Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.11.2024 – 3 ZB 23.2
Titel:

Anerkennung einer Infektion mit dem Corona-Virus als Dienstunfall, COVID-19 Erkrankung als Berufskrankheit

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
Anlage 1 BKV Nr. 3101
Schlagworte:
Anerkennung einer Infektion mit dem Corona-Virus als Dienstunfall, COVID-19 Erkrankung als Berufskrankheit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 29.11.2022 – RN 12 K 21.2496
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33473

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 sowie Nr. 5 VwGO sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Das Zulassungsvorbringen legt keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-) Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dar.
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Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 − BVerfGE 151, 173 <186> = juris Rn. 32 m.w.N.). Um ernstliche Zweifel entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, muss sich das Zulassungsvorbringen substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen und ausführen, in welchem konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Punkt die ergebnisbezogenen Zweifel bestehen und worauf sie sich gründen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – BayVBl 2012, 567 Rn. 7 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 ff.; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206). Nach diesen Maßgaben werden hier keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aufgezeigt.
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1.1 Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Anerkennung einer Erkrankung an COVID-19 als Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG begehrt. Diesbezüglich rügt er, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass keine hinreichend genaue Bestimmung von Zeitpunkt und Ort der Infektion i.S.v. Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG möglich sei. Tatsächlich könne er aber den Beweis einer Ansteckung am 8. März 2021 in der JVA führen. An diesem Tag habe er u.a. in der Zeit von 7:15 Uhr bis 8:00 Uhr engen Kontakt mit dem Kollegen S. gehabt, der am 9. März 2021 positiv auf Covid-19 getestet worden sei, wobei davon auszugehen sei, dass er bereits vorher ansteckend gewesen sei. Der Kläger selbst habe am 12. März 2021 erste Symptome gehabt, also in einem Zeitraum von drei bis vier Tagen danach. Unter Berücksichtigung der vom Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 (Stand 26.11.2021) dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Übertragungs- und Ansteckungsweg sowie Inkubationszeit sei davon auszugehen, dass eine Infektion des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am 8. März 2021 stattgefunden habe. Bestätigt werde dies durch das vorgelegte Attest des Anstaltsarztes, dem zufolge der Kläger am 8. März 2021 in räumlich engem Kontakt mit Herrn S. ohne Trennwand und regelmäßige Belüftung in einem kleinen Zimmer gearbeitet habe, wobei zum Teil keine Maske getragen worden sei, so dass die Infektionskette zu 100% Wahrscheinlichkeit über Herrn S. während der Arbeitszeit erfolgt sei.
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Mit diesen Ausführungen, die im Wesentlichen eine Wiederholung des vom Verwaltungsgericht umfassend gewürdigten erstinstanzlichen Vorbringens darstellen, setzt der Kläger den vom Verwaltungsgericht hierzu getroffenen Feststellungen und angestellten Erwägungen (UA S. 6-9), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), nichts von Substanz entgegen. Das Verwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung der auch von Klägerseite herangezogenen, vom RKI in dem genannten Steckbrief publizierten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auch weiterhin aktuell sind, zutreffend und ausführlich dargelegt, dass und weshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, dass sich der Kläger am 8. März 2021 durch den Aufenthalt in einem Büro ohne Trennwand mit dem nachgewiesenermaßen infizierten Kollegen S. angesteckt hat, weil die Ansteckung zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der sehr variablen und individuell unterschiedlichen Inkubationszeit auch außerhalb des Dienstes – beispielsweise bei der Ehefrau des Klägers – erfolgt sein kann. Der Hinweis des Klägers, dass für eine Anerkennung als Dienstunfall die Feststellung genüge, dass die Infektion bei einer (von mehreren) Besprechungen des Klägers mit dem Kollegen S. am 8. März 2021 erfolgt sei, weil ein Ereignis auch dann noch als plötzlich angesehen werden könne, wenn es im Zeitraum längstens einer Arbeitsschicht eingetreten sei, ist daher unbehelflich.
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Dass – wie der Kläger geltend macht – eine Ansteckung am 8. März 2021 wahrscheinlich sei, weil sich die Wahrscheinlichkeit einer solchen generell bei einem Aufenthalt in Räumen mit schlechter Belüftung auch bei einer größeren Distanz als 1,5 m erhöhe, ist für die Anerkennung als Dienstunfall gerade nicht ausreichend; auch genügt es nicht, dass die Ansteckung im Dienst wahrscheinlicher ist als andere in Betracht zu ziehende Ansteckungswege. Vielmehr müssen Ort und Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses feststehen (BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – juris Rn. 14; B.v. 19.1.2006 – 2 B 46.05 – juris Rn. 6). Lassen sich Ort und Zeit einer Infektion nicht genau feststellen, so geht das zu Lasten des Beamten, der die materielle Beweislast trägt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 8).
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Etwas anderes kann auch auf der Grundlage des seitens des Klägers vorgelegten Attests des Anstaltsarztes nicht angenommen werden. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt (UA S. 8), dass sich schon der dort zugrunde gelegte Sachverhalt von demjenigen unterscheide, den der Kläger angegeben habe, ohne dass die Zulassungsbegründung dieser Feststellung entgegentritt. Während der Anstaltsarzt von einem Daueraufenthalt des Klägers und des Herrn S. in einem gemeinsamen Büro ausgegangen sei, habe der Kläger angegeben, es seien ihnen zwei verschiedene Büros zugewiesen gewesen, sie hätten sich nur mehrmals in einem Büro besprechen müssen. Abgesehen davon geht das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass es vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich noch fortentwickelten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Übertragung des Coronavirus und zur Inkubationszeit sowie des Umstands, dass anderweitige Kontakte des Klägers in dieser Zeit nicht auszuschließen waren, auch dem Arzt im konkreten Fall des Klägers offensichtlich nicht möglich war, nachträglich die Infektionsquelle und den Infektionszeitpunkt eindeutig zu ermitteln. Für diese Feststellung bedarf es entgegen der Auffassung des Klägers keines weitergehenden medizinischen Sachverstands und auch die Begründung des Anstaltsarztes, dass der Kläger private Kontakte verneint habe, vermag hieran nichts zu ändern. Zur Erläuterung führt das Verwaltungsgericht zutreffend aus, im relevanten Zeitraum seien in der Bevölkerung viele Infektionen aufgetreten (7-Tage-Inzidenz im Landkreis P. am 8. März 2021 lt. Veröffentlichung des RKI 246 je 100.000 Einwohner) und gerade die sich ab März 2021 in Deutschland durchsetzende Alpha-Variante habe eine erhöhte Übertragbarkeit im Vergleich zum Wildtyp des Coronavirus aufgewiesen. Es sei nicht lebensnah, dass der Kläger in der gesamten in Betracht zu ziehenden Inkubationszeit, die auch bei dieser Variante bis zu 13 Tage betragen habe, keinerlei privaten Kontakt außerhalb seines Haushalts gehabt haben wolle, der für eine Übertragung geeignet gewesen wäre; darüber hinaus sei – wie ausgeführt – auch eine Ansteckung bei der Ehefrau nicht auszuschließen. Auch der Kläger selbst schließt soziale Kontakte im relevanten Zeitraum nicht gänzlich aus, sondern gibt in der Zulassungsbegründung an, er habe erforderliche Kontakte kurz gehalten und dabei einen Mund-Nasen-Schutz getragen.
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Soweit der Kläger geltend macht, dass jedenfalls nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ein Dienstunfall zu bejahen sei (Zulassungsbegründung S. 6 f.), scheidet dies vorliegend schon deshalb aus, weil es im Hinblick auf die Inkubationszeit und die mannigfaltigen Möglichkeiten einer anderweitigen Infektion nicht typischerweise oder geradezu zwangsläufig zu einer Infektion im dienstlichen Rahmen am 8. März 2021 gekommen sein muss (vgl. BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 13). Es besteht auch keine Veranlassung, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann, quasi eine Beweislastumkehr über die Heranziehung des Anscheinsbeweises zu Gunsten des Beamten zu begründen. Denn zum einen hat der Gesetzgeber der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), die grundsätzlich auch die Erkrankung an COVID-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen soll der Dienstherr nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht (BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 14).
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1.2 Der Kläger zeigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung des Verwaltungsgerichts auf, dass die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG im konkreten Fall des Klägers nicht erfüllt sind, weil der Kläger einer Infektionsgefahr nicht in ähnlichem Maße wie Beschäftigte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium besonders ausgesetzt war.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats gilt im Sinne des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG bzw. hierzu inhaltsgleichen § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.V.m. Anlage 1 der BKV die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 29.6.1998 – 3 B 95.3890 – juris Rn. 11; B.v. 27.8.1998 – 3 ZB 98.568 – juris Rn. 2; Tegethoff in Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand September 2024, § 31 BeamtVG Rn. 187). Die besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein (BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20). Entscheidend für die Beurteilung, ob es sich um ein derart erhöhtes Ansteckungsrisiko handelt, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris Rn. 6). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG soll insofern nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17). Deshalb genügt die generelle Ansteckungsgefahr, der ein Beamter ausgesetzt sein kann, wenn er im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, nicht (BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 22 f. m.w.N.). Vielmehr ist festzustellen, ob dem konkreten dienstlichen Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung innewohnt und sich diese generelle Gefahr aufgrund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann (BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.). Liegt eine mit der dienstlichen Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Beamte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war, die sich dann nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet (BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 27 m.w.N.). Bei einer pandemisch verbreiteten Krankheit reicht ein hoher Grad an Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes grundsätzlich nicht aus, um eine besondere Infektionsgefahr zu begründen (BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 78). Hinzukommen muss vielmehr immer eine im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besondere mit der konkreten dienstlichen Verrichtung verbundene Übertragungsgefahr. Denn der Gesetzgeber ist von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, dass die Folgen schicksalsmäßiger – d.h. von niemandem verschuldeter – schädlicher Einwirkungen von dem Geschädigten selbst zu tragen sind, also regelmäßig nicht auf einen schuldlosen Dritten – hier den Dienstherrn – abgewälzt werden können; und er hat den öffentlich-rechtlichen Dienstherren in Abweichung von diesem Grundsatz das (wirtschaftliche) Risiko für eine von einem Beamten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit erlittene Infektion nur ausnahmsweise auferlegt (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1965 – II C 11.62 – BeckRS 1965, 31317469; BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 80). Hierfür genügt nicht eine Infektionsgefahr, die aus der bloßen Zusammenarbeit mit anderen Menschen herrührt. Denn die bloße Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist gerade nicht einer konkreten dienstlichen Tätigkeit eigentümlich, sie ist vielmehr generell in einer Beschäftigung im Arbeitsleben und nicht nur im Beamtentum und der konkreten dienstlichen Verrichtung angelegt.
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Hiernach war der Kläger infolge seiner konkreten „dienstlichen Verrichtung“ (Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG) keiner erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Denn die Infektionsgefahr war für den Kläger bei der angegebenen Besprechung mit dem Kollegen S. in einem nicht belüfteten Büro ohne Trennwand am 8. März 2021 zwischen 7:15 Uhr und 8:00 Uhr sowie weiteren Besprechungen mit dem Kollegen an diesem Tag, bei denen dieser nach Angaben des Klägers jeweils keine Maske trug, nicht oder allenfalls geringfügig gegenüber der allgemeinen Gefahr einer Infektion mit SARS-CoV-2 erhöht. Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht, dass den vom Kläger geschilderten Tätigkeiten kein überdurchschnittliches Infektionsrisiko innewohnte (UA S. 12 f.), wird nicht überzeugend in Zweifel gezogen. Hinsichtlich der genannten Besprechungen in einem geschlossenen Büroraum mit einem wohl (in diesem Zeitpunkt unerkannt) infizierten Kollegen bestand für den Kläger lediglich das zu diesem Zeitpunkt für die gesamte arbeitende Bevölkerung bzw. die Beamtenschaft bestehende Ansteckungsrisiko. Während der Besprechungen waren der Kläger bzw. sein Kollege nicht aufgrund der typischen Dienstausführung gehindert, individuelle Schutzmaßnahmen, wie das Tragen einer Maske, zu ergreifen. Auch waren die Besprechungen angesichts ihrer Dauer und der Zahl der Teilnehmer (lediglich ein Kollege) nicht mit risikoerhöhenden Faktoren behaftet. Konkrete Tätigkeiten „am Menschen“ mit einem unmittelbaren Körperkontakt oder eine gesichtsnahe Tätigkeit in Innenräumen hatte der Kläger nicht auszuführen. Soweit der Kläger darauf verweist, anders als die „übrige Gesamtbevölkerung“ habe er als Beamter sich im konkreten Fall den dienstlich übertragenen Aufgaben – hier also den Besprechungen mit dem Kollegen an den Dienstörtlichkeiten – nicht entziehen können, hatte während des langen Zeitraums der Pandemie ein Großteil der Beamtenschaft und der übrigen arbeitenden Bevölkerung derartige dienstliche Kontakte in geschlossenen Räumen, wie sie vom Kläger geschildert wurden. In der Gesamtschau der besonderen Umstände zeigt sich nach der Art und Dauer der vom Kläger verrichteten dienstlichen Tätigkeiten keine besonders erhöhte Wahrscheinlichkeit einer konkreten Infektionsgefahr.
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2. Der Rechtssache kommt auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung zu.
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Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, zweitens ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig ist, also für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, und drittens erläutert, aus welchen Gründen sie klärungsbedürftig ist, mithin aus welchen Gründen die ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 35). Rechtsfragen, die höchstrichterlich hinreichend geklärt sind oder sich ohne Weiteres anhand der gängigen Auslegungsmethoden aus dem Gesetz beantworten lassen, sind nicht als klärungsbedürftig anzusehen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 − BVerfGE 151, 173 <186> = juris Rn. 33 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 38 m.w.N.). Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht aufgezeigt, wenn das Zulassungsvorbringen sich darauf beschränkt, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts als unrichtig anzugreifen (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 127).
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Dies zugrunde gelegt legt der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar. Die Frage,
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ob zur Beurteilung einer besonders erhöhten Infektionsgefahr im Sinne von Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG auf den Grad der Durchseuchung abgestellt werden kann, wenn diese Infektionsgefahr im Rahmen einer Pandemie die gesamte Bevölkerung betreffen kann,
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lässt sich auf der Grundlage der Gesetzesauslegung sowie der – auch vom Kläger selbst zitierten – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der Oberverwaltungsgerichte und des Bundessozialgerichts beantworten und ist im Übrigen einer weitergehenden Klärung nicht zugänglich, da es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.
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Da sich der Gesetzgeber in Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG sowie in Nr. 3101 der Anlage zur BKV, auf die die Vorschrift dynamisch verweist, dafür entschieden hat, auf die Art der jeweiligen Tätigkeit abzustellen, erfordert die Anerkennung einer Infektionskrankheit als Berufskrankheit zunächst eine aus der konkreten Tätigkeit selbst herrührende bzw. dieser anhaftende abstrakte Gefährlichkeit. Wie bereits ausgeführt setzt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung voraus, dass die besondere, im Vergleich zur übrigen Bevölkerung bzw. Beamtenschaft erhöhte Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist und sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris Rn. 6; U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17). Auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sind bei der Frage, ob der Betroffene im Sinne der 4. Alternative der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war, die vom Betroffenen konkret verrichteten Tätigkeiten zu berücksichtigen (zuletzt BSG, U.v. 22.6.2023 – B 2 U 9/21 R – juris Rn. 15 mit Verweis auf U.v. 2.4.2009 – B 2 U 33/07 R – juris Ls. und Rn. 14 ff.). Insoweit ist zunächst entscheidend, ob die im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes mit einer abstrakten Gefahrenlage einhergehen (BSG, U.v. 2.4.2009 a.a.O. Rn. 17). Liegt eine mit der dienstlichen Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Beamte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war, die sich dann nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet (BSG, U.v. 22.6.2023 a.a.O. Rn. 13 ff.; U.v. 2.4.2009 a.a.O. Rn. 16). Der Grad der Durchseuchung ist sowohl hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der dienstlichen Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Betroffenen verrichteten gefährdenden Handlungen (BSG, U.v. 15.9.2011 – B 2 U 22/10 R – juris Rn. 16). Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist (BSG, U.v. 30.3.2023 – B 2 U 2/21 R – juris Rn. 17; U.v. 15.9.2011 – B 2 U 22/10 R – juris Rn. 17 m.w.N.).
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Da mithin für die Frage der Anerkennung einer Infektionskrankheit sowohl auf die Art der Tätigkeit als auch auf eine im Vergleich zur übrigen Bevölkerung bzw. Beamtenschaft erhöhte Infektionsgefahr abzustellen ist, kann es insbesondere in einer pandemischen Lage nicht allein auf die Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes ankommen. Vielmehr stellt der Grad der Durchseuchung ein Kriterium bei der aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Beurteilung dar, ob sich die einer dienstlichen Tätigkeit innewohnende erhöhte abstrakte Infektionsgefahr im Einzelfall konkretisiert und schließlich realisiert hat (vgl. BayVGH, U.v. 5.6.2024 a.a.O. Rn. 76 ff.). Die Zulassungsbegründung zeigt keine entscheidungserheblichen Divergenzen in der Rechtsprechung oder rechtliche Gesichtspunkte auf, die Anlass geben könnten, die dargestellte Rechtsprechung zu dem Merkmal „der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt“ gemäß Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG in Frage zu stellen. Vielmehr beschränkt sich der Kläger darauf, der mit dieser Rechtsprechung in Einklang stehenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts seine eigene Rechtsauffassung gegenüberzustellen bzw. die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts im konkreten Fall anzugreifen.
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3. Auch lässt die Zulassungsbegründung keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hervortreten.
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Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn das Zulassungsvorbringen gegen das erstinstanzliche Urteil Fragen von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass sie sich wegen der Komplexität nicht im Berufungszulassungsverfahren klären lassen. Keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn die rechtlichen Fragen sich ohne Weiteres aus den Normen ergeben oder in der Rechtsprechung geklärt sind und wenn kein besonders unübersichtlicher oder schwer zu ermittelnder Sachverhalt vorliegt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 28 u. 33 m.w.N.). Auch hier muss sich die die Zulassung beantragende Partei substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen. Insbesondere soweit die Schwierigkeiten darin gesehen werden, dass das Verwaltungsgericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, sind diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihr Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – juris Rn. 17). Gemessen hieran ist kein Zulassungsgrund dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
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4. Schließlich legt die Zulassungsbegründung keinen Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann. Mit dem Zulassungsantrag wurde nicht dargelegt, dass die Ablehnung des (unbedingt gestellten) Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO fehlerhaft war.
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Die Verletzung der Aufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs kann nur dann mit Erfolg gerügt werden, wenn dargelegt wird, dass die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 64; BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279 = juris Rn. 99; BVerwG, U.v. 11.2.2014 – 8 C 49.12 – ZOV 2014, 109 = juris Rn. 26). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht oder des rechtlichen Gehörs scheidet auch dann aus, wenn nicht die in der Begründung des Gerichts genannten, aber andere Gründe des Verfahrensrechts die beantragte Beweiserhebung ausschließen (OVG NW, B.v. 2.1.2020 – 19 A 183/18.A – juris Rn. 12 ff.; HessVGH, B.v. 10.7.2007 – 7 UZ 422/07.A – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 16.3.1994 – 11 C 48.92 – NVwZ 1994, 1095 – juris Rn. 21; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 64). Dem Beteiligten muss durch eine im Ergebnis untragbare Ablehnung die Möglichkeit abgeschnitten worden sein, auf die Tatsachengrundlage des Gerichts durch die gewünschte Beweiserhebung einzuwirken (NdsOVG, B.v. 16.12.2004 – 8 LA 262/04 – juris Rn. 5; Kautz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 138 VwGO Rn. 13; Dahm NVwZ 2000, 1385).
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Das Verwaltungsgericht hat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag,
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zum Beweis der Tatsache, dass die Coronainfektion des Klägers am 8. März 2021 erfolgt ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise den Anstaltsarzt Dr. G. einzuvernehmen,
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durch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss mit der Begründung abgelehnt, das Gericht verfüge hinsichtlich der Inkubationszeit für die Coronavirus-Erkrankung bereits über hinreichende Fachkunde durch allgemein zugängliche Informationen, u. a. den von der Klägerseite selbst vorgelegten Epidemiologischen Steckbrief des RKI vom 26. November 2021.
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Hiergegen ist unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens im Ergebnis rechtlich nichts zu erinnern. Da vor dem Hintergrund der konkreten Umstände auf der Hand liegt, dass die Frage, ob die Infektion des Klägers mit dem Coronavirus am 8. März 2021 während der Besprechungen mit dem Kollegen S. erfolgt ist, weder durch ein Sachverständigengutachten noch durch die Einvernahme des angebotenen sachverständigen Zeugen mit der erforderlichen Zuverlässigkeit geklärt werden kann, waren die Beweismittel ungeeignet (s. bereits oben 1.1). Der Zeitpunkt der Ansteckung mit einer Infektionskrankheit lässt sich fast ausnahmslos – so auch hier – nicht mit der gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG erforderlichen Genauigkeit feststellen (BVerwG, U.v. 25.2.2010 a.a.O. Rn. 15; B.v. 19.1.2006 a.a.O. Rn. 6). Dieser Schwierigkeit hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Infektionskrankheiten, die in der Anlage 1 der BKV aufgeführt sind, gemäß Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG als Dienstunfälle gelten, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.
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5. Der Zulassungsantrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 10.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).