Inhalt

VG München, Beschluss v. 08.10.2024 – M 4 S 24.5493
Titel:

Fahrlässiger Einsatz eines unzulässigen Hilfsmittels in der Juristischen Staatsprüfung

Normenketten:
JAPO § 7, § 11
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1, Abs. 5
Leitsätze:
1. Wird in der Juristischen Staatsprüfung ein Hilfsmittel mit unzulässigen Kommentierungen oder Unterstreichungen verwendet, liegt Fahrlässigkeit vor, wenn es versäumt wurde, das Hilfsmittel entsprechend zu kontrollieren, was gem. § 11 Abs. 1 S. 3 JAPO als Unterschleif gewertet wird. Ein minder schwerer Fall, der eine mildere Sanktion als die Bewertung der Arbeit mit "0 Punkten" rechtfertigen könnte, ist ausgeschlossen, da das nicht zugelassene Hilfsmittel abstrakt förderlich für das Prüfungsfach sein konnte. (Rn. 30 – 38, 31 und 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die JAPO schreibt keine bestimmte Form der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses vor, sodass Entscheidungen, auch im Umlaufverfahren, zulässig sind, sofern alle Mitglieder umfassend informiert werden. Die Entscheidungskompetenz des Prüfungsausschusses bleibt gewahrt, selbst wenn das Landesjustizprüfungsamt einen vollständigen Entwurf eine zu erlassenden Bescheids - der Bewertung der Arbeit mit "0 Punkten" vorlegt. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prüfungsrecht, Zweite Juristische, Staatsprüfung, Unterschleif, Anmerkungen und Unterstreichungen in der Formularsammlung, Besitz von zwei Exemplaren der Formularsammlung, Beschlussfassung des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren, unzulässiges Hilfsmittel, Juristische Staatsprüfung, Fahrlässigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.11.2024 – 7 CS 24.1754
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33495

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2024.
2
Der Antragsteller nahm im Termin 2024/1 am Prüfungsort M. (Prüfungsraum „…“) an dem schriftlichen Teil der Zweiten Juristischen Staatsprüfung teil. Am 4. Juni 2024 wurde vor Beginn der Bearbeitung der ersten schriftlichen Prüfungsaufgabe eine Hilfsmittelkontrolle durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass sich in dem von dem Antragsteller mitgeführten Hilfsmittel „K./N., Formularsammlung“ mit Bleistift angebrachte Anmerkungen und Unterstreichungen befanden. Das Hilfsmittel wurde durch die aufsichtsführende Person gegenüber dem Antragsteller beanstandet und nach Ende der Bearbeitung sichergestellt.
3
Mit Schreiben vom 14. Juni 2024 teilte das Landesjustizprüfungsamt dem Antragsteller mit, welche Unterstreichungen und Anmerkungen in dem von ihm mitgeführten Hilfsmittel „K./N., Formularsammlung“ festgestellt worden seien und wies darauf hin, dass die Formularsammlung gemäß der Bekanntmachung des Staatsministeriums der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – vom 15. Oktober 2003 über die Hilfsmittel für die Zweite Juristische Staatsprüfung (Hilfsmittelbekanntmachung ZJS) keine Eintragungen enthalten dürfe. Hierauf sei der Antragsteller mit der Ladung und vor Beginn der Prüfung hingewiesen worden. Ihm werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, vgl. Bl. 11 ff. der Behördenakte (im Folgenden: BA).
4
Mit Schreiben vom ... Juli 2024 gab der Bevollmächtigte des Antragstellers an, es müsse zugestanden werden, dass das Hilfsmittel „K./N., Formularsammlung“ die im Anhörungsschreiben enthaltenen Anmerkungen und Unterstreichungen enthalte und sich der Antragsteller im Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels befunden habe. Dies lasse sich in der Rückschau wie folgt erklären: Der Antragsteller habe sich in den Anfangsmonaten seines Vorbereitungsdienstes zwei Exemplare der Formularsammlung zugelegt. Ein Exemplar, welches zu Übungszwecken dienen sollte, habe der Antragsteller zu den Arbeitsgemeinschaften und Veranstaltungen mitgenommen und beim Lernen mit Anmerkungen, Unterstreichungen und Verweisungen versehen. Das andere Exemplar habe, wie von der Hilfsmittelbekanntmachung vorgesehen, gänzlich „jungfräulich“ bleiben sollen. Dieses Vorgehen sei per se noch nicht ungewöhnlich oder pflichtwidrig, sondern werde vielmehr von einigen Arbeitsgemeinschaftsleitern genau so empfohlen. Der Antragsteller habe die verschiedenen Exemplare der Formularsammlung auch von Anfang an an unterschiedlichen Stellen seines Schreibtischs aufbewahrt. Wenige Tage vor den schriftlichen Prüfungen habe der Antragsteller das (vermeintlich) unbeschriebene Exemplar der Formularsammlung zu seinen Hilfsmitteln gelegt, die er zur Prüfung mit sich führen wollte. Das vollgeschriebene Exemplar habe er sicher verstaut. Beide Exemplare seien auf den ersten Blick voneinander zu unterscheiden gewesen. Beim Einpacken habe der Antragsteller das (vermeintlich) unbeschriebene Exemplar der Formularsammlung überschlägig aufgeschlagen bzw. durchgeblättert, wobei es ihm eher darum gegangen sei, sicherzustellen, dass sich nicht irgendwelche Zettel in die Formularsammlung verirrt hatten. Dabei habe er wohl nur die unbenutzten Seiten in der Mitte der Formularsammlung wahrgenommen und nicht bemerkt, dass ganz am Anfang und gegen Ende die besagten Anmerkungen enthalten waren. Zu einer Durchsicht „Seite für Seite“ habe sich der Antragsteller nicht veranlasst gesehen, da er der festen Überzeugung gewesen sei, dass er in dieses Exemplar ohnehin keine Anmerkungen eingefügt habe. Wie es letztlich dazu gekommen sei, dass dieses Exemplar nur vermeintlich unbenutzt war, sei nur dadurch zu erklären, dass der Antragsteller zu irgendeinem Zeitpunkt gegen Anfang seines Referendariats die beiden Exemplare verwechselt haben müsse. Bei welcher Gelegenheit konkret und auf welche Art und Weise sich diese Verwechslung ereignet habe, könne nicht mehr rekonstruiert werden. Mit Blick auf den Inhalt der einzelnen Anmerkungen könne lediglich vermutet werden, dass sich die Verwechslung im Zusammenhang mit einer Online-Veranstaltung zum Verwaltungsprozessrecht ereignet haben könnte. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller die Exemplare noch bei einer weiteren Gelegenheit oder zu einem anderen Anlass verwechselt habe. Bei Anfertigung der ersten Prüfungsaufgabe sei sich der Antragsteller jedenfalls in keiner Weise bewusst gewesen, ein unzulässiges Hilfsmittel bei sich zu führen. In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhalts sei der Antragsteller sicherlich im Besitz eines unzulässigen Hilfsmittels gewesen. Der Besitz eines unerlaubten Hilfsmittels stelle allerdings nur dann einen Unterschleif dar, wenn der betroffene Prüfungsteilnehmer nicht nachweise, dass der Besitz weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruhe, § 11 Abs. 1 Satz 3 a.E. der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO). Bereits dieser Ausschlussgrund sei vorliegend einschlägig. Die JAPO sehe gerade keine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung beim Besitz unzulässiger Hilfsmittel vor. Diese auch verfassungsrechtlich mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotene Grundentscheidung des Normgebers dürfe in der Einzelanwendung der Norm nicht dadurch konterkariert werden, dass an den Entlastungsbeweis mit Blick auf fehlende Fahrlässigkeit bzw. an die Sorgfaltspflichten des Prüflings derart hohe Anforderungen gestellt würden, dass dieser Beweis nie geführt werden könne. Die Tatsache des Besitzes eines unzulässigen Hilfsmittels in der Prüfungssituation alleine genüge nicht, um eine Sorgfaltspflichtverletzung festzustellen. Denn jede Form des Besitzes eines unzulässigen Hilfsmittels hätte durch den Prüfling auf irgendeine erdenkliche Art und Weise verhindert werden können. Entscheidungserheblich könne allein sein, ob der Prüfling am Maßstab des sorgsamen Durchschnittsprüflings gemessen in der konkreten Prüfungssituation damit hätte rechnen müssen, sich im Besitz eines unerlaubten Hilfsmittels zu befinden. Dem Antragsteller könne vorliegend keine konkrete Verletzung einer Sorgfaltspflicht vorgehalten werden. Der Besitz zweier Formularsammlungen sei üblich. Ebenfalls könne man dem Antragsteller nicht vorwerfen, dass er keine Vorkehrungen getroffen habe, um die Formularsammlungen nicht miteinander zu verwechseln. Auch könne man ihm nicht entgegenhalten, dass er im unmittelbaren Vorfeld der Prüfung keine Kontrolle der Hilfsmittel durchgeführt habe. Der Vorwurf könne lediglich dahin gehen, dass der Antragsteller zu irgendeinem Zeitpunkt zu Beginn seines Vorbereitungsdienstes die Formularsammlungen verwechselt haben müsse und sich die Vorkehrungen, die eine solche Verwechslung hätten verhindern sollen, im Nachhinein als unzureichend erwiesen hätten. Von einer Verletzung der besonderen Sorgfaltspflicht im Angesicht der konkret anstehenden Prüfung könne hier aber keine Rede sein. Würde man aus dem bloßen Ergebnis, dass sich die von dem Prüfling vorgenommenen Vorkehrungen als nicht ausreichend erwiesen hätten, nunmehr einen Fahrlässigkeitsvorwurf ableiten, so sei dies nichts anderes als eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung, die § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO nicht vorsehe. Jedenfalls sei im vorliegenden Fall gemäß § 11 Abs. 6 JAPO von einer Ahndung abzusehen, da ein minder schwerer Fall vorliege. Eine etwaige Sorgfaltspflichtverletzung des Antragstellers sei am absolut untersten Rand des Verschuldens anzusiedeln. Die Anmerkungen in den öffentlich-rechtlichen Formularen seien schon unabhängig von der Prüfungsaufgabe abstrakt ungeeignet, für die Bearbeitung der zivilrechtlichen Aufgabe 1 förderlich zu sein. Lediglich die Anmerkung „§ 890 Abs. 1, 2 ZPO“ mitsamt Unterstreichung des Worts „untersagt“ im Formular Nr. 1 zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei in diesem Sinne abstrakt geeignet. Förderlich sei diese Bemerkung allerdings ebenfalls nicht, da das Formular selbst in den Anmerkungen Nr. 1 auf diese Norm verweise. Alleine deswegen die Bearbeitung mit 0 Punkten zu würdigen, sei nichts anderes als eine unbillige Bestrafung (vgl. Bl. 23 ff. d. BA).
5
Mit Schreiben vom 8. Juli 2024 übersandte das Landesjustizprüfungsamt an die Mitglieder des Prüfungsausschusses für die Zweite Juristische Staatsprüfung in getrennter Ausfertigung den Entwurf eines an den Antragsteller gerichteten Unterschleifsbescheids mit der Bitte um Äußerung. Als Antwortvarianten waren die Möglichkeiten „Dem Entwurf stimme ich zu.“ oder „Den Entwurf lehne ich ab.“ vorgesehen. Beigefügt waren – neben dem Bescheidsentwurf – die Stellungnahme des Bevollmächtigten des Antragstellers vom ... Juli 2024 sowie eine „Bemerkung“ des Landesjustizprüfungsamts, in der darauf hingewiesen wurde, dass es der Praxis des Prüfungsausschusses entspreche, in Fällen wie dem vorliegenden, die jeweilige Aufgabe mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten. Eine andere Bewertung sei vorliegend auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Prüfungsausschuss in der Vergangenheit in Einzelfällen bei handschriftlichen Unterstreichungen oder bei lediglich einer unzulässigen Anmerkung in der Formularsammlung von einer Bewertung mit 0 Punkten abgesehen habe. Der vorliegende Fall zeichne sich dadurch aus, dass neben unzulässigen Unterstreichungen, mehrere handschriftliche Anmerkungen auf verschiedenen Seiten der Formularsammlung angebracht worden seien (vgl. Bl. 32 ff. d. BA).
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In der Folge übersandten die Mitglieder des Prüfungsausschusses ihre Rückantworten an das Landesjustizprüfungsamt, wobei sämtliche Ausschussmitglieder die Antwortmöglichkeit „Dem Entwurf stimme ich zu.“ wählten.
7
Mit Bescheid vom 12. August 2024, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 17. August 2024 zugestellt, teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass der Prüfungsausschuss für die Zweite Juristische Staatsprüfung beschlossen habe, die Bearbeitung der Aufgabe 1 der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2024/1 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten, § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 3 JAPO. Ferner ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung dieses Beschlusses an.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, den Nachweis fehlenden Verschuldens habe der Antragsteller nicht führen können. Unter Zugrundelegung seines Vortrags falle ihm zumindest Fahrlässigkeit zur Last. Die Stellungnahme des Antragstellers enthalte lediglich die Vermutung einer möglichen Verwechslung der beiden Exemplare des Hilfsmittels. Auch die grundsätzlich getrennte Aufbewahrung der beiden Exemplare entbinde nicht von einer gewissenhaften Kontrolle desjenigen Hilfsmittels, das in der Zweiten Juristischen Staatprüfung verwendet werde. Zu einer solchen Kontrolle habe umso mehr Anlass bestanden, als der Antragsteller zwei Exemplare der Formularsammlung besessen habe und zur Vorbereitung Unterstreichungen und Anmerkungen angebracht habe. Das beanstandete Hilfsmittel enthalte neben Unterstreichungen mehrere handschriftliche Anmerkungen auf verschiedenen Seiten. Bei einer gewissenhaften Kontrolle hätte der Antragsteller dies erkennen können. Es liege auch kein minder schwerer Fall vor, da die in dem beanstandeten Hilfsmittel enthaltenen Kommentierungen und Unterstreichungen jedenfalls abstrakt geeignet gewesen seien, die Chancengleichheit nicht unerheblich zu beeinträchtigen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da das Prüfungsverfahren im Fall der Einlegung eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung vorerst ohne Berücksichtigung des Beschlusses fortgesetzt und möglicherweise zunächst ein unrichtiges Ergebnis der Zweiten Juristischen Staatsprüfung bescheinigt werden müsse. Es liege jedoch im öffentlichen Interesse, dass die Bestätigung einer juristischen Qualifikation nur dann erfolge, wenn der Prüfungsteilnehmer diese tatsächlich rechtmäßig erworben habe und sie ihm dauerhaft zustehe. Gegenüber diesem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug habe das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zurückzustehen.
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Hiergegen hat der Antragsteller, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am … September 2024 Klage erhoben (M 4 K 24.5492) und beantragt,
den Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – vom 12. August 2024, Gz. …, aufzuheben.
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Zudem hat der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. August 2024, Gz. …, wiederherzustellen.
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Zur Begründung des Antrags wurde zunächst auf die Stellungnahme im Anhörungsverfahren mit Schreiben 4. Juli 2024 Bezug genommen und im Übrigen ergänzend ausgeführt, die Hilfsmittelkontrolle habe gleich zu Beginn der Bearbeitung zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem der Antragsteller seine Formularsammlung noch nicht benutzt habe. Für eine Selbstanzeige während der Prüfung sei daher kein Raum mehr geblieben. Es sei unstreitig, dass sich der Antragsteller im Besitz eines unzulässigen Hilfsmittels befunden habe. Gleichwohl sei der in der Hauptsache angegriffene Bescheid rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Beklagte verfehle bereits die Anforderungen einer verfassungskonformen Auslegung der Exkulpationsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 Satz 3 a.E. JAPO, indem er an den Nachweis fehlenden Verschuldens derart hohe Anforderungen stelle, dass dieser Nachweis kaum jemals geführt werden könne, sodass im Ergebnis bereits der Tatbestand der Sanktionsnorm nicht gegeben sei. Die Verletzung einer Sorgfaltspflicht könne dem Antragsteller nicht zur Last gelegt werden. Aus der Tatsache, dass sich der Antragsteller zwei Exemplare der Formularsammlung zugelegt habe und damit den Ausgangspunkt für eine spätere Verwechslung gesetzt habe, könne für sich genommen keine Sorgfaltspflichtverletzung hergeleitet werden, da dieses Verhalten nicht verboten und im Übrigen vollkommen üblich sei. Der Antragsteller habe auch die aufgrund der Anschaffung zweier Formularsammlungen gebotenen Vorkehrungen getroffen. So habe er die Formularsammlungen bereits bei Anschaffung an unterschiedlichen Stellen seines Schreibtischs aufbewahrt. Im unmittelbaren Vorfeld der Prüfung habe der Antragsteller das mitzuführende Hilfsmittel einer Kontrolle unterzogen. Zu einer Kontrolle Seite für Seite habe es keinerlei Anlass gegeben, da auf den ersten Blick erkennbar gewesen sei, dass es sich nicht um das beschriftete Exemplar gehandelt habe. Dem Antragsteller könne allenfalls entgegengehalten werden, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt zu Beginn seines Vorbereitungsdienstes die Formularsammlungen verwechselt haben müsse. Aus der Tatsache, dass der Antragsteller nur Vermutungen anstellen könnte, wie es zu der Verwechslung gekommen sei, folge keineswegs, dass ihm die Exkulpation nicht gelinge. Auch bei anderen Normen, die eine Verschuldensvermutung regelten, sei anerkannt, dass an den Entlastungsbeweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Von einer Sanktionierung sei jedenfalls nach § 11 Abs. 6 JAPO abzusehen, da ein minder schwerer Fall vorliege und sich die Bewertung der Aufgabe mit 0 Punkten vor dem Hintergrund des stattgefundenen Verstoßes als unverhältnismäßig erweise. Hinzu komme, dass die Sofortvollzugsanordnung auch nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet und daher bereits formell rechtswidrig sei. Der Antragsgegner hätte darlegen müssen, welche Gründe ihn bewogen haben, in Abkehr vom Regelfall gerade im konkreten Fall des Antragstellers den Sofortvollzug anzuordnen. Der Antragsgegner habe sich auf die bloße Wiedergabe von pauschalen Erwägungen beschränkt, ohne darzulegen, welche konkreten Umstände des Einzelfalls ihn dazu veranlassten, von einem überwiegenden Vollzugsinteresse gegenüber dem mit Blick auf den Makel des Unterschleifbescheids und den damit verbundenen stark negativen Auswirkungen auf anstehende Bewerbungsverfahren recht offensichtlichen Aussetzungsinteresse des Antragstellers auszugehen.
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Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 17. September 2024 beantragt, die Klage abzuweisen und
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Sofortvollzugsanordnung sei formell rechtmäßig. Es könne Fallgestaltungen geben, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts regelmäßig identisch sei und nichtsdestotrotz die Zulässigkeit einer Sofortvollzugsanordnung anerkannt sei. Nichts anderes gelte im Prüfungsrecht, da die Öffentlichkeit davor geschützt werden müsse, dass der Betroffene bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Vorteile aus einem ihm möglicherweise nicht zustehenden Berufsabschluss bzw. einer ihm möglicherweise nicht zustehenden Prüfungsgesamtnote ziehe. Den Nachweis fehlenden Verschuldens habe der Antragsteller nicht führen können. Die Vorgaben zur Unzulässigkeit von Kommentierungen in der Formularsammlung seien den Prüflingen mehrfach, insbesondere mit der Ladung zur Anfertigung der schriftlichen Prüfung, mitgeteilt worden und dem Antragsteller auch bekannt gewesen. Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Prüfling Kenntnis davon habe, dass er im Besitz eines unzulässigen Hilfsmittels sei, liege es im besonderen Verantwortungsbereich des Prüflings, dafür Sorge zu tragen, dass dieses Hilfsmittel nicht zur Prüfung mitgebracht werde. Wenn nun antragstellerseitig vorgetragen werde, dass lediglich ein „überschlägige(s)“ Aufschlagen der eingepackten Formularsammlung erfolgt sei, obwohl der Antragsteller nach eigenem Bekunden Kenntnis von einem in seinem Besitz befindlichen unzulässigerweise kommentierten Exemplar gehabt habe, könne ihn dies nicht exkulpieren. Auch die von dem Antragsteller angestellten Vermutungen zu einer Verwechslung der beiden in seinem Besitz befindlichen Formularsammlungen könnten seine Exkulpation nicht tragen, da reine Vermutungen kaum eine taugliche Grundlage für den Nachweis fehlenden Verschuldens sein könnten und eine rein punktuelle Verwechslung angesichts der Anzahl an unzulässigen Eintragungen nicht plausibel erscheine. Auch in diesem Fall bleibe es aber dabei, dass der Antragsteller entgegen den an einen verständigen Prüfling zu stellenden Sorgfaltsanforderungen beim Einpacken der Hilfsmittel die notwendigen Maßnahmen zur Überprüfung der Formularsammlung außer Acht gelassen habe. Ein minder schwerer Fall liege nicht vor. Der Antragsteller habe neben unzulässigen Unterstreichungen mehrere handschriftliche Anmerkungen auf verschiedenen Seiten der Formularsammlung vorgenommen, die geeignet seien die Chancengleichheit erheblich zu beeinträchtigen. Bereits die damit einhergehende Schwere des Unterschleifs stehe der Annahme besonderer Umstände entgegen. Soweit antragstellerseitig darauf verwiesen werde, dass sich die unzulässigen Anmerkungen teilweise wortgleich im Inhalt des Hilfsmittels wiederfänden, werde verkannt, dass bereits der Umstand der Hervorhebung einer Vorschrift – wozu neben einer (unzulässigen) Unterstreichung auch die Wiederholung einer Norm zähle – einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringe.
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Mit Schriftsatz vom … September 2024 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers ergänzend aus, die Behörde müsse auch in den vom Antragsgegner genannten Ausnahmefällen eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Sofortvollzugsanordnung erlassen. Auch wenn sich die Gründe für den Erlass des Verwaltungsakts und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausnahmsweise deckten, gestatte § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Verzicht auf die Begründung und den Gebrauch nichtssagender, formelhafter Wendungen. Zudem ergäben sich ernsthafte Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids. Dem Erlass des Unterschleifsbescheids habe eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren zugrunde gelegen. Diese Vorgehensweise einer Entscheidungsfindung sei mit den Vorgaben der JAPO nicht in Einklang zu bringen. Über die Sanktionierung des Unterschleifs „entscheide“ gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO der Prüfungsausschuss. Ein Vorgehen, bei dem letztlich das Landesjustizprüfungsamt durch vollständigen Bescheidsentwurf die Entscheidung „treffe“ und sich diese lediglich durch getrennte Post von den einzelnen Mitgliedern des Prüfungsausschusses absegnen lasse, die zum Bescheid „Ja“ oder „Nein“ sagen könnten, sei vor dem Hintergrund der in § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO normierten Kompetenzzuweisung zumindest kritisch zu würdigen. Entscheidend sei jedoch, dass die Beschlussfassung des Prüfungsausschusses nicht einmal im Rahmen einer Sitzung erfolgt sei, sondern im Umlaufverfahren. Die JAPO enthalte zwar keine explizite Regelung, dass der Prüfungsausschuss in Sitzungen zu beschließen habe. Dem Normgeber habe diese Vorstellung bei dem Erlass des § 7 JAPO jedoch offensichtlich zugrunde gelegen. Dies zeige systematisch eindeutig die Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO. Hinzu komme, dass die Beschlussfassung in einer Sitzung und nicht im Umlaufverfahren zu den absoluten Grundsätzen ordnungsgemäßer Beschlussfassung in einem Kollegialorgan gehöre. In der JAPO sei auch keinerlei Regelung gegeben, die ein Umlaufverfahren positiv für zulässig erkläre, wie etwa in Art. 37 Abs. 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG).
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Mit Schriftsatz vom 25. September 2024 führte der Antragsgegner ergänzend aus, der Bescheid sei formell rechtmäßig. Insbesondere sei das durchgeführte Umlaufverfahren zulässig. Die Vorbereitung eines Bescheidsentwurfs stehe der Zulässigkeit nicht entgegen. Den Mitgliedern des Prüfungsausschusses habe neben der bloßen Zustimmung oder Ablehnung auch die Möglichkeit offen gestanden, Änderungswünsche anzubringen oder die Beschlussfassung im Wege einer Sitzung zu beschließen. Dem Prüfungsausschuss hätten alle zur Entscheidung relevanten Informationen vorgelegen. Auch die Beschlussfassung im Umlaufverfahren sei zulässig. Die JAPO enthalte keine explizite Regelung zur Form der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses. Aus der Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO könne lediglich geschlossen werden, dass der Gesetzgeber bei Erlass die Vorstellung gehabt habe, dass der Prüfungsausschuss (auch) in Sitzungen entscheide. Ein Vergleich zur BayGO könne nicht vorgenommen werden, da Art. 47 Abs. 1 BayGO explizit regele, dass der Gemeinderat in Sitzungen entscheide und die JAPO eine solche Regelung gerade nicht enthalte. Ebenso enthielten das BayPVG und das GmbHG im Gegensatz zur JAPO explizite Vorschriften zur Form der Beschlussfassung. Es ergebe sich aus den von dem Antragsteller zitierten Gesetzen ein Regel-Ausnahme-Prinzip dahingehend, dass ein Umlaufverfahren grundsätzlich immer zulässig sei, sofern es nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei. Da die JAPO gerade keine formellen Voraussetzungen für die Beschlussfassung treffe, sei daraus zu schließen, dass eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren zulässig sei. Den Entlastungsbeweis habe der Antragsteller nicht führen können. Er führe schon nicht substantiiert aus, welche Vorkehrungen er getroffen habe, um die beiden Exemplare zu unterscheiden. Der lediglich pauschale Vortrag, der Antragsteller habe die Formularsammlungen an unterschiedlichen Stellen seines Schreibtischs getrennt aufbewahrt, genüge nicht den Anforderungen eines Entlastungsbeweises. Eine rein punktuelle Verwechslung erscheine angesichts der Vielzahl der unzulässigen Eintragungen bzw. Unterstreichungen sowie der Anbringung in verschiedenen Formularen nicht plausibel. Jedenfalls habe der Antragsteller entgegen den an einen verständigen Prüfling zu stellenden Sorgfaltsanforderungen beim Einpacken der Hilfsmittel die notwendigen Maßnahmen zur Überprüfung der Formularsammlung außer Acht gelassen. Auch die grundsätzlich getrennte Aufbewahrung der beiden Exemplare entbinde nicht von einer gewissenhaften Kontrolle.
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Mit Schriftsatz vom … September 2024 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Hinblick auf die Aufbewahrung der beiden Exemplare der Formularsammlung ergänzend aus, der Antragsteller habe das unbenutzte Exemplar in einer Schublade seines Schreibtischs sicher verstaut. Das kommentierte Exemplar der Formularsammlung habe sich nie in dieser Schublade befunden, sondern sei beim Lernen stets im Gebrauch gewesen und von dem Antragsteller auf der (offenen) Arbeitsfläche seines Schreibtischs neben den anderen viel benutzten Hilfsmitteln aufbewahrt worden. Genau wegen dieser räumlichen Trennung sei es für den Antragsteller bis heute unerklärlich, wie sich die Verwechslung genau ereignet habe. Der Antragsteller könne schlicht nichts näher substantiieren, von dem er keine sichere Kenntnis habe. Eine Entscheidung des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren sei von dem Normgeber nicht beabsichtigt gewesen und hätte vielmehr einer Zulässigkeitserklärung bedurft, wie sie auch in Art. 37 Abs. 3 BayPVG enthalten sei. Soweit der Antragsgegner ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dahingehend sehe, dass ein Umlaufverfahren stets zulässig sein solle, wenn es nicht explizit ausgeschlossen sei, könne dem mit Blick auf die Beratung und Diskussion, die die Entscheidung eines Kollegialorgans denknotwendigerweise voraussetze, nicht zugestimmt werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist.
21
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Sie ist insbesondere den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet worden.
22
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Der Begründungszwang soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH, B.v. 23.11.2023 – 19 CS 23.1442 – juris Rn. 13). Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht schon dann genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6). Diesen Anforderungen genügen pauschale oder formelhafte Wendungen grundsätzlich nicht. Die Behörde ist aber nicht stets verpflichtet, eine Begründung zu liefern, die sich mit dem konkreten Einzelfall auseinandersetzt. Die Begründung kann ausnahmsweise auch so gefasst sein, dass sie für eine Vielzahl anderer Fälle verwendet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst zusammenfällt (vgl. SächsOVG, B.v. 11.6.2018 – 3 B 158/18 – juris Rn. 6). Zudem kann bei gleichartigen Tatbeständen dem Erfordernis einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO auch eine gleiche oder „gruppentypisierte“ Begründungen genügen (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 19 CS 23.1442 – a.a.O.). Eine inhaltliche Überprüfung der Begründung hat das Gericht hingegen nicht vorzunehmen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55), insbesondere kommt es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht an (BayVGH, B.v. 2.6.2020 – 22 CS 20.802 – juris 28).
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Diesen Vorgaben genügt die Begründung der Sofortvollzugsanordnung im Bescheid des Antragsgegners vom 12. August 2024. Der Antragsgegner hat ausreichend dargelegt, dass nach seiner Auffassung in Fällen eines Verstoßes gegen § 11 JAPO bei Nichtanordnung des Sofortvollzugs die Gefahr bestünde, dass aufgrund der Einlegung eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung zunächst das Prüfungsverfahren fortgesetzt und möglicherweise ein sich letztlich als unrichtig herausstellendes Ergebnis der Zweiten Juristischen Staatsprüfung bescheinigt werden müsste. Diese Begründung bezieht sich konkret auf Fälle – wie den vorliegenden –, bei denen ein Verstoß gegen § 11 JAPO im Raum steht. Mit dieser Einschränkung hat der Antragsgegner deutlich gemacht, dass er sich des Ausnahmecharakters der Sofortvollzugsanordnung bewusst ist. Die Begründung ist weder pauschal noch floskelhaft, da sie sich konkret auf Fälle des Unterschleifs bezieht und hinreichend konkret darlegt, weshalb in diesen Fällen nach Auffassung des Antragsgegners das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Betroffenen überwiegt. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner diese Begründung schon in mehreren Fällen des Unterschleifs wortlautgleich herangezogen hat, schmälert ihren Aussagegehalt im konkreten Einzelfall jeweils nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner eine für sich genommen inhaltlich hinreichend konkrete und passende Begründung auf mehrere gleichgelagerte Fälle anwendet. Der Antragsteller hat im Übrigen auch nicht dargelegt, inwiefern sich in seinem Fall die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung von dem Antragsgegner herangezogenen Umstände anders darstellen als in vergleichbaren Fällen eines Verstoßes gegen § 11 JAPO. Der von dem Antragsteller insoweit geltend gemachte „Makel“ des Unterschleifs besteht in derartigen Fällen regelmäßig und stellt sich deshalb gerade nicht als ein besonderer Umstand des Einzelfalls dar, den der Antragsgegner stärker hätte berücksichtigen müssen.
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2. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage. Die von dem Antragsteller in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage wird voraussichtlich erfolglos bleiben, da sich der angegriffene Bescheid des Antragsgegners vom 12. August 2024 bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
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Unter Anwendung dieser Grundsätze fällt im vorliegenden Fall die Interessenabwägung zu Gunsten des öffentlichen Vollzugsinteresses aus. Der Bescheid des Antragsgegners vom 12. August 2024 ist bei summarischer Prüfung formell (2.1.) und materiell (2.2.) rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
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2.1. Der angegriffene Bescheid ist bei summarischer Prüfung formell rechtmäßig. Insbesondere bestehen hinsichtlich der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren keine rechtlichen Bedenken.
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Die JAPO enthält weder eine explizite Regelung zur Form der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses noch lässt sich aus den Vorgaben des § 7 JAPO ableiten, dass eine bestimmte Form der Beschlussfassung ausschließlich vorgesehen bzw. vorrangig wäre. Insbesondere lässt sich eine solche Vorgabe nicht § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO entnehmen. Diese Vorschrift bezieht sich nicht auf die Beschlussfassung des Prüfungsausschusses, sondern regelt lediglich die Kenntnisgabe einer durch das vorsitzende Mitglied allein getroffenen Entscheidung (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 3 JAPO). Allein aus dem Umstand, dass die JAPO in diesem Fall grundsätzlich Sitzungen des Prüfungsausschusses vorsieht, kann nicht geschlossen werden, dass der Prüfungsausschuss auch seine Entscheidungen ausschließlich oder vorrangig in Sitzungen zu treffen hätte. Die JAPO ermöglicht es dem vorsitzenden Mitglied in Eilfällen sogar an Stelle des Prüfungsausschusses zu entscheiden und diesen lediglich im Nachhinein von der Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Nicht in allen Fällen stehen die Beratung und Diskussion des Prüfungsausschusses somit an erster Stelle.
29
Die Beschlussfassung des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren ist im vorliegenden Fall ebenso wenig zu beanstanden, wie der Umstand, dass das Landesjustizprüfungsamt den Mitgliedern des Prüfungsausschusses einen vollständigen Bescheidsentwurf übersandt hat. Den Mitgliedern des Prüfungsausschusses wurden alle relevanten Informationen zur Kenntnis gegeben. Weder mit dem übersandten Bescheidsentwurf noch mit der beigefügten „Bemerkung“ hat das Landesjustizprüfungsamt die Entscheidung des Prüfungsausschusses vorweggenommen. Die Entscheidungskompetenz lag, wie in § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO vorgesehen, weiterhin beim Prüfungsausschuss. Den Mitgliedern des Prüfungsausschusses stand es offen, die Antwortvariante „Den Entwurf lehne ich ab.“ zu wählen bzw. Änderungswünsche geltend zu machen oder eine Sitzung einzuberufen. Es ist davon auszugehen, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses sich dessen bewusst waren und aufgrund der von dem Landesjustizprüfungsamt bereitgestellten Informationen eine unvoreingenommene Entscheidung getroffen haben. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich. Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestehen somit nicht.
30
2.2. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung auch als materiell rechtmäßig.
31
Die Rechtsgrundlage für die Bewertung der Aufgabe 1 der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2024/1 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) bildet § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 JAPO. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO stellt auch der Besitz nicht zugelassener Hilfsmittel nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben einen Unterschleif mit den Rechtsfolgen des § 11 Abs. 1 Satz 1 JAPO dar, sofern der betroffene Prüfungsteilnehmer nicht nachweist, dass der Besitz weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruht. Nach § 11 Abs. 6 JAPO kann bei Vorliegen besonderer Umstände in minder schweren Fällen von einer Ahndung des Unterschleifs abgesehen werden. Von einem minder schweren Fall ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich die getroffene Maßnahme im Hinblick auf den konkret begangenen Verstoß als unverhältnismäßig erweist. Eine Maßnahme erscheint dann nicht mehr verhältnismäßig, wenn die verhängte Sanktion ungeeignet ist, den mit ihr verfolgten legitimen Zweck zu erreichen, weil das sanktionierte Verhalten nicht geeignet war, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen (BVerwG, U.v. 21.3.2012 – 6 C 19.11 – juris Rn. 27, 33). Das nicht zugelassene Hilfsmittel ist nicht schon dann ungeeignet, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen, wenn es der Bearbeitung der konkreten Prüfungsaufgabe nicht förderlich sein konnte. Entscheidend ist vielmehr, ob das Hilfsmittel im Hinblick auf das Prüfungsfach der Prüfungsbearbeitung abstrakt förderlich sein kann. Es muss zumindest ein thematischer Zusammenhang zwischen dem Prüfungsfach und dem Inhalt des mitgeführten Hilfsmittels bestehen (BayVGH, U.v. 21.1.2016 – 7 BV 15.1233 – juris Rn. 18. m.w.N.).
32
Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die von dem Antragsgegner getroffene Entscheidung, die Prüfungsaufgabe 1 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten, als materiell rechtmäßig. Der Antragsteller befand sich im Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels (2.2.1.). Es ist ihm nicht gelungen nachzuweisen, dass dieser Besitz weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruhte (2.2.2.). Auch ist nicht vom Vorliegen eines minder schweren Falls auszugehen (2.2.3.).
33
2.2.1. Der Antragsteller war am Prüfungstag des 4. Juni 2024 nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben im Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels. Das von dem Antragsteller mitgeführte Exemplar der Formularsammlung enthielt (unstreitig) die im Anhörungsschreiben des Landesjustizprüfungsamts vom 14. Juni 2024 aufgeführten Anmerkungen und Unterstreichungen. Gemäß Nr. IV.1. der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – vom 15. Oktober 2003 über die Hilfsmittel für die Zweite Juristische Staatsprüfung (Hilfsmittelbekanntmachung ZJS), zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 6. April 2023, darf das Hilfsmittel „K./N., Formularsammlung“ keine Eintragungen enthalten.
34
2.2.2. Dem Antragsteller gelingt es vorliegend auch nicht, nachzuweisen, dass der Besitz des nicht zugelassenen Hilfsmittels weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruhte. Ihm fällt zumindest Fahrlässigkeit zur Last. Anhaltspunkte für Vorsatz gibt es hingegen nicht.
35
Der Fahrlässigkeitsvorwurf ergibt sich insbesondere daraus, dass der Antragsteller trotz bestehenden Anlasses beim Einpacken des Hilfsmittels keine gründliche Kontrolle durchgeführt hat, um sich zu vergewissern, dass dieses keine unzulässigen Kommentierungen enthält. Hierzu bestand Anlass, da sich der Antragsteller im Besitz von zwei Exemplaren der Formularsammlung befand. Ihm war bewusst, dass er zumindest in einem der Exemplare unzulässige Kommentierungen angebracht hatte. Der Kauf der beiden Exemplare lag zudem schon einige Zeit zurück, sodass eine in der Zwischenzeit erfolgte Verwechslung nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden konnte. Hieran ändert es auch nichts, dass der Antragsteller die Formularsammlungen nach eigenen Angaben an unterschiedlichen Stellen seines Schreibtischs aufbewahrt hat. Allein aufgrund dieser Vorkehrung konnte der Antragsteller angesichts des langen Zeitraums, in dem sich die beiden Formularsammlungen in seinem Besitz befanden, nicht mehr sicher davon ausgehen, dass es nie zu einer Verwechslung gekommen war. Anders wäre es unter Umständen zu werten, wenn der Antragsteller das im Examen mitzuführende Exemplar erst kurz vor den Prüfungen gekauft hätte. In diesem Fall wäre eine zwischenzeitlich erfolgte Verwechslung nahezu ausgeschlossen gewesen. Der Umstand, dass nach dem Vortrag des Antragstellers in Arbeitsgemeinschaften der Besitz zweier Formularsammlungen empfohlen wurde, entbindet ihn nicht von seiner Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die konkret anstehende Prüfung. Gerade bei der Formularsammlung liegt es aus Sicht eines verständigen Prüflings nahe, besondere Sorgfalt walten zu lassen, da es sich hierbei um das einzige Hilfsmittel in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung handelt, das gänzlich frei von Kommentierungen zu sein hat. Die Hilfsmittelbekanntmachung ist insofern eindeutig und war dem Antragsteller auch bekannt. Der Antragsteller hätte somit aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falls Anlass gehabt, das im Examen mitzuführende Exemplar der Formularsammlung vor der Prüfung einer gewissenhaften Kontrolle zu unterziehen. Dies ist ausweislich seines eigenen Vortrags nicht erfolgt. Dabei wären ihm die unzulässigen Kommentierungen bei einem gründlicheren Durchblättern vermutlich aufgefallen. Eine gründlichere Kontrolle des Hilfsmittels hätte auch keinen unzumutbaren Aufwand bedeutet, da es sich bei der Formularsammlung um ein vergleichsweise dünnes Buch handelt. Ein lediglich „überschlägiges“ Aufschlagen genügt den Sorgfaltsanforderungen, die an einen Prüfungsteilnehmer der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zu stellen sind, angesichts der Umstände des vorliegenden Falls jedenfalls nicht.
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2.2.3. Ein minder schwerer Fall gemäß § 11 Abs. 6 JAPO liegt nicht vor. Die Entscheidung des Antragsgegners, die von dem Antragsteller bearbeitete Prüfungsaufgabe 1 mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten, erweist sich angesichts des konkreten Verstoßes und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch als verhältnismäßig.
37
Soweit der Antragsteller geltend macht, die von ihm im öffentlich-rechtlichen Teil der mitgeführten Formularsammlung unzulässigerweise angebrachten Kommentierungen seien im Hinblick auf eine zivilrechtliche Examensklausur bereits nicht abstrakt förderlich, dringt er hiermit nicht durch. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es in Fällen, wie dem vorliegenden, maßgeblich darauf ankommt, ob die unzulässigen Kommentierungen ausschließlich im Hinblick auf das an dem Tag der Kontrolle konkret abgeprüfte Prüfungsfach abstrakt förderlich sind, handelt es sich im Fall des Antragstellers nicht um einen bloß geringfügigen Verstoß. Abstrakt förderlich für eine Zivilrechtsklausur waren sicherlich die unzulässigen Kommentierungen auf Seite 1 der mitgeführten Formularsammlung, wobei es sich um die Unterstreichung des Worts „untersagt“ sowie die Anmerkung „§ 890 I, II ZPO“ handelte. Diese Kommentierungen stehen im thematischen Zusammenhang mit dem Prüfungsfach Zivilrecht und sind geeignet, dem Antragsteller gegenüber den übrigen Prüfungsteilnehmern einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen. Dieser kann in einer Zeitersparnis gesehen werden, die gerade in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, bei der ein hoher Zeitdruck besteht, einen entscheidenden Vorteil bedeuten kann. Weiter können solche Kommentierungen als Gedankenstützen dienen und das Auffinden der einschlägigen Normen entscheidend erleichtern. Diese Vorteile bestehen auch unabhängig davon, dass die Formularsammlung auf Seite 2 ohnehin einen Verweis auf § 890 ZPO enthält, unabhängig davon, dass es hierzu konkret des Umblätterns der Seite bedurft hätte. Hinzu kommt, dass nicht alle Kommentierungen, die der Antragsteller im öffentlich-rechtlichen Teil der Formularsammlung angebracht hat, im Hinblick auf eine Zivilrechtsklausur völlig ungeeignet sind, die Chancengleichheit zu beeinträchtigen. Die Anmerkung auf Seite 137 der Formularsammlung „§§ 708 Nr. 1, 711 ZPO“ weist ebenfalls einen Bezug zum Zivilrecht auf und stellt sich als abstrakt geeignet dar, dem Antragsteller in einer zivilrechtlichen Klausur einen Vorteil zu verschaffen. Abgesehen davon handelt es sich bei einigen von dem Antragsteller auf Seite 137 der Formularsammlung vorgenommenen Unterstreichungen, wie etwa „Im Namen des Volkes“, „Urteil“ oder „hinsichtlich der Kostenentscheidung“ um allgemeingültige Hinweise, die in jedem der drei Prüfungsfächer einen abstrakten Vorteil bieten können. In der Gesamtschau ist daher festzustellen, dass selbst die Anzahl der nur für eine zivilrechtliche Examensklausur abstrakt förderlichen Kommentierungen vorliegend nicht mehr als geringfügig zu bewerten ist. Darüber hinaus liegt auch der Fahrlässigkeitsverstoß des Antragstellers nicht am untersten Rand. Der Antragsteller hat es vorliegend unterlassen, vor der Prüfung eine gründliche Kontrolle des mitzuführenden Hilfsmittels durchzuführen und damit die von einem Prüfungsteilnehmer in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zu erwartende Sorgfalt in nicht nur geringfügigen Maße außer Acht gelassen. Angesichts der Vielzahl von unzulässigen Kommentierungen und des letztlich ursächlichen Fahrlässigkeitsverstoßes des Antragstellers kann im Ergebnis zur Wahrung der Chancengleichheit der übrigen Prüfungsteilnehmer ein minder schwerer Fall nicht angenommen werden.
38
Nach alledem überwiegt das Vollzugsinteresse im vorliegenden Fall das Suspensivinteresse des Antragstellers. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass das Prüfungsverfahren anderenfalls zunächst fortgesetzt und möglicherweise ein letztlich unrichtiges Ergebnis der Zweiten Juristischen Staatsprüfung bescheinigt werden müsste.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. den Nummern 1.5 und 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.