Der Asylrechtstreit betrifft im vorliegenden Berufungsverfahren noch die Frage, ob der Kläger von der Beklagten verlangen kann, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 18. September 2019 nach Deutschland ein und stellte hier am 9. Oktober 2019 einen Asylantrag.

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) teilte er unter anderem mit, er habe die Schule mit dem Abitur beendet, vier Jahre an der Universität Management studiert und mit einem Diplom abgeschlossen. Er habe Wehrdienst geleistet. Er habe zunächst als Selbständiger in der Metallbranche gearbeitet und zwei Läden in Iran betrieben, die vermietet gewesen seien und die er immer noch besitze. Er sei zuletzt bei einer (von ihm namentlich genannten) zum Ministerium für Im- und Export gehörenden iranischen Organisation tätig gewesen, die mit der Förderung des Handels befasst gewesen sei. Dort sei er für Händler zuständig gewesen, die ihre Waren exportieren wollten. Zu seinen Fluchtgründen gab er unter anderem an, bereits seit 1367 iranischer Zeitrechnung politisch aktiv und mit dem politischen System in Iran sehr unzufrieden gewesen zu sein, allerdings nie zu einer politischen Gruppe gehört zu haben. Im Jahr 1374 sei er aufgrund seiner Aktivitäten verhaftet und für 20 Tage inhaftiert worden; danach sei seitens der Sicherheitsbeamten nichts mehr passiert. Iran werde von einer totalitären Regierung regiert; die Infrastruktur sei kaputt und insbesondere sei die medizinische Versorgung im Land sehr schlecht. Er sei wegen verschiedener Themen (Export von Holz, Korruption, Schlagen von Frauen auf der Straße durch die Sittenpolizei, Frauen dürften keinen Sport betreiben, Nichtverurteilung einer in einer Koranschule tätigen Person trotz mehrfacher Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs) im Internet tätig gewesen und habe seine Unzufriedenheit öffentlich geäußert. Vor allem da er keine Medikamente für seinen Sohn finden und kaufen habe können, habe er seine Unzufriedenheit auf T. veröffentlicht. Er sei dabei einer der Hauptadministratoren einer Gruppe auf T. gewesen, die gegen die „Missführung“ in Iran aktiv gewesen seien, weswegen er Probleme mit der Führung der Regierung bekommen habe. Seine Familie habe seine politische Einstellung geteilt. Nur sein Bruder sei nicht seiner Meinung gewesen. Er sei öfter von der Sicherheitsabteilung seiner Firma verwarnt worden, weswegen er zudem nicht befördert worden sei. In seiner Firma sei ihm auch vorgeworfen worden, Streiks organisiert zu haben. Im zehnten Monat 1397 habe er bei seiner Arbeit bemerkt, dass sein Telefon abgehört werde. Ein befreundeter Arbeitskollege habe ihm das Anfang des zehnten Monats 1397 gesagt. Zwei bis drei Tage danach habe er keinen Zugang zum Internet mehr gehabt und deshalb sei ihm mitgeteilt worden, dass sein PC zum Durchführen von Updates abgeholt werden müsse. Er habe auch bemerkt, dass er von jemandem mit einem schwarzen Helm auf einem Motorrad verfolgt worden sei. Sein Freund S., Führungskraft in der Firma, habe ihm einen Zettel zugesteckt, wonach sie sich um neun Uhr abends in einem Café treffen sollten. Dort habe dieser ihm erzählt, dass Sicherheitskräfte ihn verhaften wollten; er wisse allerdings nicht weshalb. Dies sei Mitte des elften Monats 1397 gewesen. Da er seiner Frau nichts über seine Aktivitäten erzählt gehabt habe, habe er dieser erklärt, dass sie aufgrund medizinischer Möglichkeiten ins Ausland gehen sollten. Ein dann beim italienischen Konsulat gestellter Visumsantrag sei leider abgelehnt worden. Daraufhin habe er mit der Begründung, sich um seinen Sohn kümmern zu müssen, sechs Monate Urlaub beantragt. Weil er Angst vor Verhaftung gehabt habe, sei er nach Genehmigung des Urlaubs ca. vier Monate lang zu einem Freund in die Stadt B. gegangen und habe den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen, weil er nicht gewollt habe, dass seiner Familie etwas wegen seiner politischen Aktivitäten zustoße. Wäre er geblieben, hätten Sicherheitskräfte ihn verhaftet; die Kinder seien zur Schule gegangen und sein Sohn habe medizinisch versorgt werden müssen – B. sei ein kleiner Ort gewesen, das hätte nicht funktioniert. Aus Sicherheitsgründen habe er seiner Frau nicht sagen wollen, wo er sei und deswegen darauf verzichtet, ihr zu sagen, was passiert sei. In dieser Zeit habe auch seine Frau Probleme mit seiner (des Klägers) Familie bekommen. Von seiner Familie habe er nur über einen Freund drei Mal gehört und als er erfahren habe, dass seine Frau das Land verlassen habe und in die Türkei gereist sei, habe auch er sofort das Land verlassen und sei in die Türkei gegangen. Die Probleme mit der eigenen Familie rührten daher, dass seine Frau vor sieben Jahren einmal gesehen habe, dass sein (des Klägers) Vater die gemeinsame älteste Tochter im Alter von damals sieben Jahren vergewaltigt habe. Später habe er auch erfahren, dass sein Vater, ein sehr religiöser Mensch, auch die anderen Kinder seiner Familie missbraucht habe. Deshalb habe seine Frau die Religion wechseln wollen. Nachdem der Bruder des Klägers eine Bibel im Haus des Klägers gefunden habe, habe er dessen Frau sexuell belästigt, dessen Töchter zwangsverheiraten und dessen Sohn in die Psychiatrie stecken wollen. Da sein Bruder bei den Sicherheitskräften arbeite, habe er die Frau des Klägers unter Druck gesetzt, um dessen Standort ausfindig zu machen. Er habe ihn wegen seiner Aktivitäten verhaften wollen. Vor dem Ereignis mit seinem Kind seien sie wie Brüder gewesen; danach hätten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Grund sei gewesen, dass sich seine Geschwister auf die Seite seines Vaters gestellt hätten. Vor zwei Jahren habe er das letzte Mal Kontakt zu seiner Familie gehabt, als sein Vater im Krankenhaus gewesen sei. In der Bundesrepublik Deutschland sei er sehr aktiv bei T.; er veröffentliche Nachrichten des persischen BBC, die in Iran nicht veröffentlicht werden dürften. Er habe auch Kontakte in die USA, von wo aus ihm mitgeteilt werde, was er veröffentlichen solle. Er habe etwa 300 bis 800 Follower auf T.. Zwar habe er keine Vorladung zum Gericht erhalten und Sicherheitskräfte seien auch nicht bei ihm zu Hause gewesen; trotzdem denke er, dass er wegen seiner Administratoreneigenschaft in der Gruppe auf T. verfolgt werde. Konkret habe er veröffentlicht, dass der Staatsanwalt viele Demonstranten habe festnehmen und hängen lassen und es freie Wahlen in Iran geben solle. Bei der Mutter seiner Frau, mit der sie in Kontakt stehe, hätten sich zwar die Sicherheitsbehörden nicht nach ihm erkundigt; aber durch seinen Bruder hätte er bestimmt verhaftet werden sollen.

Im Verwaltungsverfahren legte der Kläger – neben einigen Unterlagen betreffend seinen minderjährigen, medizinischer Betreuung bedürfenden Sohn, für den die anderweitig nach Deutschland eingereiste Ehefrau des Klägers einen Asylantrag gestellt hatte, der auch zwei Töchter betraf und über den das Bundesamt gesondert entschieden hat – unter anderem ein ihn selbst betreffendes ärztliches Schreiben vom 22. November 2019 bezüglich eines Operationserfordernisses im Leistenbereich vor.

In der beigezogenen Bundesamtsakte der Ehefrau des Klägers findet sich ein Vermerk des Bundesamts vom 20. September 2019, in dem unter anderem vermerkt ist, im AZR-Visa-Portal habe es einen Treffer in der Visa-Auskunft gegeben mit „Visa-Antragstellung ITA 2018“.

Das Bundesamt lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18. Dezember 2019 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), die Anerkennung als Asylberechtigter (Nr. 2) sowie die Gewährung des subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, widrigenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Iran angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Der Kläger erhob dagegen Klage mit dem Antrag, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm den Flüchtlingsstatus und hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurden klägerseits mehrere Unterlagen vorgelegt: ein psychotherapeutisches Attest eines Psychologischen Psychotherapeuten vom 17. Februar 2021 mit Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode (F32.1) und einer Panikstörung (F41.0); seitens eines katholischen Pfarramts ein Schreiben vom 18. März 2021 betreffend die Aufnahme der Familie des Klägers in den Katechumenenkreis am 21. Februar 2021 bei regelmäßigem Kontakt zur Pfarrei seit Juni 2020, eine Tauf- und Firmurkunde hinsichtlich des Klägers vom 11. Oktober 2021 mit zwei zugehörigen Zeitungsberichten sowie eine Bescheinigung des Pfarramts vom 21. April 2022, wonach der Kläger regelmäßiger Kirchgänger und überzeugter Christ sei und die Ehe des Klägers mit seiner Frau am 19. März 2022 auch kirchlich im Rahmen eines Gottesdienstes bestätigt worden sei (das Programm dieses Gottesdienstes ist aktenkundig); seitens eines in den Vereinigten Staaten tätigen Professors ein an „To Whom It May Concern“ adressiertes Schreiben vom 10. September 2021, wonach der Kläger hochaktiv und effektiv das Bewusstsein für Menschenrechte und deren Verletzungen in der Republik Iran befördere, dafür häufig inhaftiert worden sei und Iran nach einigen sehr ernsten lebensbedrohlichen Situationen habe verlassen müssen, um sich selbst und seine Familie zu schützen; drei persisch-sprachige Texte mit deutscher Übersetzung, und zwar (a) eine auf 24. Januar 2019 datierende „Elektronische Mitteilung/Zustellung“, die an den Kläger adressiert ist und als Verfasser einen namentlich genannten iranischen Ermittlungsrichter ausweist, betreffend eine „Mahnung/Vorladung“ wegen einiger Erklärungen im Zusammenhang mit Kontakt zu Anti-System-Netzwerken mit dem Hinweis, die Mitteilung sei am 24. Januar 2019 (persisch: 04.11.1397) an das Zustellungssystem versendet worden, (b) eine auf den 13. Februar 2019 (persisch: 24.11.1397) datierende, an den Kläger adressierte „Elektronische Mitteilung/Zustellung“ eines „Büroleiters“ einer Hauptjustizbehörde (mit demselben Namen wie der Ermittlungsrichter im Schreiben vom 24.1.2019) wegen Einholung einer Erklärung im Hinblick auf „Vorgehen gegen die nationale Sicherheit durch großflächige Verbreitung von Lügen gegen die Islamische Republik Iran durch illegale Nutzung von Netzwerken, Internetseiten, verschiedene in der in der virtuellen Welt aktiven Gruppen und Zusammenarbeit mit den gegen die Islamische Republik agierenden Organisationen mit dem Ziel, diese zu stürzen“, mit dem Hinweis, die Mitteilung, sei am 13. Februar 2019 an das Zustellungssystem versendet worden, und (c) ein auf den 13. April 2019 (persisch: 24.01.1398) datierendes, „an das ehrenwerte Präsidium aller Polizeidienststellen von groß Teheran“ adressiertes „Elektronisches Blatt zur Festnahme/Vorführung“ des Klägers eines namentlich genannten (anderen) Ermittlungsrichters der „Allgemein- und Revolutionsstaatsanwaltschaft Teheran“, wonach angeordnet werde, dass der Angeschuldigte festgenommen und vorgeführt werde, da er gegen die nationale Sicherheit des Landes durch Verbreitung von umfangreichen Lügen gegen die Islamische Republik Iran vorgegangen sei, wobei er mit sozialen Netzwerken, Internetseiten, verschiedenen in der virtuellen Welt aktiven Gruppen und den gegen die Islamische Republik agierenden Organisationen mit dem Ziel, diese zu stürzen, zusammengearbeitet habe; bei dringendem Verdacht, dass sich der Angeschuldigte versteckt halte, sei das Betreten des Verstecks bei Einhaltung der religiösen und gesetzlichen Vorschriften einmal und bis 24:00 Uhr erlaubt; drei Screenshots aus sozialen Medien (voafarsi; I.) mit gegenüber dem iranischen Regime kritischen Aussagen in persischer Sprache, wozu der Kläger zweitinstanzlich mitteilte, er habe diese nicht selbst verfasst, sondern aus Veröffentlichungen iranischer Blogger übernommen und weitergeleitet, wobei sein Name auf diesen weitergeleiteten Artikeln nicht erscheine; zwei deutschsprachige Texte betreffend eine Rede des Klägers vor dem iranischen Konsulat am 14. November 2020 und eine Rede des Klägers am 13. November 2021 in R. sowie zwei zugehörige Fotos, auf denen der Kläger zu sehen ist.

Gegenüber dem Verwaltungsgericht ließ der Kläger unter anderem mit Schriftsatz vom 2. Mai 2022 vortragen, aufgrund seiner Konversion vom Islam zum Christentum bestehe für ihn eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit, wobei auf die Taufe, Firmung und christliche Eheschließung des Klägers verwiesen wurde. Der christliche Glaube spiele für den Kläger in seinem täglichen Leben eine bedeutende Rolle, sodass dessen Ausübung für ihn unverzichtbar geworden sei. Außerdem habe der Kläger Verfolgungen aufgrund seiner politischen Aktivitäten zu befürchten. Er sei bereits in Iran politisch aktiv gewesen, wobei auf das Schreiben des in den Vereinigten Staaten lehrenden Professors hingewiesen wurde. Der Kläger sei auch bereits in Iran polizeilich bekannt, wozu die beiden Vorladungen und der Haftbefehl vorgelegt wurden. Die Beschaffung der Dokumente, die Übersendung nach Deutschland und die Übersetzung hätten einige Zeit in Anspruch genommen, sodass diese erst jetzt übersendet würden. Der Kläger lasse mitteilen, dass die Dokumente von einem Bekannten eines guten Freundes vom iranischen Gericht hätten beschafft werden können und anschließend in einem verschlossenen Briefumschlag von einem anderen Bekannten persönlich nach Deutschland gebracht worden seien; diese Person hätte keinerlei Kenntnis über den Inhalt des Umschlags gehabt. Der Kläger habe den Umschlag bei dieser Person persönlich abgeholt. Der Kläger habe seine Aktivitäten in Deutschland fortgesetzt. Er sei sowohl im Internet als auch außerhalb des Internets politisch aktiv. Er verbreite seine politischen Ansichten mittels der sozialen Medien I., Wh.A. und T.. Er poste politische Bilder und äußere seine kritische Meinung hierzu, wozu die Screenshots in persischer Sprache vorgelegt wurden. Außerhalb des Internets nehme der Kläger an Demonstrationen teil und halte Reden. Er habe an Demonstrationen vor dem R. Dom und dem iranischen Konsulat teilgenommen und Reden gehalten, wozu die beiden Fotos und die beiden deutschsprachigen Redetexte vorgelegt wurden. Dem Kläger drohe aufgrund seiner politischen Aktivitäten eine beachtliche Verfolgungsgefahr durch die iranischen Behörden. Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Oldenburg vom 29. November 2021 sei davon auszugehen, dass exilpolitische Aktivitäten von Iranern im Internet überwacht würden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine Person, die keine hohe Sichtbarkeit als Aktivist habe, bei Rückkehr für ihre politischen Aktivitäten verhaftet werde. Es sei zumindest mit einer Befragung durch die iranischen Behörden zu rechnen, möglicherweise auch mit Vorladung, Inhaftierung bis hin zu einer Verurteilung abhängig von der Bewertung der exilpolitischen Tätigkeiten durch die iranischen Behörden.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ergänzte der Kläger seinen Vortrag unter anderem hinsichtlich seiner Tätigkeit in der Behörde, mit der häufiger Auslandsaufenthalte verbunden gewesen seien. Nach seiner Haft im Jahr 1374 habe er sechs Jahre in einer Textilfabrik gearbeitet, bevor er die Tätigkeit bei der Behörde habe aufnehmen können. Er habe auch noch sechs Monate lang in einer Reifenherstellung gearbeitet, bevor er 1382 bei der Behörde angefangen habe. Er verneinte die Frage, ob er einen Zugang zum sog. Sana-System zur Zustellung elektronischer Dokumente der iranischen Justiz habe. Zu den klägerseits vorgelegten elektronischen Justizdokumenten erklärte er, dass er seinen Neffen, der zu den höheren Schichten in Iran gehöre, gebeten habe, die Unterlagen zu besorgen. Die Person, die für seinen Neffen diese Unterlagen besorgt habe, habe ihm dringend geraten, diese nicht per Post zu übersenden; man habe deshalb einen Studenten in R. beauftragt, diese Unterlagen aus dem Iran nach Deutschland zu bringen. Die Dokumente seien erstellt worden, als er sich bereits bei seinem Freund in B. befunden habe. Im „Februar/März 2019“ hätte ein Schreiben in seinem Laden abgegeben werden sollen; er habe aber seine Geschäftsführerin angewiesen gehabt, generell keine Schriftstücke entgegenzunehmen, was diese auch nicht getan habe – das habe er allerdings erst später über seinen Neffen erfahren, der mit der Geschäftsführerin gesprochen habe, die allerdings nicht gewusst habe, welches Schriftstück von den zwei Beamten hätte abgegeben werden sollen. Beim Bundesamt habe er die beim Verwaltungsgericht vorgelegten Dokumente nicht erwähnt, weil er von diesen noch keine Ahnung gehabt habe. Er sei am „1.12.1397“ verschwunden – er habe seine Frau deswegen nicht informiert, weil er Angst davor gehabt habe, dass diese dem Ettelaat alles sage, wenn sie unter Druck gesetzt worden wäre; er habe seiner Frau auch nicht gesagt, dass er nur untertauche und sie sich keine Sorgen machen solle, weil auch dies gefährlich gewesen wäre. Sein eigener Bruder, der verdeckter Ermittler beim Ettelaat sei, habe gefragt, wo der Kläger sei, was der Bruder als Information an Ettelaat habe weitergeben wollen. Den Urlaub habe er Ende des 11. Monats (Bahman) 1397 als unbezahlten Urlaub beantragt. Das Visum habe er im Monat Bahman 1397 beantragt; abgelehnt worden sei der Visumsantrag etwa eine Woche später, etwa Mitte des Monats Bahman 1397. Von der Ausreise seiner Familie habe er Anfang des 4. Monats (Tir) 1398 erfahren; damals sei er in der Stadt B. gewesen. Zu seiner politischen Betätigung in Deutschland teilte der Kläger mit, dass er nach seiner Ankunft sein Handy wieder aktiviert habe. Er habe insgesamt zweimal in R. und zweimal vor dem Generalkonsulat in München Reden bei dortigen Versammlungen gehalten – genaue Daten könne er nicht nennen. Er sei weiterhin auf I., Wh.A. und T. aktiv, wobei er über Unterdrückung, Erniedrigung sowie über alles berichte, was das iranische Regime mit der Bevölkerung mache. Wegen der Verknüpfung mit Radio F. und amadnews seien I.veröffentlichungen für Millionen zugänglich, die einen I.zugang hätten; die 300 bis 800 Follower bei T. seien nur ein Beispiel gewesen – soweit die Follower ihrerseits Follower hätten, ergäbe sich ein großes Netzwerk. Als Grund für seine Abkehr vom Islam nannte der Kläger zum einen den Übergriff seines Vaters gegen seine Tochter; der Vater hätte Koranschüler gehabt und sei kurz vor dem Übergriff von einer Mekka-Reise zurückgekehrt. Zum anderen hätten die Ajatollahs nicht auf die Unterdrückung des Volkes verzichtet und sei die Geschichte des Islam von Anfang an mit Blut getränkt gewesen. Bereits in Iran habe er Abstand von allen Religionen genommen, aber irgendwo in seinem Herzen weiterhin an Gott geglaubt, wobei in ihm eher eine Art Hass gegenüber dem Islam aufgestiegen sei und er auch keine Moschee besucht habe sowie auch nicht an den Mittagsgebeten teilgenommen habe, wozu er befragt worden sei und was seine Beförderung verhindert habe. Das Christentum habe ihn auserwählt; nicht er habe den Weg gefunden, vielmehr sei Christus es gewesen, der ihn gefunden habe – dabei nahm der Kläger auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn Bezug. Das Christentum sei weniger eine Religion, sondern ein richtiger Weg zum Leben; es sei für ihn wie eine neue Geburt. Er sei dankbar, dass Gott und Christus ihn gerettet hätten und er von den Sünden befreit worden sei. Mit anderen Religionen habe er sich nicht beschäftigt; er kenne sie nur dem Namen nach. Der Kläger ging auf die Unterschiede christlicher Konfessionen ein und beschrieb, wie er zur katholischen Kirche gekommen sei. Im Alltag hätten das Lesen in der Bibel, der Kirchenbesuch und das Beten für ihn einen besonderen Stellenwert. Auch sei ihm die Weitergabe der christlichen Botschaft eine Herzensangelegenheit. Vergebung und Liebe sowie Gutes zu tun, sei ein wichtiger Punkt. Mit dem Alten Testament habe er sich noch nicht so intensiv befasst. Bei einer Rückkehr nach Iran könne er sich nicht frei bewegen und würde zum Tode verurteilt werden; er könne dort auch nicht missionieren, weil er dann umgebracht werde. Weiter wies er darauf hin, als Christ solle man das Licht nicht verstecken, sondern anderen ebenfalls zugänglich machen; er würde solches auch in Iran tun, aber dann hingerichtet werden. Auch würde ihm in Iran das Zusammenleben mit den Gemeindemitgliedern fehlen und könnte er dort nicht die Bibel in Freiheit lesen, sodass ihm das gesamte bisherige Leben abhandenkäme.

Das Verwaltungsgericht hörte den Pfarrer der katholischen Pfarrei, in der Taufe, Firmung und christliche Ehebestätigung erfolgt waren, informatorisch, der das große Engagement der Familie des Klägers bei der Glaubensunterrichtung und beim regelmäßigen Gottesdienstbesuch betonte – den Kläger und seine Familie habe er als ehrlich empfunden; der Kläger erscheine oftmals persönlich mit der Bibel bei ihm und stelle ihm Fragen. In der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung legte der Kläger eine neu ausgestellte iranische Identitätskarte vor.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth wies die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2022 ab, wobei es insbesondere die Verfolgungsgeschichte des Klägers nicht glaubte, die von ihm vorgelegten iranischen Justizdokumente als nicht echt erachtete, eine identitätsprägende Konversion zum Christentum verneinte und die exilpolitische Betätigung des Klägers mangels hinreichender Exponiertheit als nicht verfolgungsgefahrenträchtig erachtete.

Im – vom Senat durch Beschluss vom 10. Januar 2023 (Az. 14 ZB 22.30738) zugelassenen – Berufungsverfahren beantragt der Kläger,

ihm unter Abänderung des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 Halbs. 1 AsylG zuzuerkennen.

Klägerseits wurde in der Berufungsbegründung vom 23. Februar 2023 die im Zulassungsantrag geäußerte Kritik am verwaltungsgerichtlichen Urteil erneuert und die Klageabweisung auch in der Sache hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung kritisiert, insbesondere hinsichtlich der erstinstanzlich vorgelegten Dokumente. Bezüglich der iranischen Justizdokumente wurde betont, dass die Abfrage von elektronischen Dokumenten beim iranischen Sana-Portal auch durch andere Personen, insbesondere einflussreiche Persönlichkeiten in Iran, erfolgen könne, wobei ein eigener Zugang des Klägers nie behauptet, sondern ein glaubhafter abweichender Geschehensablauf zur Beschaffung vorgetragen worden sei. Hinsichtlich der Konversion zum Katholizismus sei eine Identitätsprägung fehlerhaft unter Außerachtlassung von Angaben des Klägers und des Pfarrers verneint worden. Der Kläger habe sein Konversionsmotiv eindeutig erklärt. Obwohl er dem Islam aufgrund auch der Vergewaltigung seiner Tochter durch den eigenen Großvater den Rücken gekehrt habe, habe er immer an einen Gott geglaubt. In einer Religion, in der es aufgrund der Taten des Propheten erlaubt sei, noch nicht einmal zehnjährige Mädchen zu ehelichen, sei die Vergewaltigung formal strafbar, jedoch werde diese nicht nur nicht geächtet, sondern sei vielmehr religionsimmanent. Soweit das Verwaltungsgericht die Mitteilungen des katholischen Pfarrers dahin bewerte, dass der Kläger sich in einem fremden Land von sozialen, ihm freundlich zugewandten Kontaktmöglichkeiten angezogen fühle, sei dies Ausdruck schierer Voreingenommenheit, wobei die katholische Gemeinde die Familie des Klägers in ihre Mitte aufgenommen und von ihrer Zuneigung zum Christentum überzeugt sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei informatorischen Anhörungen in den mündlichen Senatsverhandlungen vom 1. Juli 2024 und vom 5. August 2024 teilte der Kläger unter anderem mit, dass sein Telefon überwacht worden sei, sei ihm von einem Kollegen, der Chef der Kommunikation gewesen sei, Anfang Dey (10. Monat) 1397 in einem Restaurant mitgeteilt worden; der Name dieses Kollegen sei H. gewesen. Sein enger Freund S., der einen hohen Dienstgrad in der Firma habe und mit dem er Wehrdienst geleistet habe, habe ihn zwischen dem 15. und 25. des Monats 11/1397 gewarnt und um ein Treffen in einem Lokal bzw. Coffee Shop um 21:00 Uhr gebeten. Er habe in der Arbeit sowohl am Telefon als auch am Rechner Regimekritisches geäußert, und zwar als Führungskräfte die Gehälter herabgesetzt hätten, diesen gegenüber, wobei er als Vertreter sämtlicher Mitarbeiter mit entsprechender Urkunde dem habe nachgehen und es den Mitarbeitern habe mitteilen müssen. Am Arbeitsrechner habe er politische und gesellschaftliche Probleme geschildert, die er vorher unter anderem von amadnews erhalten habe. Diese Informationen habe er beispielsweise in den Pausen an T.-Gruppen weitergeleitet. Den Visumsantrag für Italien habe er für sich und seine Familie Mitte Bahman 1397 (4.2.2019) gestellt. Dieser einzige Visumsantrag seinerseits und seitens seiner Ehefrau sei circa eine Woche später abgelehnt worden. Zum Vorhalt, dass eine Visumsantragstellung für Italien bereits für 2018 aktenkundig vermerkt sei, erklärte er, er habe die Antragstellung am Anfang einem Visa-Beschaffungsunternehmen überlassen und die Angabe „Mitte Bahman 1397“ sei auf die Vorstellung in der Botschaft bezogen gewesen. Der Urlaub sei von ihm vier Tage später in der letzten Bahman-Woche am 27. Bahman 1397 (16.2.2019) beantragt und an Ort und Stelle genehmigt worden, weil die Krankheit seines Kindes bekannt gewesen sei, wobei die den Urlaub bewilligende Abteilung mit der Abteilung, die die betriebliche Überwachung innehabe, nichts zu tun habe. Die erstinstanzlich vorgelegten Dokumente habe er erst nach der Bundesamtsanhörung im Jahr 2021 von einer iranischen Studentin erhalten, die diese Dokumente ihrerseits vom Anwalt des Klägers in Iran erhalten gehabt habe; vor seiner Ausreise aus Iran habe er keine Dokumente bekommen. Vor dem Verwaltungsgericht habe er noch nicht gewusst, dass er beim Sana-System registriert sei, weil er gedacht habe, man müsse sich für jedes Gerichtsverfahren extra registrieren lassen. Sein Anwalt in Iran habe ihm aber erklärt, dass er doch registriert sei, weil er ca. 1396 ein Verfahren gegen seine Organisation – bei der er seit 1382 beschäftigt sei – beim höchsten obersten Verwaltungsgericht geführt habe wegen einer nur zeitvertraglichen Einstellung. Dabei habe er sein Handy vom Monat 10/1397 bis zum Verlassen des Iran (29.6.2019) ausgeschaltet. Sein Anwalt habe die Dokumente heruntergeladen. Vor ca. zwei Jahren habe er sein Handy wieder einschaltet; die beim Verwaltungsgericht mitgeteilte Wiederaktivierung des Handys nach der Ankunft sei mit einer deutschen SIM-Karte erfolgt. Er habe telefonisch erfahren von der Ausreise seiner Ehefrau aus Iran durch seinen sehr engen Freund G., den er mit dem Telefon seines Freundes M. angerufen habe. Seine iranische IDcard (Houshmand-Card) habe ihm ebenfalls die besagte iranische Studentin mitgebracht. Als Auslöser seiner Konversion zum Christentum benannte der Kläger, er sei in einer sehr strenggläubigen muslimischen Familie aufgewachsen, sein Vater sei Koranlehrer gewesen und habe die damals siebenjährige Tochter des Klägers angefasst; auch andere Strenggläubige hätten Derartiges mit anderen Kindern getan. Der Kläger habe daher ein schlechtes Bild vom Islam; er habe jegliche Religion gehasst, irgendwie sei Gott aber in seinem Herzen gewesen und er habe keinen Zweifel an Gott. Sollte das, was sein Vater seiner Tochter angetan habe, die wahre Religion sein, so sei sie keine wahre Religion. Wenn er aber gefragt werde, ob so etwas der Islam erlaube, sage er „natürlich nicht“. Konkreter Auslöser seiner Hinwendung zum Christentum sei gewesen, dass es ihm schon in Iran schlecht gegangen sei (Verlust zahlreicher Zähne, Zuwendung zu schlechten Freunden, Alkoholkonsum, Streit mit seiner Frau) und es ihm zunächst in Deutschland, wo er anfangs Widerstand gegen das Christentum geleistet habe, immer schlechter gegangen sei (Depressionen und zahlreichen Krankheiten), während es seiner Frau, die schon in Iran das Christentum kennengelernt und sich mit Christen in Verbindung gesetzt habe, immer besser gegangen sei. Seine Frau habe ihn dann aufgefordert, zur Kirche zu gehen, und ihm das heilige Buch gegeben, in dem er immer mehr gelesen habe, was ihm Hoffnung und Ruhe gegeben habe; auf keinen Fall wolle er diese Gefühle verlieren; es gehe ihm prima, wenn er anderen helfen könne. Er sei opiumabhängig gewesen und habe keinen Rückfall mehr gehabt; das sei seine Religion, sein Glaube gewesen. Im Alltag bete er morgens, gehe sonntags vormittags zum Gottesdienst und nehme sonntags abends an einer Online-Religionslehre teil. Außerdem stehe er seiner Familie zur Verfügung zum Lesen. Er habe hier sein Leben gefunden, wolle dieses auf keinen Fall verlieren und könne jedem die Befreiungsnachricht mitteilen. In Iran habe er Minderwertigkeitsprobleme gehabt; hier liebe er und könne allen Liebe geben, seinen Gott lieben und den Nachbarn lieben genau wie sich selbst. Hier habe er alle Möglichkeiten, Menschen zu helfen. Bei einer Rückkehr nach Iran würde er große Kirchen besuchen, wenn dies möglich wäre, was aber nicht der Fall sei; ansonsten sei auch zuhause seine Kirche und er werde jede Gelegenheit nutzen, um zu beten und zu missionieren gegenüber seinen Verwandten der neuen Generation (Neffen und Cousinen), die ihn mögen, was er sogar von Deutschland aus über das Telefon tue. Er habe wieder Kontakt zu allen Leuten, die ihm etwas angetan hätten. Auch seinen Bruder, der für die Sicherheitskräfte gearbeitet und seine Frau unter Druck gesetzt habe, habe er zweimal angerufen und mit ihm gesprochen; danach habe dieser Telefonate nicht mehr angenommen. Sein Vater sei verstorben; er bete dafür, dass Gott ihm vergibt.

Im Berufungsverfahren wurde klägerseits ein pfarramtliches Zeugnis vom 19. Juni 2024 vorgelegt, wonach der Kläger seit seiner Eingliederung in die katholische Kirche und Aufnahme in die Pfarrgemeinde als guter Mensch und überzeugter Christ lebe und mit seiner Familie engagiert am alltäglichen Pfarreileben teilnehme. Vorgelegt wurde außerdem eine Bescheinigung eines Vereins zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe für Menschen jeglicher Herkunft vom 26. Februar 2024 über eine freiwillige ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers für diesen Verein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten des Klägers und seiner Ehefrau Bezug genommen.