auf Betriebsferien zurückzuführen seien. Nach Ziffer 1.2 der FAQ müsse der coronabedingte Umsatzeinbruch für jeden einzelnen Fördermonat bestehen. Nicht gefördert würden Umsatzausfälle, die zum Beispiel nur aufgrund regelmäßiger saisonaler oder anderer dem Geschäftsmodell inhärenter Schwankungen aufträten. Die oder der Antragstellende habe zu versichern und soweit wie möglich darzulegen, dass die ihm entstandenen Umsatzeinbrüche, für die Überbrückungshilfe beantragt werde, coronabedingt seien.
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Die Klägerin bringt dazu vor, aus dem zweiten Absatz der Ziffer 1.1 der FAQ ergebe sich, dass die Betroffenheit von einer Schließungsanordnung keine Voraussetzung für die Antragsberechtigung sei. Aus einem Umkehrschluss der FAQ zur Überbrückungshilfe II ergebe sich weiter, dass zumindest von einer Vermutung des Verordnungsgebers auszugehen sei, wonach Umsatzrückgänge, die dazu führten, dass die Umsätze in 2020 und 2021 deutlich unter den Umsätzen von 2019 lägen, eine Coronabedingtheit indizierten.
15
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind damit nicht dargelegt. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass für einen Förderanspruch allein entscheidend ist, wie die zuständige Behörde die Förderrichtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Förderpraxispraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; B.v. 27.7.2009 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn. 13). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis der Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; NdsOVG, U.v. 15.2.2022 – 10 LC 151/20 – juris Rn. 41). Richtlinien oder sonstige ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen dabei nicht gerichtlich ausgelegt werden, sondern dienen nur dazu, eine dem Gleichheitssatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (VGH BW, U.v. 13.7.2023 – 14 S 2699/22 – juris Rn. 63 m.w.N., vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – juris Rn. 13). Daher ist für den geltend gemachten Förderanspruch nicht maßgeblich, wie die Klägerin die Richtlinie Überbrückungshilfe III Plus versteht oder welche Schlüsse sie aus den FAQ zieht. Dies gilt insbesondere, soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass sie unter „Fußnote 12 der FAQ“ falle. Aus den Ausführungen der Klägerin ergibt sich jedenfalls nicht, dass eine Verwaltungspraxis der Beklagten besteht, wonach kleine und Kleinstunternehmen, die von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, den jeweiligen monatlichen Durchschnitt des Jahresumsatzes 2019 zur Bestimmung des Referenzansatzes heranzuziehen, auch vom Nachweis befreit ist, dass der so geltend gemachte Umsatzrückgang coronabedingt eingetreten sein muss.
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1.3 Die Klägerin trägt weiter vor, dass ihre Umsatzrückgänge als coronabedingt zu behandeln seien. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber die Auffassung der Beklagten, die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Umsatzeinbußen coronabedingt entstanden seien, für zutreffend erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der Klägerin angegebenen Gründe für den Umsatzrückgang (Angst vor Infektionen bzw. Infektionen im Kundenkreis, Verlegung von Neuverträgen in die Zukunft, wenig Bedarf an hochwertigen alternativen und regenerativen Primärenergiequellen) nicht auf einer staatlichen Maßnahme beruhten, sondern auf autonomen Entscheidungen der Kunden und die Klägerin nicht unternehmensspezifisch betroffen hätten. Derartige generelle unternehmerische Risiken würden in ständiger Verwaltungspraxis nach dem Vortrag der Beklagten nicht mit der Überbrückungshilfe III Plus ausgeglichen. Dass des Weiteren pandemiebedingt wenige Neuanträge bearbeitet und Kundenpflege betrieben worden sei, da die Mitarbeiter ständig in Quarantäne gewesen seien, seien allgemeine coronabedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten, nähere Nachweise – für eine wiederkehrende Quarantäne aller vier Mitarbeiter – seien nicht vorgelegt worden. Zudem hat das Verwaltungsgericht auf die erhöhte Darlegungslast im Zuwendungsverfahren verwiesen.
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Ernstliche Zweifel an dieser Rechtsauffassung legt die Klägerin nicht dar. Sie geht mit keinem Wort auf die Begründung des Verwaltungsgerichts ein, sondern verweist nur auf die gesetzliche Vermutung, die sie der Förderrichtlinie bzw. den FAQ entnommen haben will, ihre Interpretation von Ziffer 1.2 i.V.m. Fußnote 12 und das „logische Prinzip tertium non datur“. Damit verfehlt sie die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
19
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).