Titel:
Klage gegen Gewerbeuntersagung wegen strafbarer Kennzeichenverletzung
Normenketten:
GewO § 35
MarkenG § 143, § 143a
Leitsätze:
1. Die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Begehung von Straftaten mit erheblichem Gewicht, die zum Verlust der Zuverlässigkeit des Täters geführt hat, reicht allein das bloße rechtstreue Verhalten über einen längeren Zeitraum nach Tatbegehung bis zum Bescheiderlass in der Regel nicht ohne Weiteres aus, um den erforderlichen tiefgreifenden Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine Wiedererlangung der Zuverlässigkeit bejahen zu können. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die für den Gewerbetreibenden sprechenden Tatsachen müssen auch hinsichtlich des Zeitraums umso nachhaltiger sein, je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung wegen strafbarer Kennzeichenverletzung (MarkenG), länger zurückliegende Straftat, Gesamtwürdigung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 13.10.2023 – M 16 K 23.1699
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33460
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Oktober 2023 – M 16 K 23.1699 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 3. März 2022 weiter.
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Die Klägerin, eine GmbH, ist bei der Beklagten gewerblich angemeldet. Im Handelsregister ist seit ihrer Gründung der Kläger im Verfahren 22 ZB 24.293 als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer eingetragen. Er ist zugleich alleiniger Gesellschafter der Klägerin.
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Der Geschäftsführer wurde mit Strafbefehl vom 2. Mai 2022, rechtskräftig seit dem 5. Juli 2022, durch das Amtsgericht München wegen gewerbsmäßiger strafbarer Verletzung der Rechte des Inhabers einer Unionsmarke (nach Art. 9 Abs. 1 der Unionsmarkenverordnung) in 118 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in 14 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit jeweils mit gewerbsmäßiger strafbarer Verletzung der Rechte des Inhabers einer Unionsmarke, jeweils in Mittäterschaft zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 11 Monaten verurteilt. Dem lag nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls zugrunde, dass er in den Jahren 2016 bis 2019 [richtig 2018] Elektroartikel nach Deutschland eingeführt (u.a. über 12.500 Kopfhörer mit Zubehör) sowie Teile davon zum Verkauf bereitgehalten und über eine Online-Plattform veräußert hatte, die widerrechtlich mit Kennzeichen der jeweiligen Rechteinhaberin versehen waren. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
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Mit Bescheid vom 3. März 2022 untersagte die Beklagte der Klägerin die Ausübung des Gewerbes „Beratung von Unternehmen, Ankauf von Beteiligungen sowie den Erwerb und das Halten von Beteiligungen, Verwaltung von Beteiligungen sowie den Erwerb und das Halten von Beteiligungen, Betrieb einer Vermögensverwaltung“ als selbstständiger Gewerbetreibender im stehenden Gewerbe sowie jegliche selbstständige Tätigkeit im stehenden Gewerbe. Zur Begründung verwies sie auf die Unzuverlässigkeit des Vertretungsberechtigten.
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Das Verwaltungsgericht München hat die Klage gegen den Bescheid mit Urteil vom 13. Oktober 2023 abgewiesen; das Urteil wurde der Bevollmächtigten der Klägerin am 9. Januar 2024 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2024, am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit am Montag, den 11. März 2024, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten geltend.
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Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung der Klägerin (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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1. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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Die Klägerin wendet sich im Wesentlichen dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Unzuverlässigkeit ohne hinreichende Gesamtwürdigung aller Umstände angenommen habe.
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1.1 Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der gewerblichen Unzuverlässigkeit der Klägerin i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewO auf Unzuverlässigkeitsgründe in der Person ihres Geschäftsführers (dem Kläger im Verfahren 22 ZB 24.293, das die gegenüber ihm persönlich ausgesprochene Gewerbeuntersagung zum Gegenstand hat) gestützt. Dieser sei aufgrund seines zu einer strafrechtlichen Verurteilung führenden Verhaltens gewerberechtlich unzuverlässig. Für die erforderliche Prognose sei aus der Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit gewerblichen Betätigungen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten zu schließen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass nicht das Strafurteil, sondern nur das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt habe, eine Gewerbeuntersagung erfordern könne. Die Gewerbebehörden und die Verwaltungsgerichte müssten sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Bestrafung zugrunde gelegen habe und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigten (UA S. 10 f.).
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Der Geschäftsführer der Klägerin sei zusammen mit dem weiteren Angeschuldigten O. auch Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gewesen, deren Zweck u.a. der Onlinehandel mit Elektroartikeln gewesen sei. Aufgrund des gemeinsamen Tatplans und unter bewusstem und gewolltem Zusammenwirken im Rahmen des Geschäftsbetriebes hätten beide seit November 2015 widerrechtlich mit geschützten Zeichen (u.a. Wortmarken „BEATS“, „Apple“, „iPhone“ und Bildmarke des stilisierten, angebissenen Apfels) versehene Kopfhörer mit Zubehör bewusst ohne Zustimmung der Rechteinhaber eingekauft, zum späteren Verkauf gelagert und tatsächlich verkauft (UA S. 11 f.). Das Verwaltungsgericht stellte die einzelnen Tathandlungen fest (UA S. 12 ff.), wobei es mehrere im Strafbefehl irrtümlich falsch angegebene Jahreszahlen – entsprechend den klägerischen Hinweisen sowie dem Inhalt der Behördenakten – berichtigte (Einfuhrzeitpunkte 8.5. und 9.5.2016 statt 8.5.und 9.5.2019 sowie Anhalten der Waren durch den Zoll im Mai 2016 statt am 26.5.2020). Demzufolge setzte der Geschäftsführer der Klägerin die Tatbegehung zusammen mit dem Angeschuldigten O. aufgrund des gemeinsamen Tatplans (auch nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der UG im August 2016) bis ins Jahr 2018 fort. Die Straftaten wiesen sämtlich einen gewerblichen Bezug auf und zeigten, dass es dem Geschäftsführer der Klägerin am erforderlichen Respekt gegenüber eigentums- bzw. vermögensrechtlichen Belangen Dritter fehle (UA S. 16 f.).
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Die daraus resultierende prognostische Bewertung der Beklagten, das bisherige Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin biete keine Gewähr für die künftige ordnungsgemäße Ausübung eines Gewerbes, werde durch die klägerischen Einwände nicht in Zweifel gezogen (UA S. 17 f.). Die offensichtlich unrichtigen Jahreszahlen seien korrigiert worden. Auch der Eintrag im Bundeszentralregister zum Tag der (letzten) Tat (laut Führungszeugnis: 9.5.2016) sei offenkundig unrichtig. Von Klägerseite sei dagegen nicht substantiiert dargelegt worden, aus welchem Grund der abgeurteilte Tatzeitraum ausschließlich im Jahr 2016 gelegen haben solle. Die vorliegende Strafakte stütze vielmehr die Ausführungen im Strafbefehl.
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Für den maßgeblichen Zeitpunkt sei auch ein ausreichender bzw. ausreichend gefestigter innerer Einstellungswandel, der eine für den Geschäftsführer der Klägerin günstigere Prognose zuließe, nicht ersichtlich. Die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürften, sei auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen seien (UA S. 20 ff.). Je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten angedauert habe, desto mehr müsse sich auch das an den Tag gelegte „Wohlverhalten“ auf einen längeren Zeitraum erstrecken, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. Aus einer während und unter dem Druck eines anhängigen Strafverfahrens und/oder eines späteren Gewerbeuntersagungsverfahrens gezeigten Phase des Wohlverhaltens des Betroffenen könne dabei nicht ohne Weiteres auf einen grundlegenden Einstellungswandel geschlossen werden. Da es für die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht auf ein Verschulden ankomme, spreche zugunsten des Geschäftsführers der Klägerin zunächst nicht, dass er zum Tatzeitpunkt nach eigenen Angaben noch „geschäftlich unerfahren“ gewesen sei, was auch deshalb nicht überzeuge, weil er nach eigenen Angaben bereits mit rund 18 Jahren (seit 2008) selbstständig gewerblich tätig gewesen sei. Seine Behauptung, er habe sich auf die Einschätzung des Geschäftsführers O. verlassen, stehe im Widerspruch zur Feststellung des Strafgerichts, wonach der Geschäftsführer der Klägerin jeweils vorsätzlich und in Mittäterschaft gehandelt habe. Die Beteuerung, dass dieser es als Fehler ansehe und bedaure, sich auf den Mittäter O. „verlassen zu haben“, und dessen Versicherung, dies künftig in einer vergleichbaren Situation nicht mehr einfach zu glauben bzw. hinzunehmen, sei nicht ansatzweise ausreichend, um annehmen zu können, dass er die Schwere seines Fehlverhaltens erkannt, sich mit diesem auseinandergesetzt und einen inneren Reifeprozess bzw. Einstellungswandel durchlaufen habe. In Anbetracht der organisierten und planmäßigen Tatbegehung, die sich über einen längeren Zeitraum (Dezember 2015 bis Anfang 2018) erstreckt habe, seien die Taten von erheblichem Unwertgehalt. Der bis dahin nicht vorbestrafte Geschäftsführer der Klägerin habe, wie auch die hohe Stückzahl der Kopfhörer zeige, eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. Der Annahme der Unzuverlässigkeit stehe in Anbetracht von Art und Schwere des an den Tag gelegten Fehlverhaltens damit nicht entgegen, dass seit den Taten nunmehr schon einige Jahre verstrichen seien, zumal der Strafbefehl vom 2. Mai 2022 erst seit 5. Juli 2022 rechtskräftig und die Bewährungszeit von drei Jahren noch nicht abgelaufen sei. Der vorgetragene weitere berufliche Werdegang des Geschäftsführers der Klägerin, der für berufliche Erfolge sprechen möge, sei ebenfalls kein ausreichender Beleg für einen hinreichend gefestigten inneren Einstellungs- sowie Verhaltenswandel, zumal ihm die Schuldeinsicht offenbar nach wie vor fehle und er ohne Erfolg versuche, sein strafrechtlich geahndetes Fehlverhalten zu relativieren. Bei einer Gesamtwürdigung im maßgeblichen Zeitpunkt sei daher die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit gerechtfertigt.
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Auf Fragen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und das Nichtvorliegen steuerlicher Pflichtverletzungen komme es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an (UA S. 20 f.). Selbst wenn die Klägerin (und ihr Geschäftsführer) im maßgeblichen Zeitpunkt wirtschaftlich leistungsfähig gewesen und ihren steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen seien, lasse dies keine günstigere Prognose zu. Die Gewerbeuntersagung sei zum Schutz der Allgemeinheit vor der Teilnahme eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden am Geschäftsverkehr vorliegend auch erforderlich.
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1.2 Dazu hat die Klägerin im Zulassungsverfahren vorgetragen, dass die Unzuverlässigkeit ohne eine hinreichende Würdigung der Gesamtumstände, vor allem der zu ihren Gunsten sprechenden Gründe, prognostiziert worden sei. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass ihr Geschäftsführer bis zum Erlass des Strafbefehls nicht vorbestraft gewesen sei und sich seit den mit dem Strafbefehl abgeurteilten Tatvorwürfen keinen weiteren Vorwürfen ausgesetzt gesehen habe. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie das Nichtvorliegen steuerlicher Pflichtverletzungen seien zu Unrecht als nicht entscheidungserheblich angesehen worden. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht ausreichend gewürdigt, dass der mit dem Strafbefehl abgeurteilte Tatzeitraum bereits acht Jahre zurückliege und der Geschäftsführer der Klägerin sich seitdem durchgehend rechtmäßig verhalten habe. Der Klägerin selbst werde kein illegales Verhalten vorgeworfen. Darüber hinaus beruft sie sich auf die geschäftliche Unerfahrenheit ihres Geschäftsführers im Jahr 2016, sein Vertrauen auf die Einschätzung seines älteren, erfahreneren und vertrauenswürdigen Geschäftspartners sowie auf das seitdem langjährig und durchgehend rechtmäßige Verhalten, das deutlich zeige, dass er aus seinem Fehlverhalten nachhaltig gelernt habe. Den Einstellungswandel, der sich auch aus den zahlreichen von ihm besuchten Fortbildungen ergebe, habe das Verwaltungsgericht verkannt. Vor allem sei die Entwicklung seiner Persönlichkeit nicht in die Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände einbezogen worden. Das Verwaltungsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass dem Geschäftsführer der Klägerin die Schuldeinsicht fehle, was überwiegend auf den Ausübungszeitraum der Tat gestützt werde. Es sei jedoch nicht vertretbar, aus der Schwere der Tat eine fehlende Schuldeinsicht zu konstruieren. Dies widerspreche dem Grundsatz der Resozialisierung. Angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs sei die Gewerbeuntersagung auch unverhältnismäßig.
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1.3 Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Entgegen dem klägerischen Einwand hat sich das Verwaltungsgericht mit den Gesamtumständen hinreichend auseinandergesetzt und diese umfassend gewürdigt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten ist, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 u.a. – juris Rn. 34; B.v. 19.9.2023 – 22 ZB 22.2089 – juris Rn. 23 m.w.N.). Im Rahmen der Begründung der Unzuverlässigkeit hat es – entgegen dem klägerischen Vortrag – sowohl den Umstand einbezogen, dass der Geschäftsführer der Klägerin bis zur Tatbegehung nicht vorbestraft war (UA S. 21) als auch das Verhalten nach der Tat zutreffend gewürdigt, vor allem die Straffreiheit, die Zahlung der Geldauflage und den vorgetragenen beruflichen Werdegang (UA S. 22). Daraus, dass diese Umstände letztendlich nicht als ausschlaggebend bewertet wurden, kann nicht geschlossen werden, dass sie von vornherein als irrelevant eingeschätzt worden wären, wie die Klägerin meint. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass im Urteil den Fragen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie nach steuerlichen Pflichtverletzungen der Klägerin und ihres Geschäftsführers nicht im Einzelnen nachgegangen wurde. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass selbst bei Unterstellung, beide seien im maßgeblichen Zeitpunkt leistungsfähig gewesen und ihren steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen, keine günstigere Prognose möglich sei. Auf die genannten Umstände wurde somit – entgegen dem Einwand der Klägerin – zutreffend eingegangen und sie wurden zu ihren Gunsten als gegeben unterstellt. Es ist daher nicht ersichtlich, dass wesentliche Gesichtspunkte, die für die Zuverlässigkeit der Klägerin bzw. ihres Geschäftsführers sprechen könnten, nicht einbezogen worden wären.
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Durch den Verweis darauf, dass die Straftatbegehung mehrere Jahre zurückliege, und durch das Vorbringen, der Tatzeitraum habe bereits 2016 geendet, zieht die Klägerin die Richtigkeit des Urteils ebenfalls nicht ernstlich in Zweifel. Damit wiederholt sie lediglich ihren erstinstanzlichen Vortrag, mit dem sich das Verwaltungsgericht bereits hinreichend auseinandergesetzt hat. Es hat die offensichtlichen Unrichtigkeiten in Bezug auf mehrere Jahreszahlen im Strafbefehl sowie im BZR-Auszug berichtigt und unter Rückgriff auf die Akten im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, warum das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Tatbegehung erst im Jahr 2018 endete. Damit setzt sich die Zulassungsbegründung nicht hinreichend auseinander.
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Das Verwaltungsgericht hat sich auch mit den näheren Umständen bei Tatbegehung (v.a. Alter des Geschäftsführers der Klägerin; vermeintliche geschäftliche Unerfahrenheit; Vertrauen auf erfahrenen Geschäftspartner) sowie mit dem Nachtatverhalten (v.a. mehrjähriges strafloses Verhalten im Geschäftsverkehr; Behauptung eines Einstellungswandels; Absolvierung von Fortbildungen und „Workshops“) umfassend auseinandergesetzt. Die Klägerin wiederholt insofern wiederum nur ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne sich hinreichend mit den Urteilsgründen auseinanderzusetzen und ohne darzulegen, welcher die Entscheidung tragende Rechtssatz bzw. welche Tatsachenfeststellung im Urteil in Zweifel gezogen werden soll. Bei der Begehung von Straftaten mit erheblichem Gewicht, die zum Verlust der Zuverlässigkeit des Täters geführt hat, reicht allein das bloße rechtstreue Verhalten über einen längeren Zeitraum nach Tatbegehung bis zum Bescheiderlass in der Regel nicht ohne Weiteres aus, um den erforderlichen tiefgreifenden Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine Wiedererlangung der Zuverlässigkeit bejahen zu können. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein rechtstreues Verhalten als solches von jedem Gewerbetreibenden ohne Weiteres erwartet werden kann (vgl. dazu BayVGH, B.v. 19.9.2023 – 22 ZB 22.2089 – juris Rn. 23 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, dass die für den Gewerbetreibenden sprechenden Tatsachen umso nachhaltiger sein müssen (auch hinsichtlich des Zeitraums), je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein, und dass aus einer während und unter dem Druck eines anhängigen Strafverfahrens und/oder eines späteren Gewerbeuntersagungsverfahrens gezeigten Phase des Wohlverhaltens des Betroffenen nicht ohne weiteres auf einen grundlegenden Einstellungswandel geschlossen werden kann (vgl. dazu BayVGH, B.v. 17.10.2022 – 22 ZB 22.856 – juris Rn. 18 m.w.N.). Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die Annahme, ihr Geschäftsführer sei schulduneinsichtig, zu Unrecht im Wesentlichen auf die Schwere der Tat gestützt, greift dies ebenfalls nicht durch. Vielmehr wurde insofern in den Urteilsgründen (UA S. 21 f.) nicht nur auf die Tatbegehung, sondern vor allem auch auf die nachträgliche Relativierung der Taten abgestellt. Darauf geht das Zulassungsvorbringen jedoch nicht ein. Schließlich setzt die Klägerin mit ihrem Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Umstände, die zu ihren Lasten sprechen, überbewertet und die zu ihren Gunsten sprechenden Tatsachen zu gering gewichtet, sowie mit dem Vorbringen, es liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, lediglich ihre Wertung an die Stelle der überzeugenden Gesamtbetrachtung durch das Verwaltungsgericht.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise sind konkrete, entscheidungserhebliche rechtliche Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu benennen. Es muss dargelegt werden, bei welchen Fragestellungen und aus welchen Gründen die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Die Darlegung besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten muss verdeutlichen, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich und/oder besonders schwierig zu ermitteln ist (vgl. zum Ganzen Happ, in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 68 ff.).
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Die Klägerin verweist insofern lediglich pauschal auf ihren Vortrag zum Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, ohne zu begründen, worin die besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten liegen sollen. Die dabei aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedoch bereits obergerichtlich entschieden (vgl. oben 1.). Ebenso wenig wird ersichtlich, worin eine besondere Komplexität des Sachverhalts zu sehen sein soll. Dass diese sowie die Problematik der rechtlichen Einordnung den durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad nicht unerheblich übersteigen, wird lediglich behauptet und nicht näher dargelegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).