Titel:
Beseitigungsanordnung für Stellplatzanlage
Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6
BNatSchG § 17 Abs. 8 S. 2
BayNatSchG Art. 16 Abs. 2, Art. 23 Abs. 3
Leitsätze:
1. § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB begünstigt die bauliche Erweiterung von zulässigerweise errichteten gewerblichen Betrieben, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist. Insofern kann die Erweiterung eines Gewerbebetriebs um (überdachte) Stellplätze und/oder Garagen grundsätzlich durch § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB begünstigt sein. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Betriebserweiterung iSd § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB setzt einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem vorhandenen Betrieb und dem neuen Bauvorhaben voraus. Maßgeblich ist hierbei eine konkret betriebsbezogene Betrachtungsweise. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn Fachrecht der (nachträglichen) Zulassung eines Vorhabens entgegensteht, wird allein durch seine naturschutzrechtliche Legalisierung gem. Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG bzw. § 17 Abs. 8 S. 2 BNatSchG kein (insgesamt) rechtmäßiger Zustand geschaffen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
baurechtliche Beseitigungsanordnung, begünstigtes bzw. teilprivilegiertes Vorhaben (verneint), naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung, Betriebserweiterung, Stellplätze, Ausnahme
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.06.2023 – M 1 K 19.1855
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33443
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Kläger wenden sich gegen die Beseitigungsanordnung für eine Stellplatzanlage mit Garagen- und Carportgebäuden, Holzzauneinfriedungen mit Tor sowie Pflaster- und Rasengittersteinen und die Anordnung der Wiederherstellung von Feldgehölz auf dem Grundstück FlNr. …2, Gemarkung H. (nachfolgend: Vorhabengrundstück).
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Die Kläger sind Eigentümer des Vorhabengrundstücks. In dem im nördlichen Bereich des Vorhabengrundstücks befindlichen Gebäude wohnen die Kläger und betreiben zugleich einen Gewerbebetrieb. Die Erweiterung der gewerblichen Nutzung ins Obergeschoss wurde mit Bescheid vom 15. April 2013 baurechtlich genehmigt. Im genehmigten Eingabeplan sind insgesamt 14 Stellplätze vorgesehen, von denen drei der (unveränderten) Wohnnutzung zugeordnet sind und in einer neuen Garage nördlich des Hauptgebäudes entstehen sollten. Für Mitarbeiter und Gäste sollten unmittelbar westlich dieser Garage zwei Stellplätze und weitere neun Stellplätze südlich des Hauptgebäudes und in dessen Nähe parallel zur straßenseitigen Grenze des Vorhabengrundstücks entstehen. Die Baugenehmigung wurde mit der Auflage verbunden, dass die erforderlichen elf Kfz-Plätze auf Dauer der jeweiligen Nutzungseinheit zuzuordnen seien.
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Bei einer Baukontrolle stellte das Landratsamt fest, dass die Stellplätze und die Garage nicht wie im Bescheid vom 15. April 2013 bzw. im genehmigten Eingabeplan vorgesehen errichtet wurden. Stattdessen wurde unmittelbar südlich des Hauptgebäudes eine Stellplatzfläche angelegt, auf der maximal vier Pkw Platz finden. Darüber hinaus wurde in der südlichen Ecke des Vorhabengrundstücks in einer Entfernung von mehr als 75 m vom Hauptgebäude eine weitere befestigte Stellplatzanlage mit mehreren Stellplätzen errichtet, die mit der Stellplatzfläche unmittelbar südlich des Hauptgebäudes über einen Weg, der in etwa parallel zur Erschließungsstraße verläuft, verbunden ist. Im unmittelbaren Anschluss an die Stellplätze in der südlichen Ecke des Vorhabengrundstücks wurden außerdem eine Garage bzw. ein auch zum Unterstellen von Pkw nutzbarer Schuppen sowie ein größerer Carport errichtet. Die Zufahrt zu diesem Grundstücksbereich von der Erschließungsstraße aus wurde durch eine Holzzauneinfriedung samt Toranlage von der Straße abgetrennt.
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Mit Bescheid vom 25. März 2019 verpflichtete das Landratsamt die Kläger, die an der Südspitze des Vorhabengrundstücks errichteten baulichen Anlagen zu beseitigen (Nr. 1). Zudem wurde den Klägern auferlegt, das Feldgehölz auf dem Vorhabengrundstück auf seine ursprüngliche Größe (entsprechend einem beigefügten Luftbild aus dem Jahr 2006) durch die Anpflanzung bestimmter heimischer Bäume und Sträucher wiederherzustellen (Nr. 2) und vor Durchführung einen Pflanzplan vorzulegen bzw. mit der unteren Naturschutzbehörde abzustimmen (Nr. 3).
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Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2023 ab. Die Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig. Die Stellplatzanlage samt Wohnmobilgarage, Carports und Einfriedung sei materiell baurechtswidrig. Sie sei nicht nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB teilprivilegiert. Als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB widerspreche sie öffentlichen Belangen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 5 und 7 BauGB. Auch die Wiederherstellungsanordnung samt Verpflichtung zur Vorlage eines Pflanzplans sei rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG lägen vor; die auf Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG i.V.m. § 17 Abs. 8 BNatSchG in entsprechender Anwendung gestützte Anordnung zur Wiederherstellung sei auch erforderlich und im Übrigen ermessensfehlerfrei.
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Mit dem Zulassungsantrag machen die Kläger geltend, dass die Anlagen baurechtlich nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB genehmigungsfähig seien. Zudem leide die Entscheidung unter einem Ermessenfehler. Im Hinblick auf die Wiederherstellungsanordnung und die damit verbundenen Auflagen habe das Verwaltungsgericht die Möglichkeit der Kompensation verkannt, die gegenüber einer Wiederherstellungsanordnung vorrangig sei. Ferner fehle eine Abwägung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG.
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Der Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor bzw. wurden nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542).
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Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beseitigungsanordnung und die Wiederherstellungsanordnung rechtmäßig sind.
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1.1 Ohne Erfolg wenden sich die Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei den zu beseitigenden baulichen Anlagen nicht um sog. begünstigte bzw. teilprivilegierte Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB handelt.
14
§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigt die bauliche Erweiterung von zulässigerweise errichteten gewerblichen Betrieben, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist. Insofern kann die Erweiterung eines Gewerbebetriebs um (überdachte) Stellplätze und/oder Garagen grundsätzlich durch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigt sein (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.1994 – 1 B 93.1651 – BayVBl 1994, 597; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2024, § 35 Rn. 162a). Allerdings handelt es sich bei den von den Klägern in der südlichen Ecke des Vorhabengrundstücks realisierten baulichen Anlagen, wie das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Erweiterung der Stellplätze zutreffend festgestellt hat, nicht um die Erweiterung eines – bislang ohne oder zumindest mit weniger Stellplätzen – zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebs in diesem Sinn. Denn mit der Genehmigung der (im Vergleich zur bisherigen Nutzung) erweiterten gewerblichen Nutzung des Hauptgebäudes auf dem Vorhabengrundstück wurden mit Bescheid vom 15. April 2013 insgesamt drei Garagenstellplätze und elf nicht überdachte Stellplätze (an dem im Eingabeplan angegebenen Standort und in der dort vorgesehenen Form) genehmigt und zudem die Errichtung von elf Stellplätzen beauflagt. Dass diese elf Stellplätze für die Genehmigungsfähigkeit der (erweiterten) gewerblichen Nutzung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. Art. 47 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BayBO (jeweils i.d.F. d. Bek. vom 14.8.2007 (GVBl S. 588, BayRS 2132-1-B)) und Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO (i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Baukammerngesetzes vom 11.12.2012 (GVBl S. 633, BayRS 2132-1-I, 2133-1-I)) i.V.m. der Stellplatzsatzung der Stadt Rosenheim erforderlich waren, wird nicht in Zweifel gezogen. Die Notwendigkeit von elf Stellplätzen allein für die gewerbliche Nutzung des Vorhabengrundstücks entspricht zudem den Vorgaben der Stellplatzsatzung der Stadt Rosenheim vom 25. März 2010 (dort §§ 1, 2 Nrn. 1 und 4, § 3 Abs. 1, § 4 i.V.m. Anlage 1 Nr. 2.1, § 6). Vor diesem Hintergrund ist bzw. war der Gewerbebetrieb auf dem Vorhabengrundstück in dem mit Bescheid vom 15. April 2013 genehmigten Umfang ohne Realisierung dieser elf Stellplätze jedoch (noch) nicht in zulässiger, d.h. in dieser Form genehmigter oder materiell rechtmäßiger Weise, errichtet bzw. eingerichtet. Folglich stellen die bei der Baukontrolle im Jahr 2015 auf dem Vorhabengrundstück vorgefundenen Stellplatzeinrichtungen, die faktisch anstelle der im Genehmigungsbescheid bzw. im genehmigten Eingabeplan vorgesehenen Stellplätze realisiert wurden, keine Erweiterung eines (bereits zuvor) zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebs im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB dar. Denn ohne Realisierung der im Bescheid vom 15. April 2013 genehmigten und beauflagten Stellplätze gibt es keinen (formell oder materiell) geschützten Bestand eines Gewerbebetriebs, an den § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB anknüpfen könnte. Ebenso fehlt, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die bei der Prüfung der Angemessenheit einer Betriebserweiterung im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung. Denn hierbei sind dem ursprünglichen (bestandsgeschützten) Gebäudebestand und dem ursprünglichen (bestandsgeschützten) Betriebsumfang der durch die bauliche Erweiterung entstehende Gebäudebestand und der dadurch ermöglichte Betriebsumfang gegenüberzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1993 – 4 C 19.92 – BauR 1994, 337). Daher hätten die Kläger auch darlegen müssen, aufgrund welcher Umstände und in welchem konkreten Umfang sich der Stellplatzbedarf für ihren Gewerbebetrieb im Nachgang der Baugenehmigung vom 15. April 2013 erhöht hat. Sie beschränken sich jedoch auf den insoweit unzureichenden Vortrag, dass „mehr als neun“ Stellplätze errichtet worden seien und es nicht ungewöhnlich sei, dass „mehr als“ die gesetzlich geforderten Stellplätze betrieblich notwendig seien.
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Unabhängig davon setzt eine Betriebserweiterung im Sinn des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem vorhandenen Betrieb und dem neuen Bauvorhaben voraus. Denn nur dann handelt es sich überhaupt um die Erweiterung eines Betriebs (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.2011 – 4 C 9.10 – BVerwGE 139, 21 unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 17.9.1991 – 4 B 161.91 – BauR 1991, 725). Maßgeblich ist hierbei – wie bei § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – eine konkret betriebsbezogene Betrachtungsweise (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.2011 – 4 C 9.10 – BVerwGE 139, 21 unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 4 B 64.06 – BauR 2007, 338; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 12.9.2006 – 1 ZB 05.2076 – juris Rn. 14). Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, dass jedenfalls die für Wohnmobile taugliche Garage kein begünstigtes Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB sei, weil nicht erkennbar sei, inwieweit diese in (funktionalem) Zusammenhang mit der genehmigten gewerblichen Nutzung stehe, geht das Zulassungsvorbringen darauf nicht ein.
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Ist die an der Südspitze des Vorhabengrundstücks errichtete Stellplatzanlage somit vollumfänglich an § 35 Abs. 2 und 3 BauGB zu messen, steht sie im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinn von Art. 76 Satz 1 BayBO, da sie – wie vom Verwaltungsgericht angenommen und von den Klägern nicht in Zweifel gezogen – jedenfalls den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) und die Verfestigung und Erweiterung einer vorhandenen Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Der Hinweis auf mögliche bzw. bereits durchgeführte Maßnahmen zur Kompensation der Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, reicht schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange aus (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171).
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1.2 Auch die zugunsten der Kläger dahingehend auszulegende Rüge, dass die Beseitigungsanordnung gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO – und nicht das angegriffene Urteil – an einem Ermessensfehler leide, vermag die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Ergebnis nicht zu erschüttern. Soweit hierzu ausgeführt wird, dass im Zusammenhang mit der vom Verwaltungsgericht angenommenen Beeinträchtigung von Belangen des Naturschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 BauGB in Form eines Eingriffs in ein kartiertes Biotop hätte berücksichtigt werden müssen, dass es sich bei der Stellplatzanlage im Süden des Vorhabengrundstücks um ein nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben handle, ist dies aus den unter Ziffer 1.1 dargelegten Gründen unzutreffend. Soweit darauf hingewiesen wird, dass auf dem recht großen Grundstück der Kläger entsprechende (Ausgleichs- bzw.) Ersatzmaßnahmen vorgenommen werden könnten bzw. teilweise auch schon durchgeführt worden seien, ist ebenfalls kein Ermessensfehler ersichtlich. Auf die Möglichkeit einer naturschutzrechtlichen Kompensation im Sinn des § 15 Abs. 2 BNatSchG kommt es im vorliegenden Fall nicht an (siehe dazu sogleich unter 1.3).
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1.3 Im Hinblick auf die auf Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG i.V.m. § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG gestützte Wiederherstellungsanordnung erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts ungeachtet des Umstands, dass es darauf abgestellt hat, dass die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände in Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG nicht vorlägen und Möglichkeiten der Naturalkompensation im Sinn des von § 17 Abs. 8 BNatSchG in Bezug genommenen § 15 BNatSchG nicht bestünden, aus anderen Gründen als offensichtlich zutreffend. Denn ohne dass es auf die Möglichkeiten einer nachträglichen naturschutzrechtlichen Legalisierung der Rodung des Feldgehölzes durch Zulassung einer Ausnahme gemäß Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG oder der Anordnung von Maßnahmen der (Natural-)Kompensation im Sinn von § 15 BNatSchG ankäme, ist die streitgegenständliche Wiederherstellungsanordnung aus anderen Gründen gerechtfertigt. Die Stellplatzanlage im Süden des Vorhabengrundstücks, zu deren Errichtung Feldgehölz unter Verstoß gegen das Verbot von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG gerodet wurde, ist baurechtlich nicht genehmigt und zudem bau(planungs) rechtlich unzulässig. Allein deshalb darf keine (nachträgliche) Ausnahme vom Verbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG erteilt werden und ist das von § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG hinsichtlich der Art des Vorgehens grundsätzlich eingeräumte Auswahlermessen auf die Anordnung der Wiederherstellung des früheren Zustands reduziert. Vor diesem Hintergrund kommt in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch im Hinblick auf den die Wiederherstellungsanordnung betreffenden Teil des erstinstanzlichen Urteils nicht in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542; BayVGH, B.v. 26.4.2023 – 1 ZB 22.1869 – juris Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 12 f.). Eines gesonderten Hinweises des Senats hierzu bedurfte es nicht, weil die formelle und materielle baurechtliche Illegalität der Stellplatzanlage im Hinblick auf eine Beschränkung des der Behörde im Rahmen von § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG grundsätzlich eingeräumten Ermessensspielraums in der Antragserwiderung des Beklagten vom 14. November 2023 thematisiert wurde.
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Die gemäß Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG in entsprechender Anwendung von Art. 23 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG vorgesehene Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme von einem in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG normierten Verbot der Beeinträchtigung bestimmter Landschaftsbestandteile zielt ebenso wie die in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 8 BNatSchG bestehenden Handlungsoptionen auf den Fortbestand bzw. die (Wieder-)Herstellung rechtmäßiger Zustände ab. Der Wortlaut von § 17 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 1 BNatSchG bestätigt dies ausdrücklich. Wenn der Zweck dieser Regelungen aber im Erhalt bzw. der (Wieder-)Herstellung eines rechtmäßigen Zustands besteht, dürfen hierbei auch etwaige außerhalb der naturschutzrechtlichen Anforderungen bestehende fachrechtliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die betrachtete Beeinträchtigung bestimmter Landschaftsbestandteile nicht unberücksichtigt bleiben. Denn wenn das Fachrecht der (nachträglichen) Zulassung eines Vorhabens entgegensteht, wird allein durch seine naturschutzrechtliche Legalisierung gem. Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG bzw. § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG gerade kein (insgesamt) rechtmäßiger Zustand geschaffen (vgl. VG Kassel, U.v. 7.3.2012 – 3 K 1533/10.KS – juris Rn. 25; Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 17 Rn. 54).
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Vorliegend ist die Stellplatzanlage an der Südspitze des Vorhabengrundstücks baurechtlich nicht genehmigt und zudem nach § 35 Abs. 2 BauGB bau(planungs) rechtlich unzulässig, da sie öffentliche Belange im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Daher kann ein (insgesamt) rechtmäßiger Zustand nur durch die Anordnung der Wiederherstellung des früheren Zustands im Sinn von Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG i.V.m. § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG erreicht werden (vgl. VG Kassel, U.v. 7.3.2012 – 3 K 1533/10.KS – juris Rn. 26; Schrader in BeckOK/Umweltrecht, BNatSchG, Stand Juli 2024, § 17 Rn. 63), so dass das von § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG grundsätzlich eingeräumte Auswahlermessen (vgl. OVG LSA, U.v. 31.1.2018 – 2 L 56.16 – NuR 2018, 566) auf eine dahingehende Anordnung reduziert ist; ein Entschließungsermessen besteht, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, im Rahmen von § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG ohnehin grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2023 – 14 ZB 22.2030 – NuR 2024, 120; HessVGH, B.v. 25.11.2022 – 4 A 1669/21.Z – juris Rn. 14; OVG RhPf, U.v. 28.8.2019 – 8 A 11472.18 – NVwZ-RR 2020, 431; OVG LSA, U.v. 31.1.2018 – 2 L 56.16 – NuR 2018, 566; OVG NW, B.v. 9.2.2017 – 8 A 2206.15 – NuR 2017, 350). Auf die Ermessenserwägungen der Beklagten zur Wiederherstellungsanordnung nach § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG kommt es folglich vorliegend nicht an. Für die Erteilung einer (nachträglichen) Ausnahme vom Verbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG entsprechend Art. 23 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG fehlt das Sachbescheidungsinteresse. Die von den Klägern begehrte naturschutzrechtliche Privilegierung kommt damit nicht in Betracht. Die Frage einer Kompensation nach § 15 Abs. 2 BNatSchG stellt sich daher nicht.
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2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache – anders als die Zulassungsbegründung annimmt – keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen lassen sich, wie gezeigt, ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren klären. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 1 ZB 20.260 – juris Rn. 13; B.v. 30.7.2018 – 9 ZB 16.1068 – juris Rn. 14).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3‚ § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag, gegen den die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).