Inhalt

VG München, Beschluss v. 13.09.2024 – M 16 S 24.3737
Titel:

Anordnung der Einstellung von Arbeiten auf Sanierungsbaustelle

Normenketten:
ChemG § 23 Abs. 1
GefStoffV § 2 Abs. 5, § 19 Abs. 3
ArbSchG § 22 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5
Leitsätze:
1. Bei der Demontage asbesthaltiger Materialien werden durch unsachgemäßes Behandeln wie Brechen, Schleifen, Schneiden, Sägen und ähnlichen Arbeiten Fasern unkontrolliert freigesetzt, die dadurch eine Gefährdung für Menschen darstellen können. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Tätigkeit nach § 2 Abs. 5 GefStoffV ist jede Arbeit mit Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen einschließlich Herstellung, Mischung, Ge- und Verbrauch, Lagerung, Aufbewahrung, Be- und Verarbeitung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung sowie das innerbetriebliche Befördern und Bedien- und Überwachungsarbeiten. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verfügung eines "generellen Baustopps" ist verhältnismäßig, wenn eine größere Anzahl asbesthaltiger Bruchstücke von Dachzementplatten in benachbarten Grünflächen sowie auf nahezu allen Gerüstlagen und auf der Zufahrt eines Gebäudes vorgefunden wurden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zur Erstellung eines Gefahrstoffgutachtens bedarf es vorab der Bestimmung und Bezeichnung der Gefahrstoffe. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstellung von Arbeiten auf einer Sanierungsbaustelle, Gerüst, Treppengeländer, Sanierungsarbeiten, Sanierungsbaustelle, Asbest, Baustopp, Gefährdung, Anordnung, Einstellung, Verhältnismäßigkeit, Gefahrstoffe, Gefahrstoffgutachten, asbesthaltige Materialien
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.11.2024 – 22 CS 24.1730
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33450

Tenor

I. Soweit die Hauptsache im Antragsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks, dessen Renovierung und Sanierung sie teils selbst durchführt und teils durchführen lässt. Sie wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen mehrere für sofort vollziehbar erklärte Anordnungen des Gewerbeaufsichtsamts der Regierung von Oberbayern (im Folgenden: Gewerbeaufsichtsamt).
2
Anlässlich einer E-Mail des Bauamts der Gemeinde K. vom 12. Juni 2024 besichtigte ein Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts am 13. Juni 2024 die Baustelle in der …straße 23 in K. und erließ vor Ort folgenden (teils handschriftlich geschriebenen) Bescheid:
„1. Sie haben sofort folgender Anordnung nachzukommen: Die Arbeiten auf der Sanierungsbaustelle …str. 23 sind ab sofort solange einstellen zu lassen, bis für das Gebäude ein Gefahrstoffgutachten mit Gefahrstoffkataster i.V.m Gefährdungnach § 6 und § 15 Gefahrstoffverordnung erstellt wurde, dieses ist über einen öffentlich bestellten Asbestsachverständigen aufgrund des vermutl. verursachten Asbestbruchschadens zu erstellen bzw. zu prüfen
1.2) Die Arbeiten auf dem Arbeits- und Schutzgerüst und dem Dach sind ab sofort solange einstellen zu lassen bis das Gerüst und Dach nach TRBS 2121 Teil1 und ASR A.2.1 sicher durch den Ersteller nachgerüstet wurde, Mängel z.B. Wandabstände max. 30 cm zul. hier ca. 40 cm mit Absturzhöhen von 2 – 9 m, Absturzgefahr von Gerüst auf das Dach teilw. über 2 m Höhe, fehlende innenliegende Konsolen oder innenliegendes Geländer
1.3) Die Arbeiten im Gebäude dürfen erst fortgeführt wenn auch hier ein Gefahrstoffgutachten und Gefahrstoffkataster wie unter Punkt 1.1 geschrieben erstellt wurde
1.4) Das Treppengeländer im Gebäude ist auf mind. 1 m nach ArbStättV mit ASR A 1.8 Verkehrswege zu erhöhen
Hinweis: ggf. weitere Gefahrstoffe PAK – Alte KMF – Schwermetalle…
2. Die Anordnung (Nr. 1.1 – 1.4) wird für sofort vollziehbar erklärt. Eine Klage entbindet Sie deshalb nicht von der Verpflichtung diese Anordnung durchzuführen. Der SofortvoIlzug ist im öffentlichen Interesse erforderlich, weil wegen den vermutlich asbesthaltigen krebserregen Gefahrstoffen und Absturzgefahr über 1 – 9 m Höhe eine unmittelbar drohende Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten bzw. 3ter besteht.
3. Falls Sie der/n Anordnungen nicht nachkommen, wird ein Zwangsgeld fällig in Höhe von 10.000 € zu Anordnung Nr. 1.1, je 3.000 € zu Anordnung Nr. 1.2 u 1.3, 1.4
4. Über die Kosten des Verfahrens wird gesondert entschieden.
5. Rechtgrundlagen:
Zu Nr. 1:
§§ 3 – 5, 22 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG); §§ 3 bis 5 Betriebssicherheitsverordnung bei Gefahrstoffen: § 23 Chemikaliengesetz i. V. m. § 19 Gefahrstoffverordnung Die Anordnung(en) wurde(n) in pflichtgemäßer Ermessensausübung getroffen. Zu Nr. 2: (…)“
3
Ausweislich eines aktenkundigen Befunds/Gutachtens des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 18. Juni 2024 (Bl. 60 f der Behördenakte) wurden am 13. Juni 2024 entnommene Proben von Dachzementplatten positiv auf Asbest (Chrysotil, 1 – 15%) getestet sowie in einer Probe schwarzer Dachpappe (Bitumenbahn) Spuren von Chrysotil nachgewiesen. Der Befund „Spuren von Asbest nachgewiesen“ könne verschiedene Ursachen haben. Zum einen könne der Asbestmassenanteil aufgrund der Produktbeschaffenheit bei deutlich unter 1% liegen. Zum anderen könne die Probe durch abgelagerte Stäube oder Kontakt mit anderen asbesthaltigen Materialien kontaminiert worden sein. Die Probenoberfläche (Dachpappe) sei mit Chrysotilfasern kontaminiert gewesen. In der veraschten Probe seien auch Chrysotilfasern gefunden worden. Es könne nicht eindeutig beurteil werden, ob die Chrysotilfasern nur durch den Kontakt mit asbesthaltigen Materialien in der Probe nachgewiesen wurden.
4
Gegen den dem Geschäftsführer der Antragstellerin vor Ort ausgehändigten Bescheid vom 13. Juni 2024 ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz am … Juni 2024 Klage erheben (Verfahren M 16 K 24.3738) und mit weiterem Schriftsatz vom … Juni 2024 beantragen,
die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids des Gewerbeaufsichtsamts vom 13. Juni 2024 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.
5
Zur Begründung von Klage und Eilantrag wurde im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Anordnung sei überwiegend unleserlich, vor allem was die Zitate zu den Rechtsgrundlagen angehe. Die Antragstellerin sei seit 2023 Eigentümerin des Grundstücks …straße 23 in K. (Fl.Nr. 104/4 der Gemarkung …*). Das darauf befindliche Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten sei im Jahr 1910 erbaut worden. Im Frühjahr 2024 sei mit den Sanierungsarbeiten an dem stark sanierungs- und renovierungsbedürftigen Gebäude begonnen worden. Ab 1. Juni 2024 sei das Gebäude von dem zertifizierten Gerüstbauer … GmbH nach den gesetzlichen Bestimmungen eingerüstet worden. Entsprechend der bereits am 8. April 2024 vom Landratsamt … erteilten Abfallerzeugernummer … zur Entsorgung für asbesthaltiges Baumaterial (Abfallschlüssel: 17 06 05) sei von der Antragstellerin (noch vor Beginn der Dachsanierung) selbst der gesamte Schindelbelag der Dacheindeckung, der teilweise aus geringfügig asbesthaltigen Eternitschindeln bestanden habe, schonend, also zu 95% bzw. etwa 90% ohne Bruch, abgebaut und vorschriftsmäßig über zugelassene Deponie und in den vorgeschriebenen „Bigpacks“ entsorgt worden. Anschließend habe der Zimmereibetrieb S. die morschen Hölzer, die Verblechung, die Kamine und die Dachrinnen beseitigt. Soweit auffindbar seien durch die Antragstellerin vom umgebenden Grundstück Reste der durch Unwettereinfluss in den letzten 20 Jahren vom Dach gefallenen Bruchstücke der Dacheindeckung in Kleinarbeit beseitigt worden. Die vom Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts am 13. Juni 2024 entnommenen Bruchstücke von Dachschindeln hätten sich bereits seit vielen Jahren am Fundort außerhalb des Gebäudes befunden. Keine einzige Materialprobe sei von Teilen entnommen worden, die am Gebäude befestigt oder am Gebäude vorhanden gewesen seien. Um diesen Sachverhalt zu vertuschen sei kein Protokoll über die Entnahme der Proben und keine Bestätigung hiervon an die Antragstellerin ausgehändigt worden. Auch im Rahmen der lediglich telefonischen Mitteilung, dass die Probe der Dachschindel positiv auf Asbest geprüft worden sei, sei vom Gewerbeaufsichtsamt nicht deutlich gemacht worden, wann und wo die Probe entnommen worden ist. Bei dem im Auftrag der Antragstellerin durch die Fa. M. (positiv) getesteten (entsorgten) Material handle es sich um Eternitschindeln (Gruppe 3 unter den asbesthaltigen Baumaterialien und damit geringfügig gefährdend bzw. nicht gefährdend, solange nicht zerbrochen). Vom Dach des Anwesens gehe keine Gefährdung aus. Restmaterialien mit max. ca. 50 kg befänden sich noch auf dem Grundstück und auf dem Nachbargrundstück aus einer viele Jahre zurückliegenden Demontage von den Voreigentümern. Die zwischenzeitlich von der Antragstellerin in Auftrag gegebene Materialprobe habe ergeben, dass die sich noch auf dem Dach befindliche Dachpappe nicht asbesthaltig sei und nur die (vollständig entfernte) Dacheindeckung Asbest (Chrysotil, 20 – 50%) enthalte (vgl. Prüfbericht S*. … GmbH vom 21.6.2024). Bei den Arbeiten, die der Zimmereibetrieb vornehmen bzw. fortsetzen wolle, komme es daher zu keiner Berührung mit asbesthaltigem Material. Ohne Hinweis auf Beweise sei der Geschäftsführer der Antragstellerin strafrechtlich bedroht worden. Die in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Maßnahme sei kontraproduktiv. Ein umfassender Baustopp sei überdies unverhältnismäßig und umweltgefährdend. Eine inhaltliche Begrenzung des für sofort vollziehbar erklärten Baustopps auf einzelne Arbeiten, einzelne Gewerke oder einzelne Gebäudeteile sei nicht vorgenommen oder auch nur erwogen worden. Damit seien ausnahmslos alle Arbeiten im und außerhalb des Gebäudes (Dach, Fassadendämmung, Heizungs-, Installationsarbeiten usw.) und auf dem gesamten Grundstück betroffen. Die lediglich vermutete Belastung des Gebäudes mit Gefahrenstoffen beziehe sich jedoch nicht auf jeden Gebäudeteil. Ein Austreten von Gefahrenstoffen sei auch nicht bei jeglichen Handwerkerverrichtungen zu befürchten. Am 13. Juni 2024 seien am Anwesen das Dach erneuert bzw. instandgesetzt und Fenster ausgewechselt worden. Bei den hiermit in Zusammenhang stehenden Maurerarbeiten seien keine Fliesen oder Trockenbauwände entfernt und keine Fußböden geöffnet worden. Somit lasse sich auf dem einfachen Verdacht auf mögliches Vorhandensein im Innern des Anwesens kein Bauverbot und keine Baueinstellung begründen. Zu den Rechtsgrundlagen und der Ermessensausübung sei nur der Vordruck des Gewerbeaufsichtsamtes ohne nachvollziehbare Individualisierung verwendet worden. Am Gebäude seien jedoch umfangreiche Sanierungs- und Reparaturarbeiten dringend notwendig. Das Dach sei einsturzgefährdet und undicht. Durch die im angegriffenen Bescheid behördlich angeordnete Unterbrechung der Reparaturarbeiten würden mit jedem Niederschlag hunderte Liter Regenwasser in Mauerwerk und Fußböden sickern. Zwei Mietparteien würden noch immer in dem Haus wohnen und auf ihr Wohnrecht bestehen. Die Instandsetzung müsse zeitlich voranschreiten, um die Beeinträchtigung der Mieter so gering wie möglich zu halten. Die Vorgehensweise des Gewerbeaufsichtsamts nehme die Gefährdung der Bewohner/Mieter vorsätzlich billigend in Kauf. Überdies verursache ein Baustopp Kosten von täglich rund 6.000 Euro. Dem Baustopp sei rechtswidrig auch kein schriftlicher Hinweis vorausgegangen. Im Vorfeld sei keine Auflage zu einer Nachforschung bzgl. Gefahrstoffe erteilt worden. Das Gerüst (vgl. Nr. 1.2 des Bescheids) sei am 13. Juni 2024 wegen der Naturkatastrophen am 2. Juniwochenende noch nicht fertiggestellt gewesen. Auf die Fertigstellungsmitteilung des Gerüstbaubetriebs … GmbH vom 17. Juni 2024 sei von Seiten des Gewerbeaufsichtsamts (zunächst) keine Reaktion erfolgt. Erledigung trete zudem erst ein, wenn die Behörde das insoweit erteilte Verbot zurücknehme und das Gebäude freigebe. Dies sei bislang nicht geschehen. Die Notwendigkeit der Geländererhöhung in Nr. 1.4 des Bescheids werde ausdrücklich zurückgewiesen. Zur Schonung von erhaltenswertem alten Holzaufbau sei das Treppenhaus jedoch gesperrt worden, um Schäden durch Provisorien zur Geländererhöhung zu vermeiden. Das Gebäude könne für alle Arbeiten nur noch vom Gerüst aus betreten werden. Die Antragstellerin werde anordnen, dass alle Arbeiten ausschließlich vom Gerüst aus vorgenommen werden. Auch der Hinweis unter Nr. 1.4 sei unleserlich, unkonkret und vage. Gefahrstoffe seien, was später auch vom Gutachter bestätigt worden sei, im Inneren des Gebäudes nicht festgestellt worden. Es werde auch nicht ersichtlich, welche Schlüsse die Behörde aus dem Hinweis ziehen wolle bzw. werde. Der Hinweis sei nicht geeignet, eine Baueinstellung rechtsgemäß zu begründen.
6
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
7
Die Antragstellerin habe bei den von ihr durchgeführten Sanierungsarbeiten nicht die durch die Gefahrstoffverordnung vorgegebenen Regelungen zum Umgang mit asbesthaltigen Baumaterialien beachtet. Mehrere Bruchstücke von Eternitschindeln hätten sich unter gravierendem Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben sowohl auf dem Grundstück, als auch vereinzelt auf dem Gerüst sowie im Gebäude befunden. Für einen sachgerechten Rückbau asbesthaltiger Dachschindeln sei zwingend erforderlich, dass dieser durch eine sachkundige Firma nach TRGS 519 Anlage 4 durchgeführt werde und diese dabei die Schutzmaßnahmen nach Nr. 16.2 beachtet. Allein das Vorhandensein von zahlreichen asbesthaltigen Bruchstücken beweise, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Die nach § 15 Abs. 5 GefStoffV vor Sanierung erforderliche Gefahrstoff-Beprobung mit Erstellung eines Gefahrstoffkatasters zur Feststellung der vorhandenen Gefahrstoffe sei von der Antragstellerin wohl nicht erstellt worden. Da es für die gesundheitliche Belastung durch krebserregende Asbestfasern keinen Grenzwert gebe, sei eine Einstellung der Bauarbeiten auf der streitgegenständlichen Sanierungsbaustelle bis zur Klärung der Situation durch ein von einem öffentlich bestellten Sachverständigen für Asbest erstelltes Gefahrstoffgutachten mit Gefahrstoffkataster und eine darauf aufbauende Gefährdungsbeurteilung nach §§ 6 und 15 GefStoffV in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Angesichts der mit Asbestfasern einhergehenden großen Gefahren für die Gesundheit von auf der Baustelle eingesetzten Arbeitern sei die Anordnung erforderlich, geeignet und verhältnismäßig und somit ermessensfehlerfrei, auch wenn die Ausführungen im Bescheid hierzu nur kurz ausgefallen seien. Angesichts der Gefährlichkeit von Asbestfasern und aufgrund des Umstandes, dass Bruchstücke auf dem Gerüst und im Gebäude (und zudem der Gefahrstoff Künstliche Mineralfasern – KMF – im Gebäude) vorgefunden worden seien, habe die Einstellung der Bauarbeiten nicht auf einen abgrenzbaren Bereich beschränkt werden können und sei daher für das ganze Gebäude erfolgt. Gerade die Einholung eines Sachverständigengutachtens solle die Daten, welche Bereiche belastet bzw. nicht belastet sind, liefern und entsprechende Maßnahmen zum Schutz der auf der Baustelle Arbeitenden und dritter Personen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung aufzeigen. Aufgrund der Dringlichkeit und der Gefährdungslage habe die Anhörung des Geschäftsführers der Antragstellerin vor Ort erfolgen können. Einen vorausgehenden schriftlichen Hinweis kenne das BayVwVfG nicht. Dem Einwand der Antragstellerin, zumindest die Anordnung unter Nr. 1.1 sei nicht lesbar und daher bereits nicht rechtmäßig, werde entgegengetreten. Zum einen sei die getroffene Anordnung bei der Ortseinsicht dem Geschäftsführer der Antragstellerin mündlich erklärt worden, zum anderen sei die handschriftliche Anordnung leserlich. Es gehe klar hervor, dass die Bauarbeiten einzustellen seien, bis ein entsprechendes Gefahrstoffgutachten erstellt worden ist. Die Antragstellerin sei auch richtige Adressatin einer Anordnung nach dem ChemG, da sie als Handlungsstörerin die mögliche Kontamination verursacht habe. Als das den Abriss des Daches mit seinen asbesthaltigen Eternitschindeln durchführende Unternehmen habe die Antragstellerin gegen die GefStoffV verstoßen und sei somit für die Einstellung der Bauarbeiten bis zur Abklärung einer möglichen Kontamination heranzuziehen. Das (unsichere) Fassadengerüst sei am Besichtigungstag durch die Beschäftigten der Fa. S. und Fa. M. benutzt und erst nach dem Eintreffen des Gerüsterstellers durch diesen gesperrt worden. Inzwischen seien die Mängel des Gerüstes beseitigt worden. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dürfte sich daher insofern erledigt haben. Das vor Ort befindliche Bestandstreppengeländer habe eine Höhe von ca. 80 cm. Gemäß Nr. 2.1 Abs. 1 Anhang ArbStättV bestehe eine Absturzgefahr ab einer Absturzhöhe von 1,00 m. Im Treppenhaus hätten Arbeiten durch die Fa. M. stattgefunden und würden bis zur endgültigen Fertigstellung des Gebäudes auch noch stattfinden müssen (Arbeiten an Fenstern, Fenstertausch und Wanddurchbrüche etc.). Daneben würden der Antragstellerin auch Pflichten in ihrer Eigenschaft als Bauherrin und Auftraggeberin der beteiligten Baufirmen nach BaustellV obliegen. Hätte es einen (wie in § 2 Abs. 3 BaustellV vorgesehen) Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan für die Baustelle gegeben und wäre dieser beachtet worden, hätte die Freisetzung von Asbestfasern vermieden werden können. Ein solcher Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan sei selbstredend auch jetzt noch erforderlich und an die Umstände, die durch den fehlerhaften Abbau der Dachschindeln eingetreten sind, anzupassen und müsse die auf der Baustelle einzuhaltenden besonderen Maßnahmen für die besonders gefährlichen Arbeiten beinhalten. Auch hierfür seien zuerst die Kontamination mit Asbest zu erkunden und dann daran angepasste Maßnahmen festzulegen. Aufgrund der wahrscheinlichen Asbestkontamination müsse es ureigenes Interesse der Antragstellerin als Eigentümerin des Gebäudes sein, deren Umfang abzuklären und – wenn nötig – geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der Kontamination zu ergreifen, um die Arbeiter der von ihr beauftragten Firmen und die jetzigen und zukünftigen Mieter zu schützen. Inzwischen habe das Landratsamt … mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 26. Juni 2024 auf bauordnungsrechtlicher Grundlage gegenüber dem Geschäftsführer der Antragstellerin als Vertreter der Antragstellerin angeordnet, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Thematik Asbest zu beauftragen, um festzustellen, in welchem Umfang das Gebäude, das Gerüst und die unmittelbare Umgebung des Gebäudes möglicherweise durch Asbestfasern kontaminiert ist (Gefahrstoffgutachten) und das Gutachten innerhalb eines Monats vorzulegen.
8
Nach Vorlage und Prüfung der von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Asbest und Asbestsanierung Dipl.-Ing. V. vom 8. bzw. 9. Juli 2024 teilte das Gewerbeaufsichtsamt mit Schriftsatz vom 24. Juli 2024 mit, dass die in den Nrn. 1.1 und 1.3 getroffenen Anordnungen als erfüllt angesehen würden. Einer entsprechenden Erledigterklärung der Antragstellerin wurde vorab unter Verwahrung gegen die Kostentragungspflicht zugestimmt.
9
Aufgrund des gerichtlichen Hinweis vom 25. Juli 2024, dass jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes schon kein Anordnungsgrund hinsichtlich der Nrn. 1.1, 1.2 und 1.3 mehr vorliege, erklärte die anwaltlich Bevollmächtigte der Antragstellerin zuletzt mit Schriftsatz vom … August 2024 den Antrag zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Anordnungen Nr. 1.1, Nr. 1.2 und Nr. 1.3 für erledigt, soweit es das Gefahrstoffgutachten für das Dach, die Standsicherheit des Gerüstes und das Gefahrstoffgutachten für die Wohnung 2. OG und das Dachgeschoss betrifft.
10
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Eil- und Klageverfahren sowie auf den Inhalt der Behördenakte verwiesen.
II.
11
1. Hinsichtlich der Anordnungen Nr. 1.1, Nr. 1.2 und Nr. 1.3 des Bescheids vom 13. Juni 2024 ist das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten das Antragsverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2010 – 7 VR 3.10 – juris Rn. 1 f.; B.v. 7.4.2008 – 9 VR 6.07 – juris Rn. 1 f.). Hinsichtlich des vonseiten der Antragstellerin offen gelassenen Punkts eines zu erstellenden „Schadstoffkatasters“ wird auf nachfolgende Ausführungen unter Nr. 2.1 verwiesen.
12
Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Hiervon ausgehend entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, soweit sich dieses erledigt hat, der Antragstellerin aufzuerlegen. Denn die Anordnungen Nr. 1.1, Nr. 1.2 und Nr. 1.3 aus dem Bescheid waren bis zu ihrer Erledigung rechtmäßig.
13
1.1. Formelle Fehler beim Erlass der Anordnungen liegen nicht vor.
14
Insbesondere trifft es nicht zu, dass die handschriftlich verfasste Anordnung Nr. 1.1 unleserlich sei, wie die Antragstellerin andeutet (vgl. S. 4 der Antragsschrift, „1.1 Die Arbeiten auf der Sanierungsbaustelle in Straße 23 sind ab sofort und so lange einstellen zu lassen, bis es für das Gebäude ein Gefahrstoffgutachten mit … ?????? …“). Auf den im Tatbestand wiedergegebenen Anordnungstext wird im Übrigen verwiesen. Soweit die Antragstellerin beanstandet, vor Bescheidserlass nicht angehört worden zu sein, trifft das schon der Sache nach nicht zu, weil dem Geschäftsführer der Antragstellerin vor Ort mündlich mitgeteilt wurde, dass eine solche Anordnung ergehen werde. Dies bestätigt sich auch nach der eidesstattlichen Erklärung des Geschäftsführers der Antragstellerin vom 24. Juni 2024, wonach der Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts Materialproben der Dachschindeln eingesammelt und am selben Nachmittag des 13. Juni 2024 den gegenständlichen Bescheid erlassen habe. Von Vorstehendem abgesehen kann nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG von einer Anhörung abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse – wie hier – notwendig erscheint.
15
Die Anordnung des Sofortvollzugs genügt dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das Gewerbeaufsichtsamt begründet unter Nr. 2 des Bescheids das besondere Interesse an der Vollziehbarkeitsanordnung auf den Einzelfall bezogen und nicht lediglich formelhaft mit dem im Formblatt vorgesehenen Textvordruck einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten, sondern auch mit dem handschriftlichen Zusatz des zuständigen Mitarbeiters „[wegen] den vermutlich asbesthaltigen krebserregenden Gefahrstoffen und Absturzgefahr über 1 – 9 m Höhe“.
16
An der Dringlichkeit der angeordneten Maßnahmen im Zeitpunkt ihres Erlasses bestehen keine Zweifel wie der Befund des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 18. Juni 2024, der Prüfbericht des S*. … vom 21. Juni 2024 und insbesondere die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigenbüros V. …, Sachverständiger für Asbest/Asbestsanierung, vom 8. Juli 2024 unmissverständlich belegen.
17
Örtlich und sachlich zuständig für den Erlass von Anordnungen nach § 23 Abs. 1 ChemG und § 19 Abs. 3 Satz 1 GefStoffV ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ZustV-GA i.V.m. § 10 Nr. 2 Buchst. h und i der Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung (StRGVV) jeweils die Regierung von Oberbayern – Gewerbeaufsichtsamt.
18
1.2 Die Anordnung Nr. 1.1, wonach die Arbeiten auf der Sanierungsbaustelle sofort einstellen zu lassen sind, bis für das Gebäude ein Gefahrstoffgutachten (mit Gefahrstoffkataster) in Verbindung mit Gefährdung nach § 6 und § 15 Gefahrstoffverordnung von einem öffentlich bestellten Asbestsachverständigen auf Grund des vermutlich verursachten Asbestbruchschadens erstellt bzw. geprüft wurde, begegnet keinen Bedenken. Wie sich aus der Behördenakte ergibt und auch noch die Einlassungen im Klage- und Antragsverfahren verdeutlichen, zeigte der Geschäftsführer der Antragstellerin keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung, bevor die Sanierungsbauarbeiten fortgesetzt werden können.
19
1.2.1 Die Anordnung Nr. 1.1 ist in der Sache gerechtfertigt. Der Beklagte stützt ihre Begründung zu Recht auf das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung.
20
Das Chemikaliengesetz bezweckt, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen (§ 1 ChemG). Ziel der Gefahrstoffverordnung ist es, den Menschen und die Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen durch (1.) Regelungen zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische, (2.) Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und (3.) Beschränkungen für das Herstellen und Verwenden bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse (§ 1 Abs. 1 GefStoffV).
21
Asbest ist ein Gefahrstoff nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 ChemG und § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 Buchst. f GefStoffV i.V.m. Anhang I Nr. 3.6 und Anhang VI der Verordnung (EG) 1272/2008 sowie Anhang I Nr. 2.2 Abs. 3 zur GefStoffV, der als krebserzeugender Stoff der Kategorie 1A (nachgewiesene Wirkung beim Menschen) eingestuft ist. Bei der Demontage asbesthaltiger Materialien werden durch unsachgemäßes Behandeln wie Brechen, Schleifen, Schneiden, Sägen und ähnlichen Arbeiten Fasern unkontrolliert freigesetzt, die dadurch eine Gefährdung für Menschen darstellen können. Für Rückbauarbeiten von festgebundenen asbesthaltigen Bauteilen – wie hier – ist deshalb der Sachkundenachweis nach Nr. 2.7 und Anhang 4 TRGS 519 zu führen (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 8. Juli 2024, S. 19 ff.).
22
Nach § 23 Abs. 1 ChemG kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zukünftiger Verstöße gegen das Chemikaliengesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind. Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist eine u.a. nach den §§ 3a, 14, 17 und 19 ChemG erlassene Rechtsverordnung. Ergänzend zu § 23 Abs. 1 ChemG bestimmt § 19 Abs. 3 Satz 1 GefStoffV, dass die zuständige Behörde im Einzelfall Maßnahmen anordnen kann, die der Hersteller, Lieferant oder Arbeitgeber zu ergreifen hat, um die Pflichten nach den Abschnitten 2 bis 5 dieser Verordnung zu erfüllen. Diese im 6. Abschnitt der Gefahrstoffverordnung stehende Regelung gilt nicht nur für Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit ausgesetzt sein können, sondern auch, wenn die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen aufgrund von Tätigkeiten im Sinne von § 2 Abs. 5 GefStoffV gefährdet sein können, die durch Beschäftigte oder Unternehmer ohne Beschäftigte ausgeübt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 2 GefStoffV). Eine Tätigkeit nach § 2 Abs. 5 GefStoffV ist jede Arbeit mit Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen einschließlich Herstellung, Mischung, Ge- und Verbrauch, Lagerung, Aufbewahrung, Be- und Verarbeitung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung sowie das innerbetriebliche Befördern und Bedien- und Überwachungsarbeiten.
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1.2.2 Hiervon ausgehend liegt eine unter § 19 Abs. 3 Satz 1 GefStoffV fallende Tätigkeit vor. Die Antragstellerin betreibt ein wirtschaftliches – wohl gewerbliches – Unternehmen (siehe Auszug aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts … – HRB 17219: „Aufnahme von Dienstleistungen, insbesondere Vermietung, Verpachtung, Verwaltung, Beschaffung, Veräußerung und Vermittlung von Fahrzeugen zu Wasser, zu Land und in der Luft sowie Immobilien und Grundstücken für private oder gewerbliche Zwecke, ferner Vermittlung von Luftfahrtgeschäften, Betreuung von Luftfahrtpersonal und Einkauf, Verkauf, Import und Export von Waren im internationalen Handel“). Als Unternehmerin hat die Antragstellerin durch ihren Geschäftsführer als deren Vertreter bzw. – nicht notwendigerweise abhängig – Beschäftigten die Tätigkeiten des Entfernens sowie der Entsorgung asbesthaltiger Teile eines Gebäudes ohne Anwesenheit eines Sachkundigen (vgl. § 2 Abs. 17 und Anhang I Nr. 2.4.2 Abs. 3 GefStoffV) unsachgemäß veranlasst bzw. durchgeführt und hierdurch die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen gefährdet. Danach kann dahinstehen, ob es tatsächlich zutrifft, dass der Geschäftsführer den gesamten Schindelbelag der Dacheindeckung des großen Walmdachs mit Zwerchgauben „in Eigenarbeit“ selbst und alleine durchgeführt hat (vgl. eidesstattliche Erklärung v. 24.6.2024 sowie S. 23 der gutachterlichen Stellungnahme v. 8.7.2024, S. 23: „Laut wahrheitsunterstellter Aussage wurden die Arbeiten an den Asbestzementprodukten ausschließlich von Herrn S. [Bauherr] selbst ausgeführt)“.
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Infolge des ohne Schutzmaßnahmen unsachgemäß durchgeführten Abbruchs asbesthaltiger Dacheindeckung durch den Geschäftsführer der Antragstellerin ist auf dem Baugrundstück eine der Antragstellerin zuzurechnende Kontamination mit asbesthaltigen Materialien eingetreten. Weiterhin waren nach den Feststellungen des Sachverständigen zufolge auch noch an der Gebäudesubstanz verbliebene Asbestzementplatten als Bruchstücke verblieben. Diese Feststellungen stimmen mit der Einschätzung des Mitarbeiters des Gewerbeaufsichtsamts vom 13. Juni 2024 überein, was dieser durch eine Vielzahl von Fotografien belegt hat (vgl. Bl. 30 ff. der Behördenakte). Die am 13. Juni 2024 vorgefundene Situation erforderte aus sicherheitsrechtlicher Sicht eine Gefährdungsbeurteilung (vgl. § 6, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 5 Satz 1 GefStoffV, „insbesondere Asbest“) durch einen Asbestsachverständigen und zugleich die Einstellung der Bauarbeiten, bis geklärt war, welche Maßnahmen nach den Vorgaben der dem Stand der Technik entsprechenden Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 519 „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“; § 20 Abs. 4 GefStoffV) zur Beseitigung insbesondere der Kontamination ergriffen werden müssen, bevor die Arbeiten weitergeführt werden können. Da bereits im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 13. Juni 2024 Mitarbeiter einer Zimmerei Dacharbeiten durchgeführt haben, drohten unmittelbar Gesundheitsgefahren; die Anordnung Nr. 1.1 war danach dringlich.
25
Zweifel daran, dass aufgrund der Abbrucharbeiten am Dach asbesthaltiges Bruchmaterial (Eternit- bzw. Dachzementplatten) in großem Umfang anfiel und noch vorhanden war, bestehen angesichts der Vor-Ort-Feststellungen des Sachverständigen für Asbest/Asbestsanierung am 4. Juli 2024 nicht. Danach waren die asbesthaltigen Dachplatten – Faserzementplatten – bereits abmontiert und die neue Dachabdichtung größtenteils bereits provisorisch aufgebracht: „Rund um das Gebäude am Boden (Geländeoberkante), auf nahezu allen Gerüstlagen und auch noch an der Gebäudesubstanz verblieben, waren bei der Begehung Asbestzementplatten in Form von Bruchstücken vorzufinden.“ Größere Bruchstücke waren zudem im Dachgeschoss/2. Obergeschoss im Bauschutt bzw. an der Gebäudesubstanz festzustellen. Die Vermutung des Geschäftsführers der Antragstellerin in der eidesstattlichen Erklärung vom 24. Juni 2024, wonach die Proben der Dachschindeln nicht von der jetzigen Baumaßnahme stammten, ist damit widerlegt. Das Vorbringen der Antragstellerin, der Schindelbelag der Dachbedeckung sei in Eigenarbeit schonend und zu 95% ohne Bruch abgebaut und in den vorgeschriebenen Bigpacks fachmännisch entsorgt worden, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Nach der fachkundigen Beurteilung des Sachverständigen in der gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Juli 2024 ließen die „Anzahl der Brüche und Bruchstücke bei den vorgefundenen Faserzementplatten eindeutig auf einen unsachgemäßen Umgang mit den Faserplatten schließen“, sie sind eben „nicht gemäß der TRGS 519 ‚möglichst bruchfrei‘“ entfernt worden. Schutzmaßnahmen wie Folien oder Absperrungen seien ebenfalls nicht vorhanden gewesen. Es sei davon auszugehen, dass durch den unsachgemäßen Abbruch Asbestfasern freigesetzt wurden. Zur Bereinigung der Situation seien der im Arbeits- und Sicherheitsplan (Darstellung 1 „AUSSEN“ und 2 „INNEN“) dargestellte Schwarzbereich (Anm.: durch Schadstoffe kontaminierter Arbeitsbereich) fachgerecht zu sperren und zu kennzeichnen sowie Beseitigungs-, Reinigungs- und Dekontaminationsmaßnahmen vorzunehmen. Dabei seien die Vorgaben der Technischen Regel für Gefahrstoffe, TRGS 519, „Asbest ASI- Arbeiten“, zwingend einzuhalten (vgl. Maßnahmenbeschreibung der gutachterlichen Stellungnahme „im Außenbereich und Dachgeschoss“ sowie „im Innenbereich 2. Obergeschoss“ vom 8. Juli 2024, S. 24 ff.).
26
Hiervon ausgehend war die Anordnung Nr. 1.1 verhältnismäßig, insbesondere erforderlich und angemessen, bevor die Bauarbeiten fortgeführt werden konnten. Dass das Gewerbeaufsichtsamt einen „generellen Baustopp“ verfügte, war angesichts einer größeren Anzahl asbesthaltiger Bruchstücke von Dachzementplatten, die noch bei der Begehung der Örtlichkeit durch den Sachverständigen am 4. Juli 2024 im Arbeits- und Anfallbereich, in den Grünflächen sowie auf nahezu allen Gerüstlagen und auf der Zufahrt vorzufinden waren (ebenso in der Wohnung im 2. OG links) und der infolge der unsachgemäßen Abbrucharbeiten verursachten Kontamination geboten. Nachdem der Geschäftsführer der Antragstellerin Kenntnis von der Asbesthaltigkeit der Dachzementplatten hatte, für deren Entsorgung er bereits am 8. April 2024 eine Abfallerzeugernummer für Entsorgung asbesthaltiger Dachschindeln im Namen der Antragstellerin als „Abfallverursacherin“ beantragt hatte (vgl. Bl. 89 der Behördenakte), waren ihm die Gefahren bewusst und er hätte von sich aus rechtzeitig eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung veranlassen können und auch müssen. Dass infolge der unsachgemäß durchgeführten Abbrucharbeiten durch den Geschäftsführer der Antragstellerin ohne entsprechende Sachkunde und ohne erforderliche Schutzmaßnahmen eine Kontamination der Baustelle eingetreten war, die eine behördliche Anordnung nach sich zog, ist deshalb der Antragstellerin zuzurechnen. Weshalb die in Nr. 1.1 angeordneten Maßnahmen „kontraproduktiv“, „unverhältnismäßig“ und „umweltgefährdend“ gewesen sein sollen, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht. Ein milderes Mittel stand angesichts der vonseiten der Antragstellerin bzw. ihres Geschäftsführers herbeigeführten Gefährdungslage nicht zur Verfügung. Der Schutz insbesondere der auf der Baustelle tätigen Beschäftigten aber auch sonstiger Personen vor Gesundheitsgefahren durch Asbestrückstände hat Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an der Fortführung der Bauarbeiten. Die Ermessensausübung ist danach nicht zu beanstanden (Art. 40 BayVwVfG), deren Begründung war wegen Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG entbehrlich, weil der Geschäftsführer der Antragstellerin die Auffassung der Gewerbeaufsicht zur Sach- und Rechtslage ohne weiteres erkennen konnte, auch wenn er diese Auffassung nicht teilte. Insbesondere ergibt sich aus der Begründung zum Sofortvollzug der angeordneten Maßnahmen in Nr. 2 des Bescheids vom 13. Juni 2024, dass die Anordnungen aus Sicht der Gewerbeaufsicht erforderlich waren, „weil wegen den vermutlich asbesthaltigen krebserregen(den) Gefahrstoffen und Absturzgefahr über 1 – 9 m Höhe eine unmittelbar drohende Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten bzw. 3ten besteht.“
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1.2.3 Ob Grundlage der in Nr. 1.1 angeordnete Maßnahmen zur Verhütung künftiger – weiterer – Verstöße auch § 23 Abs. 1 und Abs. 1a, § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG i.V.m. der unmittelbar geltenden Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH-Verordnung, vgl. u.a. Art. 56 und Anhang XVIII Spalte 1 Nr. 6) sein kann, bedarf daneben keiner Prüfung.
28
1.3 Die Anordnung Nr. 1.2, wonach die Arbeiten auf dem Arbeits- und Schutzgerüst und dem Dach ab sofort solange einstellen zu lassen sind, bis das Gerüst und Dach nach der Technischen Regel für Betriebssicherheit 2121 Teil 1 (TRBS – Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz; vgl. § 21 Abs. 6 BetrSichV) und der Technischen Regel für Arbeitsstätten A.2.1 (ASR – Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen; vgl. Nr. 2.1 und Nr. 5.2 Abs. 2 Anhang zu § 3 Abs. 1 ArbStättV) sicher durch den Ersteller nachgerüstet wurde, war rechtens und dringlich.
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Nach den Ausführungen des Gewerbeaufsichtsamts waren die Wandabstände des Gerüsts mit 40 cm bei einer Absturzhöhe von zwischen 2 m und 9 m zu groß. Zudem habe eine Absturzgefahr vom Gerüst auf das Dach von teilweise über 2 m bestanden; innenliegende Konsolen oder innenliegende Geländer hätten gefehlt.
30
Soweit von Antragstellerseite eingewandt wird, zum Zeitpunkt des Verbotes am 13. Juni 2024 sei das Gerüst durch den Gerüstbauer noch nicht fertiggestellt gewesen, ist nicht nachvollziehbar, weshalb es dann bereits zugänglich gewesen ist und benutzt worden war (vgl. z.B. Bl. 29 der Behördenakte, Bild 4). In der zum Beleg der Behauptung der Antragstellerin beigefügten E-Mail des Gerüstbauers vom 17. Juni 2024 (Anlage K 3) ist im Übrigen nur die Rede davon, dass „sämtliche besprochenen Mängel behoben und das neue Protokoll angebracht“ worden sei. Der Hinweis darauf, dass ein „neues Protokoll“ angebracht wurde, deutet darauf hin, dass ein altes Protokoll vorhanden war. Ein Prüf- bzw. Übergabeprotokoll darf aber nur dann angebracht werden, wenn keine Mängel vorhanden sind. Davon abgesehen konnte und kann sich die Antragstellerin auf kein schutzwürdiges Interesse daran berufen, ein noch nicht fertiggestelltes Gerüst für Bauarbeiten zu benutzen.
31
1.4 Die Anordnung Nr. 1.3, wonach die Arbeiten im Gebäude erst fortgeführt werden dürfen, wenn auch hier ein Gefahrstoffgutachten (und Gefahrstoffkataster) wie unter Punkt 1.1 geschrieben, erstellt wurde, war ebenfalls rechtmäßig und dringlich.
32
Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Anordnung Nr. 1.1 verwiesen werden. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass auch im Gebäudeinneren eine Gefährdungsbeurteilung durch einen Asbestsachverständigen erforderlich war, wie nicht zuletzt die Feststellungen und die „Maßnahmenbeschreibung im Innenbereich 2. Obergeschoss“ des Sachverständigen in der gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Juli 2024 hinreichend belegen. Hiervon ausgehend war auch insoweit die Anordnung eines Baustopps gerechtfertigt. Auf eine „bloße Vermutung“ hin, „dass im Innern des Hauses weitere Gefahrstoffe vorhanden sein könnten“, hat der Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts die in Nr. 1.3 verfügte sofortige Baueinstellung im Übrigen nicht gestützt. Infolge der unsachgemäß durchgeführten Abbrucharbeiten war mit der Freisetzung von Asbestfasern zu rechnen, weshalb eine Kontamination durch asbesthaltige Stoffe nicht nur für den äußeren Bereich, sondern eben auch für den inneren Bereich zu prognostizieren war. Denn an notwendigen Schutzvorrichtungen, die ein Eindringen asbesthaltigen Materials in das Gebäudeinnere hätten ggf. verhindern können, fehlte es. Dies belegen auch vereinzelt im Gebäude vorgefundene Bruchstücke von Eternitschindeln (vgl. Bl. 48 Bild 80 der Behördenakte). Dass die Prognose des Mitarbeiters in der Sache zutraf, belegt schließlich – wie ausgeführt – die gutachterliche Stellungnahme vom 8. Juli 2024.
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1.5 Hinsichtlich der der Antragstellerin auch als Bauherrin obliegenden Pflichtenstellung u.a. als Verantwortliche i.S.v. § 4 BaustellV und deren Geschäftsführer ggf. als Koordinator wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten auf S. 6 f. in der Antragserwiderung vom 1. Juli 2024 verwiesen.
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2. Soweit sich die Hauptsache im Antragsverfahren nicht bzw. nach Auffassung der Antragstellerin nicht erledigt hat, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg.
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2.1 Die Anordnungen Nr. 1.1 und Nr. 1.3 waren im Zeitpunkt ihres Erlasses am 13. Juni 2024 auch insoweit rechtmäßig, als es um die Beibringung eines (Gefahrstoffgutachtens mit) „Gefahrstoffkatasters“ ging.
36
Zur Erstellung eines Gefahrstoffgutachtens bedarf es vorab der Bestimmung und Bezeichnung der Gefahrstoffe. Gegenstand der Anordnungen in Nr. 1.1 und 1.3 ist deshalb die Beibringung eines „Gefahrstoffgutachtens mit Gefahrstoffkataster“ „über einen öffentlich bestellten Asbestsachverständigen aufgrund des vermutlich verursachten Asbestbruchschadens“. Das mit dem Gefahrstoffgutachten zu erstellende Verzeichnis des zu prüfenden Gefahrstoffs (vgl. § 6 Abs. 12 GefStoffV) beschränkt sich dem Wortlaut der Anordnung nach von vornherein auf asbesthaltige Gefahrstoffe, die in Zusammenhang mit dem Asbestbruchschaden stehen. Die Dokumentation der asbestpositiv bewerteten Faserzementplatten ist bei den nachfolgenden Untersuchungen durch das Gutachten/den Befund des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 18. Juni 2024 und durch die S*. … GmbH am 21. Juni 2024 erfolgt, wobei die Asbestart klassifiziert (Chrysotil) und der Asbestanteil quantifiziert (20-50%) werden konnten. Bei der beprobten Dachpappe wurde wohl kein Asbestnachweis festgestellt (vgl. zuletzt Prüfbericht der S** v. 21.6.2024). Einer weitergehenden Beprobung bedurfte es nach sachkundiger Einschätzung des Gutachters nicht, weil hinsichtlich „diverser Bauteile wie Wand- oder Bodenbeläge“ „kein Verdacht auf Schadstoffbelastung“ vorlag (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 8. Juli 2024, S. 18). In der gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Juli 2024 wurden weiter die gesundheitsschädlichen Eigenschaften von Asbest und in Bezug auf das gegenständliche Asbestzementprodukt erläutert und eingestuft, die Fundstellen der Asbestbruchstücke im Arbeits- und Anfallbereich dokumentiert und auf dessen Grundlage Arbeits- und Sicherheitspläne für Arbeiten außen und innen erstellt. Damit waren die Anforderungen Nr. 1.1 und 1.3 an die Beibringung eines „Gefahrstoffgutachtens mit Gefahrstoffkataster“ erfüllt. Dem folgend hat das Gewerbeaufsichtsamt am 24. Juli 2024 im gerichtlichen Verfahren erklärt, „dass die in den Ziffern 1.1 und 1.3 getroffenen Anordnungen“ erledigt sind. Einer weitergehenden „Positionierung“ des Gewerbeaufsichtsamts bedarf es aus Sicht des Gerichts hierzu nicht. Aus der nach den Anordnungen Nr. 1.1 bis 1.4 ausdrücklich als „Hinweis“ aufgenommenen Information, „ggf. weitere Gefahrstoffe PAK – alte KMF – Schwermetalle …“, ergibt sich keine andere Beurteilung, eben, weil es sich um einen Hinweis und keine Anordnung handelt. Ausgehend von der Erklärung des Gewerbeaufsichtsamts, dass die Anordnungen Nr. 1.1 und 1.3 durch das von der Antragstellerin beauftragte Gutachten als erfüllt angesehen werden, fehlt es dem Antrag insoweit auch am Eilrechtsschutzbedürfnis.
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2.2 Die Anordnung in Nr. 1.4 des Bescheids vom 13. Juni 2024 ist verständlich und aller Voraussicht nach auch sonst rechtmäßig und dringlich.
38
Die Anordnung Nr. 1.4 verpflichtet die Antragstellerin, das Treppengeländer im Gebäude von ca. 0,80 m auf mindestens 1 m nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Verbindung mit der Technischen Regel für Arbeitsstätten A.1.8 zu erhöhen (ASR – Verkehrswege; vgl. Nr. 1.8 Anhang zu § 3 Abs. 1 ArbStättV).
39
Grundlage der Anordnung ist Nr. 1.8 Abs. 1 des Anhangs zu § 3 Abs. 1 ArbStättV. Danach müssen Verkehrswege u.a. für Baustellen (wie hier), einschließlich Treppen, fest angebrachte Steigleitern und Laderampen so angelegt und bemessen sein, dass sie je nach ihrem Bestimmungszweck leicht und sicher begangen oder befahren werden können und in der Nähe Beschäftigte nicht gefährdet werden (s. auch Nr. 10.1 RL 92/57/EG). Die ASR A.1.8 konkretisiert diese Anforderung für die freien Seiten der Treppen, Treppenabsätze und Treppenöffnungen u.a. auf Baustellen (vgl. Nr. 3.1 ASR A.1.8) dahin, dass diese durch Geländer gesichert sein müssen, deren Höhe lotrecht über der Stufenvorderkante mindestens 1,0 m betragen muss (Nr. 4.5 Abs. 7 ASR A.1.8). Eine geringere Höhe des Geländers ist in Nr. 7 ASR A1.8 nicht geregelt.
40
Die Anordnung Nr. 1.4 betrifft damit die Einrichtung und den Betrieb der Treppe im Gebäude als Verkehrsweg der Baustelle. Wird die Innentreppe nicht als Verkehrsweg der Baustelle genutzt, kann die Erhöhung des Geländers aus Sicht des Arbeitsschutzes unterbleiben. Dies ist dem Geschäftsführer der Antragstellerin auch bewusst, weshalb er in der eidesstattlichen Erklärung vom 24. Juni 2024 angab, „um Schäden durch Provisorien zur Geländererhöhung zu vermeiden, habe ich das Treppenhaus für die Handwerker aller Gewerke gesperrt“, „das Gebäude kann für alle Arbeiten nur noch vom Gerüst aus betreten werden“. Auch im Schriftsatz der Antragstellerseite vom 7. Juli 2024 wird betont, „dass die Antragstellerin das Gebäude verschließt und anordnet, dass alle Arbeiten ausschließlich vom Gerüst aus vorgenommen werden“. Insoweit ist nicht verständlich, weshalb es nach Darstellung der Antragstellerin im Schreiben vom 8. August 2024 an das Gewerbeaufsichtsamt (Anlage K6) einer Klarstellung bedarf, „ob das Treppenhaus für entsprechende Arbeiten am Geländer betreten werden darf“, was vor Aufhebung der Verfügung in Nr. 1.3 nicht möglich sei. Davon abgesehen hat sich die Anordnung Nr. 1.3 nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten erledigt, nachdem das darin angeordnete Gefahrstoffgutachten erstellt (und vorgelegt) wurde. Falls die Antragstellerin, wie im Schriftsatz vom 7. Juli 2024 ausgeführt, nicht plant, das Treppengeländer – provisorisch – auf 1 m zu erhöhen, würde bei weiterer Nutzung der Treppe im Gebäude als Verkehrsweg für die Baustelle wohl ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro fällig werden (vgl. Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 Alt. 2 des Bescheids).
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2.3 Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 3 des Bescheidstenors in Höhe von 10.000 Euro für den Fall, dass die Antragstellerin der Anordnung Nr. 1.1 nicht nachkommt, und in Höhe von jeweils 3.000 Euro für den Fall, dass die Antragstellerin den Anordnungen in Nr. 1.2, 1.3 und 1.4 nicht nachkommt, beruhen auf Art. 29, Art. 31 und Art. 36 VwZVG und begegnen im Ergebnis keinen Bedenken. Einer mit der Zwangsgeldandrohung verbundenen Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG bedurfte es jeweils nicht. Die Anordnungen Nr. 1.1 und Nr. 1.3 zur Beibringung eines Gutachtens waren mit der Einstellung der Bauarbeiten, also einer Unterlassungspflicht, verknüpft, so dass eine Fristsetzung entbehrlich war (vgl. Wernsmann, Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, Kommentar, 2020, Art. 36 Rn. 16 m.w.N.). Davon abgesehen war eine Fristsetzung auch deshalb nicht geboten, weil die Bauarbeiten angesichts der Gefahren für die Gesundheit insbesondere der bereits auf der Baustelle anwesenden Handwerker unverzüglich einzustellen waren und im Übrigen nicht etwa ein Betretungsverbot für das Gebäude ausgesprochen wurde. Vorstehendes gilt auch für die Zwangsgeldandrohungen zu den Anordnungen Nr. 1.2 und Nr. 1.4. Die nicht den gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen genügende Aufstellung des Baugerüsts musste zur sofortigen Einstellung der Arbeiten auf dem Arbeits- und Schutzgerüst und dem Dach führen, bis der Mangel behoben war. Die Erhöhung des Treppengeländers war unverzüglich geboten, wenn die Treppe als Verkehrsweg für die Baustelle genutzt werden sollte, was nach den auch fotografisch dokumentierten Feststellungen des Mitarbeiters des Gewerbeaufsichtsamts im Zeitpunkt der Anordnung der Fall war. Soweit es um die Zwangsgeldandrohungen zu 1.1 bis 1.3 geht, dürften sich diese ebenso wie die den Zwangsgeldandrohungen zugrunde liegenden Anordnungen ohnehin erledigt haben.
42
Die (einheitliche) Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erledigten Teils des Antragsverfahrens auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und hinsichtlich des nicht erledigten Teils des Anordnungsverfahrens auf § 154 Abs. 1 VwGO, wobei jeweils die Hälfte der Kosten des gerichtlichen Verfahrens auf den erledigten und den nicht erledigten Teil des Antragsverfahrens entfällt.