Titel:
Klage gegen Gewerbeuntersagung wegen strafbarer Kennzeichenverletzung
Normenketten:
GewO § 35
MarkenG § 143, § 143a
Leitsätze:
1. Die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Begehung von Straftaten mit erheblichem Gewicht, die zum Verlust der Zuverlässigkeit des Täters geführt hat, reicht allein das bloße rechtstreue Verhalten über einen längeren Zeitraum nach Tatbegehung bis zum Bescheiderlass in der Regel nicht ohne Weiteres aus, um den erforderlichen tiefgreifenden Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine Wiedererlangung der Zuverlässigkeit bejahen zu können. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die für den Gewerbetreibenden sprechenden Tatsachen müssen auch hinsichtlich des Zeitraums umso nachhaltiger sein, je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung wegen strafbarer Kennzeichenverletzung (MarkenG), länger zurückliegende Straftat, Gesamtwürdigung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 13.10.2023 – M 16 K 23.1579
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33459
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Oktober 2023 – M 16 K 23.1579 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 24. Februar 2022 weiter.
2
Der Kläger wurde mit Strafbefehl vom 2. Mai 2022, rechtskräftig seit dem 5. Juli 2022, durch das Amtsgericht München wegen gewerbsmäßiger strafbarer Verletzung der Rechte des Inhabers einer Unionsmarke (nach Art. 9 Abs. 1 der Unionsmarkenverordnung) in 118 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in 14 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit jeweils mit gewerbsmäßiger strafbarer Verletzung der Rechte des Inhabers einer Unionsmarke, jeweils in Mittäterschaft zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 11 Monaten verurteilt. Dem lag nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls zugrunde, dass der Kläger in den Jahren 2016 bis 2019 [richtig 2018] Elektroartikel nach Deutschland eingeführt (u.a. über 12.500 Kopfhörer mit Zubehör) sowie Teile davon zum Verkauf bereitgehalten und über eine Online-Plattform veräußert hatte, die widerrechtlich mit Kennzeichen der jeweiligen Rechteinhaberin (Beats Electronics LLC; Apple Inc.) versehen waren. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Bewährungsbeschluss vom 2. Mai 2022 wurde dem Kläger unter anderem die Auflage erteilt, einen Geldbetrag von insgesamt 15.000 Euro in Raten an den Förderverein R. M. e.V. zu bezahlen.
3
Mit Bescheid vom 24. Februar 2022 untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Vermittlung von Kontakten zu Versicherungsvermittlern oder zu Versicherungsunternehmen ohne Konkretisierung auf ein bestimmtes Produkt, Beratung über Photovoltaikanlagen (ohne Anschlussarbeiten), Durchführung von Werbemaßnahmen, Beratung von Kunden sowie die Durchführung von Büroarbeiten“ als selbstständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbstständigen gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger – bei Vornahme einer Gesamtwürdigung – aufgrund der Taten, die der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde gelegen hätten, unzuverlässig sei.
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Das Verwaltungsgericht München hat die Klage gegen den Bescheid mit Urteil vom 13. Oktober 2023 abgewiesen; das Urteil wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 10. Januar 2024 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2024, am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit am Montag, den 11. März 2024, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz sowie mit einem weiteren Schriftsatz vom 14. Mai 2024. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten sowie sinngemäß auch Verfahrensmängel geltend.
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Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung des Klägers (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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1. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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Der Kläger wendet sich im Wesentlichen dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Unzuverlässigkeit ohne hinreichende Gesamtwürdigung angenommen habe.
11
1.1 Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der gewerblichen Unzuverlässigkeit des Klägers i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO im Wesentlichen auf dessen zur strafrechtlichen Verurteilung führendes Verhalten gestützt. Es hat betont, dass für die erforderliche Prognose aus der Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten zu schließen sei. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass nicht das Strafurteil, sondern nur das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt habe, eine Gewerbeuntersagung erfordern könne. Die Gewerbebehörden und die Verwaltungsgerichte müssten sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Bestrafung zugrunde gelegen habe – wobei sie i.d.R. von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürften –, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigten (UA S. 8 f.).
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Der Kläger sei ursprünglich zusammen mit dem weiteren Angeschuldigten O. Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gewesen, deren Zweck u.a. der Onlinehandel mit Elektroartikeln gewesen sei. Am 24. August 2016 sei er „aus unternehmenstaktischen Gründen (Bonität des Klägers) formell als Geschäftsführer“ ausgeschieden. Aufgrund des gemeinsamen Tatplans und unter bewusstem und gewolltem Zusammenwirken im Rahmen des Geschäftsbetriebes hätten beide seit November 2015 widerrechtlich mit geschützten Zeichen (u.a. Wortmarken „BEATS“, „Apple“, „iPhone“ und Bildmarke des stilisierten, angebissenen Apfels) versehene Kopfhörer mit Zubehör bewusst ohne Zustimmung der Rechteinhaber eingekauft, zum späteren Verkauf gelagert und tatsächlich verkauft (UA S. 10 f.). Das Verwaltungsgericht stellte die einzelnen Tathandlungen fest (UA S. 11 ff.), wobei es mehrere im Strafbefehl irrtümlich falsch angegebene Jahreszahlen – entsprechend den klägerischen Hinweisen sowie dem Inhalt der Behördenakten – berichtigte (Einfuhrzeitpunkte 8.5. und 9.5.2016 statt 8.5.und 9.5.2019 sowie Anhalten der Waren durch den Zoll im Mai 2016 statt am 26.5.2020). Demzufolge setzte der Kläger die Tatbegehung zusammen mit dem Angeschuldigten O. aufgrund des gemeinsamen Tatplans auch nach dem Ausscheiden als Geschäftsführer bis ins Jahr 2018 fort. Beide hätten mit dem Willen gehandelt, sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Die Straftaten wiesen sämtlich einen gewerblichen Bezug auf und zeigten, dass es dem Kläger am erforderlichen Respekt gegenüber eigentums- bzw. vermögensrechtlichen Belangen Dritter fehle (UA S. 15 f.).
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Die daraus resultierende prognostische Bewertung der Beklagten, das bisherige Verhalten des Klägers biete keine Gewähr für die künftige ordnungsgemäße Ausübung eines Gewerbes, werde durch die klägerischen Einwände nicht in Zweifel gezogen (UA S. 16 f.). Die offensichtlich unrichtigen Jahreszahlen seien korrigiert worden. Auch der Eintrag im Bundeszentralregister zum Tag der (letzten) Tat (laut Führungszeugnis: 9.5.2016) sei offenkundig unrichtig. Im Übrigen sei dagegen vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden, aus welchem Grund der abgeurteilte Tatzeitraum ausschließlich im Jahr 2016 gelegen haben solle. Die vorliegende Strafakte stütze vielmehr die Ausführungen im Strafbefehl insbesondere auch zu den Jahren 2017 und 2018, was vom Verwaltungsgericht im Einzelnen belegt wurde. Gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen lägen insoweit nicht vor, insbesondere seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt worden.
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Für den maßgeblichen Zeitpunkt sei auch ein ausreichender bzw. ausreichend gefestigter innerer Einstellungswandel, der eine für den Kläger günstigere Prognose zuließe, nicht ersichtlich. Die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürften, sei auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen seien (UA S. 18 ff.). Je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten angedauert habe, desto mehr müsse sich auch das an den Tag gelegte „Wohlverhalten“ auf einen längeren Zeitraum erstrecken, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. Aus einer während und unter dem Druck eines anhängigen Strafverfahrens und/oder eines späteren Gewerbeuntersagungsverfahrens gezeigten Phase des Wohlverhaltens des Betroffenen könne dabei nicht ohne Weiteres auf einen grundlegenden Einstellungswandel geschlossen werden. Da es für die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht auf ein Verschulden ankomme, spreche zugunsten des Klägers zunächst nicht, dass er zum Tatzeitpunkt nach eigenen Angaben noch „geschäftlich unerfahren“ gewesen sei, was auch deshalb nicht überzeuge, weil er nach eigenen Angaben bereits mit rund 18 Jahren (seit 2008) selbstständig gewerblich tätig gewesen sei. Seine Behauptung, er habe sich auf die Einschätzung des Geschäftsführers O. verlassen, stehe im Widerspruch zur Feststellung des Strafgerichts, wonach der Kläger jeweils vorsätzlich und in Mittäterschaft gehandelt habe. Die Beteuerung, dass er es als Fehler ansehe und bedaure, sich auf den Mittäter O. „verlassen zu haben“, und die Versicherung, dies künftig in einer vergleichbaren Situation nicht mehr einfach zu glauben bzw. hinzunehmen, sei nicht ansatzweise ausreichend, um annehmen zu können, dass der Kläger die Schwere seines Fehlverhaltens erkannt, sich mit diesem auseinandergesetzt und einen inneren Reifeprozess bzw. Einstellungswandel durchlaufen habe. In Anbetracht der organisierten und planmäßigen Tatbegehung, die sich über einen längeren Zeitraum (Dezember 2015 bis Anfang 2018) erstreckt habe, seien die Taten von erheblichem Unwertgehalt. Der bis dahin nicht vorbestrafte Kläger habe, wie auch die hohe Stückzahl der Kopfhörer zeige, eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. Der Annahme der Unzuverlässigkeit stehe in Anbetracht von Art und Schwere des an den Tag gelegten Fehlverhaltens damit nicht entgegen, dass seit den Taten nunmehr schon einige Jahre verstrichen seien, zumal der Strafbefehl vom 2. Mai 2022 erst seit 5. Juli 2022 rechtskräftig und die Bewährungszeit von drei Jahren noch nicht abgelaufen sei. Auch die vom Kläger angeführte Zahlung der Geldauflage begründe keinen Sinneswandel. Der vorgetragene weitere berufliche Werdegang des Klägers, der für berufliche Erfolge sprechen möge, sei ebenfalls kein ausreichender Beleg für einen hinreichend gefestigten inneren Einstellungssowie Verhaltenswandel, zumal ihm die Schuldeinsicht offenbar nach wie vor fehle und er ohne Erfolg versuche, sein strafrechtlich geahndetes Fehlverhalten zu relativieren. Bei einer Gesamtwürdigung im maßgeblichen Zeitpunkt sei daher die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit gerechtfertigt.
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Auf Fragen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und das Nichtvorliegen steuerlicher Pflichtverletzungen komme es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an (UA S. 20 f.). Selbst wenn der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt wirtschaftlich leistungsfähig gewesen und seinen steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen sei, lasse dies keine günstigere Prognose zu. Die Gewerbeuntersagung sei zum Schutz der Allgemeinheit vor der Teilnahme eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden am Geschäftsverkehr vorliegend auch erforderlich.
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1.2 Dazu hat der Kläger im Zulassungsverfahren vorgetragen, dass die Unzuverlässigkeit ohne eine hinreichende Würdigung der Gesamtumstände, vor allem der zu seinen Gunsten sprechenden Gründe, prognostiziert worden sei. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er bis zum Erlass des Strafbefehls nicht vorbestraft gewesen sei und sich seit den mit dem Strafbefehl abgeurteilten Tatvorwürfen keinen weiteren Vorwürfen ausgesetzt gesehen habe. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie das Nichtvorliegen steuerlicher Pflichtverletzungen seien zu Unrecht als nicht entscheidungserheblich angesehen worden. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht ausreichend gewürdigt, dass der mit dem Strafbefehl abgeurteilte Tatzeitraum (gem. Eintrag im Bundeszentralregister bis 9.5.2016) bereits acht Jahre zurückliege und er sich seitdem durchgehend rechtmäßig verhalten habe. Zu Unrecht sei insofern zugrunde gelegt worden, dass der Tatzeitraum bis 2018 angedauert und nicht im Jahr 2016 geendet habe. Bei der Durchsuchung im August 2017 habe er schon keinen Kontakt mehr zu der Firma gehabt. Die Beweisangebote des Klägers seien insofern fehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Darüber hinaus beruft sich der Kläger auf seine geschäftliche Unerfahrenheit im Jahr 2016, sein Vertrauen auf die Einschätzung seines älteren, erfahreneren und vertrauenswürdigen Geschäftspartners sowie auf das seitdem langjährig und durchgehend rechtmäßige Verhalten, das deutlich zeige, dass er aus seinem Fehlverhalten nachhaltig gelernt habe. Den Einstellungswandel, der sich auch aus den zahlreichen von ihm besuchten Fortbildungen ergebe, habe das Verwaltungsgericht verkannt. Vor allem sei die Entwicklung seiner Persönlichkeit nicht in die Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände einbezogen worden. Das Verwaltungsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass dem Kläger die Schuldeinsicht fehle, was überwiegend auf den Ausübungszeitraum der Tat gestützt werde. Es sei jedoch nicht vertretbar, aus der Schwere der Tat eine fehlende Schuldeinsicht zu konstruieren. Dies widerspreche dem Grundsatz der Resozialisierung. Angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs sei die Gewerbeuntersagung auch unverhältnismäßig.
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1.3 Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Entgegen dem klägerischen Einwand hat sich das Verwaltungsgericht mit den Gesamtumständen hinreichend auseinandergesetzt und diese umfassend gewürdigt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten ist, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 u.a. – juris Rn. 34; B.v. 19.9.2023 – 22 ZB 22.2089 – juris Rn. 23 m.w.N.). Im Rahmen der Begründung der Unzuverlässigkeit hat es – entgegen dem klägerischen Vortrag – sowohl den Umstand einbezogen, dass der Kläger bis zur Tatbegehung nicht vorbestraft war (UA S. 20) als auch das Verhalten nach der Tat zutreffend gewürdigt, vor allem die Straffreiheit, die Zahlung der Geldauflage und den vorgetragenen beruflichen Werdegang (UA S. 20). Daraus, dass diese Umstände letztendlich nicht als ausschlaggebend bewertet wurden, kann nicht geschlossen werden, dass sie von vornherein als irrelevant eingeschätzt worden wären, wie der Kläger meint. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass im Urteil den Fragen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie nach steuerlichen Pflichtverletzungen des Klägers nicht im Einzelnen nachgegangen wurde. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass selbst bei Unterstellung, der Kläger sei im maßgeblichen Zeitpunkt leistungsfähig gewesen und seinen steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen, keine günstigere Prognose möglich sei. Auf die genannten Umstände wurde somit – entgegen dem Einwand des Klägers – zutreffend eingegangen und sie wurden zu seinen Gunsten als gegeben unterstellt. Es ist daher nicht ersichtlich, dass wesentliche Gesichtspunkte, die für die Zuverlässigkeit des Klägers sprechen könnten, nicht einbezogen worden wären.
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Durch den Verweis darauf, dass die Straftatbegehung mehrere Jahre zurückliege, und durch das Vorbringen, der Tatzeitraum habe bereits 2016 geendet, zieht der Kläger die Richtigkeit des Urteils ebenfalls nicht ernstlich in Zweifel. Damit wiederholt er lediglich seinen erstinstanzlichen Vortrag, mit dem sich das Verwaltungsgericht bereits hinreichend auseinandergesetzt hat. Es hat die offensichtlichen Unrichtigkeiten in Bezug auf mehrere Jahreszahlen im Strafbefehl sowie im BZR-Auszug berichtigt und unter Rückgriff auf die Akten im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, warum das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Tatbegehung nicht mit dem formellen Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer im August 2016, sondern erst im Jahr 2018 endete. Damit setzt sich die Zulassungsbegründung nicht hinreichend auseinander. Vielmehr wird lediglich behauptet, es habe seit August 2017 kein Kontakt mehr zwischen dem Kläger und der Firma bestanden und es sei dazu, dass der Tatzeitraum im Jahr 2016 geendet habe, Beweis angeboten worden, ohne dies allerdings näher zu erläutern oder zu substantiieren. Dies reicht nicht aus, um gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafrechtlichen Tatsachenfeststellungen und der damit in Einklang stehenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu begründen. Hierfür hätte substantiiert dargelegt werden müssen, dass und inwieweit diese den Tatsachen nicht entsprochen haben sollen (vgl. zu den Darlegungsanforderungen in Bezug auf strafrechtliche Tatsachenfeststellungen BVerwG, U.v. 21.7.1964 – I C 102.61 – GewArch 1965, 7/8; BayVGH, B.v. 19.9.2023 – 22 ZB 22.2089 – juris Rn. 19 m.w.N.). Im Übrigen bleibt unklar, warum bei der Verwirklichung eines gemeinsamen Tatplans der Abbruch des Kontakts zwischen Mittätern, der unter Umständen auch im Zusammenhang mit Ermittlungsmaßnahmen gestanden haben könnte, automatisch zur Tatbeendigung führen soll. Auch insofern hätte Erläuterungsbedarf bestanden.
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Das Verwaltungsgericht hat sich auch mit den näheren Umständen bei Tatbegehung (v.a. Alter des Klägers; vermeintliche geschäftliche Unerfahrenheit; Vertrauen auf erfahrenen Geschäftspartner) sowie mit dem Nachtatverhalten (v.a. mehrjähriges strafloses Verhalten im Geschäftsverkehr; Behauptung eines Einstellungswandels; Absolvierung von Fortbildungen und „Workshops“) umfassend auseinandergesetzt. Der Kläger wiederholt insofern wiederum nur seinen erstinstanzlichen Vortrag, ohne sich hinreichend mit den Urteilsgründen auseinanderzusetzen und ohne darzulegen, welcher die Entscheidung tragende Rechtssatz bzw. welche Tatsachenfeststellung im Urteil in Zweifel gezogen werden soll. Bei der Begehung von Straftaten mit erheblichem Gewicht, die zum Verlust der Zuverlässigkeit des Täters geführt hat, reicht allein das bloße rechtstreue Verhalten über einen längeren Zeitraum nach Tatbegehung bis zum Bescheiderlass in der Regel nicht ohne Weiteres aus, um den erforderlichen tiefgreifenden Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine Wiedererlangung der Zuverlässigkeit bejahen zu können. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein rechtstreues Verhalten als solches von jedem Gewerbetreibenden ohne Weiteres erwartet werden kann (vgl. dazu BayVGH, B.v. 19.9.2023 – 22 ZB 22.2089 – juris Rn. 23 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, dass die für den Gewerbetreibenden sprechenden Tatsachen umso nachhaltiger sein müssen (auch hinsichtlich des Zeitraums), je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein, und dass aus einer während und unter dem Druck eines anhängigen Strafverfahrens und/oder eines späteren Gewerbeuntersagungsverfahrens gezeigten Phase des Wohlverhaltens des Betroffenen nicht ohne weiteres auf einen grundlegenden Einstellungswandel geschlossen werden kann (vgl. dazu BayVGH, B.v. 17.10.2022 – 22 ZB 22.856 – juris Rn. 18 m.w.N.). Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die Annahme, er sei schulduneinsichtig, zu Unrecht im Wesentlichen auf die Schwere der Tat gestützt, greift dies ebenfalls nicht durch. Vielmehr wurde insofern in den Urteilsgründen (UA S. 19 f.) nicht nur auf die Tatbegehung, sondern vor allem auch auf die nachträgliche Relativierung der Taten abgestellt. Darauf geht das Zulassungsvorbringen jedoch nicht ein. Schließlich setzt der Kläger mit seinem Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Umstände, die zu seinen Lasten sprechen, überbewertet und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen zu gering gewichtet, sowie mit dem Vorbringen, es liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, lediglich seine Wertung an die Stelle der überzeugenden Gesamtbetrachtung durch das Verwaltungsgericht.
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Soweit sich der Kläger im Schriftsatz vom 14. Mai 2024, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 15. Mai 2024 eingegangen, erstmalig dagegen wendet, dass eine erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ausgesprochen wurde, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Nach dem Ablauf der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (hier mit Ablauf des Montags, 11. März 2024) geltend gemachte weitere Gründe für ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung sind unbeachtlich (vgl. BayVGH, B.v 14.1.2013 – 10 ZB 12.2102 – NVwZ-RR 2013, 438; NdsOVG, B.v. 5.9.2014 – 7 LA 75/13 – juris Rn. 23; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 53). Bei den Ausführungen im Schriftsatz vom 14. Mai 2024 handelt es sich um keine Vertiefung des bisherigen Vorbringens, sondern um neue Gründe. Im Übrigen ergeben sich aus dem verspäteten Vortrag auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die „Erweiterung der Untersagungsverfügung“ nicht berücksichtigt, ist nicht nachvollziehbar, weil im Urteil im Einzelnen dargelegt wurde (UA S. 21 ff.), warum auch die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erfüllt sind. Das Vorbringen greift auch sonst nicht durch, weil es eine Auseinandersetzung mit dem Urteil vermissen lässt und der Kläger lediglich seine eigene Bewertung, vor allem zur Frage der Verhältnismäßigkeit, den nachvollziehbaren Urteilsgründen gegenüberstellt, ohne sie dadurch in Zweifel zu ziehen.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise sind konkrete, entscheidungserhebliche rechtliche Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu benennen. Es muss dargelegt werden, bei welchen Fragestellungen und aus welchen Gründen die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Die Darlegung besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten muss verdeutlichen, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich und/oder besonders schwierig zu ermitteln ist (vgl. zum Ganzen Happ, in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 68 ff.).
22
Der Kläger verweist insofern lediglich pauschal auf seinen Vortrag zum Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, ohne zu begründen, worin die besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten liegen sollen. Die dabei aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedoch bereits obergerichtlich entschieden (vgl. oben 1.). Ebenso wenig wird ersichtlich, worin eine besondere Komplexität des Sachverhalts zu sehen sein soll. Dass diese sowie die Problematik der rechtlichen Einordnung den durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad nicht unerheblich übersteigen, wird lediglich behauptet und nicht näher dargelegt.
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3. Der vom Kläger sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ergibt sich ebenfalls nicht aus der Begründung des Zulassungsantrags.
24
Die Anforderungen an die Darlegung einer Aufklärungsrüge (vgl. dazu BVerwG, B.v. 30.6.2021 – 9 B 46.20 – juris Rn. 17) sind nicht erfüllt. Der Kläger behauptet lediglich eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO, weil Beweisangebote nicht berücksichtigt worden seien, konkretisiert dies aber nicht näher und legt vor allem nicht dar, weshalb sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, ohne dass in der mündlichen Verhandlung seitens des Klägers darauf hingewirkt worden wäre. Es besteht auch sonst kein aus der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) herrührender Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Ein Gehörsverstoß liegt nicht vor, wenn das Gericht einem Vorbringen nicht folgt, sondern aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt, als es der Beteiligte für richtig hält (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 2 ZB 16.1842 – juris Rn. 25 m.w.N.).
25
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).