Titel:
Unterlassungsanspruch wegen der Äußerung in einer Pressemitteilung einer Stadtratsfraktion
Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Art. 19 Abs. 3
VwGO § 40 Abs. 1, § 43 Abs. 2, § 173
GVG § 13, § 17a Abs. 2 S. 1, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Als zivilrechtliche Anspruchsgrundlage für das Löschen und künftige Unterlassen der Äußerungen in der Presseerklärung kommt hier ausschließlich ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB iVm § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 19 Abs. 3 GG zum Zweck der Abwehr weiterer künftiger bzw. aktuell gegebener (behaupteter) Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers in Betracht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Stadtratsfraktion ist weder Teil der öffentlich-rechtlich gegenüber Dritten hoheitlich handelnden Stadtverwaltung noch ist ihr ein entsprechendes Amt verliehen, in der eine amtliche Äußerung – welche dann aber auch der Landeshauptstadt M. als Rechtsträger zuzurechnen wäre (vgl. zB VGH München BeckRS 2009, 37019; BeckRS 2010, 52032) erfolgen könnte. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Werden Fraktionen gegenüber Dritten tätig, tun sie dies grundsätzlich auf Grund jedermann zustehenden Rechts. Ihre Rechtsbeziehungen zu diesen sind somit privatrechtlicher Natur (vgl. VGH Mannheim BeckRS 2002, 20133 unter Verweis auf OLG München BeckRS 1988, 2329). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn die Äußerungen im Rahmen einer Stadtrats- oder sonstigen Gremiensitzung erfolgt wären (vgl. VGH München BeckRS 2013, 49245). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterlassung ehrverletzender Äußerungen, Presseerklärung durch Stadtratsfraktion, Keine Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, Bürgerliche Rechtsstreitigkeit, finanzielle Zuwendungen aus Kulturfördermitteln, keine Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, bürgerliche Rechtsstreitigkeit, Feststellungsklage, Leistungsklage, öffentlichrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch, Unterlassungsanspruch, zivilrechtliche Streitigkeit, Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Stadtrats- oder sonstige Gremiensitzung
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 28.10.2024 – 4 C 24.1657
VGH München, Beschluss vom 16.12.2024 – 4 C 24.1657
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33479
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht München I verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
1
Der Kläger begehrt laut Antrag die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Pressemitteilung der Beklagten vom … Februar 2024 sowie weiterhin, der Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, (einzelne) Äußerungen aus dieser Pressemitteilung zu wiederholen und sie zu verpflichten, diese zu entfernen.
2
Der Kläger erhielt in der Vergangenheit von der Landeshauptstadt M. finanzielle Zuwendungen aus Kulturfördermitteln für die Durchführung der „… … …“. Für das Jahr 2024 stellte er erneut einen entsprechenden Förderantrag vom 15. September 2023.
3
Mit gemeinsamen Antrag der Beklagten und der Fraktion SPD/Volt im Münchner Stadtrat vom ... Februar 2024 an den Oberbürgermeister wurde das Kulturreferat aufgefordert, seine Förderlandschaft im Lichte der erforderlichen Konsolidierungen kritisch zu hinterfragen. In diesem Sinne und zur Stärkung seiner Kernaufgaben solle die Förderung der „… … …“ ab sofort und künftig nicht mehr erfolgen. Am selben Tag erfolgte hierzu eine Presseberichterstattung.
4
Mit Schreiben der Landeshauptstadt M. – Kulturreferat – vom 6. Februar 2024 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Förderung nicht (mehr) erfolgen könne.
5
Am … Februar 2024 gab die Beklagte eine Pressemitteilung heraus („In eigener Sache: Warum wir die … … nicht mehr fördern wollen“), in der im Einzelnen ausgeführt wird, warum es aus deren Sicht „im Stadtrat keinen mehrheitlichen politischen Willen mehr“ gebe, „eine solche Veranstaltung offiziell zu unterstützen – weder finanziell und schon gar nicht politisch“.
6
Der Antrag auf Zuwendung wurde von der Landeshauptstadt M. – Kulturreferat – mit Bescheid vom 20. März 2024 (unter Angabe anderer Gründe) abgelehnt. In Bezug auf diesen Versagungsbescheid ist ein Klageverfahren bei einer anderen Kammer des Verwaltungsgerichts anhängig (M 31 K 24.2056).
7
Am … Juli 2024 erhob der Kläger Feststellungsklage und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (M 7 E 24.4356), wonach der Beklagten bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt werden soll, im Einzelnen aufgeführte Äußerungen in der Pressemitteilung zu wiederholen und diese verpflichtet werden soll, diese Aussagen aus der im Internet noch abrufbaren Pressemitteilung zu entfernen.
8
Zur Begründung wird ausgeführt, es handele sich um eine Außenrechtsbeziehung einer kommunalen Fraktion, die dem öffentlichen Recht zugehörig sei. Die Fraktion trete als Teil der Stadtratsmehrheit dem Kläger hoheitlich gegenüber. Es handele sich bei dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen, der Pressemitteilung und der Ablehnung der Förderung um einen untrennbaren Vorgang. Die in der Pressemitteilung dargelegten politischen Argumente seien der eigentliche Grund, dass die Förderung versagt worden sei. Die in dem Bescheid genannten Gründe seien nur vorgeschoben worden. Die Entscheidung stehe in einem engen Verhältnis mit den Äußerungen der Mehrheitsfraktionen im Stadtrat. Schon der Titel der Pressemitteilung spreche dafür, dass hier hoheitliches Handeln begründet werde und dies könne nicht dem bürgerlichen Recht zufallen. Es bestehe für die Beklagte schon keine Rechtsgrundlage, sich in dieser Weise zum Sachverhalt und zum Kläger zu äußern. Eine Repräsentationsfunktion nach außen komme ihr nicht zu. Da es sich satzungsgemäß um eine laufende Angelegenheit handele, sei der Stadtrat und damit auch die Beklagte gar nicht mit der Thematik der Förderung befasst. Ferner äußere sich die Beklagte hier auch nicht mit spezifisch örtlichem Bezug. Jedenfalls verletze die Pressemitteilung das Sachlichkeitsgebot, das für jedes staatliche Handeln gelte. Einem Amtsträger in Wahrnehmung seiner hoheitlichen Funktion sei eine lenkende oder steuernde Einflussnahme auf den politischen Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung verwehrt. Dem Staat sei die Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG gegenüber seinen Bürgern verwehrt. Amtsträger – wie hier die Beklagte – hätten ihre Äußerungen am Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses auszurichten und dürften in der öffentlichen Diskussion Vertreter anderer Meinungen weder ausgrenzen noch gezielt diskreditieren, solange deren Positionen die für alle geltenden rechtlichen Grenzen nicht überschritten. Nur so könne die Integrationsfunktion des Staats sichergestellt werden, die ebenfalls im Demokratieprinzip wurzele. Diesen Ansprüchen werde die Pressemitteilung der Beklagte nicht gerecht. Einzig bei dem Kläger allgemeinpolitische Ansichten im Rahmen der kommunalen Förderung zu thematisieren, könne schon nicht sachlich sein. Einzelne Äußerungen seien allerdings besonders unsachlich, wozu weiter ausgeführt wurde. Es würden pauschale, nicht überprüfbare Schmähkritiken und teilweise falsche Tatsachenbehauptungen geäußert. Stellungnahmen des Klägers aus der Vergangenheit, die der Beklagten bekannt seien, seien nicht berücksichtigt worden. Ziel sei, den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, Menschen von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten und den Kläger zu delegitimieren. Damit überschreite die Beklagte bei weitem den sachlichen Rahmen.
9
Die Beteiligten wurden zu einer in Betracht kommenden Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I angehört.
10
Der Kläger widerspricht einer Verweisung.
11
Die Beklagte beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht München I zu verweisen. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Die Beziehungen zwischen den Beteiligten würden hier nicht durch das öffentliche Recht bestimmt, die gegenständliche Äußerung sei nicht Ausdruck von Hoheitsgewalt. Die Fraktionen seien keine Gemeindeorgane und würden im bayerischen Kommunalrecht auch nicht ausdrücklich als Teil oder Einrichtung des Gemeinderats bezeichnet. Der Kläger wende sich gegen individuelle politische Motivationen. Auch die Formulierung („in eigener Sache“) spreche gerade dafür, dass die Beklagte nicht auf die hoheitliche Entscheidung der Gemeinde rekurriere. Es handele sich nicht einmal um begleitende politische Kommunikation zum Antrag in der Stadtversammlung (gemeint wohl: Antrag der Fraktionen an den Oberbürgermeister), die Förderung für die Veranstaltung des Klägers einzustellen. Der Grund für die Erklärung sei vielmehr eine rein innerparteiliche Angelegenheit gewesen, nämlich eine Reaktion auf einen Antrag auf Parteiebene vom 20. Februar 2024. Es habe sich entsprechend auch nicht um eine Presseerklärung gehandelt. Auch im übrigen Presserecht sei zudem anerkannt, dass Fraktionen in Außenbeziehungen zu Privatpersonen nicht hoheitlich tätig seien. So fielen Fraktionen nicht in den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes, müssten gegenüber Privatpersonen also keine Auskünfte erteilen. Nach Auffassung des Klägers dürfte sich eine Gemeindefraktion (mangels Ermächtigungsgrundlage) überhaupt nicht politisch mit Drittbezug äußern, was offensichtlich mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen sei. Auch die weiteren Voraussetzungen der „Sachlichkeit amtlicher Äußerungen“ passten ersichtlich nicht auf die Kommunikation einer politisch-agierenden Fraktion im Gegensatz zu tatsächlich staatlichen Stellen wie Ministerien etc. Einer politischen Fraktion müsse es vielmehr auch möglich sein, mit den im politischen Betrieb üblichen Zuspitzungen zu arbeiten. Die Rechtsverhältnisse den Streitgegenstand betreffend würden daher ausschließlich durch das zivilrechtliche Äußerungsrecht bestimmt.
12
Der Kläger trat dem mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... September 2024 entgegen.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem sowie im Eilverfahren (M 7 E 24.4356) Bezug genommen.
14
Der Rechtsstreit ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Landgericht München I zu verweisen, da der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 VwGO nicht eröffnet ist.
15
Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nicht eröffnet, da es sich vorliegend nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Vielmehr ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 13 GVG).
16
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, beurteilt sich nach der Natur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Bürgerliches Recht ist Jedermannsrecht. Öffentlichrechtlicher Natur sind demgegenüber diejenigen Rechtsnormen, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen. Für die Bestimmung des Rechtswegs kommt es daher auf den Charakter des geltend gemachten Anspruchs an, der sich seinerseits nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses bestimmt, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet. Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. stRspr, GmS-OBG, B.v. 10.7.1989 – GmS-OGB 1/88 – juris Rn. 8; vgl. BVerwG, B.v. 9.4.2019 – 6 B 162/18 – juris Rn. 7 m.w.N.; vgl. auch BGH, B.v. 26.11.2002 – VI ZB 41/02 – juris Rn. 18).
17
Die Streitigkeit ist nach diesen Maßgaben nicht als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.
18
Zwar beantragt der Kläger im Hauptsacheverfahren formal eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Pressemitteilung und einer Verletzung eigener Rechte, jedoch zeigt sein Antrag im Eilverfahren, dass das (auch endgültige) Rechtsschutzziel vielmehr auf die künftige Unterlassung (einschließlich Löschung) der in der öffentlichen Pressemitteilung enthaltenen Äußerungen gerichtet ist, welche nach seinem Vorbringen teilweise falsche Tatsachenbehauptungen beinhalten und ihn in der öffentlichen Meinung herabwürdigen. Das Klageverfahren kann daher nicht isoliert betrachtet werden. Würde man dies tun und allein auf die gewählte Formulierung des Klageantrags abstellen, läge eine schon nach § 43 Abs. 2 VwGO offensichtlich unzulässige Feststellungsklage vor, da der Kläger seine Rechte ohne weiteres durch Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage (gerichtet auf Unterlassung, d.h. hier insbesondere Löschung der weiterhin öffentlich zugänglichen Pressemitteilung) verfolgen könnte. Im Übrigen wäre dann das (nur vorläufige) Begehren im Eilverfahren nicht deckungsgleich mit dem beantragten (endgültigen) Begehren im Klageverfahren bzw. würde sogar darüber hinausgehen, da dieses auf eine (einstweilige) Beseitigung der behaupteten fortdauernden Rechtsverletzung abzielt und nicht lediglich auf eine vorläufige Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen.
19
Wie ausgeführt, ist für die rechtswegentscheidende Einstufung bzw. Abgrenzung nicht das rechtliche Vorbringen maßgeblich, sondern die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs, wie sie sich nach dem Sachvortrag darstellt.
20
Als denkbare Anspruchsgrundlage für das Löschen und künftige Unterlassen der Äußerungen in der Presseerklärung kommt hier ausschließlich ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG zum Zweck der Abwehr weiterer künftiger bzw. aktuell gegebener (behaupteter) Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers in Betracht. Hierbei handelt es sich zweifelsfrei um eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage.
21
Zwar kann sich ein hieraus ggf. abzuleitender Anspruch über das Zivilrecht hinaus auch für das öffentliche Recht aus einem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Unterlassung bzw. Widerruf ehrverletzender amtlicher Äußerungen bzw. einem öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch ergeben. Jedoch handelt es bei der Beklagten weder um einen öffentlichen Verwaltungsträger, der mit besonderen Befugnissen zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ausgestattet ist, noch treten sie oder die ihr angehörigen Mandatsträger als Amtsträger gegenüber dem Kläger in einem hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis auf oder sind diesem gegenüber in Bezug auf eine reine Meinungsäußerung – wie sie die Pressemitteilung darstellt – besonderen Regeln unterworfen. Solches folgt schließlich auch nicht daraus, dass es sich bei der Fraktion bzw. ihren Angehörigen um Mandatsträger handelt und die Meinungsäußerung nicht in einer privaten, nicht das Mandat betreffenden Angelegenheit erfolgt ist, was bei einer Äußerung der Fraktion selbst schon per se nicht der Fall sein könnte. Nicht jede Meinungsäußerung, die ein Mandatsträger als solcher tätigt, wird bereits deshalb zu einer dem öffentlichen Recht unterworfenen Äußerung. Vielmehr ist zu differenzieren, in welchem konkreten Rahmen diese erfolgt. Daher ist der Charakter des hier betroffenen Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagte dem bürgerlichen Recht als „Jedermannsrecht“ zuzuordnen.
22
Nach dem in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurzelnden öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch kann jemand, der durch öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung in seinen Rechten verletzt wird, verlangen, dass diese die andauernden unmittelbaren Folgen ihres rechtswidrigen Vorgehens rückgängig macht. Voraussetzung für den Folgenbeseitigungsanspruch ist, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2022 – 6 C 11/20 – juris Rn. 16 m.w.N.). Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung bzw. Widerruf ehrverletzender amtlicher Äußerungen analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, der unter Berufung auf das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 bzw. Art. 19 Abs. 3 GG abgeleitete allgemeinen Persönlichkeitsrecht geltend gemacht werden kann, bietet Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken Amtliche Äußerungen müssen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes orientieren (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2020 – 4 CE 19.2440 – juris Rn. 43 m.w.N.).
23
Bei der Beklagten handelt es sich um eine Fraktion des Stadtrats der Landeshauptstadt M. , einen Zusammenschluss von Stadtratsmitgliedern zur Erreichung gemeinsamer Ziele (vgl. § 17 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Landeshauptstadt M. vom 4. Mai 2020). Die Fraktionen als frei gebildete Personenvereinigungen sind keine Gemeindeorgane, sie werden im bayerischen Kommunalrecht auch nicht ausdrücklich als Teil oder Einrichtung des Gemeinderats bezeichnet (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CE 17.2450 – juris Rn. 24 m.w.N.; vgl. auch B.v. 13.2.2007 – 4 C 06.2672 – juris Rn. 4). Die Beklagte ist weder Teil der öffentlich-rechtlich gegenüber Dritten hoheitlich handelnden Stadtverwaltung noch ist ihr ein entsprechendes Amt verliehen, in der eine amtliche Äußerung – welche dann aber auch der Landeshauptstadt M. als Rechtsträger zuzurechnen wäre (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.5.2006 – 4 CE 06.1217 – juris Rn. 21; vgl. auch BayVGH, B.v. 25.5.2010 – 7 ZB 09.2655 – juris Rn. 18) erfolgen könnte. Weiterhin sind die streitgegenständlichen Äußerungen ausschließlich in Form einer öffentlich einsehbaren Presseerklärung in dem Internetauftritt der Beklagten im Rahmen deren Öffentlichkeitsarbeit erfolgt, nicht hingegen im Rahmen einer Handlung der Mandatsausübung als solcher, sodass diesen auch nicht eine damit einhergehende öffentlich-rechtliche Handlungsqualität (im Sinne eines funktionalen Zusammenhangs mit dem Mandat) zugeschrieben werden könnte. So sind die Aussagen in der Presseerklärung weder Bestandteil des gemeinsamen Antrags der Beklagte mit der Fraktion SPD/Volt mit Schreiben an den Oberbürgermeister vom 1. Februar 2024 noch wurden diese im Rahmen einer Stadtrats- oder Ausschusssitzung getätigt. Allein, dass die Äußerungen inhaltlich eine politische Auseinandersetzung betreffen, ist insoweit nicht ausreichend.
24
Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem gemeinsamen Antrag der Beklagten mit der Fraktion SPD/Volt vom 1. Februar 2024, die streitgegenständliche Presseerklärung und die Ablehnung der Förderung durch die Landeshauptstadt M. mit Bescheid vom 20. März 2024 auch nicht um einen untrennbaren Vorgang mit der Folge, dass die Presseerklärung damit gleichsam dem Bescheid entsprechend ein hoheitliches und damit öffentlich-rechtliches Gepräge bekäme. Zum einen führt der Kläger selbst eine Trennung herbei, indem er die Presseerklärung der Beklagten zum Gegenstand eines eigenständigen Verfahrens macht und diese damit jedenfalls nicht ausschließlich im bereits vor einer anderen Kammer des Gerichts anhängigen verwaltungsrechtlichen Streitverfahren betreffend den Versagungsbescheid für die Begründung einer Rechtswidrigkeit desselben heranzieht. Zum anderen wird allein in diesem Verfahren zu prüfen sein, ob die Bescheidsbegründung bzw. die zur Begründung der Förderungsversagung herangezogenen rechtlichen und tatsächlichen Gründe einer öffentlich-rechtlichen Prüfung standhalten. Soweit der Kläger die Presseerklärung darüber hinaus nun zum Gegenstand dieses eigenständigen Verfahrens macht, kann dieses sinnvoll nur darauf gerichtet sein, eine etwaige Rechtsverletzung durch die Äußerungen in der Presseerklärung selbst zu beseitigen, wie auch der Antrag im Eilverfahren zeigt, und nicht etwa darauf, ein mögliches verwaltungsgerichtliches Präjudiz für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids bzw. eines Förderungsanspruchs der Klägerin zu erreichen. Daher verbleibt es vorliegend bei dem nicht öffentlich-rechtlichen Charakter des Rechtsverhältnisses, da dieses Äußerungs- und Abwehrrechte als „Jedermannsrechte“ betrifft, welche dem bürgerlichen Recht zugeordnet sind.
25
Werden Fraktionen als solche gegenüber Dritten tätig, tun sie dies grundsätzlich auf Grund jedermann zustehenden Rechts; ihre Rechtsbeziehungen zu diesen sind somit privatrechtlicher Natur (vgl. VGH BW, B.v. 12.12.2001 – 1 S 2410/01 – juris Rn. 3 f. zu Äußerungen einer Gemeinderatsfraktion in der Rubrik des nichtamtlichen Teils eines Amtsblatts, die Fraktionen des Gemeinderats vorbehalten ist, unter Verweis auf OLG München, U.v. 22.6.1988 – 21 U 2954/88 – juris zum Fall eines Unterlassungsanspruchs wegen Äußerungen in der Pressemitteilung einer Landtagsfraktion als zivilrechtliche Streitigkeit; VG München, B.v. 26.2.2014 – M 7 E 14.546 – juris Rn. 6; VG Berlin, B.v. 11.1.2023 – 2 L 4/23 – juris Rn. 2; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Februar 2024, Art. 29 GO Rn. 8; Friehe in Conrad/Grünewald/Kalscheuer/Milker, Öffentlichrechtliches Äußerungsrecht, 1. Aufl. 2022, § 6 Rn. 139; vgl. auch VG Frankfurt, B.v. 17.4.1991 – VII/2 G 576/91 – NVwZ 1992,86/87 unter Verweis auf BGH, U.v. 20.6.1961 – VI ZR 210/60 – NJW 1961, 1625 sowie U.v. 6.4. 1976 – VI ZR 246/74 – NJW 1976, 1198 zur Beurteilung des Rechtswegs für Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der persönlichen Ehre wegen beeinträchtigender Rundfunk- oder Fernsehsendungen; vgl. hierzu ebenso BVerwG, B.v. 7.6.1994 – 7 B 48/94 – juris Rn. 3 und zu der ebenfalls dem Zivilrechtsweg zuzuordnenden Öffentlichkeitsarbeit einer Kirche B.v. 9.4.2019 – 6 B 162/18 – juris Rn. 11; vgl. auch OLG Köln, B.v. 29.4.1999 – 15 W 28/99 – juris – zu einer Pressemitteilung eines Gemeinderatsmitglieds; OLG Düsseldorf, B.v. 28.3.2000 – 15 W 9/00 – juris – zu ehrverletzenden Äußerungen eines Pfarrers gegenüber einem Wirtschaftsunternehmen). Dem steht im Übrigen auch nicht die von Seiten des Klägers angeführte ältere Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 9.3.1988 – 4 B 86.03226 – NJW 1988, 2754) entgegen. Denn diese betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt (Ausschluss eines Mitglieds aus einer Kreistagsfraktion) und allein die damit zusammenhängende Rechtswegfrage. Nur weil dort die Innenrechtsbeziehungen innerhalb der Fraktion dem privaten Recht zugeordnet wurden, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass dies nicht auch für andere Rechtsstreitigkeiten gelten kann, die privatrechtliche Handlungen einer Fraktion (nach außen) gegenüber Dritten betreffen.
26
Die Beklagte kann sich als Fraktion als Gesamtheit ihrer Angehörigen (auch) als Mandatsträger in Bezug auf politische Äußerungen im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit wie jedermann auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Die Meinungsfreiheit eines Gemeinderatsmitglieds gegenüber Dritten wird – wie bei jedem anderen Bürger auch – durch die allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG begrenzt (vgl. VGH BW. U.v. 11.10.2000 – 1 S 2624/99 – juris Rn. 27). Da die Beklagte bzw. ihre Angehörigen mit der Veröffentlichung einer Pressemitteilung auch keine Handlungsform in Anspruch nehmen, die ihnen nur kraft ihrer Mandatsträgerschaft zustünden, können sich aus dieser Eigenschaft im vorliegenden Fall auch keine besonderen rechtlichen Verpflichtungen ergeben (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 19.1.1994 – Vf. 89-III-92, Vf. 92-III92 – juris Rn. 102 ff., 107; vgl. zu vergleichbaren Abgrenzungen für den kirchlichen Bereich auch BVerwG, B.v. 9.4.2019 – 6 B 162/18 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 25.5.2010 – 7 ZB 09.2655 – juris Rn. 20; OLG Dresden, B.v. 22.12.2022 – 4 W 705/22 – juris Rn. 4; vgl. ergänzend in Bezug auf kommunale Amtsträger auch BayVGH, B.v. 24.5.2006 – 4 CE 06.1217 – juris Rn. 2 und B.v. 13.10.2009 – 4 C 09.2144 – juris Rn. 12; LG Heidelberg, B.v. 26.7.2019 – 5 T 58/19 – juris Rn. 9; VGH BW, U.v. 3.11.2022 – 1 S. 2686 – juris Rn. 38 ff.).
27
Etwas Anderes könnte zwar gelten, wenn die Äußerungen im Rahmen einer Stadtrats- oder sonstigen Gremiensitzung erfolgt wären (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2013 – 4 C 13.400 – juris Rn. 3; vgl. auch BVerwG, B.v. 12.2.1988 – 7 B 123/87 – juris Rn. 4 ff.; BayVerfGH, E.v. 14.2.2023 – Vf. 10-VII-22 – juris Rn. 18; OVG RhPf. U.v. 17.9.1991 – 7 A 10359/91 – juris Rn. 38) oder ggf. in einer anderen Form, welche nur Mandatsträger in Anspruch nehmen könnten, jedoch ist beides hier nicht der Fall.
28
Allein, dass die streitgegenständlichen Äußerungen inhaltlich eine politische Auseinandersetzung betreffen und sich nicht auf einen privaten bzw. privatrechtlichen (d.h. einen nicht das Mandat betreffenden) Sachverhalt beziehen, ist für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ebenfalls nicht maßgebend (vgl. VG München, B.v. 26.2.2014 – M 7 E 14.546 – juris Rn. 6 m.w.N.; vgl. auch Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 40 Rn. 83). So hat auch der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit des Rechtswegs in Bezug auf angeblich ehrverletzende Äußerungen eines Landtagsabgeordneten in einer Presseerklärung gesehen, die mit einer am gleichen Tag eingereichten kleinen Landtagsanfrage übereinstimmte (vgl. BGH, U.v. 18.12.1979 – VI ZR 240/78 – NJW 1980, 780; vgl. hierzu VG Frankfurt, B.v. 17.4.1991 – VII/2 G 576/91 – NVwZ 1992,86/87; vgl. auch OLG Karlsruhe, U.v. 23.11.1994 – 6 U 199/94 – juris zu einer ehrverletzenden Äußerung in einer Pressemitteilung eines Vorsitzenden einer Gemeinderatsfraktion in einer politischen Auseinandersetzung; U.v. 28. Juli 2017 – 14 U 23/17 – BeckRS 2017, 155365, nachgehend BVerfG, B.v. 19.2.2019 – 1 BvR 1954/17 – juris, zu einem Rechtsstreit bzgl. Unterlassens von Äußerungen zwischen zwei Fraktionsvorsitzenden im Kontext einer politischen Auseinandersetzung; OLG Dresden, U.v. 9.5.2017 – 4 U 102/17 – juris – zu einem Rechtsstreit zwischen zwei Landtagsfraktionen über die Zulässigkeit von Äußerungen in Informationsschriften zur Öffentlichkeitsarbeit; LG Erfurt, U.v. 19.11.2020 – 8 O 559/20 – juris Rn. 26 – zu nach außen wirkender Öffentlichkeitsarbeit einer Landtagsfraktion).
29
Das Gericht spricht daher die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges aus und verweist den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht München I (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und §§ 12, 13 ZPO bzw. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO, Art. 4 Nr. 14, Art. 5 Abs. 2 Nr. 47 GerOrgG). Der Zuständigkeitsstreitwert für das dortige Verfahren steht bei unbezifferten Leistungsklagen, bei Feststellungsklagen sowie Unterlassungsklagen jeweils im freien Ermessen des Gerichts, welches dahingehend zur Wertschätzung berechtigt ist (vgl. § 3 ZPO).
30
In Bezug auf den maßgeblichen Streitwert geht das Gericht von einem den verwaltungsgerichtlichen Regelstreitwert von 5.000 Euro (vgl. § 52 Abs. 2 GKG) übersteigenden Streitwert aus (vgl. zu diesbezüglichen Kriterien z.B. OLG Frankfurt, B.v. 2.6.2023 – 16 W 27/23 – juris Rn. 21). Der Regelstreitwert wurde lediglich bei Klageerhebung – mangels damaliger anderweitiger konkreter Anhaltspunkte – vorläufig festgesetzt. Insbesondere haben sich auch die Beteiligten bezüglich des Streitwerts im Rahmen der Anhörung (zu einer Verweisung an das Landgericht) nicht abweichend geäußert.
31
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die durch Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten entscheidet gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG das zur Entscheidung berufene Gericht.