Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.11.2024 – 22 CS 24.925
Titel:

Erfolgloser Eilantrag der Nachbarin gegen Düngemittelherstellungsanlage - Versäumung der Klagebegründungsfrist

Normenketten:
BImSchG § 16
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 82 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1, § 87b Abs. 3 S. 1 Nr. 2
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 6 S. 1, S. 2, S. 4
Leitsatz:
Die Versäumung der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG ist nicht genügend entschuldigt nach § 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, wenn sich weder der Antrag noch die daraufhin gewährte Fristverlängerung nach dem objektiven Erklärungswert auf § 6 Satz 4 UmwRG, sondern auf eine anlässlich der Klageerhebung gesetzte richterliche Frist zur Klagebegründung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 VwGO beziehen, und auch ansonsten keine besonderen Umstände hinzukommen, die ein schützenswertes Vertrauen rechtfertigen (im Anschluss an BVerwG, U.v. 23.5.2024 – 7 C 1.23). (Rn. 66 – 73)
Schlagworte:
Immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung, Antrag des Genehmigungsinhabers auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, Versäumung der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG, Antrag auf Fristverlängerung ohne Bezugnahme auf § 6 Satz 4 UmwRG, Auslegung eines Fristverlängerungsantrags und der gewährten Fristverlängerung nach dem objektiven Erklärungswert, Mangels schützenswerten Vertrauens keine genügende Entschuldigung der Fristversäumung, Umwelt-Rechtsbehelf
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 13.05.2024 – RO 7 S 24.186
Fundstellen:
BeckRS 2024, 33454
ZUR 2025, 170
LSK 2024, 33454
DÖV 2025, 361

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 13. Mai 2024 – RO 7 S 24.186 – wird in seinen Nummern I. und II. geändert.
Die sofortige Vollziehbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 14. April 2023 wird angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Antragsgegner und der Beigeladene jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr erstinstanzliches Begehren weiter, das auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer ihr vom Landratsamt ... erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichtet ist.
2
Am 16. Dezember 2021 beantragte die Antragstellerin beim Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung zur Erweiterung der von ihr auf mehreren Grundstücken betriebenen Biogasanlage, im Wesentlichen u.a. die Errichtung und den Betrieb einer Düngemittelproduktionsanlage (Gärresttrocknung), eines Schwefelsäurewäschers zur Abluftreinigung inklusive Tanklager, die Errichtung eines Befüll- und Abtankplatzes, eines Trockengutsilos, einer Halle zur Trocknung und Lagerung sowie die Verlängerung einer bestehenden Wärmeleitung. Die Einsatzstoffmenge soll laut Betriebs- und Verfahrensbeschreibung maximal 14.123 t pro Jahr, d.h. rund 39 t pro Tag betragen, so dass jährlich maximal 2,76 Mio. Normkubikmeter Biogas erzeugt werden können. Die Verbrennungsmotoranlage weist eine Gesamtfeuerungswärmeleistung von maximal rund 3,5 MW auf.
3
Der Beigeladene, Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks, das sich in der Nähe der Betriebsgrundstücke der Antragstellerin befindet, beantragte beim Landratsamt per E-Mail vom 2. Februar 2022 „als Anlieger“ für sich und seine Ehefrau Auskunft bzw. Akteneinsicht betreffend den Genehmigungsantrag vom 16. Dezember 2021. Zur Begründung führte er an, dass sich die Immissionen, die er und seine Ehefrau bekanntlich jetzt schon hinnehmen müssten, durch den „Neubau des Milchviehstalles“ und erst recht durch den Bau einer Düngemittelproduktionsanlage nochmals um ein Vielfaches verstärken würden.
4
Das Landratsamt teilte daraufhin dem Beigeladenen und seiner Ehefrau per E-Mail vom 10. Februar 2022 mit, dass es die E-Mail vom 2. Februar 2022 als Antrag auf Informationszugang nach Art. 4 Abs. 1 BayUIG werte.
5
Am 25. Februar 2022 teilte das Landratsamt dem Beigeladenen per E-Mail mit, dass seinem Antrag nach Art. 4 Abs. 1 BayUIG entsprochen werde. Der E-Mail war ein (mittlerweile nicht mehr funktionierender/gültiger) Link beigefügt, mittels dem laut Landratsamt die „emissionsrelevanten Antragsunterlagen zum Änderungsgenehmigungsverfahren“ der Antragstellerin abgerufen werden könnten.
6
Die Akteneinsicht (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BayUIG) wurde in einem Verfahrensstadium gewährt, in welchem das Landratsamt die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (TöB) nach § 10 Abs. 5 BImSchG i.V.m. § 11 der 9. BImSchV durchführte; zum Zeitpunkt der Akteneinsicht hatten noch nicht alle TöB ihre Stellungnahme abgegeben. Im Laufe des weiteren Verwaltungsverfahrens gingen noch diverse solcher Stellungnahmen ein, auf welche wiederum auch die Beigeladene bzw. das von ihr beauftragte Planungsbüro erwiderte und Unterlagen ergänzte. Infolgedessen wurden etwa am 13. Juni 2022 die TöB vom Landratsamt aufgrund zwischenzeitlich ergänzter bzw. ausgetauschter Antragsunterlagen erneut beteiligt (vgl. Behördenakte S. 503). Zudem sah das Landratsamt weiteren Aufklärungsbedarf bzgl. Luftreinhaltung und Geruchsimmissionen. Dazu legte die Antragstellerin am 24. Februar 2023 ein Gutachten vor (vgl. dazu ergänzend BA S.3).
7
Gegen den auch ihm zugestellten Genehmigungsbescheid vom 13. April 2023 ließ der Beigeladene am 22. Mai 2023 vertreten durch seine Bevollmächtigte Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erheben (RO 7 K 23.916), über welche noch nicht entschieden wurde.
8
Laut Klageerhebung (Schriftsatz vom 22. Mai 2023) richtet sich die Klage gegen den als Anlage beigefügten streitgegenständlichen Bescheid. Im Schriftsatz wird weiter ausgeführt, dass das Grundstück des Beigeladenen (also des Klägers im Verfahren RO 7 K 23.916; im Folgenden ist, soweit es um diese Klage geht, zur besseren Verständlichkeit stets von dem „Beigeladenen (Kläger)“ die Rede) in der Nachbarschaft zum Betriebsgrundstück der Biogasanlage liege, deren Änderung genehmigt worden sei. Der Beigeladene (Kläger) sei bereits jetzt durch Lärm und Gerüche erheblich beeinträchtigt und sehe sich durch die geplante Änderung der Biogasanlage weiteren gravierenden Immissionen ausgesetzt. Abschließend heißt es, die Klage diene zunächst der Fristwahrung. Eine Klagebegründung werde nach erfolgter Akteneinsicht, welche beim Landratsamt bereits beantragt worden sei, zu gegebener Zeit nachgereicht.
9
Die beantragte Akteneinsicht wurde laut Behördenakten (vgl. separate Behördenakte zur beantragten Akteneinsicht S. 49) am 24. Mai 2023 gewährt.
10
Mit am 26. Mai 2023 per EGVP an die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) übersandtem Schreiben vom 24. Mai 2023 bestätigte das Verwaltungsgericht den Klageeingang. Im Schreiben heißt es zudem: „Es wird gebeten, binnen 6 Wochen die Klagebegründung vorzulegen.“ Als Anlage war u.a. der Beiladungsbeschluss (betreffend die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren) beigefügt. Die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) bestätigte den Erhalt des Schreibens vom 24. Mai 2023 samt zugehöriger Anlagen mit elektronischem Empfangsbekenntnis vom 1. Juni 2023.
11
Per Schriftsatz vom 7. Juli 2023 beantragte die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) im Verfahren RO 7 K 23.916 eine „Fristverlängerung für die Klagebegründungsfrist bis 14.8.2023“. Als Begründung wurde angeführt, dass aufgrund akuter Arbeitsüberlastung der alleinigen Sachbearbeiterin und aufgrund der Notwendigkeit weiterer Abstimmungen mit dem Beigeladenen (Kläger) und einem Privatgutachter sowie dem Abschluss der immissionsschutztechnischen Begutachtung eine fristgerechte Erarbeitung der Klagebegründungsfrist [Anm.: gemeint wohl Klagebegründung] bis heute nicht möglich gewesen sei. Nach der Klageerhebung sei umgehend ein Privatgutachter für Immissionsschutz vom Beigeladenen (Kläger) beauftragt worden. Dieser habe seine Begutachtung aufgrund der Komplexität des Sachverhalts (mehrere, teils räumlich getrennte Standortgrundstücke, Bestandsanlage und Änderungsgenehmigungen, verschiedene Einzelanlagen) noch nicht abschließen können. Das Gutachten sowie dessen Auswertung und die Erarbeitung einer Klagebegründung würden noch einige Zeit beanspruchen. Aus den dargelegten Gründen sei antragsgemäß die Klagebegründungsfrist zu verlängern.
12
Daraufhin verfügte die Berichterstatterin im Verfahren RO 7 K 23.916 am 7. Juli 2023 ein Schreiben an die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) zur Gewährung der Fristverlängerung; ein Vermerk über eine etwaige Prüfung des Verlängerungsantrags o.ä. findet sich in den erstinstanzlichen Gerichtsakten nicht. Der Bevollmächtigten des Beigeladenen (Klägers) wurde anschließend mit gerichtlichem Schreiben vom 10. Juli 2023 mitgeteilt: „Die Fristverlängerung wird antragsgemäß gewährt.“
13
Am 7. August 2023 übersandte die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) im Verfahren RO 7 K 23.916 einen Schriftsatz mit einem Anfechtungsantrag und einer Klagebegründung einschließlich des angekündigten Privatgutachtens.
14
Am 29. Januar 2024 initiierten die Bevollmächtigten der Antragstellerin das vorliegend streitgegenständliche Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und beantragten beim Verwaltungsgericht, die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 13. April 2023 anzuordnen.
15
Mit den Beteiligten am 17. Mai 2024 zugestelltem Beschluss vom 13. Mai 2024 (RO 7 S 24.186) lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag als unbegründet ab. Die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage seien als offen zu beurteilen, weil sich die Zumutbarkeit der Geruchsimmissionen nach Aktenlage nicht hinreichend abschätzen lasse. Eine daher vorzunehmende reine Interessenabwägung ergebe aber ein überwiegendes Interesse des Beigeladenen (Klägers) am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. In die Abwägung einzustellende Belange wie etwa der globale Klimaschutz oder das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin müssten zurücktreten, weil das Vorhaben mangels Privilegierung i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB offensichtlich objektiv bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Bei einem evident rechtswidrigen Verwaltungsakt folge schon aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, dass kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestehe.
16
Die Antragstellerin legte dagegen am 29. Mai 2024 Beschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 17. Juni 2024 (und vertiefend mit weiteren Schriftsätzen).
17
Der beantragte Sofortvollzug sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts anzuordnen, weil das Interesse der Antragstellerin überwiege. Insbesondere habe die Hauptsacheklage keine Aussicht auf Erfolg. Der Beigeladene (Kläger) sei gemäß § 6 Satz 2 UmwRG präkludiert. Der Klageschriftsatz vom 22. Mai 2023 genüge nicht den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG; die eigentliche Klagebegründung im Schriftsatz vom 7. August 2023 sei nach Fristablauf erfolgt. Dem Gericht sei es auch nicht möglich gewesen, den Sachverhalt mit geringem Aufwand i.S.v. § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO zu ermitteln. Die gesetzliche Frist des § 6 Satz 1 UmwRG sei zudem nicht nach § 6 Satz 4 UmwRG verlängerbar gewesen, weil dem Beigeladenen mit E-Mail vom 25. Februar 2022 Akteneinsicht gewährt worden sei und er somit die Möglichkeit zur Beteiligung gehabt habe. Ungeachtet dessen sei die Klage auch im Übrigen unbegründet, da die erteilte Genehmigung in den – den Beigeladenen betreffenden – drittschützenden Aspekten nicht unbestimmt sei. Auch seien die maßgeblichen Geruchsimmissionswerte und die Richtwerte für Lärmimmissionen eingehalten; ebenso wenig erfolge eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Staubimmissionen.
18
Selbst wenn man aber mit dem Verwaltungsgericht von offenen Erfolgsaussichten ausgehen wolle, überwiege das besondere Vollzugsinteresse der Antragstellerin, zumal für das Fortbestehen der aufschiebenden Wirkung einer Drittanfechtungsklage nicht eine etwaige (rein) objektive Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts streiten könne.
19
Der Antragsgegner teilt die Auffassung der Antragstellerin und erachtet die Beschwerde daher als begründet.
20
Der Beigeladene beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
21
Der streitgegenständliche Bescheid sei wegen Unbestimmtheit nichtig aufgrund eines Hinweises am Ende von dessen Nr. 1, weshalb es auf § 6 UmwRG nicht ankomme.
22
Die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 7. August 2023 und ergänzend vom 9. Februar 2024 hätten die Begründung im Schriftsatz vom 22. Mai 2023 zulässigerweise vertieft, so dass die Frist des § 6 Satz 1 UmwRG eingehalten sei.
23
Davon abgesehen sei die Frist des § 6 Satz 1 UmwRG wirksam nach § 6 Satz 4 UmwRG verlängert worden. Insbesondere habe der Beigeladene (Kläger) im Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit zur Beteiligung gehabt. Die Akteneinsicht nach BayUIG sei insoweit keinesfalls ausreichend und zudem rund 15 Monate vor Klageerhebung erfolgt; zwischenzeitlich hätten sich aber die Antragsunterlagen mehrfach geändert. Aufgrund einer solchen Akteneinsicht erhalte man punktuelle Umweltinformationen nach Art. 2 Abs. 2 BayUIG und nicht die gesamte Verfahrensakte des Genehmigungsverfahrens. Dem Beigeladenen (Kläger) sei keine weitere Auskunft zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens erteilt worden. Es fehle an einer umfassenden Verfahrensbeteiligung als hinzugezogener Nachbar i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG und einer umfassenden Akteneinsicht. Die in § 6 Satz 4 UmwRG vorgesehene Möglichkeit zur Fristverlängerung würde komplett leerlaufen, wenn man bereits den Anspruch auf Umweltinformation als ausreichende Beteiligungsmöglichkeit erachten würde.
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Nach der ihr am 24. Mai 2023 gewährten Akteneinsicht habe die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) am 1. Juni 2023, nach Durcharbeitung der 2.385 Seiten umfassenden digitalen Behördenakte, ein Sachverständigenbüro um die Erstellung eines privaten Immissionsgutachtens bis 3. Juli 2023 gebeten. Am 13. Juni 2023 sei ein Angebot des Sachverständigenbüros eingetroffen, woraufhin der Beigeladene (Kläger) noch am selben Tag die Beauftragung vorgenommen habe.
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Am 7. Juli 2023 sei die Klagebegründungsfrist von der Berichterstatterin im erstinstanzlichen Verfahren eindeutig, unmissverständlich und auch wirksam verlängert worden. Nach dem objektiven Erklärungswert der Verfügung habe es sich, obwohl § 6 Satz 4 UmwRG nicht erwähnt worden sei, um eine solche Verlängerung der Klagebegründungsfrist gehandelt. Eine Differenzierung zwischen einer gewissermaßen „einfachen“ Fristverlängerung einerseits und einer qualifizierten Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG andererseits sei nicht angezeigt und finde im Gesetz keine Stütze; § 6 UmwRG sei mit Klagebegründungsfrist überschrieben. Auch sei vorliegend von einer Fristverlängerung i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG auszugehen, weil der Fristverlängerungsantrag trotz fehlender ausdrücklicher Bezugnahme auf § 6 UmwRG wegen des eindeutigen immissionsschutzrechtlichen Kontextes und seiner Begründung dahingehend auszulegen gewesen sei. Für die Berichterstatterin sei auch erkennbar und leicht ermittelbar gewesen, dass keine Beteiligungsmöglichkeit im Änderungsgenehmigungsverfahren bestanden habe, weil auf S. 30 unter Ziffer C des bereits mit Klageerhebung vorgelegten Genehmigungsbescheid mitgeteilt werde, dass ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchgeführt worden sei. Die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) hätte zudem davon ausgehen dürfen, dass die Begründung zur Fristverlängerung ausreichend gewesen und daher keine Glaubhaftmachung verlangt worden sei. Denn die für Immissionsschutz zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg wisse, wie lange Immissionsgutachten erfahrungsgemäß dauern würden. Das Privatgutachten sei am 4. August 2023 erstellt worden; ohne dieses sei es der Bevollmächtigten des Beigeladenen (Klägers) nicht möglich gewesen, sämtliche technischen Umstände und Details und vor allem die Kerne der immissionsschutzfachlichen Argumentation richtig in der Klagebegründung zu formulieren. Gerade bei Nachbarklagen seien Privatgutachten als Beweismittel und zur Vorbereitung einer Klagebegründung faktisch unerlässlich.
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Jedenfalls aber sei eine etwaige Fristversäumung angesichts dessen hinreichend entschuldigt. Die Klagebegründung sei nur sieben Tage nach Fristablauf i.S.v. § 6 Satz 1 UmwRG eingereicht worden. Vom Beigeladenen (Kläger) bzw. seiner Bevollmächtigten könne nicht erwartet werden, dass sie einen Sachvortrag zu immissionsschutzfachlichen Themen aus immissionsschutzfachlicher Laiensicht gewissermaßen ins Blaue hinein formulierte, welchen sie dann auf der Basis eines immissionsschutzfachlichen Privatgutachtens gegebenenfalls später wieder revidieren müsste. Diese Komplexität des Sachverhalts und der zugehörigen Akten seien ebenso wie die schriftliche Bestätigung der Verlängerung der Klagebegründungsfrist als besondere Vertrauensschutzgesichtspunkte des Einzelfalls zu werten, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Mai 2024 (7 C 1.23 – juris) angenommen habe.
II.
27
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
28
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist aufgrund des Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) abzuändern und die sofortige Vollziehbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 13. April 2023 anzuordnen. Denn die dem Eil- bzw. Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Hauptsacheklage hat voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil der vom Beigeladenen (Kläger) innerhalb der 10-Wochen-Frist getätigte Vortrag nicht den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG entspricht und der Beigeladene (Kläger) mit seinem späteren Vortrag nach § 6 Satz 2 UmwRG präkludiert ist. Daher überwiegt das Interesse der Antragstellerin am Sofortvollzug der Genehmigung das Interesse des Beigeladenen an der aufschiebenden Wirkung seiner Drittanfechtungsklage.
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1. Die der Interessenabwägung maßgeblich zugrundeliegenden Erfolgsaussichten der vom Beigeladenen erhobenen Drittanfechtungsklage (vgl. dazu BVerfG, B.v. 1.10.2008 – 1 BvR 2466/08 – juris Rn. 22 f.; BayVGH, B.v. 8.8.2008 – 22 CS 08.1326 – juris Rn. 8 f. sowie BA S. 12) sind bei summarischer Prüfung als gering einzuordnen. Denn aufgrund des im Hauptsacheverfahren anzuwendenden § 6 UmwRG (dazu 1.1) sind im Rahmen der Klage nur die Erklärungen und Beweismittel zu berücksichtigen, die innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG (hier bis 31. Juli 2023) vorgetragen wurden. Der insoweit fristgemäße Vortrag in der Klageerhebung vom 22. Mai 2023 genügt aber inhaltlich nicht den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO. Zudem war es dem Verwaltungsgericht insoweit auch nicht i.S.v. § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO möglich, den Sachverhalt, d.h. das Klagebegehren bzw. den Prozessstoff, mit geringem Aufwand ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln (dazu 1.2). Mit dem im Schriftsatz vom 7. August 2023 getätigten Tatsachenvortrag ist der Kläger nach § 6 Satz 2 VwGO präkludiert. Denn eine wirksame Fristverlängerung i.S.v. § 6 Satz 4 VwGO wurde durch das Verwaltungsgericht nicht vorgenommen (dazu 1.3). Der Tatsachenvortrag im Schriftsatz vom 7. August 2023 war auch nicht nach § 6 Satz 2 UmwRG zuzulassen, weil die Fristversäumung vorliegend nicht genügend entschuldigt i.S.v. § 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist (dazu 1.4). Da somit keine den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO genügende Klagebegründung vorliegt, hat die Hauptsacheklage voraussichtlich keinen Erfolg. Die Präklusionswirkung des § 6 Satz 2 UmwRG umfasst dabei auch – entgegen dem Vorbringen des Beigeladenen (Klägers) – die geltend gemachte Verletzung des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Folglich kommt es auch auf eine mögliche objektive Rechtswidrigkeit der Genehmigung nicht an (dazu 1.5).
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1.1 § 6 UmwRG ist auf die zugrundeliegende immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklage bzw. „Nachbarklage“ anzuwenden.
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Der Anwendungsbereich des UmwRG ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG eröffnet. Das geänderte Vorhaben (die beantragte Anlagenänderung) ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Nrn. 1.2.2.2, 8.4.2.2 und 19.7.2 der Anlage 1 zum UVPG vorprüfungspflichtig (vgl. auch die Bekanntmachung des Ergebnisses der Vorprüfung eines Einzelfalls gem. § 5 Abs. 2 UVPG vom 13.1.2023, Behördenakte S. 742 f.), so dass (i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) zumindest eine UVP-Pflicht bestehen kann (vgl. dazu auch BVerwG, B.v. 29.6.2017 – 9 A 8.16 – juris Rn. 5; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2024, § 1 UmwRG Rn. 39.)
32
Der Anwendung von § 6 UmwRG steht vorliegend auch nicht entgegen, dass es sich um eine Drittanfechtungs- bzw. Nachbarklage handelt. Soweit in Literatur und Rechtsprechung die Anwendbarkeit von § 6 UmwRG auf Nachbarklagen diskutiert wird, betrifft dies nur baurechtliche Nachbarklagen (für eine Anwendbarkeit bei „konventionellen Nachbarklagen“ plädieren Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 6 UmwRG Rn. 23; offengelassen dagegen durch BayVGH, B.v. 5.5.2023 – 1 CS 23.34 – juris Rn. 6; B.v. 3.6.2024 – 9 CS 24.536 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 5.4.2022 – 10 A 2870/20 – juris Rn. 12). Immissionsschutzrechtliche Nachbarklagen, welche sich wie vorliegend gegen Zulassungsentscheidungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG richten, unterfallen angesichts des klaren Wortlauts („eine Person“) und aufgrund des Gesetzeszwecks dem Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 UmwRG. Denn der Zweck der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG besteht darin, das Gerichtsverfahren zu straffen und den Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar zu machen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 23.5.2024 – 7 C 1.23 – juris Rn. 21 m.V.a. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Gerade auf immissionsschutzrechtliche Klagen mit ihrem – wie auch vorliegend – regelmäßig umfangreichem Prozessstoff trifft dieser Gesetzzweck und die dahinterstehende gesetzgeberische Überlegung in besonderem Maß zu (vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 8.4.2024 – 22 A 17.40026 – juris Rn. 94, 98, 102; zur Anwendung von § 6 UmwRG auf solche Klagen – ohne Diskussion – vgl. etwa HessVGH, B.v. 24.4.2024 – 11 B 1570/23 – juris Rn. 18; OVG NW, U.v. 24.2.2023 – 7 D 316/21.AK – juris Rn. 2, 84; Gerichtsbescheid v. 9.6.2023 – 8 D 309/21.AK – juris Rn. 2, 20; OVG SH, B.v. 28.6.2023 – 5 KS 26/21 – juris Rn. 2, 52 f.; U.v. 17.4.2024 – 5 KS 12/22 – juris Rn. 2, 26 ff.).
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1.2 Der innerhalb der 10-Wochen-Frist des § 6 Satz 1 UmwRG getätigte Vortrag im Rahmen der Klageerhebung vom 22. Mai 2023 genügt inhaltlich nicht den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO (dazu 1.2.1). Zudem war es dem Verwaltungsgericht insoweit auch nicht i.S.v. § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO möglich, den Sachverhalt (bzw. den Streitgegenstand) mit geringem Aufwand ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln (dazu 1.2.2).
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1.2.1 Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Der gerichtlichen Prüfung sind (abgesehen von den Ausnahmen des § 6 Satz 2 und 3 UmwRG) damit (nur) diejenigen Einwände zugrunde zu legen, die von den Klägern unter Beachtung der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG substantiiert vorgebracht worden sind (vgl. zur Begrenzung der Reichweite der gerichtlichen Prüfung durch derartige Rechtsbehelfsbegründungsfristen, auch i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO: BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – juris Rn. 14 ff. [zu § 18e Abs. 5 AEG]; U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – juris Rn. 11 ff.; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – juris Rn. 11 ff.; BayVGH, U.v. 8.4.2024 – 22 A 17.40026 – juris Rn. 105; U.v. 30.5.2023 – 22 A 21.40025 – juris Rn. 20 [zu § 18e Abs. 5 AEG]). Nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Klagebegründungsfrist soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – juris Rn 16; B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – juris Rn. 7; U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – juris Rn. 12; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – juris Rn. 14). Dies schließt einen späteren, lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht aus (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – juris Rn. 16; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – juris Rn. 14). Mit der Begründungspflicht einher geht die Pflicht des Klägerbevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf die die Klage gestützt werden soll (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – juris Rn. 17).
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Diesen Substantiierungsanforderungen genügt das Vorbringen im Rahmen der Klageerhebung am 22. Mai 2023 nicht. Denn substantiierte tatsächliche Gesichtspunkte, unter denen der streitgegenständliche und ihr als Anlage beigefügte Bescheid angegriffen wird, weist der Schriftsatz nicht auf. Er enthält keinen Klageantrag, sondern nur die Ankündigung einer Klagebegründung sowie einen pauschalen Hinweis, dass der Beigeladene (Kläger) sich durch die geplante Änderung der Biogasanlage weiteren gravierenden Immissionen ausgesetzt sehe.
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Der Klageantrag, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt sein muss, soll das Klagebegehren bestimmen und ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage. Zwar wurde ein solcher Antrag im Rahmen der Klageerhebung nicht gestellt. Insoweit ist aber für das Gericht aufgrund des beigefügten Bescheids und auch der Formulierung, „erheben wir namens und im Auftrag Klage gegen den Bescheid“ ohne weiteres erkennbar bzw. ermittelbar, dass es sich um eine (Dritt-)Anfechtungsklage handeln soll.
37
Die Klagebegründung dient demgegenüber der Erläuterung des Klageantrags (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 82 Rn. 12). Die bloße Erhebung der Anfechtungsklage (mit zumindest „zu erwartendem / absehbarem“ Klageantrag) samt beigefügtem Bescheid kann folglich die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel nicht ersetzen. Vielmehr muss sich die Klagebegründung bei einer Anfechtungsklage mit der angegriffenen Entscheidung selbst auseinandersetzen. Der Beigeladene (Kläger) hätte folglich fristgerecht substantiiert vortragen müssen, aus welchen tatsächlichen Gründen er die angefochtene Genehmigung für rechtswidrig hält. Allein der pauschale Hinweis, er sei bereits durch die bestehende Anlage durch Lärm und Gerüche erheblich beeinträchtigt und sehe sich durch die Änderung der vorhandenen Anlage (bzw. infolge der zugrundeliegenden Änderungsgenehmigung) weiteren gravierenden Immissionen ausgesetzt, reicht insoweit nicht. Denn damit steht für das Gericht und die übrigen Beteiligten allenfalls fest, dass es dem Beigeladenen (Kläger) (auch) um diese Immissionsarten geht. Inwieweit und wodurch er sich in seinen subjektiven Rechten verletzt sieht, unter welchen konkreten tatsächlichen Gesichtspunkten er also die Genehmigung anficht (z.B. ob es um die Ermittlung / Berechnung von Immissions(richt) werten / Kenngrößen, um eine spezifische Emissionsquelle o.ä. geht), wird so nicht ausreichend fixiert.
38
1.2.2 Dem Verwaltungsgericht war es insoweit auch nicht i.S.v. § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO möglich, den Sachverhalt, d.h. den Prozessstoff bzw. das Klagebegehren, mit geringem Aufwand ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln.
39
Mit Blick auf den Begriff „Sachverhalt“ ist aus Sicht des Senats von Bedeutung, dass § 6 Satz 3 UmwRG lediglich die entsprechende Anwendung von § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO anordnet. Vor diesem Hintergrund dürfte damit nicht der gesamte Sachverhalt des Verfahrens, der für die Entscheidung über die Klage maßgeblich ist, gemeint sein. Angesichts des Zwecks des § 6 UmwRG, den Prozessstoff in angemessener Frist erkennbar und handhabbar zu machen, kann es lediglich darauf ankommen, ob das klägerische Begehren und damit der Prozessstoff leicht zu ermitteln ist (für eine Gleichsetzung von Sachverhalt und Prozessstoff in diesem Sinne auch BayVGH, U.v. 8.4.2024 – 22 A 17.40026 – juris Rn. 112; B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 10.6.2022 – 20 D 212/20.AK – juris Rn. 49 ff. m.w.N.; VG München, U.v. 6.5.2022 – M 2 K 20.3842 – juris Rn. 40). Wäre dies anders zu sehen, so schiede die Anwendung des § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO bei Verfahren mit komplexen Sachverhalten, insbesondere technischen Großvorhaben, von vornherein aus. Eine Prüfung, ob die Anwendung der strengen Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG ausnahmsweise unverhältnismäßig ist, muss aber auch hier möglich sein.
40
Nach der Rechtsprechung ist § 6 Satz 3 UmwRG eng auszulegen. Seine Anwendung kommt nur in Betracht, wo die Klagebegründungsobliegenheit auch vor dem Hintergrund des Regelungszwecks einer frühzeitigen Fixierung des Prozessstoffs eine bloße Förmlichkeit darstellt und deshalb die strenge Rechtsfolge der Präklusion nicht rechtfertigt (BayVGH, U.v. 8.4.2024 – 22 A 17.40026 – juris Rn. 113; B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 12.1.2024 – 8 D 92/22.AK – juris Rn. 102 m.w.N.; U.v. 10.6.2022 – 20 D 212/20.AK – juris Rn. 49 f. m.w.N.). Wird im Gegensatz zum Regelungszweck durch das fristgerechte Klagevorbringen nicht hinreichend deutlich, unter welchen konkreten Gesichtspunkten der Kläger die behördliche Entscheidung angreift, ist keine Ausnahme von der Präklusion zu machen (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 50; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23.18 – juris Rn. 150; VGH BW, U.v. 5.10.2022 – 10 S 1485.21 – juris Rn. 51; OVG NW, B.v. 1.2.2022 – 11 A 2168/20 – juris Rn. 64 f.).
41
Vorliegend bedeutet dies, dass – wie bereits erwähnt – allein die bloße Benennung der Immissionsarten Geruch und Lärm noch nicht ausreicht, um von einer für das Gericht so verstandenen leicht zu ermittelnden Fixierung des Prozessstoffs auszugehen. Wie unter 1.2.1 ausgeführt bleibt unklar, wogegen der Beigeladene (Kläger) sich wenden will; dies ist auch nicht aufgrund des Bescheids oder der Behördenakten offensichtlich (vgl. zu den Behördenakten im Übrigen BVerwG, B.v. 26.6.2024 – 7 B 30.23 – juris Rn. 7, wonach es ausgeschlossen ist, dass das Gericht von Amts wegen den Sachverhalt anhand der vorliegenden Akten erarbeitet und den Prozessstoff bestimmt). Die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) selbst beruft sich im Rahmen des Fristverlängerungsantrags auf die „Komplexität des Sachverhalts“ (mehrere, teils räumlich getrennte Standortgrundstücke, Bestandsanlage und Änderungsgenehmigungen, verschiedene Einzelanlagen), welcher die Erarbeitung einer Klagebegründung aufwendig gestalte. Nach der am 24. Mai 2023 gewährten Akteneinsicht habe sie zunächst die 2.385 Seiten umfassende digitale Behördenakte durcharbeiten müssen. Dem Verwaltungsgericht war daher eine Ermittlung des Prozessstoffes ohne Mitwirkung der Beteiligten mit geringem Aufwand ebenfalls nicht möglich.
42
Die tatsächliche Fixierung des Prozessstoffes erfolgte somit erst am 7. August 2023 und damit außerhalb der 10-Wochen-Frist i.S.v. § 6 Satz 1 UmwRG, die am 31. Juli 2023 endete (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 Alt. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).
43
1.3 Die Frist des § 6 Satz 1 UmwRG wurde vorliegend nicht wirksam nach § 6 Satz 4 UmwRG verlängert. Zwar dürfte vieles dafür sprechen, dass eine Fristverlängerung nicht aufgrund der im Verwaltungsverfahren am 22. Februar 2022 gewährten Akteneinsicht ausgeschlossen war, weil diese Akteneinsicht keine „Möglichkeit zur Beteiligung“ iS.v. § 6 Satz 4 UmwRG darstellen dürfte (vgl. dazu 1.3.1). Dies kann jedoch offenbleiben, weil es sich bei der mit Verfügung vom 7. Juli 2023 und dem daraufhin an die Beteiligten übersandten gerichtlichen Schreiben vom 10. Juli 2023 nach dem objektiven Erklärungswert nicht um eine Fristverlängerung i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG gehandelt hat (dazu 1.3.2).
44
1.3.1 Vieles spricht dafür, dass die am 22. Februar 2022 nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayUIG gewährte Akteneinsicht nicht als „Möglichkeit zur Beteiligung“ i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG zu werten ist, so dass sie einer Fristverlängerung nicht entgegenstand.
45
Wann im Einzelnen eine „Möglichkeit zu Beteiligung“ i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG gegeben war, ist von Literatur und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
46
Die Gesetzesbegründung führt insoweit an, dass eine Klagebegründung innerhalb von zehn Wochen jedenfalls immer dann zumutbar sei, wenn der Kläger zuvor eine Möglichkeit der Beteiligung gehabt und sich so bereits vorher mit dem Prozessstoff befassen habe können. Eine Verlängerung sei deshalb auf Antrag nur dann möglich, wenn eine Beteiligung beispielsweise im behördlichen Entscheidungsverfahren nicht erfolgt sei. Nur in diesen Fällen könne die zehnwöchige Klagebegründungsfrist im Einzelfall nicht ausreichend sein, sodass eine Verlängerungsmöglichkeit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit notwendig sein könne. Ein Fristverlängerungsgrund liegt insbesondere dann vor, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Akteneinsicht nicht rechtzeitig entsprochen wurde (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16).
47
Auch der Gesetzeswortlaut „Beteiligung“ ist mangels Legaldefinition verschiedenen Auslegungen zugänglich, zumal der Gesetzgeber den Begriffen „Beteiligung“/„Beteiligter“ in verschieden (Fach-)Gesetzen unterschiedliche Bedeutung zumisst. So stellt etwa der formelle Beteiligtenbegriff i.S.v. Art. / § 13 (Bay) VwVfG, darauf ab, dass ein Dritter erst durch Hinzuziehung zum Verfahrensbeteiligten wird (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BayVwVfG) und ein bloßes Anhörungsrecht insoweit nicht ausreicht (vgl. Art. 13 Abs. 3 BayVwVfG). Umgekehrt sprechen die Fachgesetze bei Einbindung von Behörden oder der Öffentlichkeit oft von einer „Beteiligung“ (vgl. etwa § 31f BImSchG, § 18 UVPG, § 18a Abs. 1 AEG); eine Beteiligung am Verfahren ist damit nicht deckungsgleich mit der Rolle als Verfahrensbeteiligter. Auch der Begriff „Beteiligter“ i.S.v. § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG (n.F.) scheint zumindest der Gesetzesbegründung folgend (vgl. BT-Drs. 20/11657, S. 36) ein anderer zu sein als der des Art. / § 13 (Bay) VwVfG. Denn dem Gesetzgeber folgend soll § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG verhindern, dass Teile der Öffentlichkeit, die derzeit noch keinen bzw. keinen ausreichenden Zugang zum Internet haben, vom Verfahren ausgeschlossen werden. Um auch diesen Personen eine Kenntnisnahme der auszulegenden Unterlagen zu ermöglichen, müsse ihnen nach § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG auf Verlangen eine andere, leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden. In diesem Kontext scheint der „Beteiligte“ also ein Teil der zu beteiligenden Öffentlichkeit zu sein.
48
Unstreitig dürfte sein, dass ein Kläger eine Möglichkeit zur Beteiligung i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG hatte, wenn eine spezifisch für das konkrete behördliche Verfahren rechtlich vorgeschriebene Partizipationsmöglichkeit bestand und er zum Kreis der Mitwirkungsberechtigten gehörte (in diesem Sinne Bunge, in ders., UmwRG, 2. Aufl. 2019, § 6 Rn. 37). In derartigen Konstellationen, etwa der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG, Umweltverbandanhörungen oder auch der (gesetzlich vorgesehenen) Beteiligung von Einzelpersonen (z.B. nach Art. 66 BayBO) kann es dem Wortlaut von § 6 Satz 4 UmwRG zufolge im Grundsatz auch nicht darauf ankommen, ob ein Kläger sich tatsächlich in diesem Sinne beteiligt hat; allein die Möglichkeit reicht grundsätzlich aus (vgl. zu etwaigen aufgrund Art. 9 AK zu berücksichtigenden subjektiven Gründen im Einzelfall Bunge a.a.O. Rn. 38).
49
Umgekehrt dürften nicht verfahrensspezifische, d.h. nicht aus dem jeweils einschlägigen Verfahrensrecht resultierende, „allgemeine“ oder übergreifende Auskunfts-, Akteneinsichts- oder Informationsansprüche – wie beispielsweise aus Art. 3 Abs. 1 BayUIG, § 3 Abs. 1 UIG, Art. 39 BayDSG oder § 1 Abs. 1 IFG – zumindest dann keine Möglichkeit der Beteiligung i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG darstellen, wenn der Kläger davon in Bezug auf die streitgegenständliche Behördenentscheidung keinen Gebrauch gemacht hat. Denn ansonsten würde die Fristverlängerungsmöglichkeit des § 6 Satz 4 UmwRG entgegen dem von der Regelung verfolgten Gesetzeszweck, dem Kläger eine angemessene Befassung mit dem Prozessstoff zu ermöglichen, wenn eine solche zuvor im Verwaltungsverfahren nicht möglich war, quasi von vorneherein nahezu vollständig „leerlaufen“.
50
Fraglich ist allerdings, ob eine Möglichkeit der Beteiligung i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG vorliegt, wenn sich der Kläger „eigeninitiativ“ über eine solche nicht-verfahrensspezifische Akteneinsicht die Möglichkeit verschafft hat, sich mit dem Prozessstoff zu befassen. In einem solchen Fall wäre der mit dem Erfordernis einer Beteiligungsmöglichkeit verknüpfte Gesetzeszweck erfüllt. Der Einwand, die Akteneinsicht habe nicht auf einer spezifisch für das konkrete behördliche Verfahren vorgeschriebenen Beteiligungsmöglichkeit basiert, erschiene dann etwas konstruiert bzw. ist so ohne weiteres nicht aus dem Gesetzeswortlaut ableitbar.
51
Allerdings wird man insoweit – dem Gesetzeszweck folgend – zumindest fordern müssen, dass die durch einen solchen allgemeinen bzw. verfahrensübergreifenden Auskunfts-, Akteneinsichts- oder Informationsanspruch erlangten Informationen tatsächlich den späteren Prozessstoff adäquat abbilden. Denn anders als in den Fällen verfahrensspezifisch vorgesehener Beteiligungsrechte, bei welchen die jeweiligen gesetzlichen Anforderungen dafür Sorge tragen, dass die Beteiligung erst in einem späten Verfahrensstadium erfolgt oder ggf. bei wesentlicher Änderung sogar zu wiederholen ist, hängt es bei solch allgemeinen Auskunfts-, Akteneinsichts- oder Informationsansprüchen vom Umfang der gewährten Auskunft und vom Zeitpunkt der Informationsgewährung ab, ob damit tatsächlich der spätere Prozessstoff abgebildet ist. So dürfte es sich vorliegend nicht um eine adäquate Abbildung des Prozessstoffes handeln: Denn unabhängig von der Frage, inwieweit die Beschränkung auf umweltbezogene Informationen (Art. 2 Abs. 2 BayUIG) schon einer solch adäquaten Abbildung des Prozessstoffes entgegensteht, dürfte schon der Zeitpunkt der Akteneinsicht und die darauffolgenden (wesentlichen) Änderungen in den Unterlagen dagegen sprechen.
52
Weiter ist fraglich, ob der Beigeladene (Kläger) vorliegend als „immissionsschutzrechtlicher Nachbar“ (§ 3 Abs. 1 BImSchG; vgl. etwa Thiel in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand Juni 2024, § 3 BImSchG Rn. 20 ff.) nicht nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG (ermessensgerecht) zum Verfahren hinzuzuziehen gewesen wäre – mit der Folge, dass ihm sein Akteneinsichtsrecht als Beteiligter (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG) rechtswidrig verweigert worden wäre (vgl. dazu aber Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 6 UmwRG Rn. 41 f., wonach selbst eine unzureichende Beteiligung einer Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG entgegenstehen soll).
53
Beides kann aber offen bleiben, weil es sich bei der Verfügung von 7. Juli 2023 nicht um eine Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG handelt.
54
1.3.2 Die Verfügung vom 7. Juli 2023 bzw. das sie umsetzende gerichtliche Schreiben vom 10. Juli 2023 enthalten, da kein darauf gerichteter Antrag gestellt wurde, keine Fristverlängerung i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG.
55
Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 6 Satz 4 UmwRG enthalten weder der Antrag auf Fristverlängerung noch die daraufhin ergangene prozessleitende Verfügung / das diese umsetzende Schreiben. Auch sonst ergibt sich aus den erstinstanzlichen Gerichtsakten kein ausdrücklicher Hinweis, dass es sich bei der Verfügung vom 7. Juli 2023 um eine Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG handeln soll.
56
Allein das Fehlen einer ausdrücklichen Bezugnahme auf § 6 Satz 4 UmwRG im Antrag (und der daraufhin erteilten „antragsgemäßen“ Verlängerung) würde einer solchen Fristverlängerung wohl nicht entgegenstehen; denn Fristverlängerungsanträge unterliegen (auch bei anwaltlicher Vertretung) als Prozesshandlungen der Auslegung. Dabei bestimmt sich der maßgebende objektive Erklärungswert jeweils danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2023 – 3 B 43.22 – juris Rn. 4).
57
Vorliegend ist zu berücksichtigten, dass im Zeitpunkt der beantragten Fristverlängerung zwei Fristen liefen, auf welche sich der Antrag beziehen hätte können. Denn neben der gesetzlichen Frist des § 6 Satz 4 UmwRG, auf die das Gericht nicht hinweisen muss und die auch nicht durch gerichtliche Verfügung verkürzt werden kann (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO), lief eine im Rahmen des gerichtlichen Schreibens vom 24. Mai 2023 (Bestätigung Klageeingang) gesetzte, eigenständige sechswöchige richterliche Frist zur Klagebegründung. Das Setzen solcher richterlichen Fristen anlässlich der Klageerhebung ist üblich und basiert (u.a.) auf § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. auch § 87b Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Aufforderung zur Ergänzung bzw. Klagebegründung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann sich dabei auch auf einen bestimmten (Klage-)Antrag (§ 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel (§ 82 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 VwGO) beziehen, da § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO seinem Wortlaut nach nicht auf die zwingenden Angaben gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO beschränkt ist (vgl. dazu allgemein Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Januar 2024, § 82 VwGO Rn. 39 f.; Bamberger in Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2025, § 82 Rn. 9 ff.). Richterliche Fristen können auf Antrag verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO).
58
Wenn daher – wie vorliegend – mehrere Fristen zur Klagebegründung parallel laufen (nämlich die richterliche und die nach § 6 Satz 4 UmwRG), muss sich zumindest anhand des objektiven Erklärungswerts ergeben, dass (auch) eine Verlängerung der Frist nach § 6 Satz 4 UmwRG beantragt wurde, schon weil ein solcher Antrag tatbestandlich vorausgesetzt wird.
59
Nach seinem objektiven Erklärungswert war der von der Bevollmächtigten des Beigeladenen (Klägers) formulierte Antrag auf Fristverlängerung vom 7. Juli 2023 allerdings keiner i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG; er bezog sich vielmehr (ausschließlich) auf die im gerichtlichen Schreiben vom 24. Mai 2023 gesetzte richterliche Frist.
60
Im Rahmen der Auslegung ist dabei zu berücksichtigten, dass die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) eine Fristverlängerung für „die Klagebegründungsfrist bis 14.8.2023“, also nur für eine der beiden laufenden Fristen beantragt hat. Dieser Wortlaut lässt – zumal es sich um unterschiedliche Fristen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen (vgl. dazu auch VGH BW, B.v. 9.2.2022 – 3 S 3940/21 – juris Rn. 23 und 25) und mit unterschiedlichem Fristende handelt – nicht den Schluss zu, dass eine Verlängerung beider Fristen beantragt wurde.
61
Gegen einen Antrag auf Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG spricht, dass die Norm als solche im Antrag nicht zitiert wurde, obwohl es sich bei § 6 UmwRG um eine spezielle gesetzliche Klagebegründungsfrist handelt, die zum „gängigen Regelfall“ einer richterlichen Frist in (erstinstanzlichen) verwaltungsgerichtlichen Verfahren (s.o.) eine Ausnahme darstellt. Selbst wenn nicht zwingend vorausgesetzt, gebietet daher jedenfalls die anwaltliche Sorgfaltspflicht ein solches Normzitat (vgl. zu diesem Maßstab auch BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 37), insbesondere um klarzustellen, auf welche der beiden laufenden Fristen sich der Antrag beziehen soll. Angesichts dessen führt der Einwand des Beigeladenen (Klägers), die Begründung des Fristverlängerungsantrags sei ausreichend und dieser sei als solcher i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG zu verstehen gewesen, weil er in einem „immissionsschutzrechtlichen Kontext“ gestellt worden sei und die für Immissionsschutz zuständige Kammer wisse, wie lange Immissionsgutachten erfahrungsgemäß dauern würden, nicht weiter.
62
Zeitpunkt und Inhalt des Fristverlängerungsantrags sprechen ebenso dafür, dass er sich (ausschließlich) auf die anlässlich der Bestätigung des Klageeingangs gesetzte richterliche Frist bezieht: Zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrags stand die richterliche Frist wenige Tage vor ihrem Ablauf. Von der 10-Wochen-Frist des § 6 Satz 1 UmwRG waren am 7. Juli 2023 dagegen erst rund 6 ½ Wochen verstrichen. Auch wenn es rechtlich zulässig ist, schon zu diesem Zeitpunkt einen Fristverlängerungsantrag i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG zu stellen, wäre dies doch praxisunüblich und würde folglich für einen objektiven Betrachter – der die übliche Praxis kennt – eher für einen Antrag betreffend (ausschließlich) die richterliche Frist sprechen. Zudem würde ein Fristverlängerungsantrag nach § 6 Satz 4 UmwRG zu diesem Zeitpunkt die Gefahr bergen, dass die Berichterstatterin diesen (jedenfalls bei der vorliegend gewählten Begründung) mit dem Hinweis ablehnt, es solle zunächst doch einmal versucht werden, innerhalb der noch verbleibenden rund 3 ½ Wochen eine Klagebegründung zu fertigen (und dass das Privatgutachten zur Vertiefung nachgereicht werden könne; zu dieser Möglichkeit vgl. ergänzend auch 1.4). Gegen einen Antrag nach § 6 Satz 4 UmwRG spricht auch, dass bezogen auf die 10-Wochen-Frist des § 6 Satz 1 UmwRG 3 ½ Wochen vor Fristablauf eine Verlängerung nur um rund 2 Wochen beantragt wurde.
63
Zudem enthält der Fristverlängerungsantrag zwar die für die Verlängerung einer richterlichen Frist gängigen Angaben (vgl. dazu etwa Jaspersen in BeckOK ZPO, Stand September 2024, § 224 ZPO Rn. 6.1, 6.8), zur für eine Verlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG zwingend erforderlichen „fehlenden Möglichkeit der Beteiligung“ verhält er sich dagegen nicht – obwohl dieses Tatbestandsmerkmal vorliegend jedenfalls nicht offenkundig erfüllt ist (vgl. 1.3.1). Der diesbezügliche Einwand der Bevollmächtigten des Beigeladenen (Klägers), die fehlende Beteiligungsmöglichkeit habe sich aus dem Bescheid ergeben, greift insoweit nicht durch. Denn durch eine (nicht fernliegende) Hinzuziehung des Beigeladenen (Klägers) nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG zum Verfahren hätte sich eine solche Beteiligungsmöglichkeit auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergeben. Auch die im Rahmen des Verlängerungsantrags verwendete Formulierung, die Erstellung der Begründung sei „bis heute nicht möglich gewesen“ impliziert eher, dass der Antrag eine in Kürze (und nicht erst in 3 ½ Wochen) ablaufende Frist betrifft.
64
Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der vom Bundesverwaltungsgericht als Teil des objektiven Empfängerhorizonts zu berücksichtigenden „recht verstandenen Interessenlage“ (s.o.; BVerwG, B.v. 29.6.2023 – 3 B 43.22 – juris Rn. 4). Daraus könnte man im Sinne des Beigeladenen (Klägers) – so im Ergebnis auch seine Bevollmächtigte – ableiten, dass für sein Interesse allein oder in erster Linie eine Verlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG relevant sei, weil nur eine Versäumung der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG massive rechtliche Nachteile für ihn nach sich ziehe (vgl. dazu bzgl. der Folgen einer unterbliebenen Anordnung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO BVerwG, B.v. 23.5.2013 – 9 B 46.12 – juris Rn. 4 f.). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Antrag wie eben dargelegt aufgrund Form (kein ausdrücklicher Antrag nach § 6 Satz 4 UmwRG), Zeitpunkt und Inhalt nicht als ein solcher i.S.d. § 6 Satz 4 UmwRG ausgelegt werden kann, so dass alleine die Heranziehung des „recht verstandenen Interesses“ einer Umdeutung gleichkäme. Zudem betrug die verbleibende Frist des § 6 Satz 1 UmwRG zum Antragszeitpunkt noch rund 3 ½ Wochen (s.o.), insofern bestand auch bei einem „recht verstandenen Interesse“ des Beigeladenen (Klägers) zu diesem Zeitpunkt nicht die unmittelbare Gefahr eines solchen Nachteils infolge baldigem Fristablauf. Und schließlich kann auch die Versäumung einer richterlichen Frist – selbst wenn es sich nicht um eine solche des § 82 Abs. 2 VwGO oder § 87b VwGO handeln sollte – jedenfalls mittelbar nachteilig für einen Kläger sein (etwa bzgl. eines Einwands gegen eine Klageabweisung, ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden o.ä.; vgl. Bamberger in Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, § 82 Rn. 10).
65
Nach alledem handelt es sich beim Antrag auf Fristverlängerung vom 7. Juli 2023 nicht (auch) um einen solchen i.S.d. § 6 Satz 4 UmwRG. Dementsprechend ist auch die Verfügung vom 7. Juli 2023 (bzw. das entsprechende gerichtliche Schreiben vom 10. Juli 2023) nach dem objektiven Erklärungswert nicht als Gewährung einer solchen Fristverlängerung zu verstehen. Denn Verfügung und Schreiben nehmen ausdrücklich auf den Antrag Bezug („antragsgemäß gewährt“; vgl. dazu auch BVerwG, B.v. 29.6.2023 – 3 B 43.22 – juris Rn. 4; BGH, B.v. 29.1.2009 – III ZB 61/08 – juris Rn. 13) und verlängern damit (ausschließlich) die richterliche Frist. Davon abgesehen kann die Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG nur unter den Voraussetzungen des § 6 Satz 4 UmwRG verlängert werden. Eine außerhalb dieser Vorschrift durch das Gericht gewährte Verlängerung ist wirkungslos (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.2024 – 7 C 1.23 – juris Ls. 1); vorliegend fehlt es aber – wie eben dargelegt – am von § 6 Satz 4 UmwRG vorausgesetzten Antrag.
66
1.4 Die im Schriftsatz vom 7. August 2023 zur Klagebegründung enthaltenen Erklärungen und Beweismittel sind schließlich auch nicht aufgrund § 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil ihre verspätete Angabe nicht genügend entschuldigt ist.
67
Denn im vorliegenden Einzelfall fehlt es an Umständen, aufgrund derer die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) darauf hätte vertrauen dürfen, dass das Gericht eine Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG verfügt hat.
68
Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge gilt bei der Frage, ob in solchen Fällen einem Beteiligten – hier dem Beigeladenen (Kläger) bzw. seiner Bevollmächtigten – Vertrauensschutz zuzubilligen ist, zunächst der Grundsatz, dass sich ein Prozessbevollmächtigter bei klarer Rechtslage nicht auf eine falsche Auskunft durch das Gericht verlassen darf. Ungeachtet dessen können die Umstände des Einzelfalls aber auch bei klarer Rechtslage ein Vertrauen auf eine falsche richterliche Auskunft entschuldigt erscheinen lassen. Dies folgt aus dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Recht auf ein faires Verfahren, wonach bei falscher richterlicher Auskunft die Anforderungen an eine Entschuldigung nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.2024 – 7 C 1.23 – juris Rn. 27 f. u.V.a. BVerfG, B.v. 4.5.2004 – 1 BvR 1892/03 – BVerfGE 110, 339/342 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht sprach in der dort zugrundeliegenden Konstellation dem Prozessbevollmächtigten der (dortigen) Klägerin Vertrauensschutz zu, weil neben der womöglich unklaren Rechtslage zur Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vor allem zu berücksichtigen gewesen war, dass der Berichterstatter die Frist nicht nur fernmündlich auf den Antrag der Klägerin hin verlängert, sondern diese Verlängerung nach einer Woche möglicher Reflexion schriftlich bestätigt hat. Angesichts der wiederholten gerichtlichen Verfügung und unter Berücksichtigung der übrigen Umstände musste die (dortige) Klägerin – so das Bundesverwaltungsgericht – daher nicht „schlauer“ als das Gericht sein, sondern durfte auf die Fristverlängerung vertrauen und diese damit ausschöpfen (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.2024, a.a.O Rn. 28).
69
Die Umstände des vorliegenden Sachverhalts unterscheiden sich davon erheblich, so dass dem Beigeladenen (Kläger) den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts folgend kein Vertrauensschutz zuzugestehen ist.
70
So fehlt es bei näherer Betrachtung bereits an einem schützenswerten Vertrauenstatbestand, weil das Verwaltungsgericht vorliegend keine „falsche richterliche Auskunft“ erteilt hat. Wie eben unter 1.3.2 dargestellt, war der Fristverlängerungsantrag nicht als solcher i.S.v. § 6 Satz 4 UmwRG, sondern ausschließlich bezogen auf die richterliche Frist auszulegen; nur insoweit – und damit „richtig“ – hat das Verwaltungsgericht die Frist per Verfügung verlängert.
71
Selbst wenn man dem Beigeladenen (Kläger) bzw. seiner Bevollmächtigten dennoch ein entstandenes Vertrauen in eine wirksame Fristverlängerung (auch) nach § 6 Satz 4 UmwRG zugestehen wollte, wäre dieses Vertrauen jedenfalls nicht schützenswert.
72
Ein solcher Vertrauenstatbestand könnte zum einen dadurch entstanden sein, dass die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) zumindest den (objektiv nicht nach außen hervorgetretenen) „inneren Willen“ hatte, eine Fristverlängerung nach § 6 Satz 4 UmwRG zu beantragen. Insoweit ist aber zu entgegnen, dass es zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens maßgeblich nicht auf ihren inneren Willen ankommt – zumal sie es selbst durch einen sorgfältig formulierten Antrag in der Hand gehabt hätte, diesen nach außen zum Ausdruck zu bringen –, sondern auf das Handeln des Verwaltungsgerichts. Dessen Verfügung bzw. das darauf basierende gerichtliche Schreiben geben aber ihrem objektiven Erklärungswert folgend keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht die Frist des § 6 Satz 4 UmwRG verlängern wollte (vgl. dazu 1.3.2).
73
Zum anderen könnte sich ein für die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) streitender Vertrauenstatbestand daraus ergeben, dass eine Verlängerung „der Klagebegründungsfrist“ (ohne Bezugnahme auf einen Fristverlängerungstatbestand) beantragt und diesem Antrag entsprochen wurde. Mit anderen Worten: Die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) hatte vorliegend wohl darauf vertraut, dass sie (wie beantragt) bis 14. August 2023 Zeit hat, die Klage zu begründen, und insoweit eine (bzw. eine „gesamtheitliche“) Begründungsfrist läuft (in einem ähnlichen Sinne möglicherweise auch noch OVG RhPf, U.v. 27. 5.2020 – 8 C 11446/19 – juris Rn. 32; OVG LSA, B.v. 9.12.2020 – 2 M 97.20 – juris Rn. 17). Dass ein solch verstandenes Vertrauen aber nicht schutzwürdig ist, leitet sich ebenso aus den im Urteil vom 23. Mai 2024 entwickelten Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts ab (7 C 1.23 – juris Rn. 27 f.). Denn das Bundesverwaltungsgericht begründet die (ausnahmsweise) Schutzwürdigkeit des Vertrauens mit den o.g. besonderen Umständen (zweifelhafte Rechtslage bzgl. Anwendbarkeit des UmwRG; „zweifache“ Fristverlängerung, dazwischen eine Woche „möglicher Reflexion“). Solche „vertrauenserhöhenden“ Momente fehlen aber in der streitgegenständlichen Konstellation. Die Berichterstatterin hat die Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag antragsgemäß und noch am selben Tag „verfügt“; die Frage der Anwendbarkeit oder Anwendung von § 6 Satz 1 und 4 UmwRG wurde zumindest laut Aktenlage weder von ihr noch von der Bevollmächtigten des Beigeladenen (Klägers) in irgendeiner Form aufgegriffen. Daher muss es – auch angesichts der im Grundsatz restriktiv zu handhabenden Ausnahmen von § 6 Satz 1 UmwRG (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 27; zu § 6 Satz 3 UmwRG BayVGH, U.v. 8.4.2024 – 22 A 17.40026 – juris Rn. 113 m.w.N.; zur „Parallelnorm“ § 18e Abs. 3 Satz 2 AEG BayVGH, Gerichtsbescheid v. 12.9.2024 – 22 A 24.40007 – juris Rn. 14, jeweils m.w.N.) – dabei bleiben, dass ein solches Vertrauen auf eine „gesamtheitliche“ Fristverlängerung nicht schützenswert ist.
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Keine genügende Entschuldigung folgt schließlich aus dem Hinweis der Bevollmächtigten des Beigeladenen (Klägers) auf die Komplexität des Sachverhalts und dem Einwand, man könne von ihr nicht verlangen, Sachvortrag zu immissionsschutzfachlichen Themen aus immissionsschutzfachlicher Laiensicht zu formulieren, welchen dann auf der Basis eines immissionsschutzfachlichen Privatgutachtens gegebenenfalls später wieder zu revidieren sei.
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Die Komplexität des Verfahrensstoffes ist schon deshalb kein Entschuldigungsgrund, weil § 6 UmwRG typischerweise Verfahren erfasst, deren Streitstoff regelmäßig auch schwierige technische und naturwissenschaftliche Fragen umfasst (Fellenberg/Schil-ler in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 6 UmwRG Rn. 79). Wie schon unter 1.1 erwähnt, erfasst das dem § 6 UmwRG zugrundeliegende Regelungsziel, Gerichtsverfahren zu straffen und den Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar zu machen, gerade immissionsschutzrechtliche Klagen in besonderem Maße.
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Soweit die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) darauf abstellt, dass ihr ein sachgerechter Vortrag, auch „sämtlicher technischen Umstände und Details“, ohne Vorliegen des vollständig abgefassten Privatgutachtens nicht möglich bzw. zumutbar gewesen sei, missversteht oder überspannt sie die oben unter 1.2.1 bereits dargestellten, aus § 6 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO folgenden Substantiierungsanforderungen. Denn mit Ablauf der gesetzlich bestimmten Klagebegründungsfrist soll (nur) klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird. Damit einhergeht die Pflicht eines Klägerbevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf die die Klage gestützt werden soll. Laut eigenem Vortrag war die Aktensichtung durch die Bevollmächtigte des Beigeladenen (Klägers) am 1. Juni 2023 abgeschlossen; für eine rechtliche Einordnung der klagebegründenden Tatsachen und Erstellung einer Klagebegründung unter Benennung dieser Tatsachen verlieben zu diesem Zeitpunkt noch rund zwei Monate. Die Bevollmächtigte hätte also in diesem Zeitraum die wesentlichen „Angriffspunkte“ im Hinblick auf die von der Genehmigung umfassten Immissionen sowie das (bereits Mitte Juni 2023 beauftragte) Privatgutachten als Beweismittel benennen können. Denn vertiefender Vortrag, insbesondere durch Vorlage des nach Fristablauf fertiggestellten Gutachtens, ist zulässig. Weder Wortlaut noch Gesetzeszweck des § 6 Satz 1 UmwRG verlangen, dass Beweise, welche die klageweise geltend gemachte Rechtswidrigkeit einer behördlichen Entscheidung belegen sollen, innerhalb der 10-Wochen-Frist bereits vollständig erbracht sein müssen. Ebenso ist insoweit ein in gewissem Maß „spekulativer“ Vortrag zulässig; aus dem Prozessrecht folgt zudem keine Pflicht eines Klägers, sich „später zu revidieren“.
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1.5 Da somit der Beigeladene (Kläger) seine Klage innerhalb der (nicht verlängerten) 10-Wochen-Frist nicht den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG entsprechend begründet hat, ist er gemäß § 6 Satz 2 UmwRG präkludiert und die Klage voraussichtlich unbegründet.
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Insbesondere ist der Beigeladene (Kläger) dabei mit seinem Vortrag vom 7. August 2024 auch präkludiert, soweit er eine Unbestimmtheit und eine daraus folgende Nichtigkeit des Genehmigungsbescheids behauptet. Der Beigeladene (Kläger) bezieht sich insoweit auf Gerichtsentscheidungen, denen zufolge Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG keine umweltbezogene Vorschrift i.S.v. § 1 Abs. 4 UmwRG sei, weshalb insoweit die Präklusionswirkung des § 6 Satz 2 UmwRG nicht greife (so betreffend eine Baugenehmigung BayVGH, B.v. 5.5.2023 – 1 CS 23.34 – juris Rn. 6; B.v. 21.3.2023 – 2 ZB 22.639 – juris Rn. 5; zu einem § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG unterfallendem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid differenzierend NdsOVG, U.v. 25.10.2018 – 12 LB 118/16 – juris Rn. 156; tendenziell anders dagegen wohl OVG NW, U.v. 4.5.2022 – 8 D 297/ 21.AK – juris Ls. 2). Ob der Senat dieser Rechtsprechung folgt, kann offen bleiben. Denn ihr liegt eine Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG zugrunde, während vorliegend § 6 UmwRG aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG anzuwenden ist, der tatbestandlich – anders als § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG – nicht an die Anwendung umweltbezogener Vorschriften anknüpft. Auch an anderer Stelle differenziert das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz spezifisch bezogen auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (und Nr. 2) UmwRG einerseits und § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG andererseits vergleichbar anhand des Merkmals „umweltbezogene Vorschrift“ (vgl. etwa § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Daher und angesichts des klaren Wortlauts von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG und § 6 UmwRG bleibt, sofern eine Entscheidung § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unterfällt, kein Raum für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 6 UmwRG auf umweltbezogene Vorschriften.
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Weil die Hauptsacheklage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, kommt es auf eine etwaige objektive Rechtswidrigkeit der Genehmigung nicht an; es bleibt vielmehr beim Grundsatz, dass eine Fortdauer der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs für die Antragstellerin unbillig wäre (vgl. dazu BA S. 12 sowie BVerfG, B.v. 1.10.2008 – 1 BvR 2466/08 – juris Rn. 22 f.; BayVGH, B.v. 8.8.2008 – 22 CS 08.1326 – juris Rn. 8 f.).
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Nach alledem war die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung vom 14. April 2023 anzuordnen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, Nr. 19.2 und Nr. 2.2.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).